Inhalt • Evolution und Artenvielfalt • Morphologie • Ökomorphologie • Reproduktionsbiologie • Populationsbiologie • Ultraschall-Echoorientierung • Nahrungsökologie – Jagdverhalten • Quartierökologie • Verhalten • Winterschlaf – Phänologie • Methoden in der Fledermausforschung • Gefährdung heimischer Fledermäuse • Schutz heimischer Fledermäuse Was ist Schall? • Unter Schall versteht man Druckschwankungen die sich als Longitudinalwelle in der Luft (oder einem anderem Medium) fortpflanzen. • Schall hat eine feste Ausbreitungsgeschwindigkeit c. • Ton = Schallwelle mit einer einzigen Schwingungsfrequenz, Hz (Hertz = Anzahl Schwingungen / s) • Frequenz γ und Wellenlänge λ der Schwingung hängen über folgende Gleichung zusammen. c=γ.λ Was ist Schall? • Laute = Schallereignisse die aus verschiedenen Frequenzen zusammengesetzt sind • Schallgeschwindigkeit in der Luft hängt von Temperatur und Luftfeuchte ab. • Bei 25°C und 50% RF (relativer Luftfeuchte) beträgt sie 340 m/s (= 340 mm/ms). • Schallwelle von 10.000 Hz (= 10 kHz) hat eine Wellenlänge von 34 mm • Schallwelle von 100 kHz hat eine Wellenlänge von 3,4 mm Was ist Schall? • Die Energie einer Schallwelle ist dem Quadrat der Schalldruckamplitude proportional. • Die Lautstärke gibt man als Logarithmus der Energie in dB an 1 dB = 10 log (Schallenergie) = 20 log (Schalldruck). • Relativ zu einem Schalldruck von 2.10-5 N/m2 (entspricht annähernd der Hörschwelle des Menschen) dB SPL (sound pressure level) Was ist Schall? 1) Geometrische Abschwächung = Schallenergie nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab (verteilt sich auf eine immer größere Fläche). 2) Atmosphärische Abschwächung (Attenuation) = Schalldruckamplitude wird niedriger, da sie Energie an die Luft verliert. Die Attenuation hängt stark von der Frequenz ab, aber auch von Temperatur und Luftfeuchte. Hohe Frequenzen werden viel stärker gedämpft als niedrige Frequenzen. Entdeckung der Echoorientierung Um 1790 macht SPALLANZANI (Gelehrter und Bischof in Padua) Experimente mit Fledermäusen. Er stellte fest, dass sie in absoluter Dunkelheit Hindernissen ausweichen können – im Gegensatz zu Eulen. Wenn er die Tiere blendete, änderte sich nichts an dieser Fähigkeit. Wenn er ihnen Ohren und Maul verklebte, dann waren sie desorientiert. Interessanterweise deutet SPALLANZANI diese Ergebnisse nicht in Richtung einer Wahrnehmung über die Echos der Rufe. Erst D. GRIFFIN entdeckte 1938 mit Hilfe der jetzt verfügbaren Mikrophone für den Ultraschallbereich, dass Fledermäuse kurze klickende Rufe ausstoßen. Ultraschall-Echoorientierung Ist ein aktives Orientierungssystem ! Empfänger Neuronale Systeme Sender Ultraschall-Echoorientierung • Warum nutzen Fledermäuse Ultraschall zur Echoorientierung? Ultraschall hat den Vorteil, eine relativ genaue Auflösung zu geben. • Je höher die Frequenz, desto kleiner die Wellenlänge und, • je kleiner die Wellenlänge, desto kleiner wiederum kann der Abstand zwischen zwei Objekten sein, damit sie gerade noch als getrennte Objekte wahrnehmbar sind. Entfernungsmessung Bsp.: ein Käfer ist 3,40 m von der Fledermaus entfernt - ihr Ortungsruf braucht dann 10 ms bis zum Käfer - und weitere 10 ms braucht das Echo zurück = d.h. eine Laufzeit von 20 ms zeigt also ein Schall reflektierendes Objekt in 3,40 m Entfernung an Je genauer die Laufzeit gemessen werden kann, desto genauer ist die Entfernung bekannt. Entfernungsmessung Die genaueste mögliche Messung einer Laufzeit wird durch das informations-theoretische Verfahren der Kreuzkorrelation ermöglicht. Vorstellung: im Gehirn der Fledermaus laufen neuronale Rechenoperationen ab, die im Resultat einer Kreuzkorrelation entsprechen. Kreuzkorrelation F(t) zweier Zeitfunktionen g(t) und f(t): F(t) = ∫ g(Τ) • f(t + Τ) • dΤ Misst den Einfluss einer Zeitverschiebung ∆t = Τ auf die Übereinstimmung bzw. Ähnlichkeit zweier Zeitfunktionen. Richtungs-Hören Unterschiedliche Möglichkeiten: 1) eng gebündelter Strahl zum abtasten der Umwelt Echos kommen nur aus der Richtung zurück auf die der Schallstrahl gerichtet wurde. 