Vollversion - Société Suisse de Pédiatrie

Fortbildungszeitschrift und Informationsbulletin der
Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie
Vol. 26
Nr. 4
IX/2015
12/33 Masern: Diagnostik und Eliminationsstrategie
14
Shared Decision-Making in der Pädiatrie
20–29 SGP-Kongress 2015
NUR IN APOTHEKEN UND DROGERIEN ERHÄLTLICH
Wichtiger Hinweis: Stillen ist ideal für Ihr Kind. Die WHO empfiehlt ausschliessliches
Stillen während der ersten 6 Monate. Informieren Sie sich beim Fachpersonal des Gesundheitswesens, falls Ihr Kind eine Zusatznahrung benötigt oder wenn Sie nicht stillen.
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Durch eine einzigartige Nährstoffkombination und den
höchsten LCPs 2 -Gehalt aller Säuglingsmilchnahrungen 3
legen Sie dank Aptamil Profutura 2 auch nach dem Stillen
die Grundlage für eine gesunde Zukunft Ihres Babys.
1
Auf Basis aktueller Erkenntnisse unserer ENP 1-Forschung
zur Prägung durch frühkindliche Ernährung und mehr als
30 Jahren Wissen über Muttermilch setzen wir einen neuen
Standard für Milchnahrungen.
ENP (Early Life Nutritional Programming): Programmierung durch frühkindliche
Ernährung. 2Mehrfach ungesättigte Fettsäuren der Omega 3 und 6 Familie,
Bestandteile der Muttermilch. 3Schweizermarktbeobachtung Oktober 2014.
Die gesunde Zukunft Ihres
Babys liegt in Ihren Händen
Inhaltsverzeichnis
Vol. 26 Nr. 4 2015
Redaktion
Prof. R. Tabin, Sierre (Schriftleiter)
Prof. M. Bianchetti, Bellinzona
Dr. M. Diezi, Lausanne
PD Dr. T. Kühne, Basel
Dr. U. Lips, Zürich
Dr. M. Losa, St. Gallen
Prof. M. Mazouni, Lausanne
Dr. M.-A. Panchard, Vevey
Dr. P. Scalfaro, Cully
Dr. R. Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Prof. A. Superti-Furga, Lausanne
Dr. R. von Vigier, Biel
Redaktionsadresse
c/o Prof. R. Tabin
Av. du Général Guisan 30
Postfach 942
CH-3960 Sierre
Tel. 027 455 05 05
Fax 027 455 59 55
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© Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
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Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP)
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Fax 026 350 33 03
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Layout und Druck
s+z:gutzumdruck.
Nellenstadel 1
3902 Brig-Glis
Tel. 027 924 30 03
Fax 027 924 30 06
[email protected]
Inserate
Editorial
3· Von der Realität zur Politik. Von der Politik zur Realität
N. Pellaud
Standespolitik
4· Echo aus dem Vorstand
N. Pellaud
5· Protokoll der SGP-Generalversammlung vom 11. Juni 2015, Interlaken
C. Baeriswyl
8·
8·
8·
8·
10·
Fanconi-Preis
Bammatter-Preis
Talent Prize
Fanconi-Preis 2016
Projekt TARVISION – nur eine Vision?
H. Haldi
Fortbildung
12· Maserndiagnostik – die Rolle der Polymerase Kettenreaktion (PCR)
P. Paioni, C. Berger
14· «Shared Decision-Making» in der Kinder- und Jugendmedizin
J. Streuli, E. Bergsträsser
18· Kann die Gesundheit der an Sichelzellanämie leidenden Kinder in Afrika verbessert werden? In Benin erprobte Strategie.
M. C. Rahimy
SGP-Kongress 2015 Interlaken
2
0· Vaskuläre Anomalien im Säuglings- und Kleinkindesalter –
was der Pädiater wissen muss
M. Theiler, L. Weibel
24· SGP-Kongress Interlaken 2015: Zusammenfassungen
M. Mazouni
28· Obstructive Sleep Apnea Syndrome
S. Joyeux
29· Die klinische Forschung ist lebendig!
A. Superti-Furga, U. Frey
Hinweise
32· MMR, 2 Jahre – 2 Dosen!
N. Pellaud
33· Masernelimination: Das Ziel ist in Reichweite!
D. Gaspoz
35· Statistik Neugeborenen Screening Schweiz 2014
R. Fingerhut, M. Baumgartner
Editions Médecine et Hygiène
Michaela Kirschner
Chemin de la Mousse 46
1225 Chêne-Bourg
Tel. 022 702 93 41
[email protected]
36· Migrationskinder gehen uns alle etwas an
Paediatrica
41· Gesundheit von Mutter und Kind in humanitären Krisen –
ein anerkanntes Ausbildungsangebot
Erscheint 5 x jährlich für die Mitglieder der SGP.
Nicht-Mitglieder können beim Sekretariat
die Paediatrica zum Preis von Fr. 120.–
jährlich abonnieren.
Auflage
1950 Ex. / ISSN 1421-2277
Bestätigt durch WEMF
Nächste Ausgabe
N. Pellaud
37· Gesund und chancengleich ins Leben starten – die Bedeutung der Frühen Kindheit
E. Fischer, M. Wetter
40· Den Kleinkindbereich für das Thema Gesundheit stärken
Projektgruppe Miapas
M. Roulet
Meinung der Leser
42· Take it with some salt – the second look.
P. Salfeld
42· Replik auf den Leserbrief
«Take it with some salt – the second look» von Peter Salfeld
J. Barben, C. Kuehni, C. Casaulta, J. Hammer
Redaktionsschluss: 28.09.2015
Erscheinungsdatum: Nr. 5: 16.11.2015
Zeitschriftenreview
Titelbild
44· Zeitschriftenreview
«Stau am Gotthard»
Kinderzeichnung auf Leinwand
Mauricio Emanuel Otz
Für den Inhalt der Texte übernimmt die Redaktion
keine Verantwortung.
M. Mazouni
48· FMH-Quiz
Kaktus
52· Wie gehe ich mit dem Mangel an Impfstoffen um?
N. Pellaud
1
Babies – Schutz durch PertussisBoosterimpfungen des Umfelds 1,2,3
Boostrix® – 1 Impfdosis = 3-facher Schutz
CH/BOO/0004/13(1)
1007570
Referenzen: 1. Schweizerischer Impfplan 2014. 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Anpassung der Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche,
Säuglinge in Betreuungseinrichtungen und schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118-123. 3. Arzneimittelinformation Boostrix®, www.swissmedicinfo.ch.
Boostrix®, kombinierter Diphtherie-Tetanus-azellulärer Pertussis-Impfstoff (dTpa). W: Diphtherie-Toxoid, Tetanus-Toxoid, Pertussis-Toxoid, filamentöses Hämagglutinin von B. pertussis, Pertactin von B. pertussis. I: Boosterimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis von Personen ab dem 4. Geburtstag. Nicht zur Grundimmunisierung verwenden! D/A: Eine Impfdosis zu 0,5 ml. Die Injektion erfolgt tief intramuskulär. Nicht intravasal anwenden. Nicht
mit anderen Impfstoffen mischen. KI: Bekannte Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile; akute, schwerwiegende fieberhafte Erkrankung;
Enzephalopathie unbekannter Ätiologie innert 7 Tagen nach einer vorgängigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff; vorübergehende
Thrombozytopenie oder neurologische Komplikationen nach einer vorgängigen Impfung gegen Diphtherie und/oder Tetanus. WV: Wenn nach einer
vorherigen Impfung mit einem Pertussis-enthaltenden Impfstoff folgende Ereignisse aufgetreten sind, sollte die Entscheidung zur Gabe des Impfstoffes
sorgfältig abgewogen werden: Temperatur ≥ 40.0°C innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung ohne sonst erkennbare Ursache, Kollaps oder schockähnlicher Zustand (hypotonisch-hyporesponsive Episode) innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder anhaltendes, untröstliches Schreien über
mehr als 3 Stunden innerhalb von 48 Stunden nach der Impfung, oder Krampfanfälle mit oder ohne Fieber innerhalb der ersten 3 Tage nach der Impfung.
Bei Thrombozytopenie oder Blutgerinnungsstörung, Risiko von Blutung nach i.m.-Injektionen. IA: Wenn als nötig erachtet, kann Boostrix gleichzeitig mit
anderen Impfstoffen oder Immunglobulinen – jeweils an einer anderen Injektionsstelle – angewendet werden. UW: sehr häufig: Reizbarkeit, Schläfrigkeit,
Reaktionen an der Injektionsstelle (Schmerz, Rötung, Schwellung), Müdigkeit, Unwohlsein, Kopfschmerzen; häufig: Anorexie, Diarrhöe, Erbrechen, gastrointestinale Störungen, Übelkeit, Fieber, Schwindel, Reaktionen an der Injektionsstelle wie Verhärtung und sterile Abszessbildung. Lag.: Bei +2 °C bis
+8 °C lagern. Nicht einfrieren. P: Fertigspritze mit separat beigelegter Nadel, x1 und x10. AK: B. Stand der Information: März 2014. GlaxoSmithKline AG.
Ausführliche Angaben finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen melden Sie bitte unter [email protected].
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Editorial
Vol. 26 Nr. 4 2015
Von der Realität zur Politik
Von der Politik zur Realität
Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Kinderarztpraxen müssen die Betreuung
neuer Patienten verweigern, Spitäler sehen
sich der Herausforderung gegenübergestellt,
nebst Patientenbetreuung auch Weiterbildung
zu gewährleisten, und zugleich nehmen zahlreiche Themenbereiche im Interesse einer
qualitativ hochstehenden Pädiatrie in der
Schweiz unsere Zeit in Anspruch: Weiter- und
Fortbildung, Forschung, Nachwuchs, Tariffragen usw. Wir leisten diesen Einsatz in der
festen Überzeugung, dass wir auf der politischen Szene präsent sein müssen, wenn wir
wollen, dass unser Einsatz sowohl im präventiven als auch therapeutischen, im ambulanten oder stationären Bereich anerkannt wird
und tagtäglich weitergeführt werden kann.
Praxis- als auch Spitalpädiatrie angehen, zusammen mit unseren Kollegen Kinder- und
Jugendpsychiater und Kinderchirurgen.
In diesem Bereich tut Forschung Not und mit
der fPmh können wir uns dafür einsetzen.
Die Zeit der Beweisführung ist gekommen. Wir
müssen beweisen, dass wir kompetent sind
und müssen über unsere Tätigkeit Rechenschaft ablegen. Sind wir nützlich?
Übt die pädiatrische Betreuung, unabhängig
von empirischer Evaluation und Befriedigung
über die geleistete Arbeit, einen Einfluss auf
die Gesundheit der Bevölkerung aus? Kommen wir sachdienlich und effizient den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen
entgegen? Welche Rolle spielt unter den
massgebenden Gesundheitsfaktoren der Zugang zu kinderärztlicher Betreuung?
Unsere politischen und wirtschaftlichen Partner stellen uns diese Frage und wir müssen
darauf antworten können.
Angesichts der auftauchenden Bedürfnisse
und unserer begrenzten Ressourcen benötigen wir einerseits Daten, um zu bestimmen,
welche Ausbildung und Leistungen für die
Pädiatrie vorrangig sind, andererseits ein
transdisziplinäres Modell, das festlegt, was
der Kinderarzt tun, was er delegieren und was
andere Fachpersonen ausführen sollen.
Diese Frage stellt sich auch unseren Grundversorgerkollegen, und MFE spielt in Bezug
auf ambulante Betreuung eine wichtige Rolle.
Die SGP aber muss sie breiter, sowohl für
3
Standespolitik
Vol. 26 Nr. 4 2015
Echo aus dem Vorstand
Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Der Nukleus, bestehend aus C. Aebi, P. Jenny,
M.-A. Panchard und N. Pellaud, trat am 21.
Mai 2015 zusammen, der Vorstand seinerseits
am 10. Juni 2015.
Anstehende Dossiers
Operativ: Checkliste für Migranten, Übersetz­
ung des Atlas für Entwicklungsdiagnostik,
Plakat «Masern» gemeinsam mit BAG, Erhöhung der Fortbildungspunkte des SGP-Kongresses, Verhandlungen betreffend erneuter
Zulassung von Cotrimoxazol etc.
Politisch: Akkreditierung von Weiterbildungen,
Praxisassistenz, hochspezialisierte Medizin,
Beteiligung der SGP am Konzept «Choosing
visely», Anfrage Weiterbildung in Ul­traschall, Stellungnahme zu Suchtmittelmissbrauch und Zwangsbehandlung, Nachfolge
der SGP-Präsidentschaft etc.
Getroffene Entscheidungen
•SGP-Koordinierung für pädiatrische DRG:
In Absprache mit Michele Losa, der das
Dossier für die SGP bearbeitet, wurden
folgende Entscheide getroffen:
•Der Vorstand bestätigt die Rolle der SGP
bei der Koordinierung von Fragen, die
pädiatrische DRG betreffen.
•Bis Dezember 2015 werden die angestrebten Ziele, die Rolle der SGP, das
Mandat des DRG-Koordinators für die
SGP, die Zusammenarbeit mit allen
schweizerischen Spitälern/Kinderkliniken und insbesondere die Rolle von All
Kids in diesem Zusammenhang definiert.
•Unterstützung zur ergänzenden Fortbildung
in Palliativpflege:
Eva Bergsträsser stellt das Konzept vor und
hält fest, dass Palliativpflege und die Ausbildung in Palliativpflege verschiedene Disziplinen betreffen, dass 80 % der Patienten
ambulant und 20 % in spezialisierten Abteilungen betreut werden und dass vorgesehen ist, 5 Pädiater auszubilden. Der Vorstand unterstützt den Antrag beim SIWF.
•Weitere Entscheide:
Präsidium des fPmh-Kongresses 2018 in
Lausanne: Michael Hofer, gegenwärtiger
Präsident der fPmh, wird in dieser Funktion
bestätigt; um ihn bei diesem umfangreichen Vorhaben zu unterstützen, wird ein
Co-Präsidium oder ein anderes, mit den
beiden Partnergesellschaften zu definierendes Modell erwogen.
Webseite: Weiterhin freier Zugang zu Paediatrica und den Empfehlungen, der Zugang
zu Stellungnahmen der SGP wird von Fall zu
Fall entschieden, kein Zugang zur Mitgliederliste, kein individuelles Passwort, hingegen wird das allen Mitgliedern gemeinsame
SGP-Passwort beibehalten.
Bamatter-Preis: Die Zuständigkeit wird von
der SGP an die Schweizerische Gesellschaft
für Neonatologie übertragen.
Verstärkte Vertretung bei der European
Confederation of Primary Care; nebst Mario
Schumacher und Jan Teller wurden Sylvia
Gschwend und Caroline Hefti als Stellvertreterinnen bestellt.
Beteiligung an Medifuture 2015, Informationstag für Assistenzärzte am 7. November
in Bern.
Weitere Mitteilungen
•Arbeitsgruppe Tarmed Pädiatrie: Heinrich
Haldi und Rolf Temperli haben einen ebenfalls an der Hauptversammlung präsentierten Bericht zur aktuellen Situation verfasst.
Der Grundgedanke ist, über einen Zeittarif
und nicht einen Leistungstarif, sowie allen
Disziplinen gemeinsame Richtwerte zu verfügen. Die SGP wünscht, das Kapitel 3 offen
zu halten. Die Arbeiten müssen noch diesen
Sommer eingebracht werden: Werden wir
zu einem Konsens kommen? Die Frage
bleibt dahingestellt.
•Treffen der Kinderärzte Schweiz und SGPPräsidenten im Rahmen des SGP-Kongresses 2015, mit dem Ziel, die Zusammenarbeit im Bereiche ambulante Pädiatrie in der
Schweiz zu vertiefen.
4
Standespolitik
Vol. 26 Nr. 4 2015
Protokoll der SGP-Generalversammlung
vom 11. Juni 2015, Interlaken
Claudia Baeriswyl, Generalsekretärin SGP, Freiburg
Daneben gilt der Dank der Präsidentin allen
Vorstands-, Arbeitsgruppen- und Kommissionsmitgliedern, ohne deren tatkräftige Unterstützung die diversen Aufgaben nicht zu bewältigen wären.
Der Jahresbericht wird mit Applaus genehmigt
und verdankt.
Auch in diesem Jahr werden vor Eröffnung der
Generalversammlung die diversen Preise
übergeben. Der Fanconipreis 2015 geht an
Paul Imbach in Anerkennung seiner innovativen und weltweit anerkannten Leistung in der
Spitalpädiatrie, insbesondere in der pädi­
atrischen Hämatologie/Onkologie. Er ist der
Inbegriff des klinischen Forschers. Alle zwei
Jahre vergibt die Bamatterstiftung den Bamatterpreis, der exzellente Forschung im Bereich
der Perinatologie auszeichnet. Der Preisträger
2015 ist Sven Wellmann vom UKBB Basel.
Der Talentprize wird Mathias Hauri-Hohl vom
Kinderspital Zürich für seine Arbeit «A regulatory role for TGF-β signaling in the establishment and function of the thymic medulla»
überreicht. Er stellt sein Werk in einem Kurzreferat vor. Der Preis der PIA-CH wurde in
diesem Jahr mangels passender Kandidaturen
nicht vergeben.
1. Eröffnung und Wahl
der Stimmenzähler
Die Präsidentin Nicole Pellaud eröffnet die
Generalversammlung um 17.30 Uhr. Im Verlauf der Versammlung tragen sich 83 stimmberechtigte Mitglieder, wovon zwei Ehrenmitglieder, in die Präsenzliste ein. Ein Anwesender
nimmt als Gast ohne Stimmrecht an der
Versammlung teil (Assistentenmitglied). Drei
Mitglieder haben sich entschuldigt.
Die Herren Pierre Klauser und Thomas Neuhaus werden als Stimmenzähler gewählt.
2. Protokoll der GV vom 12.6.2014
Das Protokoll der letztjährigen Generalversammlung welches in der Paediatrica Vol. 25
Nr. 4 publiziert worden ist, wird einstimmig
angenommen und verdankt.
3. Jahresbericht der Präsidentin
Der Jahresbericht der Präsidentin Nicole Pellaud ist in vollem Umfang in der Paediatrica
Vol. 26 Nr. 3 veröffentlicht worden. Die Präsidentin fasst den Jahresbericht unter folgenden Stichworten zusammen: Realisiertes,
offene Baustellen, bestehende und neue
Mitgliedschaften, Zusammenarbeit und Stellungnahmen. Zu erwähnen ist die grosse Zahl
an Vernehmlassungen, die vom Vorstand unter Einbezug der jeweiligen Spezialisten bearbeitet oder je nach Thema an MFE oder KHM
delegiert werden. Die Stellungnahmen können
im Mitgliederbereich der Homepage nach­
gelesen werden. Daneben hat der Vorstand
auch im vergangenen Jahr vielfältige Aufgaben
wahrgenommen und sich mit den unterschiedlichsten Dossiers befasst, sei dies im
Bereich Adipositas, Ernährung, Impfungen,
Weiterbildung und vielem mehr. Die grösste
offene Baustelle ist aktuell die Tarmedrevision, über die später noch informiert wird. Ein
wichtiges, zukünftiges Dossier wird die Akkreditierung der Weiterbildung sein.
Zum Schluss ihres Berichts teilt Nicole Pellaud mit, dass ihre Präsidentschaft im 2017
enden wird und turnusgemäss ein Vertreter
der Spitalpädiatrie das Ruder übernehmen
soll. Da der aktuelle Vizepräsident Christoph
Aebi aus beruflichen Gründen für eine Präsidentschaft nicht zur Verfügung steht, hat sich
der Vorstand vor längerem auf die Suche nach
einem Nachfolger gemacht. Leider ist bis zum
heutigen Tag keine Kandidatur eingegangen.
Nicole Pellaud appelliert eingehend an alle
Anwesenden, den Vorstand in seiner Suche
zu unterstützen.
Die Geschäftsstelle der SGP wird seit 2002
im Mandat vom Freiburgischen Arbeitge­
berverband geführt. Der bisherige Generalsekretär der SGP, Herr Daniel Bürdel, ist im
vergangenen Jahr zum Vizedirektor des Arbeitgeberverbands ernannt und anfangs 2015
in den Grossen Rat des Kantons Freiburg
gewählt worden. Infolgedessen hat er sich
aus der SGP zurückgezogen. Der Vorstand
hat an seiner Stelle die bisherige Stellvertreterin Frau Claudia Baeriswyl zur Generalsekretärin ernannt. Die Generalversammlung
bestätigt die Ernennung mit Applaus. Die
Präsidentin dankt Daniel Bürdel für seinen
langjährigen Einsatz und seine ausgezeichnete Arbeit und verabschiedet ihn mit einem
Geschenk.
5
4. Übrige Berichte
Die übrigen Jahresberichte sind ebenfalls in
der Paediatrica Vol. 26 Nr. 3 veröffentlicht
worden. Es sind keine Wortmeldungen zu
verzeichnen.
Die übrigen Jahresberichte werden einstimmig
genehmigt.
5. Mitgliederwesen
Seit der letzten Generalversammlung ist die
Gesamtmitgliederzahl um 53 auf nunmehr
2293 gestiegen, wovon 1789 ordentliche
Mitglieder. Fünf Mitglieder sind im Verlauf des
Jahres verstorben. Zu erwähnen ist die stagnierende Zahl der Assistentenmitglieder, aktuell 329, im Vorjahr 326. Um diesem Trend
entgegenzuwirken und den Nachwuchs für
eine Mitgliedschaft zu motivieren, zählt das
Generalsekretariat auf die Mithilfe der Chefärzte.
6. Jahresrechnung 2014,
Revisionsbericht
Die Kassiererin Caroline Hefti-Rütsche präsentiert die Jahresrechnung 2014, welche bei
Ausgaben von CHF 849 452.44 und Einnahmen von CHF 905 870.01 mit einem Gewinn
von CHF 56 417.57 abschliesst. Budgetiert
war ein Gewinn von CHF 1000.–. Das gute
Jahresergebnis resultiert aus höheren Einnahmen aus den Mitgliederbeiträgen und einem
sehr guten Ergebnis des Jahreskongresses in
Basel sowie der Budgettreue sämtlicher Arbeitsgruppen und Kommissionen. Die Bilanz
der SGP weist nach Verbuchung des Gewinns
per Ende 2014 Aktiven von CHF 1 143 651.73,
ein Fremdkapital von CHF 347 564.95 und ein
Eigenkapital von CHF 796 086.78 aus.
