industrieBAU, Ausgabe 4 / 2007 - Built

Sauerbruch Hutton, Berlin
MANAGEMENT
PROJEKTSTEUERUNG: ANFORDERUNGEN UND ZIELE
Bauabteilung auf Zeit
Je früher ein Projektmanager in ein geplantes Bauvorhaben eingebunden wird,
desto größer ist der wirtschaftliche Mehrwert für den Auftraggeber. An dieser nicht
wirklich neuen Erkenntnis hat sich bis heute nichts geändert.
TEXT: MAXIMILIAN GREIL, THOMAS NÜNNINGHOFF
Von vielen am Bau Beteiligten wird das
Thema Projektsteuerung kontrovers diskutiert. Die Bandbreite der durchaus ernstzunehmenden Statements reicht von „Der
Projektsteuerer ist bei einem guten Architekten und Generalunternehmer völlig
überflüssig“ über Meinungen wie „Der
Projektsteuerer bestimmt maßgeblich den
Bauablauf, trägt aber in der Realität keine
Verantwortung“ oder „Der Projektsteuerer
ist der wichtigste Baubeteiligte“. Alle Aussagen treffen zu und sind gleichzeitig
falsch. Sie spiegeln den Erfahrungshorizont der jeweils beteiligten Partner und
4/07 industrieBAU
geben die zunehmenden Spannungen untereinander wieder.
In Zeiten, in denen Baumaßnahmen
komplexer und komplizierter werden, wird
die Aufgabe jedes Einzelnen kritischer gesehen.
Fünf Projektstufen
Unabhängig von ihrer Größenordnung
bedürfen Bauprojekte einer Ordnung, um
strukturiert und zielgerichtet ablaufen zu
können. Für den Projekterfolg ist es erforderlich, dass die einzelnen Handlungsab-
läufe im Projekt entsprechend der zeitlichen und logistischen Reihenfolge stattfinden. Hierzu bedarf es der Steuerung
der einzelnen Schritte im Projekt durch einen in baufachlichen und baurechtlichen
Belangen erfahrenen Fachmann. Das sind
in der Regel Architekten, Bau- oder auch
Vermessungsingenieure mit entsprechender Praxiserfahrung.
Das Leistungsbild der Projektsteuerung
ist entsprechend des Projektfortschritts in
fünf „Projektstufen“ und innerhalb jeder
Projektstufe in vier „Handlungsbereiche“
strukturiert, um Qualität, Kosten und
53
MANAGEMENT
Termine im Sinne des Bauherrn einzuhalten. Um ein Projekt zu organisieren, zu
koordinieren und zu dokumentieren und
eine Informationsstruktur für alle Beteiligten aufzubauen, verwendet der Projektsteuerer Werkzeuge wie Terminpläne,
Kostenaussagen nach DIN 276, Organisationshandbücher oder Formulare.
Delegierbare
Bauherrenaufgaben
Transparenz im Projekt
Zu den Zielen der Projektsteuerung gehört das Sicherstellen der Transparenz im
Projekt. So kann der Auftraggeber sicher
sein, jederzeit sichere und belegbare
Auskünfte zu erhalten:
- zum Projektfortschritt
- zur Entwicklung der Projektkosten mit
Feststellung der Abweichung und deren
Ursachen, sowie den eingeleiteten Gegensteuerungsmaßnahmen
- zur Entwicklung der Projekttermine mit
Feststellung der Abweichung und deren
Ursachen, sowie den eingeleiteten Gegensteuerungsmaßnahmen.
Ferner soll durch die Projektsteuerung sichergestellt werden, dass die Baumaßnahmen innerhalb der vorgegebenen Kostenund Terminziele wirtschaftlich, funktionsgerecht und mängelfrei ausgeführt werden und dass sie den qualitativen und
rechtlichen Anforderungen entsprechen.