2) mehrere Empfänger Laufzeitunterschiede zwischen den Empfängern 3) „breitbandige“ Signale verwenden und für verschiedene Frequenzen richtungsabhängige Filter einbauen „Klangfarbe“ der Echos kann zur Richtungsbestimmung genutzt werden. Diff. optischer und akustischer Orientierung Optische Orientierung: sehr genaue Analyse aller Richtungen (über die zweidimensionale Retina) aber eine relativ ungenaue Abschätzung der Entfernung Akustische Orientierung: Entfernungen sind sehr genau bekannt, aber die Richtung der Gegenstände ist nur schwer und ungenau zu ermitteln („zwiebelschalige Welt“). Fledermäuse sind aber in der Lage mithilfe der Echoorientierung ein ebenso vollständiges und präzises Bild von der Umwelt aufzubauen, wie es Menschen und andere Wirbeltiere mit Hilfe der Augen können. Erzeugung der Ortungsrufe Ortungsrufe werden im Kehlkopf erzeugt. Dabei wird Luft mit hohem Druck über die Stimmlippen gepresst, wodurch diese in Schwingungen versetzt werden. Die Stimmlippen der Fledermäuse sind klein und straff gespannt und können dadurch sehr hohe Frequenzen erzeugen. Diese Schwingungen werden anschließend in Resonanzkammern im Nasen- und Rachenraum verstärkt und frequenzgefiltert. Ortungsrufe sind fast immer frequenzmodulierte Sinustöne, die eine oder mehrere Oberwellen (Harmonische) besitzen können. Ortungsrufe CF-Rufe (FM-CF-FM) FM-Rufe FM / CF q CF Dietz et al. (2007) Oszillogram Spektrogram Power spectrum Ortungsrufe Ultraschall-Echoorientierung - Probleme Ein grundsätzliches Problem der aktiven akustischen Bilderkennung ist die geringe Intensität der Echos. Der Ruf sollte daher eine möglichst große Lautstärke haben. Im freien Flug wurden Lautstärken von mehr als 130 dB SPL gemessen (10 cm Abstand vom Maul). Dies entspricht der Schmerzgrenze beim Menschen. Diese Lautstärken können im – Hörbereich des Menschen abgestrahlt – bereits dauerhafte Schäden des Gehörs verursachen. Fledermäuse dürften deshalb auch kaum noch lauter rufen. Ultraschall-Echoorientierung - Probleme Als folge der lauten Rufe „dröhnt“ sich die Fledermaus ihre eigenen Ohren derartig zu, dass sie ein gleichzeitig zurückkehrendes Echo nicht mehr wahrnehmen kann. Die Überlappung von Ruf und Echo führt zu einem „Blinden Fenster“. Der Effekt wird noch durch das so genannte „Forward Masking“ verstärkt: laute Hörereignisse maskieren danach eintreffende Hörereignisse, indem sie die Hörschwelle erhöhen. Leise Echos von Insekten können auch von lauteren Echos (z.B. Wand, Baum) überlagert und dadurch unkenntlich werden. Auch hier kommt ein hörphysiologischer Effekt zum Tragen, das „Backward masking“: für das Gehör werden leise Ereignisse auch dann maskiert, wenn sie direkt vor einem darauf folgenden sehr lauten Hörereignis auftreten. Es bleibt ein beschränktes störungsfreies Fenster („clutter freies Fenster“). Ultraschall-Echoorientierung - Probleme Dietz et al. (2007) Problemlösung: Blindes Fenster Verkürzung der Rufdauer Verändert nach Kalko & Schnitzler (1993) in Dietz et al. (2007) Echoorientierung von Hufeisennasen • Hufeisennasen stoßen ihre Rufe durch die Nasenlöcher aus. • Unter den heimischen Fledermäusen auch noch die Langohren (Plecotus spp.) • Konvergente Entwicklung „Orientierung mit vollem Mund“ • Der komplizierte Nasenaufsatz und das Aussenden über die Nasenlöcher ermöglichen eine Bündelung und genaue Ausrichtung des Schallstrahles. Echoorientierung von Hufeisennasen • Auslöschung kohärenter Schallwellen in seitlicher Richtung durch Interferenzen, wenn der Abstand der Quellen (= Nasenlöcher) λ / 2 ist • Hufeinsennasenförmiger Schalltrichter • Hoher „Duty cycle“ = Verhältnis von Ruflänge zu Rufabstand • Richtungsselektivität durch blitzschnelle Ohrbewegungen