Auf die entsprechende Frage von Dominique
Belli teilt Caroline Hefti mit, dass es für den in
der Bilanz ausgewiesenen Fonds kein Reglement gibt, dass das Geld aber ausdrücklich
nur zur Förderung der Gesellschaft bzw. für
Projekte, die den Mitgliedern zu Gute kom-
Standespolitik
Vol. 26 Nr. 4 2015
men, verwendet werden darf. Sie erwähnt als
Beispiel eine Sondernummer zum Jubiläum
der Paediatrica oder die Übersetzung des
Atlas für Entwicklungspädiatrie, über die später noch kurz informiert wird. Der Vorstand
verpflichtet sich, zu gegebener Zeit an der
Generalversammlung über die Verwendung
des Geldes Rechenschaft abzulegen. Urs Frey
regt grundsätzlich an, in Projekte z. B. im Bereich der Lobbyarbeit zu investieren, statt
Geld anzuhäufen. Caroline Hefti merkt an,
dass die SGP mit dem per Ende Jahr ausgewiesenen Eigenkapital auf einer guten finanziellen Basis steht, zu der es Sorge zu tragen
gilt. Dies im Hinblick auf gegenwärtige und
zukünftige kostenintensive Aufgaben, um mit
der Tarmedrevision nur eine davon zu nennen.
Die Progressia Société Fiduciaire et de Gestion SA, Freiburg, hat die Rechnung revidiert
und bestätigt, dass die Buchhaltung der SGP
gesetzeskonform geführt wird. Sie empfiehlt
der Generalversammlung, die Rechnung 2014
anzunehmen.
und nur ein Teil der Kinderärzte (Nicht­
mitglieder) vom Resultat der Arbeit profitiert.
Die Jahresrechnung 2014 wird mit vier Enthaltungen, ohne Gegenstimme angenommen.
Gemäss Statuten stehen in diesem Jahr Gesamterneuerungswahlen an.
7. Entlastung des Vorstandes
Präsidentin und Vizepräsident
Nicole Pellaud stellt sich für eine zweite Amtsperiode als Präsidentin, Christoph Aebi für
eine zweite Amtsperiode als Vizepräsident zur
Verfügung.
Dem Vorstand wird bei einer Enthaltung und
ohne Gegenstimme die Entlastung erteilt.
8. Mitgliederbeiträge 2016
und Budget 2016
Caroline Hefti präsentiert das Budget 2016,
das einen voraussichtlichen Verlust von CHF
18 700.- ausweist.
Dominique Belli fragt, wieso für 2016 ein leicht
negatives Budget ausgewiesen werde. Wie bei
der Präsentation der Jahresrechnung erwähnt,
bildet der Jahreskongress eine der grösseren
Einnahmenquellen und ist unter anderem
ausschlaggebend für das Endergebnis. Der
für 2016 budgetierte Kongressgewinn von
40 000.– entspricht in etwa dem Durchschnitt
über die Jahre. Andererseits ist auf der Ausgabenseite der Gürtel in den letzten Jahren enger
geschnallt worden, wie z. B. im Redaktionskomitee der Paediatrica. Es ist nicht das Ziel des
Vorstands, auf Kosten der Kommissionen ein
positives Budget zu präsentieren. Weitere
Voten aus der Versammlung betreffen die
Grundsatzfragen, ob ein Kongress Gewinn
abwerfen soll und inwiefern es gerecht ist,
dass die aktiven Mitglieder die Gesellschaft
via Jahresbeitrag und Kongress finanzieren
Angesichts der guten Finanzlage schlägt der
Vorstand vor, die Mitgliederbeiträge 2015
unverändert beizubehalten:
Ordentliche Mitglieder ohne Mitgliedschaft Berufsverband MFE
CHF 500.–
Ordentliche Mitglieder mit Mitgliedschaft Berufsverband MFE
CHF 450.–
Ausserordentliche SGP-Mitglieder
CHF 250.–
Assistenten-Mitglieder
CHF 150.–
Die Mitgliederbeiträge 2016 werden einstimmig genehmigt. Das Budget 2016, in dem die
unveränderten Mitgliederbeiträge berücksichtigt sind, wird mit vier Enthaltungen und ohne
Gegenstimme angenommen.
9. Wahlen
Beide werden mit Applaus für zwei weitere
Jahre gewählt.
Christoph Aebi dankt im Namen des ganzen
Vorstands der Präsidentin für ihr Engagement
und ihren grossen Einsatz. Sie versteht es, die
kontinuierlich steigenden Anforderungen zu
meistern und das SGP-Schiff in Fahrt zu halten.
Vorstandsmitglieder der SGP
Sämtliche Vorstandsmitglieder stellen sich
zur Wiederwahl. Es sind dies:
•Andreas Nydegger
•Caroline Hefti (Kasse)
•Dominique Gut
•Jan Teller
•Marc Alain Panchard (Nucleus)
•Nicole Halbeisen
•Oskar Jenni
•Pascal Stucki
•Philipp Jenny (Nucleus)
•Sylvia Gschwend-Eigenmann
•Valérie Dénervaud
•Walter Bär
6
Die weiteren Vorstandsmitglieder werden
ebenfalls mit Applaus für zwei Jahre wiedergewählt.
Wie im Jahresbericht erwähnt, soll so rasch
wie möglich ein Kandidat für die Präsidentschaft 2017 gefunden und in die Vorstandstätigkeit eingearbeitet werden. Nicole Pellaud
beantragt deshalb der Versammlung, dem
Vorstand die Kompetenz zur Erweiterung um
ein Mitglied zu erteilen.
Es wird einstimmig beschlossen, dass der
Vorstand im Verlauf des Jahres ein zusätzliches
Mitglied ernennen und an der nächsten Generalversammlung zur Wahl vorschlagen kann.
Delegierte in die Ärztekammer und in
die Delegiertenversammlung der FMH
Bisher haben Nicole Pellaud und Marc Alain
Panchard die SGP in der Ärztekammer der
FMH vertreten, Christoph Aebi war Ersatzdelegierter. In der Delegiertenversammlung hatte Marc Alain Panchard Einsitz. Alle drei
stellen sich zur Wiederwahl.
Die bisherigen Delegierten werden mit Applaus
in ihrem Amt bestätigt.
Wahl Revisionsstelle
Die Progressia, Société Fiduciare et de Gestion SA in Freiburg wird für ein weiteres Jahr als
Revisionsstelle vorgeschlagen.
Die Wahl der Progressia SA erfolgt einstimmig.
10. Informationen
Tarmed Gesamtrevision,
Fachteam Kind
Das Fachteam Kind, bestehend aus Vertretern
der Pädiatrie, der Kinderchirurgie und der
Kinderpsychiatrie- und -psychotherapie ist
seit vergangenem Herbst unter der Leitung
von Heini Haldi an der Arbeit. Er berichtet
über die vergangenen Monate und erinnert an
die Leitplanken der Tarifrevision: Der Tarif
geht von einem einzigen, für alle Ärzte geltenden Referenzeinkommen aus. Er soll transparent, wirtschaftlich korrekt gerechnet und
einfach korrigierbar und entwickelbar sein.
Erarbeitet wird momentan nur die Nomenklatur aller medizinischen Leistungen, die stationär und ambulant erbracht werden. Die
Aufteilung der Taxpunkte erfolgt später. Das
ausgesprochene Ziel des Fachteams ist es,
dass auch das Erbringen von Leistungen an
Kinder den Erwerb des Referenzeinkommens
Standespolitik
Vol. 26 Nr. 4 2015
ermöglicht und dass die pädiatrischen Kliniken ohne Defizite arbeiten können. Momentan werden die einzelnen Kapitel von den
jeweiligen Fachteams bearbeitet, voraussichtlicher Abschluss Ende Juli und Publikation der
revidierten Kapitel im August. Anschliessend
können während einer beschränkten Zeit
Änderungsvorschläge bei den Tarifdelegierten
und den Präsidenten der Fachgesellschaften
angebracht werden. Die Schwierigkeit besteht
darin, dass die Pädiater den Trustzentren und
der Roko zu wenig statistische Daten liefern;
diese aber für die Untermauerung der Argumente der Pädiatrie unerlässlich sind. Erschwerend kommt dazu, dass das Fachteam
in einer «Blackbox» arbeitet, in der es keine
klaren Richtlinien und Zusagen seitens der
FMH gibt.
Nach wie vor ist die SGP auf der Suche nach
einem Tarifdelegierten, der die Nachfolge von
Marco Belvedere übernimmt.
Berufsverband Haus- und Kinderärzte
Schweiz
Rolf Temperli, der Delegierte der SGP im Vorstand des Berufsverbands MFE, musste sich
leider für die Generalversammlung entschuldigen. In seiner Abwesenheit informiert Philipp Jenny über den Berufsverband. Dank dem
Masterplan bzw. der erfolgreichen Abstimmung «Ja zur Hausarztmedizin» konnte in
der Pädiatrie ein Lohnanstieg von bis zu 15 %
verzeichnet werden. Themenschwerpunkte
für die zukünftige Arbeit sind Qualität, haus-
und kinderärztliche Tätigkeit in der Zukunft,
interprofessionelle Zusammenarbeit und Praxisinformatik. Aufgrund einer Intervention des
Internationalen Roten Kreuzes wird MFE demnächst sein Logo ändern.
Projekt Übersetzung
«Atlas der Entwicklungsdiagnostik»
von Thomas Baumann
Noch nicht spruchreif ist das Projekt der
Übersetzung des Atlas der Entwicklungsdia­
gnostik von Thomas Baumann. Der Vorstand
hat erste Kontakte geknüpft mit möglichen
französischen Verlagen bzw. Übersetzern und
erste Abklärungen getroffen mit dem Autor
und dem deutschen Thieme-Verlag. Die Übersetzung entspricht einem Bedürfnis der französischsprachigen Kinderärzte und wird weiter verfolgt.
reits heute alle herzlich ein. Die Jahrestagung
wird am 9./10. Juni 2016 zum Thema «Upgrade in Pädiatrie» stattfinden.
Es sind keine weiteren Wortmeldungen zu
verzeichnen. Nicole Pellaud schliesst die Generalversammlung um 18.30 Uhr.
11. Verschiedenes
Nicole Pellaud teilt mit, dass der Kongress
2016 zusammen mit den Spitalapothekern in
Bern, der Kongress 2017 zusammen mit den
Allergologen/Immunologen in St. Gallen und
der Kongress 2018 als fPmh-Kongress in
Lausanne stattfinden wird. Sie erteilt der
Präsidentin des lokalen Organisationskomitees aus Bern, Maja Steinlin, das Wort.
Vorankündigung Kongress 2016
Maja Steinlin ihrerseits präsentiert den Flyer
für den Kongress 2016 in Bern und lädt be-
Herr Daniel Bürdel, ehemaliger Generalsekretär der SGP und Frau
Dr. Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin
Frau Claudia Baeriswyl, neue Generalsekretärin der SGP
7
Standespolitik
Vol. 26 Nr. 4 2015
Gedenkpreis
Guido Fanconi 2015
Fred Bammatter
Award 2015
Prof. Dr. Med. Paul Imbach
P.D. Dr med Sven M. Wellmann
Für sein herausragenden Arbeiten im Bereich
«Perinataler stress und Neuroprotection»
Talent prize 2015
Fanconi-Preis 2016
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP)
verleiht jährlich anlässlich der Jahrestagung
den Fanconi-Preis im Wert von CHF 10 000.–.
Mit dem Preis werden bedeutende Arbeiten zugunsten der Pädiatrie
ausgezeichnet. Dabei kann es sich um ausgezeichnete wissenschaftliche Beiträge, bedeutende gesellschaftliche Leistungen zugunsten der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen oder um
hervorragende Verdienste im Rahmen der SGP handeln. Der Preis
kann sowohl für eine herausragende Einzelleistung wie für ein Lebenswerk verliehen werden. Preisträger können eine Person oder
mehrere Personen derselben Arbeitsgruppe sein. Sie müssen mit
der schweizerischen Pädiatrie in enger Beziehung stehen. Die Preisverleihung erfolgt durch den Vorstand der Gesellschaft, der sich
von Experten seiner Wahl beraten lässt.
Kandidaturen mit ausführlichem Lebenslauf und Begründung der
preiswürdigen Leistung können von jedem ordentlichen Mitglied,
einschlies­slich der Kandidatin oder dem Kandidaten selbst, bis zum
31. Januar 2016 beim Sekretariat der SGP, [email protected], eingereicht werden.
Mathias Hauri-Hohl, MD, PhD
«A regulatory role for TGF-β-signaling in the establishment and function of the thymic medulla».
Nat immunol 2014 Jun; 15 (6):554–61.
8
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Standespolitik
Vol. 26 Nr. 4 2015
Projekt TARVISION – nur eine Vision?
Heinrich Haldi, Küsnacht
Schon 2010 stellte die eidgenössische Finanzkontrolle fest, dass die Berechnungsgrundlage des 2004 eingeführten Tarmed veraltet sei.
Da sich die Tarifpartner nicht gemeinsam zu
einer Revision einigen konnten, schuf das
Parlament dem Bundesrat die gesetzliche
Grundlage, in die Tarifstruktur Tarmed einzugreifen. Ein erster Tarifeingriff erfolgte dann
2014.
Eigentlich war allen Tarifpartnern klar, dass
eine Revision unumgänglich war. Ende 2010
begann die FMH mit ihren Revisionsarbeiten
und ab Herbst 2012 kümmerte sich eine tripartite Kooperation bestehend aus FMH, H+
und MTK um die Revision des Tarifs. Seit 2015
hat sich auch Curafutura beobachtend angeschlossen und einzig Santé Suisse (mit 60 %
der Versicherten) nimmt immer noch nicht
teil. Das gegenwärtige Projekt heisst Tarvision.
In der entsprechenden Absichtserklärung,
«Tarifierungsgrundsätze TARMED», wurde das
gemeinsame Ziel klar festgehalten: «Die gesetzeskonforme, betriebswirtschaftlich korrekte, aktualisierte und sachgerechte Bewertung der Leistungen in Arztpraxen, Spitälern
und Kliniken, wenn immer möglich gestützt
auf Daten und Fakten basierten Grundlagen»
(SÄZ 2014; 95: 5). Diese Tarifierungsgrundsätze wurden seither von der technischen
Kommission immer dem Verlauf der Revisionsarbeiten entsprechend weiterentwickelt.
Seit Ende August 2015 wird mit der Version
V0.43 gearbeitet.
•Der Tarif soll transparent, wirtschaftlich
korrekt gerechnet und einfach korrigierbar
und entwickelbar sein.
•Regelmässige Überprüfung der hinterlegten
Zeiten und der Infrastrukturdaten.
•Jährliche Anpassung des Tarifs, wo nötig.
•Eingaben für Änderungen und neue Leistungen können schriftlich bei den Präsidenten
und Tarifdelegierten der Fachgesellschaft
eingegeben werden.
Im 2. Halbjahr 2014 wurde das Fachteam
«Kind im Tarmed» konstituiert. Es steht unter
der Leitung von Richard Ploner, Vertreter von
H+. Es setzt sich aus je 3 Vertretern der pädiatrischen Spitäler und Praxen zusammen.
Heinrich Haldi leitet die pädiatrische Gruppe
und wird beratend begleitet von Marco Belvedere, vormals Tarifdelegierter der SGP. Die
Vertreter der pädiatrischen Schwerpunkte
und der Fachgesellschaften, die auch Kinder
behandeln, wurden orientiert, dass wir mit
ihnen zusammen ihre Probleme mit der Tarif­
ierung der Leistungen bei Kindern bearbeiten
müssen.
Neben dem Fachteam «Kind» sind wir Pädiater
auch durch Heidi Zinggeler und Rolf Temperli
in der Kommission Tarife der Hausärzte
Schweiz vertreten, die die Kapitel Grundleistungen und Hausarztmedizin bearbeiten.
Die Aufgabe des Fachteams «Kind» ist die
Revision des Kapitel 3 im aktuellen Tarif und
die Überprüfung der anderen klinischen Kapitel mit Fokus auf Leistungen an Kindern und
Jugendlichen.
Auch das überwiegende Erbringen von Leistungen an Kindern soll den Erwerb des Referenzeinkommens ermöglichen und die pädiatrischen Kliniken sollen ihre ambulanten
Leistungen nicht defizitär erbringen müssen.
Der Mehraufwand durch zusätzliche Kostenelemente muss ausgewiesen werden. Die
Datenbeschaffung ist nicht einfach und eine
Teilnahme an Trust-Centern und an der rollenden Kostenstudie RoKo möglichst aller Pädiater dringend erwünscht.
Die Revision sollte zuerst nur die Nomenklatur
betreffen, bis Ende Juli 2015 abgeschlossen
sein und dann veröffentlicht werden. Die
Aufteilung der Taxpunkte wird später erfolgen. Der Termin wurde vorerst auf Ende Au­­g­ust verschoben.
Da die Nomenklatur eng mit den späteren
tarifarischen Entscheiden zusammenhängt,
wird zurzeit unter den verschiedenen Interessensgruppen intensiv diskutiert:
Eine Regel der Tarifrevision war, eine definierte Leistung nur einmal im Tarif aufzunehmen.
10
Mit dem Wegfall der qualitativen Dignität
sollten wir Pädiater somit auf Leistungen in
allen Kapiteln zurückgreifen können.
Der Entscheid, das jetzige qualitative und
quantitative Dignitätsprinzip fallen zu lassen,
wurde von verschiedenen Fachgesellschaften
massiv angegriffen, was zu folgender Aussage
der Steuerungskommission führte:
«Es kann bei einzelnen Leistungen durchaus
Sinn machen, wenn die qualitativen Dignitäten auf Grund eines hohen Missbrauchspotentials erhalten bleiben. Ganze Kapitel können
jedoch nicht flächendeckend mit einer qualitativen Dignität hinterlegt werden.
Es werden keine TARMED-Tarifpositionen revidiert, welche stationär erbrachte Leistungen
betreffen. Damit bleiben die Quantitativen
Dignitäten, welche stationäre TARMED-Leistungen betreffen, erhalten. Bezüglich qualitativen Dignitäten im ambulanten Bereich wird
im Moment ein Weg gesucht, um die Anliegen,
welche mit einer Quantitativen Dignität erreicht werden sollen, (Severity Score), aus­
serhalb des TARMED-Tarifs zu regeln.»
Das Erreichen der ursprünglichen Ziele wird
damit immer schwieriger.
Was haben wir bisher erreicht
Es wurde anerkannt, dass bei der Behandlung
von Kindern ein Mehraufwand mit zusätzlichen Kostenelementen entsteht.
Mit einer Datenerhebung konnte Marco Belvedere schon früher belegen (PrimaryCare 2001;
796–797), dass in der pädiatrischen Praxis
mehr personeller Aufwand benötigt wird, die
Mehrleistungen der pädiatrischen MPA im
Tarmed kaum verrechnet werden können und
dass der Pädiater zu 80 % Grundleistungen
verrechnen muss, die tarifarisch am schlechtesten vergütet werden. Damit konnte erreicht
werden, dass ein Kinderzuschlag mit der Position 00.0040 geschaffen wurde.
Im neuen, revidierten Tarif soll die Zusatzleistung beim Erbringen von Leistungen an Kindern
neu geregelt werden. Dazu müssen wir die
Daten zum Mehraufwand durch zusätzliche
Kostenelemente beschaffen und einbringen.
Noch ist die Zusatzleistung für die Behandlung
von Kindern und Jugendlichen nicht definitiv
geregelt. Ein Sockelzuschlag und/oder ein
Prozentzuschlag stehen zur Diskussion.
Standespolitik
Vol. 26 Nr. 4 2015
Auch die Revision des Kapitels 03 ist noch
nicht abgeschlossen. Wir beabsichtigen, die
Anzahl Leistungen in diesem Kapitel stark zu
reduzieren, indem wir reine Zeitleistungen pro
5 Minuten zu einer gemeinsamen Position
zusammenfassen. Positionen, die auch in
anderen Organkapiteln aufgeführt sind, werden nur noch dort aufgeführt. Ein grosser Teil
der Leistungen, die in der Pädiatrie verrechnet
werden, findet sich im Kapitel Grundleistungen.
Ein fixes Zeitfenster für die Vorsorgeuntersuchungen soll dazu dienen, einen problemorientierten Fokus auf die in der gegenwärtigen
gesundheitlichen und gesellschaftlichen Situation relevanten Probleme der Kinder, je nach
ihrem Alter, zu richten und bei Bedarf einer
Behandlung zuzuführen oder mit antizipierendem Verhalten Probleme zu verhindern.
Die Revision der an Kindern zu erbringenden
Leistungen in allen relevanten Kapiteln hat
begonnen. Die ersten revidierten Organkapitel wurden den betreffenden pädiatrischen
Experten zugestellt mit dem Auftrag, sie nach
Problemen bei der Abrechnung von Leistungen an Kindern durchzusehen und zusammen
mit uns nach Lösungen eventueller Probleme
zu suchen.
Erratum
Jordan et al. Aus dem Alltag der pädiatrischen Praxis. Paediatrica 2015; 26(3): 28–30.
Die Autoren machen uns darauf aufmerksam, dass sich ein Fehler in Tabelle 2 geschlichen
hat. Die mediane Wartezeit im Wartezimmer betrug nicht 145 sondern 15 Minuten. Die
Hälfte der Patienten wartete demnach weniger als eine Viertelstunde, was den beteiligten
Kinderärzten zur Ehre gereicht.
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In der Tarifrevision finden sich für uns Pädiater folgende Knackpunkte:
•Forderung nach einer neuen Position‚ dringliche Konsultation, welche den Mehraufwand in der Grundversorgerpraxis ausgleichen soll
•Vergütung des Mehraufwandes bei der
Behandlung von Kindern
•Gewährleistung eines adäquaten Behandlungs- und Vorsorgeauftrages
•Gleichstellung der Kinder- und Jugendmedizin gegenüber den anderen Fachbereichen
mit Augenmerk auf eine Überbewertung der
technischen Leistungen und der fixen Minutagen.
Vor einer Zustimmung zur finalen Tarifvorlage
müssen Simulationen beweisen, dass diese
Probleme befriedigend gelöst sind.
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11
Fortbildung
Vol. 26 Nr. 4 2015
Maserndiagnostik – die Rolle
der Polymerase Kettenreaktion (PCR)
Paolo Paioni und Christoph Berger, Abteilung für Infektiologie und Spitalhygiene,
Universitäts-Kinderspital Zürich
Einführung
Die Schweiz hat sich gemeinsam mit anderen
Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Ziel gesetzt, Europa bis
2015 von Masern zu befreien. Ansteckungen
sollen in erster Linie durch genügend hohe
Impfraten aber auch durch Früherkennung
einzelner Masernfälle verhindert werden.