Informations- und
Datenmanagement
Gemeinsame elektronische
Sprache
Projektentwicklung und Projektsteuerung beinhalten für komplexe Aufgaben
Verfahren zur Optimierung der notwendigen Prozessabläufe. Diese haben in der
Regel Informations- und Kommunikationscharakter. Dazu gehören Vorgänge zur
Wirtschaftlichkeit, Finanzierbarkeit, Termintreue sowie zur funktionalen und
technologischen Qualität. Eine konflikt-
Sauerbruch Hutton, Berlin
Jede Bauherrenorganisation die Bauprojekte errichtet braucht zum stringenten Erreichen der vorgegebenen Ziele eine entsprechende Steuerung. Eine externe
Projektsteuerung wird in der Regel hinzugezogen, wenn die internen Kapazitäten
der Bauherrenorganisation ausgelastet
oder fachlich nicht in der Lage sind, bestimmte Bauherrenaufgaben zu erfüllen.
Die Aufgaben, die an externe Projektsteuerer vergeben werden, sind die so
genannten „delegierbaren“ Bauherrenaufgaben. Hier wirkt die externe Projektsteuerung für die Bauherren als deren
„Bauabteilung auf Zeit“. Innerhalb dieses
Zeitraums nimmt die Projektsteuerung die
Bauherreninteressen gegenüber den anderen am Projekt beteiligten Planern, Baufirmen und Behörden wahr. Diese Aufgaben
verbleiben im Verantwortungsbereich des
Auftraggebers, da sie zum Kern der ureigenen Bauherrenaufgabe gehören:
- Vorgabe der Projektziele
- Definition des Bauprogramms in qualitativer und quantitativer Hinsicht
- Bereitstellung und Sicherung der Finanzierung
- Auswahl und Beauftragung von Vertragspartnern
freie Organisation mit transparentem und
anpassungsfähigem Gesamtablauf und
dem dazugehörigen Informationsfluss ist
notwendige Voraussetzung. Da diese Informationen heute überwiegend in strukturierter Form (dv-technisch les- und weiterbearbeitbar) ausgetauscht werden,
muss eine gemeinsame „elektronische
Sprache“ beschrieben und in einem Pflichtenheft dokumentiert werden. Die Vorgaben müssen verbindlich sein und Bestandteil der Verträge aller Projektbeteiligten
werden. Nur die klare Beschreibung und
Festlegung von Dateiformaten, Schnittstellen und CAD Vorgaben ermöglichen einen
redundanzfreien, fehlerminimierten und
wirtschaftlichen Informationsaustausch.
- Überwachung und Projektbegleitende Erfolgskontrolle
- Vergabe von Leistungen
- Treffen von Entscheidungen auf Grund
gesetzlicher Bestimmungen.
54
Größere Projekte des Wirtschaftsgeschehens sind übergreifende, anspruchsvolle und komplexe Systeme, in deren Mittelpunkt meist ein Bauwerk steht. Darin
stecken mehrere Millionen Informationen,
erarbeitet durch Konzepte, Protokolle, Untersuchungsergebnisse, Berechnungen,
Ausarbeitungen, Modelle, Photos, Zeichnungen, Schriftverkehr oder Controlling.
Später werden diese laufend ergänzt, angepasst oder begründet geändert. Alles
muss in vereinbarter Form durchgeführt
und dokumentiert werden. So muss jeder
Schritt, der nur durch die dazu Beauftragten festgelegt wird, unverzüglich an das
Gesamtteam oder die entsprechenden
Personen zur Stellungnahme oder Umsetzung weitergeleitet werden. Die entstandenen Informationen (Daten) müssen
immer leicht und schnell auffindbar, vollständig, widerspruchsfrei und beweiskräftig sein. Eine Methode, die dieses Informations(Daten)-Management erst
vollständig ermöglicht, ist die Arbeit mit
Projekträumen. Im Wesentlichen handelt
es sich dabei um internetgestützte Datenräume, die weltweit 24 Stunden täglich
und unter allen sicherheitsrelevanten Bedingungen erreichbar sind. Künftige Projekte, selbst kleinere Aufgaben, sind ohne
den ausschließlichen Einsatz von Projekträumen heute kaum noch denkbar. Im Ergebnis wird ausnahmslos festgestellt, dass
der gut organisierte und strukturierte Projektraum immer für Einfachheit, Vollständigkeit, Objektivität, Transparenz, Präzision, Effizienz und Kostenreduzierung sorgt.