Abtasten der Umgebung Neuweiler in Dietz et al. (2007) Echoorientierung von Hufeisennasen Die langen Rufe und der hohe Duty cycle setzen voraus, dass Hufeisennasen Echos während des Rufens hören können (Blindes Fenster!). Anpassungen der Hufeisennasen um Echos während des Rufes hören zu können: Echoorientierung von Hufeisennasen 90 Audiogramm von Rhinolophus ferrumequinum 80 70 dB 60 50 40 30 20 0 10 20 30 40 50 60 70 Frequenz (kHz) Nach Neuweiler (1970) 80 90 100 Echoorientierung von Hufeisennasen Der Dopplereffekt führt dazu, dass die zurückkommenden Echos eine höhere Frequenz haben als die ausgesandten Rufe. Große Hufeisennasen können je nach Fluggeschwindigkeit mit einer Frequenz zwischen 71 – 81 kHz rufen ohne dass sie dabei selber viel hören Audiogramm. Die zurückkehrenden Echos haben aber eine höhere Frequenz und liegen damit im empfindlichsten Hörbereich. Echoorientierung von Hufeisennasen Abflug Stat. Mikrophon Ruffrequenz bei der das Gehör am empfindlichsten ist Zurückkehrende Echos Absenkung der Ruffrequenz beim Flug Schnitzler in Dietz et al. (2007) Dopplereffekt Der Dopplereffekt tritt auf, wenn sich Sender und Empfänger relativ zu einander bewegen, ist abhängig von der (Flug-)Geschwindigkeit und der (Ruf-) Frequenz 1) Bei bewegtem Empfänger gilt: f(Beobachter) = fabgesandt + df df = fabgesandt • v / c 2) Bei bewegter Schallquelle gilt: f(Beobachter) = fabgesandt + df df = fabgesandt • 1/(1 – v / c) df = Frequenzänderung (Hz), f = Frequenz (Hz), v = Bewegungsgeschwindigkeit (ms-1), c = Schallgeschwindigkeit (ms-1) Dopplereffekt 3) Bei einer rufenden Fledermaus (bewegter Sender), die außerdem in das Echo hinein fliegt welches vom Objekt reflektiert wird (bewegter Empfänger), gilt annähernd: df = 2 • f • v/c df = Frequenzänderung (Hz), f = Frequenz (Hz), v = Bewegungsgeschwindigkeit (ms-1), c = Schallgeschwindigkeit (ms-1) 4) Bsp: v = 5 m/s, df = 3%, dies entspricht bei einer Frequenz von 100 kHz immerhin 3 kHz Echoorientierung von Hufeisennasen • Der Flügelschlag von Insekten verändert das Echo in charakteristischer Weise. • Jeder Schlag setzt dem Echo ein ‚akustisches Glanzlicht‘ auf („glints“). • Wenn die Hufeisennase eine Reihe von Glanzlichtern hört, steuert sie auf deren Quelle zu. • Funktioniert in etwa so wie Radiowellen: Trägerfrequenz und modulierte Teile • Nachteil: nur Beute hörbar welche ihre Flügel bewegt Ruf-“Design“ und ökologische Anpassung an Habitat und Jagdweise 1. Frequenz der Ortungslaute Höhere Frequenz ermöglicht eine höhere Auflösung. Warum rufen nicht alle Fledermäuse bei sehr hohen Frequenzen? Atmosphärische Dämpfung bedingt eine geringe Reichweite hoher Frequenzen Ruf-“Design“ und ökologische Anpassung an Habitat und Jagdweise 2. Bandbreite der Ortungslaute Breitbandige Signale ermöglichen eine hohe Genauigkeit der Entfernungsmessung. Breitbandige Signale erlauben eine Spektralanalyse in dem vom Signal eingesetzten Bereich des Spektrums: durch Interferenzen entstehende „Kerben“ („notches“), können entweder Informationen über die Struktur des Objektes widerspiegeln oder durch die Ohrmuschel erzeugt werden und damit Rückschlüsse auf die Richtung des Echos liefern. Ruf-“Design“ und ökologische Anpassung an Habitat und Jagdweise 3. Rufdauer Lange Rufe erhöhen die Wahrscheinlichkeit ein interessantes Echo zu detektieren, indem sie das Signal-/Rauschverhältnis verbessern, ermöglichen gute Erkennung von periodischen LautstärkeSpitzen („glints“). Nachteil: großes Blindes Fenster Ruf-“Design“ und ökologische Anpassung an Habitat und Jagdweise Vorteil Nachteil lang Höherer Störabstand des Echos, da viel Energie aufintegrierbar ist; Flügelschlag von Insekten detektierbar Überlappung von Echos naher Objekte mit dem Ruf – „Blindes Fenster“ sehr groß kurz „Blindes Fenster“ klein, exaktere Messung von Laufzeit und Distanz Geringerer Störabstand Hohe Auflösung von Strukturen