Damit die Schweiz masernfrei wird, müssen
95 % der Bevölkerung gegen die Krankheit
immun sein. Dieses Ziel wurde trotz steigender Durchimpfung bisher nicht erreicht. Zwischen 2011 und 2014 betrug die durchschnittliche Maserndurchimpfungsrate mit 2 Dosen
bei Kindern im Alter von 2 Jahren in der
Schweiz 86 %1) . Mit 3 Fällen pro Million Einwohner erreichte die Inzidenzrate von Masern
2014 den tiefsten Stand seit Einführung des
Meldeobligatoriums für die Krankheit im Jahr
19992) . Trotz der stark gesunkenen Inzidenz
sind in der Schweiz weiterhin sporadische
Fälle zu verzeichnen und sind auch weiterhin
zu erwarten, solange nach Schätzung des
Bundesamtes für Gesundheit (BAG) > 1 Million Masern-Impfdosen notwendig wären, um
die Impflücken in der Schweiz zu schliessen3).
Die Früherkennung dieser Fälle ist von zentraler Bedeutung zur Verhinderung von weiteren Übertragungen. Infolge des Rückganges
der Maserninzidenz und der somit abnehmenden klinischen Erfahrung der Ärzte mit der
Krankheit ist der positive prädiktive Wert einer klinischen Maserndiagnose (siehe Box:
Definition Masernverdachtsfall) deutlich gesunken4). Es besteht somit die Notwendigkeit,
alle klinischen Verdachtsfälle ohne epidemiologischen Link zu einem Labor bestätigten Fall
so rasch wie möglich durch eine Laboranalyse
zu bestätigen. Das Zeitintervall zur Bestätigung eines Verdachtsfalles sollte unbedingt
nicht mehr als 72 Stunden betragen. Denn
innerhalb dieser Frist kann die post-expositionelle Masernimpfung exponierter ungeimpfter Personen älter als 6 Monate die Übertragung von Masern verhindern5) . Zusätzlich ist
auf Grund der Dauer der Kontagiösität bis 4
Tage nach Beginn des Exanthems eine Bestätigung der Diagnose nach mehr als 72 Stun-
den weder für die individuelle Betreuung und
noch für die Kontrolle eines Ausbruchs sehr
nützlich.
Definition eines Masernverdachts­
falles gemäss BAG5)
Trias: Fieber UND makulopapulöses
Exanthem UND Husten oder Rhinitis
oder Konjunktivitis
Maserndiagnostik
Der Nachweis Masern-spezifischer IgM in
Serum mittels eines immunenzymatischen
Tests oder die quantitative Bestimmung von
IgG zum Nachweis eines signifikanten Titeranstiegs zwischen Akut- und Rekonvaleszenzphase gelten als Methode der Wahl für die
Be­stätigung der klinischen Maserndiagno­­se6), 7), 8) . Die Serologie erfordert jedoch eine
beim Kleinkind unter Umständen aufwändige
venöse Blutentnahme und zeigt in den ersten
1–3 Tagen nach Beginn des Exanthems eine
sehr begrenzte Sensitivität mit bis gut 30 %
falsch-negativen Resultaten9), 10) . Bei einem
negativen Befund ist deshalb nach 10 bis 14
Tagen eine erneute Blutentnahme notwendig,
um den Verlauf des IgG-Titers zu dokumentieren und somit die Diagnose stellen zu können.
Seit 2003 ist in der Schweiz der Nachweis der
Masern-RNA in der Mundflüssigkeit oder im
Rachenabstrich mittels Polymerase Ketten­
reaktion (PCR) möglich. Diese Methode ist
nicht invasiv und zeigt eine Sensitivität von
> 80 %–100 %, insbesondere in den ersten 72
Stunden nach Exanthembeginn11) . Sie erlaubt
somit die Bestätigung von Masernverdachtsfällen innerhalb einer für die Bekämpfung von
Masernausbrüchen nützlichen Frist. Ein weiterer wichtiger Vorteil der molekulargenetischen Maserndiagnostik mittels PCR ist die
Möglichkeit der Genotypisierung des so
nachgewiesenen Virus. Die Genotypisierung
ermöglicht weitere epidemiologische Ab­klär­ungen wie z. B. die Unterscheidung von
importierten Fällen, die Identifikation der
Transmissionskette und die Identifikation von
Impfmasern zu veranlassen12) . Die Verbesse-
12
rung der Masernüberwachung durch die Integration von epidemiologischen und laborbasierten Informationen ist eine der tragenden
Strategien der WHO für die Beschleunigung
der Masernelimination8). Die Genotypisierung
zirkulierender Masernviren ist somit eine
wertvolle Massnahme, um die Wirksamkeit
von Maserneliminationskampagnen zu überprüfen13) . Aus diesen Gründen empfiehlt das
BAG trotz höheren Kosten bei Verdachtsfällen
den Nachweis von Masern RNA mittels PCR
im Rachenabstrich oder aus der Mundflüssigkeit als Methode der ersten Wahl14) .
Der Nachweis von Masern RNA mittels
PCR kann in einem beliebigen Labor in der
Schweiz, das diese Untersuchung anbietet,
veranlasst werden. Die Kosten der Untersuchung betragen CHF 180.– und werden von
der obligatorischen Krankenversicherung (abzüglich des Selbstbehaltes) übernommen. Für
die nachträgliche Genotypisierung hat das
BAG einen Vertrag mit dem Labor für Virologie
des Genfer Universitätsspitals (HUG) und mit
dem Labor Viollier abgeschlossen. Diese
Verträge erlauben dem Kantonsarzt oder dem
BAG bei Bedarf nachträglich und ohne zusätzliche Kosten für die Patienten oder die Krankenversicherung, die Durchführung der Genotypisierung zu veranlassen.
Schlussfolgerung
Der Nachweis von Masern RNA mittels PCR
im Rachenabstrich oder aus der Mundflüssigkeit bei klinischem Masernverdacht ist eine
nicht invasive Methode mit einer sehr hohen
Sensitivität, insbesondere in den ersten 72
Stunden nach Exanthembeginn, und erlaubt
zudem epidemiologische Untersuchungen bei
Bedarf. Sie soll deshalb in der Schweiz, im
Einklang mit den Zielen der nationalen Strategie zur Masernelimination, als Methode der
Wahl zur Bestätigung von klinischen Masernverdachtsfällen möglichst in den ersten 72
Stunden nach Exanthembeginn angewendet
werden.
Referenzen
1) Bundesamt für Gesundheit. Durchimpfung von 2-,
8- und 16-jährigen Kindern in der Schweiz, 1999–
2014. Bull BAG 2015; 28: 538–43.
2) www.stopmasern.ch.
3) Bundesamt für Gesundheit. Nachholimpfung gegen
Masern 2014: ermutigende Resultate. Bull BAG
2015; 5: 75–79.
4) Lambert SB, Kelly HA, Andrews RM, Catton MC,
Lynch PA, Leydon JA, Gercovich DK, Hogg GG,
Morgan ML, Lester RA. Enhanced measles surveillance during an interepidemic period in Victoria.
Med J August 2000; 172: 114–8.
Fortbildung
Vol. 26 Nr. 4 2015
5) Bundesamt für Gesundheit, Arbeitsgruppe Bekämpfung von Masernausbrüchen. Richtlinien zur
Bekämpfung von Masern und Masernausbrüchen.
Richtlinien und Empfehlungen. Bern: Bundesamt
für Gesundheit, 2013.
6) Ratnam S, Tipples G, Head C, Fauvel M, Fearon M,
Ward BJ. Performance of indirect immunoglobulin
M (IgM) serology tests and IgM capture assays for
laboratory diagnosis of measles. J Clin Microbiol
2000; 38: 99–104.
7) Bellini WJ and Helfand RF. The Challenges and
Strategies for Laboratory Diagnosis of Measles in
an International Setting. J Infect Dis. 2003; 187:
S283–S290.
8) Featherstone DA, Rota PA, Icenogle J, Mulders MN,
Jee Y, Ahmed H, de Filippis AM, Ramamurty N,
Gavrilin E, Byabamazima C, Dosseh A, Xu W, Komase K, Tashiro M, Brown D, Bellini WJ, Strebel P. Expansion of the global measles and rubella laboratory network 2005–09. J Infect Dis. 2011; 204:
S491–8.
9.) Helfand RF, Heath JL, Anderson LJ, Maes EF, Guris
D, Bellini WJ. Diagnosis of measles with an IgM
capture EIA: the optimal timing of specimen collection after rash onset. J Infect Dis 1997; 175: 195–9.
10)Robert Koch Institut. Ratgeber für Ärzte: Masern.
Stand vom 03.09.2010. www.rki.de/DE/Content/
Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Masern.
html?nn=2374512.
11)Measles and rubella laboratory network: 2007 meeting on use of alternative sampling techniques for
surveillance. Wkly Epidemiol Rec 2008; 83: 229–32.
12)Santibanez S, Prosenc K, Lohr D, Pfaff G, Jordan
Markocic O, Mankertz A. Measles virus spread initiated at international mass gatherings in Europe,
2011. Euro Surveill. 2014; 19.
13)Rota P, Featherstone D, Bellini W. Molecular epidemiology of measles virus. Curr Top Microbiol Immunol. 2009; 330: 129–50.
14)Bundesamt für Gesundheit. Verbesserte Masernüberwachung: Neue zuverlässige nicht invasive
Tests. BAG Bull. 2004; 22: 362–6.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Christoph Berger
Abteilung für Infektiologie und Spitalhygiene
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinweisstrasse 75
8032 Zürich
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Fortbildung
Vol. 26 Nr. 4 2015
«Shared Decision-Making»
in der Kinder- und Jugendmedizin
eine Vielzahl von verschiedenen Ansätzen, die
in Tabelle 1 schematisch dargestellt sind.
Definition und Klassifikation
Jürg Streulia),b) , Eva Bergsträssera)
Einleitung
Das Arzt1a) -Patienten-Gespräch ist das am
häufigsten angewendet Heilmittel – mit Risiken und Nebenwirkungen – wie jedes andere
Heilmittel auch. Misslingt diese Form der
Kommunikation, ist der Behandlungserfolg
insgesamt gefährdet. Auch in einer Zeit, in der
das ärztliche Zeitmanagement immer mehr
von technischen und ökonomischen Überlegungen durchdrungen ist, bleibt das Gespräch
und die Beziehung zwischen Arzt, Patient und
Eltern eine zentrale Grösse für eine erfolgreiche Behandlung. Shared Decision-Making
(SDM) oder partizipative bzw. partnerschaftliche Entscheidungsfindung gilt dabei zunehmend als ideales Modell für Kommunikation
und Entscheidungsfindung im klinischen Kontext und scheint sich auch in der Kinder- und
Jugendmedizin zu etablieren1) . Im folgenden
Artikel möchten wir aufzeigen, was sich hinter
dem Begriff verbirgt und wie das Konzept in
der Praxis umgesetzt werden kann.
Historischer Hintergrund
Wie andere Möglichkeiten der modernen Medizin unterliegt auch die Arzt-Patienten-Kommunikation einem steten Wandel: Bis in die 2.
Hälfte des 20. Jahrhunderts war die medizinische Entscheidungsfindung durch das paternalistische Prinzip dominiert. Der Arzt wusste und
bestimmte, ähnlich einem gutmeinenden väterlichen Familienoberhaut, was für seine Patienten
gut und richtig ist (daher «paternalismus»).
Massgeblich angetrieben durch die menschenverachtenden Verbrechen und Gräueltaten im
zweiten Weltkrieg und den 1947 folgenden
Nürnberger Kodex wurde in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts der informed consent
bzw. die informierte Einwilligung zu einem
zentralen Prinzip für medi­zinische Behandlungsvereinbarungen mit Patien­ten. Während
der Nürnberger Kodex primär die Forschung
am Menschen regelte, weitete sich der Begriff
des informed consent schnell auch auf die
a) Universitäts-Kinderspital Zürich
b) Institut für Biomedizinische Ethik, Universität Zürich
therapeutische Handlung am Patienten aus
und wurde Teil einer Bewegung weg vom passiven Patientenverständnis hin zum Ideal des
mündigen, selbstbestimmten «Klienten».
Parallel dazu erfuhr auch die Kinder- und Jugendmedizin eine tiefgreifende Wandlung.
Erst mit der Erkenntnis, dass Kinder nicht
einfach «kleine Erwachsene» sind, konnte im
19. Jahrhundert die Kinder- und Jugendmedizin überhaupt als eigene Disziplin entstehen.
Im 20. Jahrhundert erweiterte sich dann zudem die Vorstellung vom Kind als «Mensch in
Entwicklung» mit der Vorstellung vom Kind als
«Person aus eigenem Recht». Diese Bewegung
mündete in der 1989 formulierten UNO-Kinderrechtskonvention, welche als Grundlage
für das SDM-Konzept in der Kinder- und Jugendmedizin gesehen werden kann. So fordern die Kinderrechte nicht nur den Schutz
und die Förderung des Kindes, sondern auch
eine angemessene, altersentsprechende Partizipation an Entscheidungen2) .
Auch wenn hier nur schemenhaft aufgezeichnet, so wird doch deutlich, dass sich die Vorstellung von einer guten medizinischen Entscheidung in relativ kurzer Zeit stark gewan­delt hat. Bis heute gibt es keine einheitliche
Praxis der Entscheidungsfindung, sondern
SDM bezeichnet den Interaktionsprozess zwischen Eltern, Patient und Arzt bei dem eine
gemeinsam erarbeitete und verantwortete
Entscheidung auf Basis von geteilten Informationen zustande kommt3) . Damit liegt das
Modell zwischen den Extremen einer einseitigen Experten- und einseitigen Konsumentenbestimmten Entscheidungsfindung (Tabelle
1). Der zentrale Unterschied zu den anderen
Konzepten liegt vor allem darin, dass sich
die Beteiligung von Eltern, Kind und Fach­
personen über alle Phasen der Entscheidungs­
findung (Informationsaustausch, Abwägungsprozess, Treffen und Umsetzen der Ent­scheidung) erstreckt und sich die Art und
Weise der Beteiligung über die Zeit und in den
unterschiedlichen Phasen ändern kann. Dies
bedeutet auch, dass die Rolle der mitverantwortlichen Personen kontinuierlich überprüft
und angepasst werden muss4) .
Entscheidungen
im Kindes- und Jugendalter
Noch heute werden Kinder am Ideal des
«autonomen Erwachsenen» gemessen. Da die
Anforderungen an eine autonome Willens­
äusserung im Kindesalter kaum zu erfüllen
sind2a), greift man mit grosser Selbstverständlichkeit auf eine Stellvertreterentscheidung
der Eltern zurück, die sich am (subjektiven)
mutmasslichen Willen und den (objektiven)
Patientenvignette 1: Tina, ein 15-jähriges Mädchen mit Asthma, kommt mit ihrer Mutter
zur Asthma-Sprechstunde. Bereits im Wartezimmer herrscht dicke Luft zwischen der Mutter
und ihrer Tochter. Während der Konsultation schweigt die Jugendliche grösstenteils. Die
Mutter, welche den ambulanten Termin organisiert hat, berichtet über die veränderten Freizeitgewohnheiten ihrer «pubertierenden» Tochter. Sie mache kaum noch Sport, gehe dafür
fast jeden Abend mit ihren Kolleginnen in die Stadt. Die Mutter erwähnt gegenüber dem Arzt
ihre Vermutung, dass die Tochter die Asthmamedikation gar nicht oder nur unregelmässig
einnimmt. Dies wiederum wird von der Tochter vehement verneint.
Patientenvignette 2: Remo, ein 9-jähriger Knabe mit Non-Hodgkin Lymphom kommt mit
seinen Eltern zum Erstgespräch vor Beginn der Chemotherapie. Die Eltern nehmen die zuständige Ärztin vor dem Gespräch zur Seite und fordern vehement, dass ihrem Sohn nichts von der
Bösartigkeit der Erkrankung erzählt wird, schon gar nicht soll von «Krebs» gesprochen werden.
Patientenvignette 3: Jan, ein bisher gesunder 2-jähriger Knabe musste mit akutem Organversagen aufgrund einer schweren Sepsis soeben auf die Intensivstation verlegt werden. Die
Prognosen sind schlecht. Es wird nun diskutiert, ob eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) noch sinnvoll sein könnte.
14
Fortbildung
Vol. 26 Nr. 4 2015
Interessen des Patienten orientieren. Erst
durch die UNO-Kinderrechtskonvention erhielt
das Kind den Subjektstatus mit eigenen Rechten und sich entwickelnden Fähigkeiten (evolving capacities)2). Demgemäss kann und sollte
ein Kind bereits im Kleinkindalter angemessen
über einen Eingriff informiert werden und
seine Meinung äussern können sowie eine
Entscheidung bis zu einem bestimmten Mass
beeinflussen können. Gerade im Verlauf eines
längeren Krankheitsprozesses kann das Kind
in bestimmten Situationen sogar als Hauptentscheidungsträger in Erscheinung treten5).
In der Realität sind Kinder bei schwerwiegenden Entscheidungen jedoch nur selten aktiv
beteiligt und wünschen eine solche Beteiligung meist auch erst ab dem Jugendalter6) .
Diese Fakten entbinden Fachpersonen aber
nicht davor die Kinder entwicklungsgerecht zu
informieren, anzuhören und ihre Meinung
miteinzubeziehen2). Das hier vorgestellte SDMModell unterliegt nicht dem Alles-oderNichts-Prinzip, sondern fördert eine angemessene Kinder- und Familien-orientierte
Entscheidungsfindung.
Praktische Durchführung
in sechs Schritten
Die Umsetzung von SDM in der Kinder- und
Jugendmedizin wird hier schematisch in sechs
Schritten beschrieben. Wie bereits erwähnt,
handelt es sich dabei um einen kontinuierlichen Prozess, der stets wieder bei Schritt 1
beginnt. Zudem ereignen sich in der Realität
gewisse Schritte gleichzeitig, während andere
in den Hintergrund rücken können bzw. erst
im Verlauf des weiteren Entscheidungsfindungsprozesses als relevant erscheinen.
1. Schritt: Schaffen einer
vertrauensvollen Basis für eine
Arzt-Patient-Eltern-Beziehung
Vertrauen ist das wohl kostbarste Gut im therapeutischen Dreieck und muss ebenso wie
eine nachfolgende Entscheidung im Prozess
gemeinsam erarbeitet und gepflegt werden.
Beschönigungen, falsche Versprechen oder
das Verschweigen von Befunden sollten ebenso vermieden werden wie eine über­mässige
Dramatisierung oder ein vorschnelles Bewerten der Situation. Mediziner tendieren dazu,
aufgrund ihres grossen fachlichen Wissens
bereits nach wenigen Sekunden den Eltern
oder dem Kind ihre Beurteilung mitzuteilen und
ihnen damit ins Wort zu fallen. In kritischen
Notfallsituationen kann dies durchaus sinnvoll
und von den Eltern gewünscht sein. Aus Sicht
des SDM-Konzeptes sind die Bereitschaft Zuzuhören und das Schaffen von Raum und Zeit
für die nachfolgenden Schritte aber die wichtigsten Bausteine der Vertrauensbildung.
Modell
Paternalistisches
Modell
Interpretatives
Modell
Entscheidungsträger
Arzt entscheidet,
Patient/Eltern geben Zustimmung
Informations­
austausch
Einseitig:
Ausschliesslich Arzt
entscheidet und
informiert
Arztrolle
2. Schritt: Herausarbeiten der
aktuellen Wünsche und Präferenzen
zu Informationen und Beteiligung
in der Entscheidung
Die Kommunikation im therapeutischen Dreieck kennt zahlreiche Fallstricke und es ist mit
Studien belegt, dass eine schlechte Kommunikation auch mit schlechteren Behandlungsresultaten in Verbindung steht7) . Was aber
genau für ein Kind oder eine Familie eine gute
Kommunikation ist und wie stark und auf
welche Weise die einzelnen Familienmitglieder in eine Entscheidung miteinbezogen werden möchten, ist sehr individuell. Deshalb
gehört die Ermittlung und Klärung von Wünschen bezüglich Information und Mitentscheidung zur Grundlage für alle weiteren Schritte.
Die Entscheidungsgrundlagen können sich
dabei im Verlauf ändern und müssen deshalb
regelmässig überprüft werden.
3. Schritt: Ermitteln, Klären und
Zusammenfassen der Vorstellungen,
Befürchtungen und Erwartungen
seitens der Familie und des Teams
Die Kernkompetenz des dritten Punktes kann
gut mit dem Prinzip des aktiven Zuhörens
umbeschrieben werden. Diese fördert neben
der gegenseitigen Wertschätzung («Erzählen
Sie bitte, wie genau es dazu kam …») auch
inhaltliches Verständnis («Ich fasse hier ein-
Shared DecisionMaking-Modell
InformationsModell
KonsumentenModell
Gemeinsame
Entscheidung
Patient/Eltern
Patient/Eltern
Einseitig:
Arzt vermittelt
Wissen; Eltern/
Patienten informieren
über Wünsche
Gegenseitig:
Kontinuierlicher
Austausch über
Fakten und Werte
Einseitig:
Arzt vermittelt Wissen
Einseitig:
Arzt vermittelt Wissen
bei Bedarf
Beschützer, Wohl­
täter, Hüter der
ärztlichen Kunst
Stellvertreter
Partner
Technischer Experte
Dienstleister
Ethischer Auftrag
des Arztes
Wählen der objektiv
besten Behandlung
Interpretieren der
ob­jektiven und subjek­tiven Interessen
des Kindes basierend
auf Präferenzen der
Eltern
Ermutigung und Unterstützung von Kind und
Eltern basierend auf
aktueller Evidenz
ge­meinsam und im
Prozess eine optimale
Behandlung zu wählen
Information auf vollständige, neutrale
und verständliche
Weise; Intervention
einzig bei möglicher
Kindeswohlgefährdung
Intervention einzig
bei möglicher
Kindeswohlgefährdung
Patient/Eltern-Bild
Keine Entscheidungsträger aufgrund
mangelndem Verständnis für komplexe
Zusammenhänge
Patient/Eltern können
individuell unter fachlicher Begleitung am
Entscheidungsprozess
teilnehmen
Patient/Eltern können
nach Vermittlung
von Wissen selber
entscheiden
Patient/Eltern können
sich mit unterschied­lichen Informationsquellen selber infor­mieren und die für sie
beste Option wählen
Tabelle 1: Modelle zur Entscheidungsfindung im klinischen Kontext (adaptiert von4), 16))
15
Fortbildung
mal kurz zusammen, was ich bisher verstanden habe …») sowie emotionales Verständnis
(«Das war sicherlich schwer zu ertragen») 8) .