industrieBAU 4/07
MANAGEMENT
HPP-Architekten, Düsseldorf
Beispiele für eine wirtschaftliche Projektplanung und Abwicklung sind der Neubau der
ADAC Hauptverwaltung für 2 400 Mitarbeiter mit 75 000 m2 BGF (Planung und Bau:
2005 bis 2009) sowie die Revitalisierung des
Bürohochhauses am Dammtorwall in Hamburg. Das ehemaliges „Unilever Haus“ ist ein
Projekt der Union Investment Real Estate,
Hamburg. Das 91 Meter hohe, sternförmige
Bürohaus wurde Anfang der 60er Jahre entworfen. Es hat eine Büronutzfläche von über
33 000 Quadratmetern. Derzeit wird das Gebäude umfassend saniert, um es den heutigen Anforderungen an ein modernes Bürogebäude anzugleichen. Die Projektlaufzeit
wird 60 Monate betragen, das Projektdatenmanagement hat die Builttec, München,
übernommen
Fazit
Die Anforderungen an den Projektsteuerer und sein Verantwortungsbereich
als „Organisator“ und Vertrauter des Bauherren sind in den vergangen Jahren stetig
gewachsen. Die rasante Entwicklung der
Informations- und Kommunikationstechnologie, des Internets und die gestiegenen
Ansprüche an Informationsaustausch beziehungsweise das Vorhalten von Informationen “just in time“ unabhängig von Ort
Handlungsbereich
Projektstufe 1 Projektstufe 2
A
Organisation, InforProjektvormation, Koordination, bereitung
Dokumentation
und Zeit wirken sich verschärft auf die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten aus.
Darüber hinaus müssen die Nachhaltigkeit
und Transparenz aller Informationen, die
während der Projektentwicklung und Projekterstellung anfallen, auch bei eventuellen juristischen Auseinandersetzungen als
Grundlage einer Beweisführung dienen
können. Es bleibt wie es war: Der Projektsteuerer sollte möglichst früh in ein Projekt einsteigen, denn durch die rechtzeitige Steuerung der Vorgaben und der
Organisation lassen sich Fehlentwicklungen der Informationsgenerierung und Vorhaltung von Anfang an minimieren. Damit
wird die durchgängige und saubere Abbildung des Projektes in jedem gewünschten
Detaillierungsgrad erst möglich.
Projektstufe 3
Projektstufe 4
Projektstufe 5
Planung
Ausführungsvorbereitung
Ausführung
Projektabschluss
B
Qualitäten, Quantitäten
Projektvorbereitung
Planung
Ausführungsvorbereitung
Ausführung
Projektabschluss
C
Kosten und Finanzierung
Projektvorbereitung
Planung
Ausführungsvorbereitung
Ausführung
Projektabschluss
D
Termine, Kapazitäten,
Logistik
Projektvorbereitung
Planung
Ausführungsvorbereitung
Ausführung
4/07 industrieBAU
Projektabschluss
HPP-Architekten, Düsseldorf
In der Praxis bewährt haben sich in Abhängigkeit von den geforderten Aufgaben
Projekträume von Unternehmen wie Conject, Conetics, Baulogis oder CTSpace
(BuildOnline + Citadon).
„Die Projektsteuerung ist das Kernstück eines professionellen Projektmanagements. Sie ermöglicht es, die
Prozesse in der Projektarbeit so zu führen, dass die
Projektziele erreicht werden können. Die Maßnahmen zur Qualitätsförderung dienen dazu, diese Prozesse laufend zu verbessern.“
(Quelle: wikipedia.org)
Maximilian Greil, Inhaber, und Thomas Nünninghoff,
Dipl.-Ingenieur, beide Built-TEC Management
Consultants, München;
Kontakt: [email protected],
[email protected], www.builttec.de
55