Starke Dämpfung in der Luft und begrenzte Reichweite Große Reichweite, da atmosphärische Dämpfung gering Schlechte Auflösung von Strukturen Frequenzspektrum des Echos auswertbar (Richtung, Struktur), Kreuzkorrelation von Ruf und Echo genauer Keine Spezialisierung des Gehörs auf bestimmte Frequenzen möglich, weniger Energie in einer Frequenzgruppe Gehör kann für die Ruffrequenz besonders empfindlich sein, Dopplereffekt ist nutzbar Spektrum des Echos enthält keine Informationen über Richtung, Entfernung und Objektstruktur Rufdauer hoch Frequenz niedrig groß Bandbreite gering Ortungsrufe für die Jagd im freien Luftraum • Zumeist wird von den Rufen kein Echo zurückkommen – da am Himmel außer Insekten kaum etwas anzutreffen ist... • Wenn doch ein Echo dann, gute Chancen das es ein Insekt ist. Typische Rufe für die Orientierung im freien Luftraum sind: relativ lange Laute (10-20 ms) mit geringem Frequenzumfang (= geringe Bandbreite) und relativ tiefe Ruffrequenz Ortungsrufe für die Jagd in der Vegetation • Es gibt zum Echo der Beute auch andere Echos (Vegetation, etc.) – großer Unterschied zum freien Luftraum. • 2 Probleme: man braucht Informationen um Hindernissen auszuweichen, und man muss die Beute vom Hintergrund unterscheiden Echos werden auf genaue Positionsinformationen optimiert: - Rufe sind relativ kurz und frequenzmoduliert - Rufe sind eher hochfrequent und haben einen geringen Schalldruck Ortungsrufe für die Jagd in der Vegetation • Die Tiere haben einen wahren „Echosalat“ zu verarbeiten. • Fledermäuse bauen sich nach und nach ein extrem gutes Bild ihrer Jagdgebiete auf und jagen dann auch immer wieder in den selben Gebieten – erleichtert die Orientierung. • Viele Arten nutzen auch die Geräusche der Beute zur Jagd (= Große Ohren der Fledermäuse) für Landeanflug und –kontrolle wird wiederum die Echoortung verwendet. Ortungsrufe für die Jagd über dem Wasser • Drei europäische Fledermausarten sind auf die Jagd über Wasser spezialisiert. • Voraussetzung: ruhiges Wasser, ohne Pflanzen und Wellen • Physik: Einfallswinkel = Ausfallswinkel • Glatte Flächen sind akustisch ähnlich wie die Jagd im freien Luftraum. • Insekten oder auch Samen heben sich akustisch deutlich ab. • = anfliegen und fangen, auch von der Wasseroberfläche Situationsbedingte Änderung Ortungsrufe Final buzz qCF FM/CF FM Dietz et al. (2007) Situationsbedingte Änderung Ortungsrufe Koppelung von Flügelschlag und Ortungsruf Beim Such- oder Transferflug wird i.d.R. ein Ortungsruf je Flügelschlag erzeugt dieser wird beim Flügelabschlag ausgestoßen bei Fledermausarten mit besonders weit reichenden Rufen (also relativ lange und tieffrequente Rufe) ergibt sich folgendes Problem: Ein lautes Echo aus großer Distanz (z.B. große Wand, oder Waldrand), trifft erst nach einer Flügelschlagperiode ein, also auch nach einem neuen Ruf. Es besteht Verwechslungsgefahr da es sehr leise ankommt, entspricht es einem leisen Echo aus kurzer Distanz Koppelung von Flügelschlag und Ortungsruf Problemlösung: Entweder bei jedem zweiten Flügelschlag einen Ortungsruf auslassen Oder Markieren der Echos durch unterschiedliche Frequenzen Bsp.: „Plip-plop“ des Abendsegler (Nyctalus noctula) Fledermäuse und Insekten • Koevolution zwischen Jäger und Beute • Insekten hören Ultraschall-Rufe der Fledermäuse (Tympanalorgan) und können Ausweichstrategien anwenden (sich fallen lassen, ...). • Ungenießbare Insekten stoßen Ultraschall-Laute aus um anzuzeigen dass sie ungenießbar sind. • Fledermäuse haben Strategien entwickelt um die Hörfähigkeit der Insekten zu umgehen: Jagd anhand der Beute-Geräusche, Verwendung von besonders tiefen oder hohen Rufen. Sozialrufe • Partnersuche und Partneranlockung • Verteidigung von Revieren Beispiele: Zweifarbfledermaus ( Vespertilio murinus), Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii)
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