Folgende Gesprächstechniken können dazu
angewendet werden (adaptiert nach8), 9)):
•Paraphrasieren
(inhaltliche Wiederholung ohne Bewertung)
•Zusammenfassen des Gesagten
•Emotionen spiegeln
•Ausreden lassen
•offene Fragen stellen («W-Fragen»)
•konkrete Fragen stellen und Details
klären durch Nachfragen
•Trennung von Wahrgenommenem
und Interpretationen
•zur Weiterrede ermutigen.
Ein zentraler Teil des aktiven Zuhörens sind
die Umformulierungen, Paraphrasierungen
und Zusammenfassungen des Gesagten. Mittels folgender Formulierungshilfen kann man
zudem dabei das Gespräch in wichtigen Themenpunkten vertiefen [adaptiert nach8)):
•Faktenverständnis «Habe ich Sie/Dich so
richtig verstanden?»
•Bedürfnisse: «Um X zu tun benötigen Sie/
benötigst Du …?»
•Wertehintergrund: «Ihnen/Dir liegt sehr am
Herzen, dass …»
•Persönliche Regeln: «Für Sie/Dich ist unverzichtbar, dass …»
•Erklärungsmodelle: «Für Sie/Dich ist selbst­
verständlich, dass …»
•Ziele und Erwartungen: «Ihr/Dein Hauptziel
ist …»
•Einschränkungen: «Sie können sich/Du
kannst dir nicht vorstellen, dass …»
4. Schritt: Zusammenstellen und
angemessene Präsentation der
aktuellen Handlungsoptionen inkl.
der vorhandenen Evidenz
Erst im vierten Punkt und nun im Wissen über
die grundlegenden Werte, Ängste und Erwartungen, werden die Handlungsoptionen besprochen. Die Information soll gemäss dem
Wissens-, Bildungs- und Entwicklungsstand
der einzelnen Familienmitglieder besprochen
werden und bei Bedarf individuell erfolgen.
5. Schritt: Konsensfindung bezüglich
einer Entscheidung
Im fünften Punkt schliesslich geht es um die
eigentliche Entscheidung, die im Konsens
zwischen allen verantwortlichen Personen
getroffen werden soll. Im Universitäts-Kinderspital Zürich haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, bei besonders schwierigen
Vol. 26 Nr. 4 2015
Entscheidungen (e. g. Therapieabbruch) mit
Hilfe eines ethischen Gesprächs vorgängig
einen Konsens im Team herzustellen und
diesen dann als Empfehlung gegenüber den
Eltern gut vorbereitet zu vertreten10) .
antwortung in der erfolgreichen Umsetzung des
Lösungsvorschlags und sollte dabei auch das
Vertrauen der Mutter nicht verlieren, sondern
diese ebenso wie Tina in die «partnerschaftliche» Entscheidungsfindung einbeziehen.
6. Schritt: Festlegen eines Behandlungs­
planes mit gegenseitiger Zustimmung
Ebenso wichtig wie die Entscheidung selbst ist
ihre Umsetzung. Im sechsten Schritt soll diese
gemeinsam, möglichst detailliert und für alle
verständlich ausgearbeitet werden. Besprochen werden sollen an dieser Stelle auch die
möglichen Nebenwirkungen oder Notfallsituation inkl. den empfohlenen Lösungen und Ansprechpersonen. Zudem wird im sechsten
Schritt der Zeitpunkt einer Überprüfung von
Durchführbarkeit und Wirkung bestimmt und
damit wieder bei Schritt 1 begonnen.
Patientenvignette 2
Beim 9-jährigen Remo erscheint primär das
Vertrauen der Eltern wichtig, um Zugang zu
ihrem Sohn zu erhalten. Verständlicherweise
möchten diese ihren Sohn bestmöglich schützen. Dementsprechend kann man den Eltern
mit aktivem Zuhören möglichst wertschätzend begegnen und so auch ihre Ängste benennen. Gleichzeitig ist für eine erfolgreiche
Durchführung der Behandlung eine vertrauensvolle und offene Beziehung zu Remo
grundlegend und die meisten Kinder wissen
oder ahnen ohnehin meist mehr über ihre
Krankheit, als man ihnen gemeinhin zutraut.
So kann man die Eltern respektieren und eine
gemeinsame Sprache für das Lymphom suchen. Trotzdem gibt es klare Grenzen, die den
Eltern empathisch aufgezeigt werden müssen.
So sollten Eltern informiert werden, dass das
Team einen Patienten nicht anlügen wird,
wenn er beispielsweise selber Fragen stellt.
Man weiss heute, dass Kinder zusätzlich leiden wenn sie keine Möglichkeit haben, über
ihre Eindrücke und Ängste zu sprechen.
­Deshalb erklären Fachpersonen Kindern
wie Remo regelmässig und in Kind- und Situations-gerechter Art und Weise den Krankheitsverlauf, die Befunde und die nächsten
Behandlungsschritte. Je nach Temperament,
Präferenz und Entwicklungsstand des Kindes
wird er dadurch schrittweise in die Überlegungen zu Therapie und Pflege eingebunden.
Kritische Würdigung des Modells
anhand der Patientenvignetten
Auf der Suche nach einer optimalen Behandlung
und Begleitung des Kindes orientiert sich SDM
individuell an den Bedürfnissen und Kompetenzen der beteiligten Personen. So wird auch ein
Arzt individuell und auf die ihm eigene Art und
Weise mit dem Patienten und den Eltern kommunizieren. Die hier diskutierten Patientenvignetten sind daher nicht als Empfehlung für ein
«richtiges» Verhalten aufzufassen, sondern sind
neben einer Veranschaulichung der theoretischen Grundlagen auch als Gedankenanstoss
für eigene Vorgehensweisen gedacht.
Patientenvignette 1
Im Beispiel der 15-jährigen Tina ist Tinas Vertrauen und Offenheit gegenüber dem Arzt von
besonderer Bedeutung. Möglicherweise bedarf
es dazu einer separaten Konsultation mit Tina
ohne Mutter, damit offen über ihre (potenziell
lebensbedrohliche) Asthma-Symptomatik und
die Gründe für die scheinbar schlechte Adhärenz (früher Compliance) bezüglich Medikamenteneinnahme gesprochen wird. Zusätzlich wäre
möglicherweise auch ein Gesprächsangebot
bezüglich Drogenkonsum und Schutz vor Geschlechtskrankheiten angezeigt. Auf der Basis
dieser gegenseitigen Information über Gefahren
und Probleme sollte neben einer einfachen Erfassung der aktuellen Asthma-Symptomatik
(beispiels­weise mittels einer App auf dem Mobiltelefon) mit Tina ein Stufen-Therapie-Schema
erarbeitet werden, welches mit ihrem aktuellen
Lebensstil möglichst gut vereinbar ist. Im Unterschied zum Informations- und Konsumentenmodell behält der Arzt im SDM-Modell eine Mitver-
16
Patientenvignette 3
Für die Situation des zweijährigen Jan mag die
Anwendung des SDM-Konzeptes fragwürdig
erscheinen. Tatsächlich wäre es juristisch
strafbar und ethisch nicht zu rechtfertigen,
eine akut lebensnotwenige Handlung mit
Aussicht auf Erfolg zu unterlassen oder durch
lange Gespräche zu verspäten. Viele Eltern
sind zudem in der geschilderten Situation
nicht in der Lage an einem Entscheidungsfindungsprozess aktiv teilzunehmen und gewissen Eltern ist es aus religiös-kulturellen
Gründen prinzipiell untersagt, über einen
Therapieabbruch mitzuentscheiden. Wäre
des­halb nicht besser das interpretative Modell zu wählen (s. Tabelle 1) und den Eltern
lediglich zu kommunizieren, was als nächstes
gemacht wird, bzw. dass bei Verzicht auf
ECMO «alles Mögliche» gemacht worden war?
Fortbildung
Vol. 26 Nr. 4 2015
Man weiss aus Untersuchungen, dass die
Präferenzen von Eltern, bezüglich Beteiligung
an einer medizinischen Entscheidung sehr
unterschiedlich sind, grundsätzlich eine Beteiligung am Entscheid aber oft gewünscht
wird11). Gleichzeitig gibt es zunehmend Evidenz, dass Eltern, welche in eine kritische
Entscheidung mit guter Aufklärung über Prognose und Optionen miteinbezogen wurden, die
Situation besser verarbeiten können2). Die
Stärke des SDM-Konzeptes liegt darin, dass
Kontext-bezogen auf die aktuellen Bedürfnisse
und Kompetenzen von Kind und Eltern eingegangen werden kann. Gerade in der geschilderten, kritischen Situation mag es von besonderer Bedeutung sein, frühzeitig und in ruhiger
Umgebung mit den Eltern zusammenzusitzen,
den Eltern (und dem Kind) Offenheit zu signalisieren, gleichzeitig aber entsprechend den
oben genannten Schritten zuerst ihre aktuelle
Gefühlslage und Wertehaltung zu explorieren.
Basierend auf der verfügbaren Evidenz und
unter Einbezug der Wertehaltung von Eltern
und Kind kann dann ein Behandlungsplan
ausgearbeitet werden. Auch falls die ECMO
oder andere invasive, lebenserhaltende Massnahmen bereits installiert wurden, ist es
wichtig, Indikatoren im Behandlungsplan zu
definieren, welche einen Therapieerfolg oder
ein Therapieversagen erkennen lassen.
An dieser Stelle ist zu betonen, dass im therapeutischen Dreieck nicht die Präferenzen der
Eltern, sondern das Wohl des Kindes im Mittelpunkt steht. Trotzdem bleiben die Präferenzen
der Eltern als Teil des Kindeswohls relevant13).
Man weiss zudem, dass die Einschätzung der
Lebensqualität durch Fachpersonen nur ungenügend mit der Einschätzung durch Patienten
korreliert14). Zusammenfassend gibt es aus
praktischer, ethischer und rechtlicher Sicht
keine Alternative, als sich dem schwierigen
Interaktionsprozess im therapeutischen Dreieck zu stellen. Das SDM-Modell ist aus unserer
Sicht das einzige in Tabelle 1 genannte Konzept, welches die unterschiedlichen und sich
im Verlauf einer Behandlung verändernden
Erwartungen, Anforderungen und Kompetenzen angemessen berücksichtigen kann.
des (aktiven) Zuhörens Vorstellungen und Vorbehalte frühzeitig klärt15). Je komplexer und
vielfältiger die Behandlungsoptionen werden,
umso wichtiger wird nicht nur die Klärung der
zugrundeliegenden Wertehaltung und Einstellung, sondern auch die Fähigkeit des Arztes,
einen Sachverhalt verständlich machen zu
können. In der ärztlichen Ausbildung verdient
das SDM-Modell deshalb ebenso einen hohen
Stellenwert wie auch die Ausarbeitung von
Entscheidungshilfen, mit deren Hilfe komplexe
Sachverhalte anschaulich und verständlich erklärt werden können (Bilder, Videos, Apps etc.).
Ist SDM zu aufwändig?
1a)Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir in der Regel
die männliche Form; es sind immer alle Geschlechter mitgemeint.
2a)Damit eine Entscheidung im klassischen Sinn als
informiert und autonom gilt, muss sie aufgeklärt
(mit dem nötigen Wissen) und kompetent (im Besitz
eines Mindestmasses an kognitiven Fähigkeiten)
gefällt werden, intentional d. h. lösungsorientiert
sein, authentisch und insbesondere emotional
stabil sowie freiwillig also unabhängig von Präferenzen anderer Personen wie der Eltern erfolgen.
Es ist anzumerken, dass auch zahlreiche Erwachsene diese Bedingungen nicht (immer) erfüllen.
Insgesamt, so mag man einwenden, ist das
SDM-Modell zu zeitaufwändig und deshalb im
Praxis- und Klinikalltag nicht umsetzbar. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass sich das
Gespräch durchschnittlich nur 3 Min. verlängert
und sich sogar Zeit sparen lässt, wenn man
Entscheidungshilfen verwendet und mit Hilfe
Schlussfolgerung
Die Medizin im 21. Jahrhundert ist geprägt
durch eine bisher nicht gekannte Options- und
Wertevielfalt und es gibt gute Gründe weshalb
das SDM-Modell auch für die Kinder- und Jugendmedizin als Goldstandard der Entscheidungsfindung gelten kann: Erstens bringt das
Modell die unterschiedlichen Rechte, Bedürfnisse und Pflichten von Kind, Eltern und Fachpersonen in allen Phasen der Entscheidung
und Kontext-sensibel in Einklang. Zweitens
werden die Behandlungsoptionen mit Blick auf
die verfügbare Evidenz verständlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Drittens
gibt es zahlreiche Hinweise, dass SDM unnötige, kostenintensive und nebenwirkungsreiche Behandlungen verhindern kann (von einfachen Antibiotika bei viralen Infekten bis zu
umfangreichen Eingriffen der hochspezialisierten Medizin bei schwerstkranken Patienten) 4).
Obwohl gut belegt ist, dass eine schlechte
Kommunikation zu schlechteren Behandlungsresultaten führen kann, bleibt unklar, ob
SDM auch zu besseren Behandlungsresultaten für Kinder und Jugendliche führt. Gerade
mit Blick auf die eingangs genannte Feststellung zum «Gespräch als Heilmittel» sind weitere Studien zu Wirkungen und Nebenwirkungen von SDM, besonders im Kindes- und
Jugendalter, dringend notwendig. Bis diese
Resultate vorliegen gibt es aus unserer Sicht
aber keinen Grund das Modell den Patienten
und ihren Familien vorzuenthalten.
17
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16)Krones T, Richter G (2008) Ärztliche Verantwortung:
das Arzt-Patient-Verhältnis. Bundesgesundheitsbl
51: 818–826.
Abkürzungen
SDM: Shared Decision-Making
ECMO: Extrakorporale Membranoxygenierung
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein
Interessenskonflikt besteht.
Korrespondenzadresse
Dr. med., Dr. sc. med. Jürg C. Streuli
Oberarzt Palliative Care Team
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 24
CH-8032 Zürich
[email protected]
Fortbildung
Vol. 26 Nr. 4 2015
Kann die Gesundheit der an
Sichelzellanämie leidenden Kinder
in Afrika verbessert werden?
In Benin erprobte Strategie.
Mohamed Cherif Rahimy, Cotonou
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Problematik
Paradoxerweise profitieren die Patienten in
Afrika, wo die Sichelzellanämie die grösste
Verbreitung findet, am wenigsten von den
Fortschritten, die zu einer signifikanten Abnahme der durch diese Krankheit bedingten
Morbidität und Mortalität geführt haben. Es
ist leider so, dass die Hälfte der Kinder mit
Sichelzellanämie das Alter von 5 Jahren nicht
erreicht, und zahlreich sind jene, die sterben,
bevor die Diagnose überhaupt gestellt wurde.
Mehrere Gründe erklären, unter anderen,
diese Tatsache:
•Fehlen von Programmen für ein frühzeitiges
Screening und von Strukturen zur medizinischen Betreuung der so diagnostizierten
Säuglinge
•Ungenügende Anzahl medizinisches Fachpersonal mit entsprechender Ausbildung in
Pathophysiologie und klinischen Kenntnissen der Sichelzellanämie
•Der gängige Gebrauch unnötiger und teurer
Behandlungen
•Fehlende oder dürftige Präventionspolitik
•Mangelnde Sensibilisierung der Öffentlichkeit
•Einfluss von Volksglauben und Armut.
Das sanitäre, wirtschaftliche, soziokulturelle
und klimatische Umfeld der Länder südlich
der Sahara ist kinderfeindlich. Unter diesen
Bedingungen wird die Sichelzellanämie ein
wichtiger Faktor, der alltägliche Pathologien
wie Malaria, akute Durchfall- und Atemwegs­
erkrankungen, Mangelanämien und Unterernährung verschlimmert. Gemäss WHO bezahlen die Kinder in Afrika dieser Krankheit einen
enormen Tribut: Die Sichelzellanämie alleine
ist für über 16 % der kindlichen Todesfälle
verantwortlich.
Stellenwert und Machbarkeit eines Modells
medizinischer Versorgung, wie es in den industrialisierten Ländern entwickelt wurde,
muss in einem solchen Zusammenhang in
Frage gestellt werden.
In Benin erprobte Strategie
Im Mai 1993 konnte die Faculté des Sciences
de la Santé in Cotonou, dank einem Techno­
logietransfer ein Projekt für Neugeborenenscreening der Sichelzellanämie und Betreuung der befallenen Säuglinge starten. Ziel
war es, die spezialisierten medizinischen
Möglichkeiten industrialisierter Länder den
lokalen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zwängen anzupassen.
Ausbildung
Die Anstrengungen konzentrierten sich zuerst
darauf, ein kleines Team ausgebildeter und
motivierter Hebammen, unter der Leitung eines in Immunhämatologie spezialisierten Kinderarztes, aufzubauen.
Screening
Das Screening richtete sich, in einer ersten
Phase, an Neugeborene von Schwangeren, die
während ihrer Schwangerschaft als Trägerinnen von HbS erkannt, und für die Vorteile einer frühzeitigen Erfassung, gleich nach der
Geburt, der Trägerschaft für Sichelzellanämie
sensibilisiert wurden. Anschliessend wurde
das Screening auf alle jungen Säuglinge ausgeweitet, deren Eltern als HbS-Träger bekannt
waren.
Betreuung
Der Grundgedanke bei der Betreuung der
durch das Screening entdeckten Säuglinge
war, frühzeitig medizinische und soziale Massnahmen zu ergreifen, um die klinischen Erscheinungen der Krankheit positiv zu beeinflussen. Die Massnahmen konzentrierten sich
auf Prävention und Behandlung der wichtigsten bekannten Morbiditäts- und Mortalitätsursachen bei Kindern und Jugendlichen in
Afrika.
18
Wesentliche Inhalte dieses Vorgehens:
i)Planung und Umsetzung eines dauerhaften
Programmes für Ernährungserziehung; es
erlaubt, den Ernährungszustand der Kinder
ohne spürbare Mehrkosten zu verbessern.
Parallel dazu regelmässige Wachstumskontrolle der Kinder;
ii)Ausarbeitung und Umsetzung eines Präventions- und Behandlungsprogrammes
für Infektionskrankheiten, das unter anderem Massnahmen zur Malariavorbeugung,
tägliche Penizillineinnahme, Beachtung
des erweiterten nationalen Impfprogrammes und Versorgung mit Impfstoffen zu
verbilligten Preisen umfasst;
iii)Einführung eines Präventions-, Screeningund Behandlungsprogrammes für Mikronährstoffmängel, die in tropischen Regionen gängig sind;
iv)Ausarbeitung eines Programmes für regelmässige medizinische Betreuung, für Erwachsenenbildung betreffend Sichelzellanämie, Elternbildung und Förderung von
Hygienemassnahmen, Sicherung des finanziellen Zugangs zu medizinischer Betreuung.
Nota bene: Diese Strategie zur Betreuung der
durch das Screeningprogramm erfassten
Säuglinge kam auch Kleinkindern zugute, bei
welchen die Sichelzellanämie anlässlich einer
Komplikation diagnostiziert und die deshalb
zugewiesen wurden.
Ergebnisse
Die ersten Ergebnisse waren ausserordentlich
ermutigend:
•Signifikante Reduktion von Häufigkeit und
Schweregrad akuter Komplikationen
•Zufriedenstellende Wachstumskurven
•Bemerkenswerte Abnahme der Mortalität
im Kindes- und Jugendalter auf 15.5 ‰,
während die Sterblichkeit in der allgemeinen pädiatrischen Bevölkerung zur gleichen
Zeit 160 ‰ betrug
•Bemerkenswerte Akzeptanz des Projektes
durch die Eltern, die ihren hergebrachten
Glauben in Bezug auf Sichelzellanämie änderten; die Adhärenz an das Programm
beträgt weiterhin über 80 %.
Die hier aufgeführten Ergebnisse wurden publiziert1)–9) .
Ausweitung des Projektes auf Grund
der erreichten Ergebnisse
i)Die Strategie dieses ursprünglich individuellen Projektes wurde 2000 vom Gesund-
Fortbildung
Vol. 26 Nr. 4 2015
heitsministerium Benins übernommen
und, nach mehreren institutionellen Reformen, im Juni 2010 durch ein präsidentielles
Dekret zur öffentlichen Institution mit sozialem und wissenschaftlichem Charakter
erklärt, im Sinne einer finanziell unabhängigen juristischen Person mit entsprechenden Infrastrukturen, Centre de Prise en
Charge Médicale Intégrée du Nourrisson
et de la Femme Enceinte atteints de
Drépanocytose (CPMI-NFED) (Zentrum zur
integrierten medizinischen Betreuung von
Säuglingen und Schwangeren mit Sichelzellanämie) genannt.
ii)Die überzeugenden Resultate dieser innovativen Strategie, beruhend auf einer an
die Besonderheiten einer Krankheit und an
die lokalen soziologischen, kulturellen und
wirtschaftlichen Bedingungen angepassten Gesundheitserziehung, überzeugte die
internationale Organisation Médecins du
Monde Suisse. Sie beschloss, sich für die
Beschaffung finanzieller Mittel einzusetzen, um eine Dezentralisierung des CPMINFED in die Wege zu leiten, und deren
Hilfeleistungen den Patienten, durch die
Schaffung von Antennen in peripheren
Zentren, näher zu bringen. Ein partnerschaftliches Projekt entstand in Form einer ersten Antenne im September 2010.
Durch den Erfolg dieser ersten Erfahrung
ermutigt, wurde am 21. Februar 2014 zwischen den beiden Partnern ein Rahmenvertrag für eine Dauer von fünf Jahren unterzeichnet. Die Schaffung einer zweiten
Antenne ist im Gange und deren Einweihung für die zweite Septemberwoche 2015
vorgesehen.
iii)Diese Strategie hat auch die WHO-Strategie zur Kontrolle der Sichelzellanämie in
Afrika inspiriert und wurde von den Gesundheitsministern am 30. August 2010 in
Malabo, Äquatorialguinea, ratifiziert (Resolution AFRO/RC60/8).
Schlussfolgerung
Die Mortalität im Kindes- und Jugendalter gilt
als ein Indikator für den Entwicklungsstand
eines Landes. Die Sichelzellanämie trägt wesentlich zur noch immer hohen Kindermortalität im subsaharischen Afrika bei und illustriert den wachsenden Graben zwischen Afrika
und den industrialisierten Ländern. Die Ver-
besserung der Gesundheit der an Sichelzell­
anämie leidenden Kinder Afrikas könnte dazu
beitragen, diese Kluft abzubauen.
Referenzen
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This paper has been awarded «The Gabriel Ward
Lasker Prize 2007».
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variant with protection against infections. Am J
Hematol 2009 Jun; 84 (6): 378–80.
9) Hans-Moevi AA et al. Résultats préliminaires de la
prise en charge ambulatoire de la nécrose aseptique de la tête fémorale chez les enfants atteints
de drépanocytose. Rev CAMES 2010; 10: 122–6.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Mohamed Cherif Rahimy
Centre de Prise en Charge Médicale
Intégrée du Nourrisson et de la Femme
Enceinte atteints de Drépanocytose
01 BP 2640 RP, Cotonou, Bénin
Médecins du Monde Suisse unterstützt die Projekte von Professor Rahimy in Benin, durch
Förderung der Dezentralisierung der Betreuung von Patienten mit Sichelzellanämie. Die
NGO ist ebenfalls in Kamerun, in der Demokratischen Republik Kongo, in Palästina, Haïti
und Zentralamerika, aber auch in der Schweiz tätig, wo sie Gesundheitsprogramme zugunsten von Migranten und Sexarbeiterinnen entwickelt und unterstützt. Médecins du
Monde tritt für den allgemeinen Zugang zu medizinischer Betreuung ein.
Präsident von Médecins du Monde Suisse, gegründet durch Professor Nago Humbert, ist
Dr. Bernard Borel, Pädiater FMH in Monthey.
Médecins du Monde Suisse veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Abteilung für pädiatrische Hämatoonkologie des CHUV in Lausanne, ein Symposium zum Thema Sichelzellanämie. Experten aus Norden und Süden werden mit Professor Rahimy ihre Erfahrungen
in diesem Fachgebiet austauschen.
Die Tagung findet statt am
5. November 2015 im Auditorium César Roux des CHUV Lausanne
Auskunft: www.medecinsdumonde.ch
19
SGP- Kongress 2015 Interlaken
Vol. 26 Nr. 4 2015
Vaskuläre Anomalien
im Säuglings- und Kleinkindesalter –
was der Pädiater wissen muss
Martin Theiler1), 2) , Lisa Weibel1), 2) , Zürich
Einleitung
Die vaskulären Anomalien stellen eine heterogene Gruppe von angeborenen oder erworbenen Veränderungen der Blut- und/oder
Lymphgefässe dar. Während viele Unterformen relativ selten sind und üblicherweise an
dafür spezialisierten Zentren behandelt werden, sind einige Manifestationen sehr häufig
und werden regelmässig in der pädiatrischen
Praxis gesehen. Da viele Formen auf den
ersten Blick ähnlich aussehen, tun sich viele
Kolleginnen und Kollegen in der Diagnosestellung schwer, wobei diese durch die häufig inkorrekte Nomenklatur in der medizinischen
Literatur zusätzlich erschwert wird. Eine korrekte Diagnose ist jedoch sehr wichtig, weil
sich die unterschiedlichen vaskulären Anomalien stark in ihrer Prognose, in möglichen
assoziierten Problemen und auch in der Therapie unterscheiden. Bei Beachtung einiger
weniger Punkte kann in vielen Fällen aber
auch bei nicht täglichem Kontakt mit diesen
Krankheitsbildern eine sichere Diagnose gestellt werden und eine adäquate Beratung
betroffener Familien erfolgen.
Dieser Artikel fokussiert sich auf vaskuläre
Anomalien im Säuglings- und Kleinkindesalter,
wobei nach einem Überblick über die Klassifikation der vaskulären Anomalien und allgemeine Aspekte der Beurteilung vor allem auf
die für den pädiatrischen Alltag wichtigen
Krankheitsbilder eingegangen wird. Ziel ist,
dass die Leserin/der Leser nach der Lektüre
in der Lage ist, unproblematische von potentiell problematischen vaskulären Anomalien
im Säuglingsalter zu unterscheiden und zu
erkennen, wann weitere Abklärungen erforderlich sind und allenfalls eine Therapie indiziert ist.
1) Abteilung Dermatologie, Universitäts-Kinderkliniken
Zürich, Eleonorenstiftung, Steinwiesstrasse 75,
CH-8032 Zürich
2) Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich,
Gloriastrasse 31, CH-8091 Zürich
Klassifikation
vaskulärer Anomalien
Vaskuläre Anomalien werden weltweit gemäss der ISSVA-Klassifikation (International
Society for the Study of Vascular Anomalies)
eingeteilt, welche 2014 erneut aktualisiert
wurde (Tab 1). Kernpunkt dieser Klassifikation
ist die klare Unterscheidung zwischen vaskulären Tumoren und vaskulären Malformationen. Diese zwei Gruppen unterscheiden sich
grundlegend, handelt es sich bei den Tumoren
doch um echte Neoplasien mit Proliferation
(und teilweise Regression) unabhängig vom
übrigen Organismus, während die vaskulären
Malformationen strukturelle Veränderungen
darstellen, die bei Geburt angelegt sind und
grundsätzlich lebenslang bestehen bleiben.
Tumoren erhalten stets die Endung -om, während vaskuläre Malformationen nach den
einbezogenen Gefässen als kapilläre, venöse,
lymphatische, arteriovenöse und kombinierte
Malformationen benannt werden. Die weiterhin häufige Benennung vaskulärer Malformationen als Hämangiom (z. B. «kavernöses Hämangiom» für «venöse Malformation») ist
verwirrlich und soll vermieden werden. Ebenfalls wird versucht, Eponyme zu vermeiden
und stattdessen deskriptiv die betroffenen
Gefässkaliber zu benennen (z. B. statt «Klippel-Trenaunay-Syndrom» neu «kombiniert
kapillär-venös-lymphatische Malformation mit
Hypertrophie der betroffenen Extremität»), da
diese Eponyme häufig unpräzise und für unterschiedlichste vaskuläre Anomalien verwendet wurden.
Allgemeine Aspekte in der
Beurteilung vaskulärer Anomalien
In 90 % der Fälle können vaskuläre Anomalien
klinisch eindeutig zugeordnet werden1) . In
den übrigen Situationen sind bildgebende
Verfahren (Duplex-Sonografie, MRI) und selten auch eine Biopsieentnahme erforderlich.
Radiologische Untersuchungen spielen zudem in der exakten Bestimmung der Ausdehnung und Therapieplanung häufig eine wichtige Rolle.
Wichtige, differentialdiagnostisch wegweisende klinische Merkmale sind:
•Zeitpunkt des Auftretens (insbesondere:
bei Geburt voll ausgebildet oder nicht?)
•Veränderung über die Zeit (Wachstum
proportional mit dem Körper oder
«Eigendynamik»?, Regredienz?)
•Klinischer Befund (Farbe, Lokalisation,
Verteilung, Konsistenz, Überwärmung,
Schwirren, Ulzeration, Lageabhängigkeit
etc.)
•Symptome
(Ruheschmerzen, Druckdolenz etc.)
•Familienanamnese
Bei Beachtung dieser Faktoren kann die Differentialdiagnose meist entscheidend eingeengt werden. So wird ein bereits bei Geburt
ausgebildeter Knoten höchstwahrscheinlich
kein infantiles Hämangiom sein. Ebenso dürfte eine subkutane, weiche, bläuliche Raumforderung im Alter von 5 Jahren, welche sich bei
Elevation entleert, nicht einem Hämangiom,
sondern viel eher einer venösen Malformation
entsprechen. Auf die typischen klinischen
Merkmale der einzelnen Krankheitsbilder wird
nun in der Folge genauer eingegangen.
Vaskuläre Tumoren im Säuglings­
alter und Kleinkindesalter
Der mit Abstand häufigste vaskuläre Tumor im
Säuglingsalter ist das infantile Hämangiom
Vaskuläre Tumoren
Vaskuläre Malformationen
• Hämangiome
• Infantile Hämangiome
• Kongenitale Hämangiome
• Kaposiformes Hämangioendotheliom
• Tufted Angioma
• Granuloma pyogenicum
• Fast-flow Malformationen
• AV-Malformationen/AV-Fisteln
• Low-flow Malformationen
• Kapilläre Malformationen
• Venöse Malformationen
• Lymphatische Malformationen
• Komplex-kombinierte Malformationen
Tabelle 1: Klassifikation der vaskulären Anomalien, adaptiert und vereinfacht nach ISSVA
(International Society for the Study of Vascular Anomalies).
20
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Informationen finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch. Stand der Informa tion: April 2011.
Referenzen:
1. Gollnick HPM et al. Br J Dermatol. 2009 Nov;161(5):1180-9.
2. Thiboutot DM et al., J AM Acad Dermatol. 2007; 57(5):791–799,
3. Pariser DM et al., J Drugs Dermatol. 2007; 6(8):898–904
4. Fachinformation unter www.swissmedicinfo.ch
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D: 1 x täglich, abends auf die gesamten von Akne befallenen Flächen auftragen KI: Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe des Präparates VM: nicht auf
beschädigte und ekzematöse Haut auftragen, bei irritativen Reaktionen die Medikationshäufigkeit
reduzieren. Mögliche Kontakt sensi bilisierung allergologisch abklären. Kontakt mit Augen-, Mund-,
Nasen- und sonstigen Schleimhäuten vermeiden. Keine
Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit. IA: andere
Retinoide, Benzoylperoxid oder sons tige Arzneimittel mit
ähnlicher Wirkung nicht gleichzeitig einsetzen UW: trockene
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Ihre Patienten werden es Ihnen danken.1,4
SGP- Kongress 2015 Interlaken
(IH). Es sind ca. 5 % der Kinder betroffen,
wobei der Ausprägungsgrad von kleinen
stecknadelkopfgrossen, roten Papeln bis hin
zu riesigen, grosse Areale des Körpers betreffenden Tumoren reichen kann. Wenngleich die
Ätiologie von IH noch ungeklärt ist, sind verschiedene Risikofaktoren bekannt. So sind
bevorzugt Mädchen, Frühgeborene und Kinder aus Mehrlingsschwangerschaften betroffen.
Das Hauptmerkmal der IH ist ihr absolut charakteristisches Wachstumsverhalten. Die Läsionen sind bei Geburt nicht oder lediglich als
einfach zu übersehende Vorläuferläsionen
(Abb 1) vorhanden und zeigen dann ein rasches Wachstum in den ersten 3 Monaten,
gefolgt von einer langsameren zweiten
Wachstumsphase im Alter von 3–6 Monaten2).
Daran schliesst sich eine Phase der Stagnation über 1–2 Jahre an, welche dann in die
spontane Involution bis ins Alter von 4–5
Jahren übergeht. Die Regression ist dabei
keineswegs stets komplett, in mind. 40–50 %
verbleiben mehr oder weniger gut sichtbare
Residuen.
Abbildung 1: Typische Hämangiom-Vorläuferläsion bei Geburt.
Vol. 26 Nr. 4 2015
Klinisch werden die IH in superfizielle, tiefe
und gemischte Läsionen unterteilt (Abb 2).
Zusätzlich werden sogenannt «segmentale» IH
abgegrenzt, welche bereits von Beginn weg
ein definiertes Areal einschliessen und nicht
aus einem Punkt hervorgehen (Abb 3). Die
Kenntnis dieses Subtyps ist wichtig, da diese
Läsionen je nach Lokalisation ein höheres
Risiko für extrakutane Assoziationen aufweisen, häufiger ulzerieren und oft eine Indikation zur systemischen Therapie darstellen.
pisch für ein IH sind. In dieser Situation macht
häufig eine Bildgebung mittels Duplex-Sonografie, seltener MRI und je nach Befund auch
eine Biopsie Sinn.
Die allermeisten IH stellen lediglich ein lokales Problem dar, in einigen Situationen ist
aber an extrakutane Assoziationen zu denken
und sind entsprechende Abklärungen anzuordnen (Tab 3).
Die Therapie der IH hat sich in den letzten
wenigen Jahren grundlegend gewandelt. Seit
der zufälligen Entdeckung ihrer exzellenten
Wirksamkeit stellen nicht-kardioselektive Betablocker (Propranolol) die Therapie der Wahl
dar3) und zwischenzeitlich wurde ein für diese
Indikation speziell entwickeltes Präparat (Hemangiol®) auch in der Schweiz zugelassen.
Eine Indikation zur systemischen Therapie
besteht in den folgenden Situationen4):
Die Diagnose von IH erfolgt meist klinisch und
ist bei typischer Anamnese und Vorliegen eines superfiziellen, roten Anteils häufig einfach. Bildgebende Verfahren sind routinemäs­
sig nicht erforderlich, die IH sind stets in der
Haut oder Subkutis lokalisiert und beziehen
im Unterschied zu anderen vaskulären Anomalien Muskeln oder andere Strukturen nicht
mit ein. Differentialdiagnostisch schwieriger
können rein subkutane IH sein, da hier an
Hämangiom-Imitatoren wie andere vaskuläre
Tumoren, vaskuläre Malformationen und
nicht-vaskuläre benigne und maligne Tumoren
zu denken ist (Tab 2), insbesondere wenn die
Anamnese und der klinische Verlauf nicht ty-
•Unmittelbar lebensbedrohliche IH (selten,
z. B. grössere Atemwegshämangiome)
•Funktionsgefährdende IH (Risiko einer
Beeinträchtigung des Sehvermögens,
der Nahrungsaufnahme, des Gehörs etc.)
Abbildung 3: Segmentales Hämangiom im
Gesicht, in dieser Situation mit Risiko für ein
PHACES-Syndrom (vgl. Tab 3).
Abbildung 4: Granuloma pyogenicum.
Abbildung 2: Oberflächliche, gemischte und subkutane Hämangiome.
22
SGP- Kongress 2015 Interlaken
Vol. 26 Nr. 4 2015
•Ulzerierte Hämangiome (Schmerzen,
bleibende Narben)
•Risiko für Entstellung
Insbesondere der letzte Punkt gibt manchmal
Anlass zu Diskussionen und eine Behandlung
aus primär ästhetischer Indikation muss mit
den Eltern sorgfältig besprochen werden.
Generell ist die Schwelle zur Behandlung in
den letzten Jahren seit Eintreffen der guten
Sicherheitsdaten dieser Therapie gesunken.
Da das therapeutische Resultat ganz entscheidend von der maximalen Hämangiomgrösse
abhängt, kommt einer frühen Eval­uation einer
Behandlung und Antizipation möglicher Komplikationen eine ganz entscheidende Bedeutung zu. So konnte sehr gut gezeigt werden,
dass ein Behandlungsbeginn bis ins Alter von
90 Tagen deutlich bessere Resultate zeigt als
danach3). Es lohnt sich daher, Kinder mit grös­
seren IH in den ersten Lebenswochen engmaschig zu beurteilen und im Zweifelsfall rasch
an ein erfahrenes Zentrum zu überweisen.
Auch Teledermatologie-Services können hier
entscheidend zu einer frühen Selektion behandlungsbedürftiger IH beitragen.
Kontraindikationen für die Behandlung mit
Propranolol stellen höhergradige AV-Überleitungsstörungen, eine unkontrollierte bronchiale Hyperreagibilität sowie persistierende
Hypotonien dar. Üblicherweise wird das Medikament von den Kindern problemlos vertragen. Die klinisch relevantesten, potentiell
gefährlichen Nebenwirkungen im Säuglingsalter betreffen die Verstärkung einer bronchialen Obstruktion sowie das erhöhte Risiko für
Hypoglykämien. Diese Situationen können bei
guter Instruktion der Eltern (vorübergehender
Stopp der Medikation bei schwereren Luftwegsinfekten und in Perioden verminderter
Abbildung 5: Kapilläre Malformation (Nävus
flammeus), mit typischer scharfer Mittellinienbegrenzung
Nahrungsaufnahme) mehrheitlich umgangen
werden. Die Propranolol-Dosierung beträgt
typischerweise 2 mg/kg/Tag verteilt auf 2
Dosen.
Nicht selten steht man vor dem Dilemma,
dass man ein IH gerne behandeln würde,
jedoch das potentielle Risiko einer systemischen Therapie eine solche nicht rechtfertigt. Dies betrifft insbesondere kleine IH im
Gesichtsbereich, welche nicht unmittelbar
funktionsbedrohend sind. Für diese Situationen hat sich die topische Betablockerbehandlung etabliert, wobei meist Timolol 0.5 %
verwendet wird. Es handelt sich um eine
off-label-Therapie, üblicherweise wird magistral ein Gel aus Timolol-Augentropfen hergestellt.
Der zweite, insbesondere im Kleinkindesalter
häufige vaskuläre Tumor, ist das Granuloma
pyogenicum (Abb 4). Es handelt sich um
biologisch vom IH komplett unterschiedliche
Tumoren, welche häufig nach einem Minimaltrauma auftreten. Klinisch sind sie als
schnell wachsende, wenige Millimeter grosse
Knötchen zu erkennen, welche sehr rasch
erodieren und anhaltend bluten können, was
ihnen im englischen auch die Bezeichnung
«band-aid-disease» eingebracht hat. Therapie
der Wahl ist hier die oberflächliche Abtragung
und Koagulation der Basis mit dem Elek­
trokauter oder bei grösseren Läsionen die
Totalexzision. Stets empfehlen wir eine histologische Untersuchung, da ein (selten auftretendes) kindliches Melanom von einem Granuloma pyogenicum klinisch oft nicht
unterschieden werden kann5) .
Wichtige vaskuläre Anomalien
im Säuglingsalter
Die häufigsten und für den pädiatrischen
Praxisalltag relevantesten vaskulären Anomalien betreffen die Kapillaren. Da diese Läsionen ebenfalls rot sind, bestehen manchmal
klinische Schwierigkeiten in der Abgrenzung
zum IH. Eine klare Unterscheidung ist aber
zentral, da sich kapilläre Malformationen sehr
wesentlich punkto Prognose, potentiell assoziierter Probleme und Therapie von IH unterscheiden.
Die mit Abstand klinisch relevanteste kapilläre Malformation ist der Nävus flammeus
(Feuermal, port-wine stain, Abb 5). Er tritt
mit einer Häufigkeit von ca. 0.3 % auf. Die
Hämangiom-Imitatoren
Andere vaskuläre Tumoren
• Kongenitale Hämangiome
• Kaposiformes Hämangioendotheliom
• Tufted Angioma
Vaskuläre Malformationen
• Venöse Malformation
• Lymphatische Malformation
• Gemischte vaskuläre Malformation
Nicht-vaskuläre benigne Tumoren
und Erkrankungen
• Infantiles Myofibrom
• Pilomatrixom
• Encephalocele/Meningocele/
heterotopes Hirngewebe
Maligne Tumoren
• Infantiles Fibrosarkom
• Rhabdomyosarkom
Tabelle 2: Auswahl möglicher Differentialdiagnosen von IH, adaptiert nach Eichenfield/
Frieden eds, Neonatal and Infant Dermatology,
3rd edition, ElsevierSaunders.
Mehr als nur Hämangiom …
Mögliche Assoziation
Plaquetyp-Hämangiom im Gesicht > 5 cm
Risiko für PHACES-Syndrom (ca. 30 %):
Posterior fossa anomalies, Hemangioma,
Arterial anomalies, Cardiac anomalies,
Eye abnormalities, Sternal defects
Grosse Hämangiome an Wangen,
Hals, Jugulum («Bartbereich»)
Risiko für Luftwegshämangiome
Hämangiome im Lumbosakralbereich
> 2.5 cm
Risiko für spinale Dysraphie, bei ausgedehnteren Plaque-Typ-Hämangiomen auch weitere
Anomalien des Urogenital- und Anorektaltraktes (LUMBAR-Syndrom)
–> 5 kutane Hämangiome
Risiko für Leberhämangiome
Tabelle 3: Situationen, in welchen an mögliche extrakutane Assoziationen bei IH gedacht
werden muss
23
SGP- Kongress 2015 Interlaken
Läsionen sind stets bei Geburt voll ausgebildet und fallen als rote, scharf begrenzte, homogene, praktisch ausnahmslos unilaterale
Makulae mit scharfer Mittellinienbegrenzung
auf. Häufig ist das Gesicht betroffen, die Nävi
flammei können aber überall am Körper vorkommen. Kürzlich konnten somatische Mutationen im GNAQ-Gen als ursächlich identifiziert werden6) .
Nävi flammei sind üblicherweise primär von
ästhetischer Bedeutung. Es können in gewissen Fällen aber auch assoziierte medizinische
Probleme vorliegen. Am häufigsten tritt ein
kongenitales oder sich später manifestierendes Glaukom auf, wobei Kinder gefährdet
sind, deren Feuermal die Augenlider oder den
Stirnbereich betreffen. Bei entsprechendem
Befund ist eine unmittelbare ophthalmologische Beurteilung in den ersten Lebenstagen
und dann repetitiv in gewissen Abständen
indiziert. Selten können Nävi flammei auch
von einer intrazerebralen Mitbeteiligung im
Sinne einer leptomeningealen Angiomatose
begleitet sein, was als Sturge-Weber-Syndrom
bezeichnet wird und klinisch häufig mit
schwer zu behandelnden Krampfanfällen und
sonstigen neurologischen Problemen manifest wird. Traditionellerweise wurde das Sturge-Weber-Syndrom mit Nävi flammei im
Bereich des ersten Trigeminusastes assoziiert. Neue Daten zeigen allerdings, dass das
gesamte frontotemporale Areal ein entsprechendes Risiko zeigt7) und wir klären betroffene Patienten im Alter von 3–6 Monaten
bildgebend mittels MRI ab.
Nävi flammei sind nie spontan regredient. Im
Gegenteil – sehr häufig kommt es mit zunehmendem Alter zu einer Dunkelverfärbung,
Abbildung 6: Typischer Nävus simplex
(Storchenbiss).
Vol. 26 Nr. 4 2015
stärkeren Infiltration mit höckriger Oberfläche
und Ausbildung von Granulomata pyogenica.
Ebenfalls sind die Läsionen nicht selten von
einer manchmal sehr auffälligen Hypertrophie
der darunterliegenden Weichgewebe begleitet. Sie weisen daher insbesondere bei Lokalisation im Gesicht ein erhebliches Stigmatisierungspotential auf.
Ob eine Behandlung erfolgen soll, muss individuell mit den Familien besprochen werden.
Unserer Ansicht nach ist eine Therapie bei
Läsionen im Gesicht üblicherweise indiziert.
Therapie der Wahl ist der Einsatz eines gefäss-spezifischen Lasers, wobei meist der
gepulste Farbstofflaser zum Einsatz kommt.
Betablocker sind immer wirkungslos. Die Lasertherapie ist bei frühem Beginn wirksamer,
erfordert dann aber aufgrund der assoziierten
Schmerzhaftigkeit eine Kurznarkose, später
ab Beginn der Pubertät ist häufig auch eine
Behandlung in Oberflächenanästhesie möglich. An unserer Institution beginnen wir die
Behandlung bei Läsionen im Gesicht nach
Möglichkeit im Alter von 12 Monaten, wobei
immer wiederholte Sitzungen (ca. 6–8) erforderlich sind zur Erreichung einer relevanten
Aufhellung.
Eine wichtige Differentialdiagnose zum Nävus
flammeus stellt der Nävus simplex (Storchenbiss) dar (Abb 6). Es scheint sich hier um
eine funktionelle kapilläre Malformation, möglicherweise ein Überbleibsel der fetalen kutanen Durchblutung, zu handeln. Meist kann der
Nävus simplex klinisch sehr einfach vom
Feuermal unterschieden werden. Der Nävus
simplex ist fast ausnahmslos symmetrisch in
der Mittellinie anzutreffen und bezieht sehr
häufig die Glabella, die Augenlider, die Nasenflügel, das Philtrum, den Nacken sowie
manchmal auch den Rücken mit ein. Auch ist
er häufig farblich etwas weniger kräftig als
das Feuermal und etwas weniger scharf begrenzt. Die Prognose des Nävus simplex ist
ausserordentlich günstig und es tritt im Gesicht meistens bis ins Alter von 1–2 Jahren
eine spontane Regredienz ein. Im Nacken
hingegen verbleibt er häufig lebenslang in
abgeschwächter Form. Der klassische Nävus
simplex wird so gut wie nie von extrakutanen
Manifestationen begleitet. Auch ein Einbezug
der Augenlider bedeutet im Unterschied zum
Feuermal kein Glaukomrisiko.
Die übrigen, in Tabelle 1 erwähnten vaskulären Malformationen sind deutlich seltener.
Häufig handelt es sich um sehr komplexe
24
Probleme, welche interdisziplinär an hierfür
spezialisierten Zentren behandelt werden und
somit nicht im Fokus dieses Artikels stehen.
Wir hoffen, den Leserinnen und Lesern einen
praxisrelevanten Leitfaden in der Beurteilung
und Behandlung häufiger vaskulärer Anomalien und insbesondere in der Differentialdiagnose des «Säuglings mit dem roten Fleck»
gegeben zu haben. Für besonders Interessierte sei auf die weiterführende Literatur verwiesen8)–12) .
Referenzen
1) Theiler M, Walchli R, Weibel L. Vascular anomalies
– a practical approach. J Dtsch Dermatol Ges 2013.
2) Luu M, Frieden IJ. Hemangioma: Clinical Course,
Complications, and Management. Br J Dermatol
2013.
3) Leaute-Labreze C, Hoeger P, Mazereeuw-Hautier J,
et al. A randomized, controlled trial of oral propranolol in infantile hemangioma. N Engl J Med 2015;
372: 735–46.
4) Hoeger PH, Harper JI, Baselga E, et al. Treatment of
infantile haemangiomas: recommendations of a
European expert group. European journal of pediatrics 2015; 174: 855–65.
5) Cordoro KM, Gupta D, Frieden IJ, McCalmont T,
Kashani-Sabet M. Pediatric melanoma: results of a
large cohort study and proposal for modified ABCD
detection criteria for children. J Am Acad Dermatol
2013; 68: 913–25.
6) Shirley MD, Tang H, Gallione CJ, et al. Sturge-Weber
syndrome and port-wine stains caused by somatic
mutation in GNAQ. N Engl J Med 2013; 368: 1971–9.
7) Waelchli R, Aylett SE, Robinson K, Chong WK,
Martinez AE, Kinsler VA. New vascular classification of port-wine stains: improving prediction of
Sturge-Weber risk. Br J Dermatol 2014; 171: 861–7.
8) Clemens RK, Pfammatter T, Meier TO, Alomari AI,
Amann-Vesti BR. Combined and complex vascular
malformations. Vasa 2015; 44: 92–105.
9) Clemens RK, Pfammatter T, Meier TO, Alomari AI,
Amann-Vesti BR. Vascular malformations revisited.
Vasa 2015; 44: 5–22.
10)Greene AK, Alomari AI. Management of venous
malformations. Clinics in plastic surgery 2011; 38:
83–93.
11.)Greene AK, Orbach DB. Management of arteriovenous malformations. Clinics in plastic surgery 2011;
38: 95–106.
12)Greene AK, Perlyn CA, Alomari AI. Management of
lymphatic malformations. Clinics in plastic surgery
2011; 38: 75–82.
Korrespondenzadresse
Dr. med. M. Theiler Pang
Oberarzt pädiatrische Dermatologie
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich
Tel. +41 44 266 82 81
Fax +41 44 266 80 30
[email protected]
SGP- Kongress 2015 Interlaken
Vol. 26 Nr. 4 2015
SGP-Kongress Interlaken 2015:
Zusammenfassung von
Das Thema wird in vier Abschnitte eingeteilt.
Mustapha Mazouni, Lausanne
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
1. Myriam Bickle-Graz:
«Développement neurologique
des prématurés»
Frau Dr. Bickle-Graz ist Leiterin der Abteilung
für Entwicklung der neonatologischen Abteilung des CHUV Lausanne. Ziel dieser vor 30
Jahren geschaffenen Abteilung ist es, Risikoneugeborene, u.a. Frühgeborene < 32 SSW
beim Verlassen des Spitals und langfristig
nachzukontrollieren. Es handelt sich hier um
eine Standortbestimmung, die auf eingehendem Studium der jüngsten Literatur zur neurologischen Entwicklung Frühgeborener beruht und in 3 Abschnitten vorgestellt wurde.
Als Einführung erinnert die Referentin an die
epidemiologischen Daten weltweit und der
Schweiz insbesondere: < 32 SSW: 1 % = 830/
Jahr, 32–36 SSW: 6.2 % = 5100/Jahr, < 37
SSW: ca. 6000/83000 Geburten jährlich.
Im ersten Teil fasst die Autorin die allge­
meinen, langfristigen Folgen der Vorge­
burtlichkeit zusammen: Herzkreislauf- und
metabolische Probleme (Adipositas, Bluthochdruck, etc.), Lungenschäden (Lungenfunk­tionsstörung, Asthma), Seh- (Retinopathie, in
der Schweiz 1.4–2.5 %, Refraktionsstörungen,
Strabismus) und Gehörstörungen (1.5–1 %).
Im zweiten Teil werden langfristige Folgen der
Vorgeburtlichkeit auf die neurologische Entwicklung beschrieben:
Motorisch: Vorübergehende Tonus- und Haltungsstörungen werden bei 11–60 % und
Störungen der Koordinationsentwicklung bei
19 % (9.5–34 %) der Frühgeborenen < 32 SSW,
Zerebralparese bei 8.7 % der Frühgeborenen
< 32 SSW und 2.4 % der Frühgeborenen 34–37
SSW festgestellt.
Kognitive Funktionen: Die verminderte Intelligenz äussert sich durch einen um 2 Punkte
tieferen IQ/fehlende SSW und 2.7 Punkte/
fehlende SSW bei den Mathematikaufgaben;
Sprachstörungen haben 20 % der Kinder.
Verhalten und exekutive Funktionen: Die
Referentin erinnert zuerst an die hauptsächlichsten exekutiven Funktionen (Hemmungskontrolle, mentale und kognitive Flexibilität,
Arbeitsgedächtnis) und deren Testmethoden,
um dann auf die Störungen dieser Funktionen
und ihre sozialen und schulischen Auswirkungen einzugehen.
Die Störungen der exekutiven Funktionen
bestehen in verminderter Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, verminderter Kontrolle von
Hemmungen, Impulsivität und gestörter emotioneller Regulation.
Im dritten Teil geht Dr. Bickle-Graz auf die
Zusammenhänge zwischen Vorgeburtlichkeit
und geistiger Gesundheit ein. Bei Frühgeborenen werden häufiger Schwierigkeiten beim
Regulieren von Emotionen, Viktimisierung in
der Schule, externalisierende (z. B. Verhaltens­
störungen) und internalisierende (z. B. Depression) Störungen festgestellt. Die Autorin
erwähnt auch die Zusammenhänge zwischen
bildgebenden Befunden des Gehirns und
Verhalten des frühgeborenen Kindes sowie
die neuesten Daten betreffend Vorgeburtlichkeit und Autismus und, längerfristig, Schizophrenie.
Abschliessend kam die Referentin noch darauf zu sprechen, inwiefern Schmerzen beim
Neugeborenen später Verhaltensstörungen
verursachen, und wie Eltern das Verhalten
Frühgeborener modulierend beeinflussen
können.
2. Newman C.J. et al.
«Sleep: the other life of children
with neurodisability»
C. J. Newman ist als Privatdozent an der Abteilung für Neuropädiatrie und Neurorehabilitation des CHUV Lausanne tätig.
In seinem interessanten und umfassenden
Vortrag zum Schlaf von Kindern mit neurologischen Störungen geht der Referent einführend auf die normalen Aspekte und Neurobiologie des Schlafes und Schlafstörungen beim
gesunden Kind ein, anschliessend auf die
verschie- denen Arten neurologischer Behinderung (angeboren oder erworben), Lokalisation von Läsionen (zentral, peripher) und betroffenen Funktionen (kognitiv, motorisch,
sensorisch).
25
Schlafstörungen bei neurologischer
Behinderung
Die meisten Patienten mit einer neurologischen Krankheit, sei es geistige Behinderung,
ein genetisches Syndrom oder Zerebralparese, leiden an Schlafstörungen. Diese sind sehr
verschiedener Natur, u. a. Schlaflosigkeit,
Atemstörungen während dem Schlaf, zentrale
Hypersomnie. Die Diagnose und eine genaue
Beschreibung dieser Schlafstörungen erhält
man durch eine sorgfältige Anamnese, mit
Hilfe von Fragebögen und/oder nächtlicher
Polygraphie. Der Autor geht auf Schlaf bei
geistiger Behinderung und auf die zahlreichen
ätiologischen Faktoren der Schlafstörungen
ein.
Schlafstörungen im Zusammenhang mit
Zerebralparese sind häufig, 6–8-mal häufiger
als in der Normalbevölkerung und sehr verschiedenartig: Einschlaf-, Durchschlaf- und
Aufwachstörungen, Atemstörungen im Zusammenhang mit Schlaf, übermässige Schläfrigkeit. Prädiktive Faktoren für Schlafstörungen beim Kind mit Zerebralparese sind
medizinischer, individueller und umweltbedingter Natur.
Im dritten Teil analysiert der Referent Schlafstörungen im Zusammenhang mit neuromuskulären Krankheiten, wie die Muskeldystrophie Duchenne oder die spinale
Muskelatrophie, und geht insbesondere auf
die Rolle der nächtlichen Bewegungslosigkeit
ein.
Der vierte und letzte Teil geht der Frage nach
«Wie kann einem Kind mit einer neurologischen Behinderung bei Schlafstörungen
geholfen werden?». Dr. Newman empfiehlt
ein sehr pragmatisches, problemorientiertes,
auf präzisen anamnestischen und diagnostischen Grundlagen basierendes Vorgehen. Die
Frage des Co-sleeping wird vom Referenten
in Betracht gezogen und detailliert besprochen. Schliesslich insistiert er auf der Bedeutung einer adäquaten Ausstattung der Schlafstelle.
3. Takeuchi YL, Bonvin R, Ambresin AE.
«Teaching with adolescent simulated
patients. What can we learn from
medical students? A mixed methods
study»
Y. L. Takeuchi ist als Assistenzarzt in Pädiatrie,
derzeit an der Unité Pédagogique de la Facul-
SGP- Kongress 2015 Interlaken
té de Biologie et de Médecine Lausanne tätig.
Er stellt hier die vorläufigen Resultate einer in
Zusammenarbeit mit der Division interdisciplinaire de santé des adolescents (DISA) durchgeführten Studie vor, mit dem Ziel, die Sicht
der Studenten zur Zuhilfenahme simulierter
jugendlicher Patienten im Rahmen des Medizinunterrichtes zu erfahren.
Der Einsatz Jugendlicher zum Erlernen klinischer Kompetenzen ist für Medizinstudenten
ein wesentlicher Beitrag, haben Jugendliche
doch ganz spezifische Bedürfnisse. In Lausanne werden gesunde, entsprechend ausgebildete «simulierende» Jugendliche, die die
Patientenrolle übernehmen, durch die DISA
seit 10 Jahren eingesetzt. Die Studenten beteiligen sich im Verlaufe des 4. Studienjahres
in kleinen Gruppen an Workshops mit solchen
jugendlichen «Patienten». Dabei nimmt ein
Student die Anamnese auf während die übrigen beobachten. Nach 5–10 Minuten wird das
Rollenspiel unterbrochen, und «Patient», beobachtende Studenten und Dozent geben
dem «Arzt» ein Feedback. Diese Lehrtechnik
wird von den Medizinstudenten sehr geschätzt und führt zu einer Verbesserung ihrer
klinischen Kompetenz im Umgang mit Adoleszenten. Ein für die Dozenten in diesem Zusammenhang besonders wichtiger Punkt war die
dauerhafte Änderung des Verhaltens der
Studenten in klinischen Situationen, mit möglicherweise entsprechend positiver Auswirkung auf die Patienten, Transferlernen genannt. Drei Faktoren können dabei einen
Einfluss auf den Lernvorgang und den Transfer
haben: Persönlichkeit des Studenten, Art der
Ausbildung und Arbeitsbedingungen. Ziel der
Studie war es:
•Untersuchen, was im Workshop geschieht;
Analyse der Erfahrungen der Studenten.
•Beschreiben der Sicht der Studenten zum
Phänomen Transferlernen und der Faktoren, die den Transfer, insbesondere unter
klinischen Bedingungen beeinflussen.
Vol. 26 Nr. 4 2015
wenig bekannt und komplex. Dies könnte
z. B. mit Hilfe von Videos vor den praktischen Workshops mit simulierten Patienten
gemacht werden.
•Wegen dem geringen Altersunterschied
können sich die Studenten leicht mit den
jugendlichen Patienten identifizieren. Die
Dozenten müssen dieser Tatsache Rechnung tragen und den Studenten helfen,
während der «Sprechstunde» von ihren eigenen Erfahrungen Abstand zu nehmen,
und so ihrer Rolle als Gesundheitsfachperson gerecht zu werden.
•Die Studenten wünschen, dass Bemühungen unternommen werden, den Workshop
in einer möglichst realen klinischen Situation abspielen zu lassen, da die klinische
Situation ein für den Transfer wichtiger
Faktor darstellt.
Korrespondenzadresse
Prof. hon. Mustapha Mazouni
13 route du Pavement
1018 Lausanne
[email protected]
Es handelt sich um eine qualitative Studie,
bestehend aus semi-strukturierten Interviews
mit den Medizinstudenten, vor und nach dem
Workshop mit den simulierten Patienten.
Generell wurden diese Workshops von den
Studenten sehr geschätzt.
Es haben sich einige Ansatzpunkte zur Optimierung des Transferlernens ergeben:
•Medizinstudenten benötigen konkrete Modelle zur Anamneseerhebung bei Adoleszenten, denn dieser Fachbereich ist ihnen
26
Emma,13Monate
Die neue Generation Säuglingsnahrung nach dem Vorbild der Natur
HiPP Combiotik
®
Klinische Studien belegen Sicherheit und Nutzen von
Lactobacillus fermentum* + GOS** in Anfangs- und Folgenahrung
✔ Sicherheit: adäquates Wachstum und Gedeihen
✔ Nutzen: signifikante Reduktion von Durchfallerkrankungen
Studie mit Anfangsnahrung1
Studie mit Folgenahrung2
Anzahl Durchfälle pro Kind am Studienende
(Alter der Kinder: 6 Monate)
Anzahl Durchfälle pro Kind am Studienende
(Alter der Kinder: 12 Monate)
0,4
0,4
0,35
0,35
0,3
0,3
0,25
0,2
0,15
p=0,02
– 71%
0,25
0,2
0,15
0,1
0,1
0,05
0,05
0
Kontrollgruppe
Studiengruppe
nurPräbiotika
Präbiotika(GOS)+
(GOS)
Probiotika(L.fermentum)
p=0,03
– 46%
0
Kontrollgruppe StudiengruppePräbiotika
Studiengruppe
nurPräbiotika
Präbiotika(GOS)+
(GOS)+Probiotika
(L.fermentum)
(GOS)
Probiotika(L.fermentum)
➜Die Studien erfüllen die Forderung der ESPGHAN3,
dass Sicherheit und Nutzen von prä- und probiotischen
Säuglingsnahrungen nachgewiesen werden sollen.
*Lactobacillusfermentumhereditum ®CECT5716–
probiotischeMilchsäurekultur,isoliertausMuttermilch
**GOS=Galacto-Oligosaccharide,gewonnenausLactose
1 Gil-Camposetal.:PharmRes2012;65:231–238
2 Maldonadoetal.:JPGN2012;54:55–61
3 EuropeanSocietyforPediatricGastroenterology,
HepatologyandNutrition–Braeggeretal.:JPGN2011;52:238–50
MehrInformationenunter
hipp.ch
1007568
Wichtiger Hinweis:StillenistdiebesteErnährung
füreinenSäugling.Säuglingsanfangsnahrung
solltenuraufRatvonKinder-undJugendärzten
oderanderenunabhängigenFachleutenverwendetwerden.
SGP- Kongress 2015 Interlaken
Vol. 26 Nr. 4 2015
Obstructive Sleep Apnea Syndrome
Vortrag D. Gozal, Chairman of Pediatrics, University of Chicago.
11. Juni 2015, SSP-Jahresversammlung, Interlaken
Sophie Joyeux, Sion
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
In seinem brillianten Vortrag, gestützt auf eine
langjährige und reiche Erfahrung, vermittelt
uns D. Gozal Einblick in die vielfachen Facetten und Zusammenhänge des Obstructive
Sleep Apnea Syndrome (OSAS).
Dieses Syndrom hat einen Inzidenzpeak im
Alter zwischen 2 und 8 Jahren, ein Alter, in
welchem die Luftwege leichter dazu neigen,
zu kollabieren. Prof. Gozal weist auch auf die
Rolle der Hyperplasie von Gaumen- und Rachenmandeln beim zustande kommen dieses
Syndroms hin.
Es ist wichtig, zwischen in diesem Alter häufigem Schnarchen (10–12 %) und einem OSAS
(2–3 %) zu unterscheiden, das zwar weniger
häufig ist, aber weitere Verstrickungen hat.
Verschiedene (Umwelt)Faktoren beeinflussen
dessen Verlauf und Schweregrad: Durch
Luftverschmutzung exazerbiertes Asthma,
allergische Rhinitis oder eine gleichzeitig bestehende Adipositas.
Es ist wichtig zu bedenken, dass ein OSAS
eine nicht zu vernachlässigende Morbidität
mit sich bringt: Enuresis, Wachstums-, HerzKreislauf-Störung oder Verhaltensstörungen.
Es wurde auch eine Neigung zu Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen, verminderter
Anpassungsfähigkeit und aggressivem Verhalten beobachtet. Die betroffenen Kinder werden oft als hyperaktiv diagnostiziert und
entsprechend behandelt, was wiederum Folgen auf die Lernprozesse hat.
In extremen Fällen kann dies bei Patienten mit
OSAS zu kognitiven Defiziten, verminderter
Lernfähigkeit und Verlust an deklarativem
Gedächtnis führen, wie eine Studie von D.
Gozal und Mitarbeiter zeigt. Die Krankheitslast (burden of disease) ist Folge des durch
Schlafmangel bedingten Verlustes an Hirnzellen.
Die Schwierigkeit bei der Betreuung dieser
Fälle besteht darin, dass unabhängig von der
Schwere des OSAS, der eine Patient eine
nennenswerte Morbidität entwickelt, während
dies bei einem anderen nicht der Fall sein
wird. Also wen behandeln?
Man findet in der Tat so viele Phänotypen wie
Patienten: Schlafapnoen ebenso wie mild
verlaufende systemische entzündliche Krankheiten, körpereigene oder umweltbedingte
Faktoren, labiles Gleichgewicht zwischen
Verletzlichkeit und Toleranz, alles Elemente
welche die Morbidität beeinflussen.
Sind bei einem Kind mit einem kognitiven
Defizit NADPH-Oxydase oder CRP erhöht, so
muss an genetische oder epigenetische Faktoren gedacht werden. Das Vorhandensein
des ApoE4-Allels scheint bei OSAS-Patienten
zu einem erhöhten Risiko, frühzeitig an Alzheimer zu erkranken, zu führen. Ebenso besteht
bei endothelialer Dysfunktion ein erhöhtes
Risiko für eine mit dem Syndrom assoziierte
frühzeitige kardiovaskuläre Krankheit. Positive Familienanamnese und Adipositas sind
zusätzliche Risikofaktoren.
Fortschritte der Epigenetik können dazu beitragen, das OSAS besser zu verstehen; so
wird z. B. geforscht, wie die unterschiedliche
Methylierung des Gens FOX P3 die Aktivierung des Entzündungsprozesses beeinflusst.
Der Schlüssel zum Ausdruck des OSAS-­
Phänotyps scheint die teilweise reversible,
anpassungsfähige oder nicht reversible Methylierung zu sein, ebenso wie epigenetische
Veränderungen des Gens NO-Synthase, Vorgänge, die erklären können, weshalb ein Kind
eine endotheliale Dysfunktion entwickelt,
andere aber nicht.
Viele Fragen, die dem OSAS zugrunde liegende genomische oder epigenetische Ursachen
betreffen, bleiben noch unbeantwortet. Wie
wirken sich diese auf den Phänotypus aus,
sind diese Veränderungen prädiktive Marker
für den Schweregrad des Syndroms, alles
Fragen, die D. Gozal faszinieren.
28
Korrespondenzadresse
Dr S. Joyeux
Médecin assistante
Service de pédiatrie
CHVR – Hôpital de Sion
1950 Sion
[email protected]
SGP- Kongress 2015 Interlaken
Vol. 26 Nr. 4 2015
Die klinische Forschung ist lebendig!
Rückblick auf die SwissPedNet-Sitzung –
klinische Forschung am SGP-Kongress in Interlaken
Andrea Superti-Furga, Lausanne und Urs Frey, Basel
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Wie schon 2013 und 2014 hat das Organi­
sationskomitee des SGP-Kongresses SwissPedNet eingeladen, eine Sitzung zum Thema
klinische Forschung zu veranstalten. Am
Freitagnachmittag konnte ein zahlreiches und
interessiertes Publikum zehn Vorträge hören.
Die angesprochenen Themen reichten von
Hämatologie bis Chronobiologie, von Ernährung und Stoffwechsel bis Schmerzbehandlung. Ganz im Sinne von SwissPedNet waren
mehrere Vorträge aus Kooperationen zweier
oder mehrerer Zentren entstanden.
Unser Dank geht an Henrik Köhler (Organisationskomitee) und Pascale Wenger (SwissPedNet) für ihre Hilfe bei der Organisation
sowie an die Firma Pfizer für das Spenden der
beiden Preise. Auf Wiedersehen 2016!
Korrespondenzadresse
Prof. A. Superti-Furga
Département médico-chirurgical de pédiatrie
Rue du Bugnon 21
1011 Lausanne
[email protected]
Entsprechend einer langjährigen Tradition
haben wir die englische Sprache nicht vorgeschrieben. Die Referate wurden denn auch auf
deutsch, französisch, englisch und sogar mit
ein paar Einlagen Schwyzerdütsch vorgetragen. Der Meinungsaustausch hat keineswegs
darunter gelitten, ganz im Gegenteil! Das
vorwiegend aus klinischen Forschern bestehende Publikum bot eine interessante und
konstruktive Diskussion. Eine besondere Erwähnung verdienen zwei von Studenten und
ein von einer in der Forschung tätigen Krankenschwester vorgetragenen Referate.
Die kleine Jury hatte die schwierige Aufgabe,
die beiden besten Vorträge zu bestimmen,
welche die von der Firma Pfizer gestifteten
Preise erhalten sollten. Schliesslich fiel die
Wahl auf Chafika Kies (Lausanne) für ihre
Arbeit zur Bedeutung von Urinkultur und von
Ultraschall bei Diagnose und Betreuung der
Harnwegsinfektion im Kleinkindesalter, und
auf Caro Guyer (Zürich) für ihre Studie zum
frühzeitigen Auftreten des zirkadianen Rhythmus bei Frühgeborenen.
Die Sitzung hinterliess nicht nur zum Stand
der klinischen Forschung in der Schweiz einen
sehr positiven Eindruck, sondern auch bezüglich Anzahl junger, an Forschung interessierter Kollegen, die hervorragende Resultate er­zielen.
29
Publireportage
Anpassung der Therapieempfehlungen
Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) und der North American
Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (NASPGHAN) (1,2)
Dr. Michela Tempia-Caliera PD, FMH Pädiatrie, FA Gastroenterologie und Hepatologie
EINFÜHRUNG
Von der funktionellen Obstipation sind etwa 3% der Weltbevölkerung
betroffen. Sie beginnt häufig im ersten Lebensjahr und ist mit einer
unregelmäßigen und/oder schmerzhaften Darmentleerung, mit
Stuhlinkontinenz und Bauchschmerzen verbunden. Um die Kliniker
bei der Wahl der Therapie zu unterstützen, haben die europäische und
die nordamerikanische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie
gemeinsame Empfehlungen für die Behandlung von Patienten mit
funktioneller Konstipation und deren Betreuung entwickelt.
Die Behandlungsempfehlungen werden als Zusammenfassung in diesem
Artikel vorgestellt. Nach den Empfehlungen sind zunächst folgende 3
Fragen zu beantworten:
A. Welche Wirkung haben nicht-pharmakologische Interventionen auf
die Behandlung der Obstipation, wie z. B Ballaststoffe, Flüssigkeit,
körperliche Aktivität, Präbiotika, Probiotika, Verhaltenstherapie,
Biofeedback, multidisziplinäre Ansätze und alternative Medizin?
B. Welche Behandlung ist bei der funktionellen Obstipation am wirksamsten
und sichersten, sowohl für die Auflösung der Stuhlimpaktion als auch
für die Erhaltungstherapie und welche Verabreichungsart ist am besten
geeignet?
C. Wie wirksam sind die neuen Arzneimittel wie Lubiproston, Linaclotid
und Prucaloprid bei hartnäckiger Obstipation?
1007523
EMPFEHLUNGEN FÜR DIE NICHTMEDIKAMENTÖSE
THERAPIE:
1. Normale Ballaststoffzufuhr: Eine zusätzliche Ballaststoffzufuhr zeigt
nach einer systematischen Untersuchung der veröffentlichten Studien
(3-7) keinerlei Wirkung.
2. Normale Flüssigkeitszufuhr: Zwei systematische Reviews der Literatur
zeigten keinen Nutzen einer Steigerung der täglichen Flüssigkeitszufuhr
(8, 9).
3. Normale körperliche Aktivität: Es wurde bisher keine einzige
randomisierte Studie durchgeführt, welche die Wirkung einer erhöhten
körperlichen Aktivität zeigt.
4. Die regelmäßige Einnahme von Prä- und oder Probiotika kann
nicht empfohlen werden. Vier systematische Reviews (8-11) der
durchgeführten Studien zeigten keinerlei Nutzen.
5. Die Anwendung eines intensiven Verhaltenstherapie-Programms wird
nicht empfohlen. Tatsächlich zeigen drei Untersuchungen von 194
Studien zum Thema keinen Zusatznutzen im Vergleich zur alleinigen
Behandlung mit Laxantien (8, 10, 12). Nur ein Patient, bei dem die
Beschwerden in Zusammenhang mit einer Verhaltensstörung auftreten,
kann von einer Behandlung durch einen Psychotherapeuten profitieren.
6. Alternative Therapien (Akupunktur, Homöopathie, Manipulationen
wie Chiropraktik, Yoga) oder multidisziplinäre Ansätze (diätetisch,
psychologisch, usw.) oder Biofeedback werden nicht empfohlen.
B./C. EMPFEHLUNGEN FÜR DIE MEDIKAMENTÖSE
THERAPIE:
Die Empfehlungen basieren auf der Fachmeinung, die sich auf fünf
systematische Untersuchungen stützt (8, 10, 13-15). Sie umfassen folgende
Punkte:
1. Eine Entmystifizierung mit physiopathologischen Erklärungen, sowie
Ratschläge zur Sauberkeitserziehung ab dem 4. Lebensjahr.
2. Die orale Behandlung mit Polyethylenglykol (PEG) mit oder ohne
Elektrolyte wird als Therapie der ersten Wahl empfohlen. Arzneimittel
auf PEG-Basis sind tatsächlich wirksamer als Lactulose, wobei Letzteres
dem Arzneimittel auf Basis von Magnesiumhydroxid, Mineralöl oder
Plazebo überlegen ist. Das PEG ist außerdem bei allen Altersgruppen
sicher. Aus diesem Grund ist, wenn die Verordnung von PEG nicht
möglich ist, eine Grundbehandlung auf Lactulosebasis die Therapie der
ersten Wahl. Therapien auf Basis von Magnesiumhydroxid, Mineralöl
oder Laxantien werden entweder als Mittel der zweiten Wahl oder als
adjuvante Therapie empfohlen.
3. Die Erhaltungstherapie muss mindestens 2 Monate lang durchgehalten
werden.
4. Eine zusätzliche Erhaltungstherapie mit Darmspülungen wird nicht
empfohlen.
5. Mindestens einen Monat vor Absetzen der Behandlung müssen alle
Symptome der Obstipation verschwunden sein.
6. Das Absetzen des Arzneimittels muss nach und nach durch
Ausschleichen erfolgen.
7. Wenn gerade mit der Sauberkeitserziehung begonnen wurde, darf die
Medikation erst abgesetzt werden, wenn das Kind sauber ist.
8. Die neuen Therapien wie Lubiproston, Linaclotide und Prucaloprid
haben sich bei der Behandlung der Obstipation bei Erwachsenen als
wirksam erwiesen. Allerdings liegen bis heute keine Studiendaten zur
Wirkung bei Kindern vor. Aus diesem Grund werden sie für pädiatrische
Patienten nicht empfohlen.
Die Tabelle unten zeigt eine Zusammenfassung der empfohlenen
Dosierungen:
Desimpaktion
Therapiewahl
Laxanzien
Dosierung
Dauer
1
PEG*
1-1,5 g/ kg/ Tg.
3-6 Tage
2
Darmspülung
1 x/ Tg.
3-6 Tage
* Diese Indikation ist nicht für alle Produkte auf PEG-Basis zugelassen:
Bitte lesen Sie die entsprechende Fachinformation
Erhaltungstherapie
Therapiewahl
Orale Laxanzien
Dosierung
1
PEG
Erhaltung mit 0,4 g/ kg/ Tg.
Je nach klinischer Response anpassen
2
Lactulose
1-2 g/ kg /Tg. 1 bis 2 x/Tg.
3
Magnesiumhydroxid
2-5 Jahre: 0,4-1,2 g/ kg/ Tg.
6-11 Jahre: 1,2- 2,4 g/ kg/ Tg.
12-18 Jahre: 2,4-4,8 g/ kg/ Tg.
Referenzen:
1. Tabbers MM, DiLorenzo C, Berger MY, et al. Evaluation and Treatment of Functional Constipation in
Infants and Children: Evidence-based recommendantions from ESPGHAN and NASPGHAN. JPGN
2014;58: 258–274
2. Baker SS, Liptak GS, Colletti RB, et al. Constipation in infants and children: evaluation and treatment.
A medical position statement of the North American Society for Pediatric Gastroenterology and
Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 1999;29:612–26.
3. Loening-Baucke V, Miele E, Staiano A. Fiber (glucomannan) is beneficial in the treatment of childhood
constipation. Pediatrics 2004;113:e259–64.
4. Castillejo G, Bullo M, Anguera A, et al. A controlled, randomized, double-blind trial to evaluate the
effect of a supplement of cocoa husk that is rich in dietary fiber on colonic transit in constipated
pediatric patients. Pediatrics 2006;118:e641–8.
5. Kokke FT, Scholtens PA, Alles MS, et al. Adietary fiber mixture versus lactulose in the treatment of
childhood constipation: a double-blind randomized controlled trial.
6. Chmielewska A, Horvath A, Dziechciarz P, et al. Glucomannan is not effective for the treatment of
functional constipation in children: a double-blind, placebo-controlled, randomized trial. Clin Nutr
2011; 30:462–8.
7. U¨ stu¨ndag˘ G, Kulog˘lu Z, Kirbas¸ N, et al. Can partially hydrolyzed guar gum be an alternative to
lactulose in treatment of childhood constipation? Turk J Gastroenterol 2010;21:360–4.
8. Tabbers MM, Boluyt N, Berger MY, et al. Constipation in children. Clin Evid (Online) 2010;2010:ii:0303.
9. Tabbers MM, Boluyt N, Berger MY, et al. Nonpharmacologic treatments for childhood constipation:
systematic review. Pediatrics 2011;128:753–61.
10. Pijpers MA, Tabbers MM, Benninga MA, et al. Currently recommended treatments of childhood
constipation are not evidence based: a systematic literature review on the effect of laxative treatment
and dietary measures. Arch Dis Child 2009;94:117–31.
11. Chmielewska A, Szajewska H. Systematic review of randomised controlled trials: probiotics for
functional constipation. World J Gastroenterol 2010;16:69–75.
12. Brazzelli M, Griffiths PV, Cody JD, et al. Behavioural and cognitive interventions with or without other
treatments for the management of faecal incontinence in children. Cochrane Database Syst Rev
2011; CD002240.
13. Price KJ, Elliott TM. What is the role of stimulant laxatives in the management of childhood
constipation and soiling? Cochrane Database Syst Rev 2001; CD002040.
14. Lee-Robichaud H, Thomas K, Morgan J, et al. Lactulose versus polyethylene glycol for chronic
constipation. Cochrane Database Syst Rev 2010; CD007570.
15. Candy D, Belsey J. Macrogol (polyethylene glycol) laxatives in children with functional constipation
and faecal impaction: a systematic review. Arch Dis Child 2009;94:156–60.
Fragen und Antworten zur Erfahrung im Praxisalltag
Dr. Michela Tempia-Caliera
PD, Fachärztin für Pädiatrie (FMH), FA Gastroenterologie und Hepatologie
1
Sind Sie in Ihrem Praxisalltag häufig mit Patienten konfrontiert, die an Obstipation leiden?
Als Fachärztin für pädiatrische Gastroenterologie gehören Patienten mit Obstipation zu meinem Alltag.
2
Welche Faktoren sind bei der Wahl der Therapie zu berücksichtigen?
Ab dem Alter von 4 Jahren ist eine Beratung zur Sauberkeitserziehung mit einer Entmystifizierung anhand physiopathologischer Erklärungen
angebracht.
Für den Behandlungsbeginn werden Mittel auf Polyethylenglykol-Basis (PEG-Basis) als Therapie der ersten Wahl empfohlen. Diese Arzneimittel
sind tatsächlich wirksamer als Lactulose, die aber wiederum Arzneimitteln auf Basis von Magnesiumhydroxid, Mineralöl oder Plazebo überlegen
sind. Es ist außerdem bei allen Altersgruppen sicher.
3
Wie kann man eine gute Compliance sicherstellen?
Die Erhaltungstherapie muss mindestens 2 Monate lang durchgeführt werden. Während der Erhaltungstherapie wird nicht empfohlen,
Darmspülungen durchzuführen. Anschliessend ist eine engmaschige Überwachung unabdingbar, um eine gute Compliance sicherzustellen.
4
Auf dem Schweizer Markt gibt es derzeit mehrere Arzneimittel auf Macrogol-Basis. Wodurch unterscheiden sich diese Produkte
voneinander?
Die drei wichtigsten Unterschiede sind:
- mit oder ohne Elektrolyte
- die Dosierung des Wirkstoffs
- das Aroma
5
Welche therapeutischen Vorteile bietet ein Produkt auf der Basis von Macrogol 4000 ohne Elektrolyte im Vergleich zu einem Produkt
auf Basis von Macrogol 3500 mit Eletrolyten?
Die Produkte auf Basis von Macrogol 4000 ohne Elektrolyte sind in ihrer Wirkung mit elektrolythaltigen Produkten vergleichbar. Zusätzlich
geniessen diese Produkte oft eine bessere Compliance aufgrund ihres besseren Geschmacks.
6
Welche Erfahrungen haben Sie im Praxisalltag mit Laxipeg gemacht?
Laxipeg, Macrogol 4000 ohne Elektrolyte wird als angenehmer empfunden, vor allem von kleinen Kindern, da es nicht salzig schmeckt.
Die Zeit
der Obstipation
läuft ab
Kassenzulässig*, 10% Selbstbehalt
Die Wirksamkeit von Macrogol1
1007515
Ideal für Kinder dank dem praktischen Messlöffel
Ge
Ohne Elektrolyte für einen besseren Geschmack und eine bessere Compliance2
Null Salz
viel
sc
hma
ck
Ohne Elektrolyte für eine bessere Compliance
Laxipeg® Z: Macrogol 4000. I: Obstipation bei Erwachsenen und Kindern. D: Beutelinhalt in 125 ml Wasser auflösen und rasch trinken. Erwachsene und Kinder > 8 J.: 1 – 2 Beutel/Tag; Pulver aus Dose:
4 – 8 volle Messlöffel/Tag; Tageshöchstdosis von 20 g Pulver nicht überschreiten. Kinder < 8 J und weniger als 20 kg schwer: übliche Anfangsdosis 0,7 g/kg täglich. KI: schwere entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), toxisches Megakolon, Perforation oder Gefahr einer Perforation im Verdauungstrakt, Ileus oder Verdacht auf intestinale Obstruktion, Schmerzen im Bauchraum
unbest. Ursprungs, Überempfindlichkeit gegenüber Macrogol oder einem der Hilfsstoffe. VM: Kinder von 6 Mt. – 2 J. (KG von mind. 6 kg) nur nach Rücksprache mit Arzt anwenden. Bei jüngeren und
leichteren Kindern nicht anwenden. Vor Behandlungsbeginn organische Funktionsstörung ausschliessen; max. Therapiedauer bei Kindern: 3 Mt. Vorsicht bei Diarrhö bei Patienten mit Störungen des WasserElektrolyt-Haushalts. UW: Meteorismus und/oder Abdominalschmerzen, Nausea, Diarrhö. Schwangerschaft: Vorsicht geboten. P: Beutel 10 g: 20 und 100; Dose Pulver: 200 g (C* Lim.). [Mai 2013]. Ausführliche
Angaben finden Sie auf http://www.swissmedicinfo.ch.
Referenzen 1. Chaussade S, Minić M. Comparison of efficacy and safety of two doses of two different polyethylene glycol-based laxatives in the treatment of constipation. Aliment Pharmacol Ther. 2003
Jan;17(1):165-72. 2. De Giorgio, R., et al., Use of macrogol 4000 in chronic constipation. Eur Rev Med Pharmacol Sci, 2011. 15(8): p. 960-6.
Zambon Schweiz AG, Via Industria 13 - CH-6814 Cadempino, www.zambon-ch.ch
Hinweise
Vol. 26 Nr. 4 2015
MMR, 2 Jahre – 2 Dosen!
Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin
Mitglied des Komitees für eine Schweiz ohne Masern
Traduction: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Liebe Mitglieder
Masern sind
nicht harmlos.
Sie finden hier eine Lagebeurteilung der
Strategie zur Maserneliminierung in der
Schweiz. Erklärtes Ziel ist es, eine Durchimpfung mit 2 MMR-Dosen bei 95 % der
2-jährigen Kinder zu erreichen. Die unten­
stehende Tabelle zeigt Ihnen, wo Ihr Kanton
sich befindet.
Schützen Sie sich und Ihre Kinder.
Trotz der erreichten Fortschritte, haben wir die
Durchimpfungsrate von 95 % im Alter von 2
Jahren noch nicht erreicht, das Beispiel eines
Kantons beweist jedoch, dass es möglich ist.
Die Rolle der Haus- und Kinderärzte ist dabei
entscheidend, es liegt an uns, dafür zu sorgen,
dass Masern in der Schweiz eliminiert wird.
Bei der Kontrolle der Impfbüchlein kann die
Liste der Impfstoffe, die eine Maserkomponente enthalten, behilflich sein
(www.swiss-paediatrics.org).
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JETZT H
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www.stopmasern.ch
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87
Tabelle: Durchimpfungsrate nach Kantonen für 2 MMR-Dosen bei 2-jährigen Kinder.
32
Hinweise
Vol. 26 Nr. 4 2015
Masernelimination:
Das Ziel ist in Reichweite!
Aber das Wichtigste ist jetzt alle noch vorhandenen Impflücken
zu schliessen.
Deborah Gaspoz, MSc
Das Jahr 2015 ist für die Elimination der Masern in der Schweiz entscheidend, und alle
können für die Zielerreichung einen Beitrag
leisten. Im Rahmen der breit abgestützten
Nationalen Strategie zur Masernelimination 2011–2015 von Bund, Kantonen, medizinischen Fachorganisationen und Berufsverbänden wurden bereits viele Massnahmen
umgesetzt – mit ermutigenden Resultaten.
Die wichtigsten Ziele der Strategie
sind:
1. dass in jeder neuen Geburtskohorte mindestens 95 % der zweijährigen Kinder mit 2
Dosen vor Masern geschützt sind,
2. dass bis Ende 2015 die Impflücken bei den
nach 1963 Geborenen geschlossen sind
und
3. dass Masern-Ausbrüche in allen Kantonen
möglichst rasch mit einheitlichen Massnahmen unter Kontrolle gebracht werden.
Die wichtigsten Massnahmen
Das nationale «Komitee für eine Schweiz
ohne Masern» mit 15 Persönlichkeiten aus
Gesundheit, Sport, UNICEF, Konsumentenschutz und Politik setzt sich auf politischer
Ebene und mittels Medienarbeit für die breite
Unterstützung der Masernelimination ein.
Eltern spricht man über verschiedene Kanäle
auf die Wichtigkeit, ihr Kind rechtzeitig impfen
zu lassen, und die Konsequenzen des NichtImpfens an. Im Fall eines Masernausbruchs
können ungeimpfte Kinder vorübergehend
aus der Kita oder Schule ausgeschlossen
werden. Dazu versenden die kantonalen Gesundheitsbehörden z. B. persönliche Briefe,
und beim Krippen- und Schuleintritt gibt es
spezifische Informationen. Kinderarztpraxen
vereinbaren bei einer Konsultation mit den
Eltern von Kleinkindern gleich einen Termin
zum empfohlenen Zeitpunkt der MMR-Impfung oder laden aktiv dazu ein. Für familiennahe Fachpersonen finden von der Berner
Fachhochschule erstellte Kommunikationsschulungen zum Thema Impfen statt.
Das elektronische Impfbüchlein für alle
wird gefördert. Man kann es via App oder auf
www.meineimpfungen.ch selbstständig oder
durch eine medizinische Fachperson erstellen, bei Säuglingen idealerweise gleich ab den
ersten Impfungen in der (Kinder-)Arztpraxis.
Es erinnert automatisch an allenfalls fehlende
Impfungen, ist passwortgeschützt jederzeit
abrufbar, geht nicht mehr verloren und kann
ausgedruckt werden. Sobald es durch einen
Arzt oder Apotheker validiert ist, hat es die
gleiche Gültigkeit wie ein Impfausweis aus
Papier.
Nachholimpfungen mit maximal 2 Dosen
benötigen insbesondere Jugendliche und bis
50-jährige Erwachsene, die häufig nicht wissen, dass sie nicht oder nur ungenügend geschützt sind. Dazu führen Bund und Kantone
seit 2013 gemeinsam die nationale Kampagne «Stopp Masern» (www.stopmasern.ch) mit
den Slogans «Gegen Masern impfen und
nichts verpassen» und «Gib Masern keine
Chance» durch. Es geht vor allem darum, Jugendliche und Erwachsene dazu zu motivieren, ihren Impfstatus kontrollieren zu lassen
und allfällige Impflücken so rasch wie möglich
mit einer Nachholimpfung zu schliessen. Diese ist bis Ende 2015 von der Franchise befreit, und in vielen Kantonen fördern Aktionen
vor Ort die Nachholimpfung.
Ärztinnen und Ärzte überprüfen systematisch
die Impfausweise und führen die nötigen
Nachholimpfungen durch. Eine Hochrechnung
aufgrund einer Erhebung in Praxen der ärztlichen Grundversorgung des Sentinella-Meldesystems ergab für 2014 insgesamt 33 500
Nachholimpfungen bei 2- bis 50-Jährigen. Die
Befragten gaben an, dass sie in 10 Monaten
durchschnittlich 4,4 Nachholimpfdosen verabreichten (Allgemeinärzte und Internisten:
3,5 Dosen, Kinderärzte: 9,1 Dosen). Ein Inter-
33
nist verabreichte sogar 109 und ein Kinderarzt 107 Dosen. Die erwähnten Pädiater
nutzten die Gelegenheit einer Konsultation
der Kinder, um auch Eltern mit Impflücken
vollständig je nach Situation mit ein oder zwei
Dosen eines kombinierten MMR-Impfstoffs
vor Masern, Mumps und Röteln zu schützen:
Ein Drittel aller Nachholimpfdosen in Kinderarztpraxen war für ein Elternteil.
Die 2013 publizierten «Richtlinien zur Bekämpfung von Masernausbrüchen» geben
einen Rahmen, wie in allen Kantonen Maserninfektionen rasch und effizient unter Kontrolle gebracht werden können.
Impfempfehlungen
•Als Basisimpfung für alle Kinder empfiehlt
das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die
kombinierte Impfung gegen Masern, Röteln
und Mumps (MMR): die erste Dosis im Alter
von 12 Monaten, die zweite zwischen 15
und 24 Monaten.
•Eine Nachholimpfung (MMR) ist in jedem
Alter möglich und wird allen nach 1963
geborenen Personen empfohlen, die nicht
zweimal geimpft sind und die Masern noch
nicht hatten.
•Für Säuglinge mit erhöhtem Risiko einer
Masernerkrankung (Frühgeborene, in Krippen, bei Tagesmüttern) oder bei einer Epidemie ist die erste Dosis MMR mit 9 Monaten und die zweite im Alter von 12 bis 15
Monaten empfohlen. Bei direktem Kontakt
mit einer erkrankten Person sollte eine
erste Dosis bereits ab 6 Monaten verabreicht werden.
•Der Mindestabstand zwischen zwei Dosen
beträgt jeweils einen Monat.
Aktueller Stand
In praktisch allen Kantonen und Altersklassen
nahm die Durchimpfung weiter zu. In den
acht Kantonen, die an der Erhebung 2014
teilnahmen, sind bereits 87 % der zweijährigen
Kinder mit zwei Impfdosen vor Masern geschützt. Besonders erfreulich: Gerade in Kantonen, welche bislang unter dem nationalen
Durchschnitt lagen, gab es deutliche Fortschritte: zum Beispiel in Appenzellinnerrhoden
von 50 auf 85 %, in Schwyz von 76 auf 82 % und
in Luzern von 82 auf 87 %. Genf, Waadt und
Freiburg haben bei den 8-jährigen Schulkindern die angestrebten 95 % bereits erreicht.
Ausserdem ist Genf der erste Kanton, in dem
über 95 % der 2-Jährigen mit zwei Dosen ge-
Hinweise
schützt sind. Damit Masern als eliminiert gelten, müssen 95 % der Bevölkerung immun sein,
und jährlich darf noch maximal eine Erkrankung pro Million Einwohner vorkommen.
Die Anzahl bestätigter Masernfälle ging in
der Schweiz in den letzten Jahren zurück: von
664 im Jahr 2011, über 65 im 2012 und 176 im
2013 bis auf noch 23 im 2014. Dies entsprach
2014 einer Inzidenz von 2,8 Erkrankungen pro
Million Einwohner. Somit ist dieses Kriterium
für die Elimination noch nicht ganz erreicht.
Durch die bei Kleinkindern stark verbesserte
Durchimpfung erkranken nur noch wenige
Kinder an Masern. Die Krankheit tritt daher
vorwiegend noch bei Jugendlichen und Erwachsenen ohne genügenden Impfschutz auf:
Im Zeitraum von 2012 bis 2014 lag das mittlere Alter der Patienten bei 15 Jahren, die Tendenz setzte sich 2015 fort.
In der WHO-Region Europa sind derzeit 50 %
der Länder masernfrei. 2014 traten jedoch
noch über 16 000 Masernfälle auf, mit Ausbrüchen in Italien, Slowenien, Bosnien und
Deutschland. In Berlin starb im Februar 2015
ein nicht geimpftes, erst 18 Monate altes Kind
an Masern. Mit Reisenden gelangen Masernviren auch in bereits masernfreie Länder. So kam
es 2014 zu Ausbrüchen in Brasilien, und Anfang
2015 erkrankten in den USA, ausgehend von
einem Masernfall im Disneyland, mehr als 100
meist nicht-geimpfte Kinder und Erwachsene.
Wie können Gesundheitsfachpersonen
dazu beitragen, die Masern in der
Schweiz zu eliminieren?
1. Über Masern sprechen: Dank der Impfung
ist die Krankheit mittlerweile so selten, dass
man die teils schwersten Komplikationen kaum
noch kennt. Fachpersonen im Gesundheitsbereich haben Einfluss auf das Impfverhalten ihrer Patientinnen und Patienten sowie deren
Umfeld. Es gilt, die bei einigen Personen bestehenden Ängste vor Impfnebenwirkungen ernst
zu nehmen, Verunsicherungen anzusprechen
und durch sachliche Information das Vertrauen
in die Impfempfehlungen zu stärken.
2. Masernerkrankungen vorbeugen: Jeder
Arzt-Patienten-Kontakt (z. B. in der Notfallstation, vor Auslandreisen, bei gynäkologischen
Kontrollen) kann dazu genutzt werden, im
Impfausweis aller nach 1963 geborenen Patientinnen und Patienten den Masern-Impfstatus zu überprüfen und fehlende Impfungen
sofort oder beim nächsten Termin nachzuholen. Und schliesslich sollten alle Fachperso-
Vol. 26 Nr. 4 2015
nen im Medizinalbereich sowie in der Säuglingsbetreuung auch selbst über einen
Impfschutz verfügen.
3. An Masern denken: Jeder Verdachtsfall
(Trias: 1. Fieber, 2. makulopapulöses Exanthem, 3. Husten, Rhinitis oder Konjunktivitis)
soll sofort an den kantonsärztlichen Dienst
gemeldet und per Laboranalysen auf Masern
getestet werden.
Das Ziel einer masernfreien Schweiz rückt in
greifbare Nähe. Gegenwärtig sind Masernausbrüche aber immer noch jederzeit möglich.
Das heisst, es lohnt sich weiter zu handeln.
Die Impfung ist eine einfache, sichere, wirksame und nicht zuletzt auch kostensparende
Gesundheitsinvestition für alle.
Am Freitag, 6. November, findet (gleichzeitig
mit dem Grippeimpftag) der «Stopp-MasernTag» statt. Noch bis Ende 2015 ist die Masernimpfung für alle, die sich vor der Krankheit schützen möchten, von der Krank­enkassen-Franchise befreit. Es lohnt sich also
besonders jetzt, seine Impflücken zu schlies­
sen.
Weitere Informationen
www.stopmasern.ch: Webseite mit Infos
und Abbildungen zu den Masern, dem OnlineRisiko-Check sowie zur Kampagne, inkl. Bestellmöglichkeiten für Kampagnenmaterial
und zu Aktionen in den Kantonen.
www.bag.admin.ch/masern: Webseite des
BAG mit aktuellen Zahlen und vielen Informationen zur Krankheit, Impfung und Strategie
sowie Faktenblättern für die Bevölkerung und
Fachpersonen.
www.meineimpfungen.ch: Gratis sein persönliches elektronisches Impfbüchlein erstellen: Es ist passwortgeschützt abrufbar, erinnert automatisch an Impfungen – und kann
nie mehr verloren gehen.
Korrespondenzadresse
Deborah Gaspoz, MSc
Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit BAG
Schwarztorstrasse 96
CH-3003 Bern
Tél. +41 58 462 74 99
Fax +41 31 323 87 95
[email protected]
www.bag.admin.ch
34
Hinweise
Vol. 26 Nr. 4 2015
Statistik Neugeborenen Screening
Schweiz 2014
Neu im Neugeborenen Screening:
Glutarazidurie Typ 1
und Ahornsirup-Krankheit
R. Fingerhut, M. Baumgartner, Zürich
Analysen
2014
1965–2014
Phenylalanin (MS/MS)
86 339
3 876 871
Gal-1-P Uridyltransferase (Enzymatisch)
86 339
3 708 238
Galaktose (Enzymatisch)
86 339
3 569 196
Thyreoidea Stimulierendes Hormon (DELFIA)
86 339
3 023 566
Biotinidase (Fluorimetrisch)
86 339
2 288 202
17-OH-Progesteron (DELFIA)
86 339
1 864 539
Acylcarnitine (MS/MS)
86 339
806 626
Immunoreactives Trypsin IRT (DELFIA, Pilot)*
86 339
342 018
Glutarylcarnitin (MS/MS) ab November 2014
14 764
14 764
Verzweigtkettige Aminosäuren (MS/MS) ab 11/14
14 764
14 764
Krankheiten
2014
1965–2014
Phenylketonurie + andere Hyperphenylalaninämien
12
489
Galaktosämie/Galaktokinase Mangel/UDP-Gal-4-EpimeraseMangel
2
90
Primäre Hypothyreose
20
830
Biotinidase Mangel (komplett/partiell)
9
72
Adrenogenitales Syndrom
5
189
MCAD-Mangel
9
73
Zystische Fibrose
23
106
Glutarazidurie Typ 1 (GA-1)
0
0
Ahornsirup-Krankheit (MSUD)
0
0
Neu wird seit 1.11.2014 auch auf Glutarazidurie Typ 1 (GA-1) und die AhornsirupKrankheit (MSUD, Maple Syrup Urine Dise­
ase) gescreent (siehe separate Texte aus
der Broschüre zum Neugeborenenscreening
hierzu).
Weitere Informationen finden sie auch auf
unserer neuen Homepage unter
www.neoscreening.ch.
Korrespondenzadresse
Neugeborenen-Screening Schweiz
PD Dr. rer. nat. R. Fingerhut
(Technischer Leiter)
Prof. Dr. med. M. Baumgartner
(Medizinischer Leiter)
Steinwiesstrasse 75
8032 Zürich
Tel. 044 266 71 11
Glutarazidurie Typ 1 (GA-1)
Bei dieser Stoffwechselkrankheit können
die Aminosäuren Lysin und Tryptophan,
normale Bestandteile aller tierischen und
pflanzlichen Eiweisse, im Körper nicht normal verarbeitet werden. Als Folge entstehen
Stoffwechselprodukte, die für das Gehirn
giftig sind. Betroffene Kinder haben in der
Neugeborenenperiode meist keine Symptome. Unbehandelt haben die meisten Kinder
einen grossen Kopf und im Verlauf eine
Entwicklungsverzögerung sowie diskrete
Bewegungsstörungen. Im Alter von 3 Monaten bis zu 3 Jahren treten, oft ausgelöst
durch banale Infekte, akute Stoffwechselkrisen auf, die zu bleibenden Bewegungsstörungen und schwerster Behinderung führen.
Mit einer speziellen Diät und Substitution
von L-Carnitin kann die GA-1 gut behandelt
werden. Zur Verhinderung von Stoffwechselkrisen wird in den ersten Lebensjahren bereits bei banalen Infekten vorsorglich eine
stationäre Notfallbehandlung eingesetzt.
AhornsirupKrankheit
(MSUD)
Die AhornsirupKrankheit (auch
MSUD genannt) ist
eine angeborene
Stoffwechselstörung bei der bestimmte Eiweiss-Bausteine (die so­ge­nannten Aminosäuren Leuzin, Isoleuzin und
Valin) im Körper nicht richtig verarbeitet
werden können. Als Folge davon häufen
sich giftige Stoffe an, die zu einer sehr raschen Verschlechterung des Neu­geborenen
führen können. Besonders ­gefürchtet ist
das Auftreten einer Hirnschwellung, die ein
Koma auslösen kann. Unbehandelt kann
diese Krankheit zum Versterben führen. Es
sind auch milde Formen bekannt, bei welchen Patienten weniger schwer betroffen
sind.
Mit einer speziellen Ernährung kann die
MSUD gut behandelt werden. Im Neugeborenen-Screening entdeckte Patienten haben eine gute Prognose.
35
Hinweise
Vol. 26 Nr. 4 2015
Migrationskinder gehen uns alle etwas an
Nicole Pellaud, Präsidentin der SGP
Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
beteiligt sich am Projekt des Staatssekretariates für Migration und der Tripartiten Agglomerationskonferenz TAK «Aufwachsen – Gesund ins Leben starten», das eine Verbesserung
der Rahmenbedingungen für eine möglichst
gute Entwicklung der Kinder mit Migrationshintergrund anstrebt. Gesund sein hängt von
zahlreichen Faktoren ab und verschiedene
Berufsverbände und politische Instanzen sind
gefordert.
Einrichtungen zur Betreuung von Kleinkindern
spielen dabei, dank der Qualität von Betreuung und Umfeld, eine zentrale Rolle und sind
wichtige Partner bei diesem Projekt.
Die Pflegekinderverordnung von 1977 hält die
Qualitätskriterien für die Aufnahme von Minderjährigen ausserhalb des Elternhauses fest.
Kinderärzte werden in Artikel 15c dieser Verordnung angesprochen: «Die Bewilligung darf
nur erteilt werden: wenn … für ärztliche Überwachung gesorgt ist.» Migrationskinder können Gesundheitsprobleme haben, die allen
Kindern gemeinsam sind, aber ihre besondere
Situation kann auch zu spezifischen Problemen führen, wie Übergewicht oder durch die
traumabelastete Vorgeschichte der Familie
bedingte Entwicklungsstörungen, um nur diese zu nennen.
Hier treffen sich Pädagogik und Pädiatrie zugunsten einer bestmöglichen Entwicklung der
Kinder. Ein Bereich, der in gewissen Kantonen
erkundet wurde und der es verdient, in allen
Regionen der Schweiz entwickelt zu werden.
Der nachfolgende Beitrag ermöglicht es uns,
die im pädagogischen Bereich entwickelten
Aktionen besser zu erfassen und über mögliche Verknüpfungen zur Pädiatrie nachzudenken.
36
Hinweise
Vol. 26 Nr. 4 2015
Gesund und chancengleich
ins Leben starten – die Bedeutung
der Frühen Kindheit
Eliane Fischer und Miriam Wetter, Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz
Frühe Kindheit, Frühförderung, frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung …
Die erste Lebensphase rückt in den Fokus
– nicht nur unter Fachpersonen in Kindertagesstätten und Spielgruppen oder Fachleuten der Psychomotorik und Heilpädagogik, sondern auch bei staatlichen Stellen,
in der Politik, in Städten und Gemeinden
oder bei den Fach- und Berufsverbänden,
die sich um Schwangerschaft, Geburt und
erste Lebensjahre kümmern.
angesprochen. Das Netzwerk Kinderbetreuung und die Schweizerische UNESCO-Kommission haben diesen beiden Themen deshalb
zusammen mit Partnern je eine vertiefende
Fokuspublikation zum Orientierungsrahmen
gewidmet (Netzwerk Kinderbetreuung &
Schweizerische UNESCO-Kommission 2014,
2015).
Das Fundament wird in den ersten
Lebensjahren gelegt
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft setzen
denn auch immer wieder grosse Hoffnungen
in die Angebote für die frühe und frühste
Kindheit. Sie sollen den Kindern die soziale
Integration erleichtern, sie fit für die Schule
machen, ihnen unsere Landessprachen beibringen, den späteren beruflichen Erfolg sichern, Jugendgewalt vermeiden, den sinnvollen Umgang mit (neuen) Medien lehren, ihr
Interesse an den naturwissenschaftlichen
Fächern stärken, ihnen Wissen über gesunde
Ernährung und die Gewohnheit von ausreichend Bewegung mit auf den Weg geben und
vieles mehr. Und diese Erwartungen werden
mit den aktuellen Herausforderungen unserer
Gesellschaft (Globalisierung, Migration, Fachkräftemangel) weiter wachsen. Gleichzeitig
gibt es keine Bundespolitik oder eine bundesrätliche Strategie, die sich speziell diesen
ersten Lebensjahren annimmt. Vielmehr handelt es sich um eine Querschnittaufgabe, die
auf allen föderalen Ebenen ganz unterschied-
Die Bedeutung der Frühen Kindheit ist unbestritten. So halten Corina Wustmann Seiler
und Heidi Simoni im Orientierungsrahmen für
frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (2012) fest: «In Fachkreisen ist der
Stellenwert der frühen Kindheit für die Bildungsbiographie eines Menschen längst erkannt. Entsprechend werden Erkenntnisse
über die Chancen und Voraussetzungen gelingender früher Bildungsprozesse sowie über
die Auswirkungen eines verfehlten oder fehlenden Förder- und Bildungsverständnisses
bereits seit langem intensiv diskutiert und
erforscht. Die Trias «Frühkindliche Bildung,
Betreuung und Erziehung» kann – bei entsprechend guter Qualität! – die Chancengleichheit
verbessern.» Neben der Bildungsbiographie
sind auch die Integration sowie die psychische und physische Gesundheit der Kinder
Geeignete Rahmenbedingungen
sind gefragt
liche Politiken (Familien-, Sozial-, Gesundheits-, Migrations-, Finanz- und Steuerpolitik
etc.) und damit Departemente, Ämter oder
Direktionen betrifft und mit der sich eine
Vielzahl von Berufs- und Fachverbänden rund
um Schwangerschaft, Geburt und erste Lebensjahre beschäftigt.
Die Tripartite Agglomerationskonferenz TAK
– die politische Plattform von Bund, Kantonen,
Städten und Gemeinden für eine gemeinsame
Agglomerationspolitik – hat darauf rea­giert
und 2013 den Integrationsdialog «Aufwachsen
– gesund ins Leben starten» ins Leben gerufen. Damit möchte sie einen Beitrag leisten,
um die Rahmenbedingungen für eine gute
körperliche, seelische und soziale Entwicklung
im frühen Kindesalter zu optimieren – und
zwar für alle Kinder, unabhängig ihrer Herkunft. Zusammen mit nicht-staatlichen Akteuren im Bereich der Frühen Kindheit hat die TAK
im Sommer des vergangenen Jahres 13 Empfehlungen formuliert (TAK 2014).
Die Empfehlungen umfassen verschiedene
Schwerpunkte: Die Informationsmaterialien
und -kanäle, die sich an die Eltern richten,
werden überprüft und wenn nötig optimiert.
Berufspersonen und staatliche Stellen werden vermehrt für die Thematik sensibilisiert
und systematisch über laufende Projekte und
bestehende Angebote informiert. Ausserdem
soll die Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren intensiviert werden. Um sprachliche Barrieren abzubauen, möchte man
Fragen rund um den Einsatz von Dolmetschdienstleistungen und deren Finanzierung klären. Und nicht zuletzt sollen die Sprach­
kompetenzen von anderssprachigen Eltern
gestärkt werden, um die Kommunikation
während medizinischer Konsultationen zu
vereinfachen.
Feed und Dialog Frühe Kindheit
Das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz trägt
mit dem zweijährigen Projekt «Feed und Dialog Frühe Kindheit» zur Umsetzung der Empfehlungen bei.
Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz –
Engagement für Qualität in der Frühen Kindheit
Um den Qualitätsfragen der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung mehr Gewicht zu
verleihen, haben sich Vertreterinnen und Vertreter der nationalen Verbände für Kindertagesstätten, Tagesfamilien und schulergänzende Betreuungsangebote zusammen mit Vertreterinnen
und Vertretern von Trägerschaften, Wirtschaft, Forschung, Bildung und Politik an einen anfangs
informellen Runden Tisch gesetzt und daraus im Jahr 2006 das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz
als Verein gegründet.
www.netzwerk-kinderbetreuung.ch
37
Mit dem Info-Feed Frühe Kindheit sorgt das
Netzwerk in den Kanälen der Dialogpartner
für regelmässige Beiträge zum Themenfeld
«Frühe Kindheit – Integration – Gesundheit –
Armutsbekämpfung». Im Info-Feed auf unserer Website www.netzwerk-kinderbetreuung.
ch/feed finden Sie tagesaktuelle News, Hinweise auf Publikationen, Studien und Projekte
Hinweise
sowie Veranstaltungen aus dem Themenspektrum. Schauen Sie vorbei, fügen Sie den
Info-Feed zu Ihren Favoriten hinzu oder abonnieren Sie den RSS-Feed! Haben Sie Neuigkeiten zu einem dieser Themen? Wir nehmen
Ihre Hinweise gerne unter [email protected] entgegen.
Auf Basis des Orientierungsrahmens für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung
(www.orientierungsrahmen.ch) führt das
Netzwerk Kinderbetreuung zudem zwei Dialogveranstaltungen mit interessierten Partnern durch. Daraus entstehen zwei vertiefende Publikationen.
Vol. 26 Nr. 4 2015
Der Orientierungsrahmen als erstes Referenzdokument
im Frühbereich in der Schweiz
Mit der Herausgabe des Orientierungsrahmens für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung haben das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz und die Schweizerische UNESCO-Kommission einen Prozess der Qualitätsentwicklung in Angeboten für die Frühe Kindheit in Gang gesetzt.
Mit seiner hohen Resonanz im Fachbereich der Frühen Kindheit und darüber hinaus, ist es dem
Orientierungsrahmen gelungen, eine gemeinsame Grundlage für verschiedene Institutionen,
Akteure und Personen in allen drei Sprachregionen zu sein, die ihren (beruflichen) Alltag mit und
für kleine Kinder gestalten.
Mehr über die Anwendung und Erprobung des Orientierungsrahmens in 25 Partnerprojekten und
die begleitenden Fokuspublikationen: www.orientierungsrahmen.ch
Literatur
Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz & Schweizerische
UNESCO-Kommission [Hrsg.] (2014): Fokuspublikation
Integration: Aspekte und Bausteine qualitativ guter
Integrationsarbeit in der Frühen Kindheit. Eine thematische Vertiefung des Orientierungsrahmens für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der
Schweiz. Zofingen. Abrufbar unter: www.netzwerkkinderbetreuung.ch/files/XEKH5UV/fokuspublikation_
integration_a4_dt_140908_lowres.pdf, Einsicht am
18.08.2015.
Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz & Schweizerische
UNESCO-Kommission [Hrsg.] (2015): Fokuspublikation
Gesundheit: Aspekte und Bausteine qualitativ guter
Gesundheitsförderung und Prävention in der Frühen
Kindheit. Eine thematische Vertiefung des Orientierungsrahmens für frühkindliche Bildung, Betreuung
und Erziehung in der Schweiz. Zofingen. Abrufbar
unter: www.netzwerk-kinderbetreuung.ch/files/
A U I Y W T 2/f o k u s p u b l i k a t i o n _ g e s u n d h e i t _ a 4 _
dt_150129_low.pdf, Einsicht am 30.04.2015.
TAK, Tripartite Agglomerationskonferenz (2014): TAKIntegrationsdialog «Aufwachsen – gesund ins Leben
starten». Empfehlungen an die Dialogpartner (27. Juni
2014). Abrufbar unter: www.dialog-integration.ch/_
upload/file/i_20140916-104849-705.pdf, Einsicht am
18.08.2015.
Wustmann Seiler, C. & Simoni, H. (2012): Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz. Erarbeitet vom Marie Meierhofer
Institut für das Kind, erstellt im Auftrag der Schweizerischen UNESCO-Kommission und des Netzwerks
Kinderbetreuung Schweiz. Zürich. Abrufbar unter:
www.orientierungsrahmen.ch, Einsicht am 18.08.2015.
Korrespondenzadresse
Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz
c/o mcw
Wuhrmattstrasse 28
4800 Zofingen
[email protected]
38
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Ho ch d osie
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Für Höchstleistungen
ohne Muskelkrämpfe
1007185
Gekürzte Fachinformation Magnesiocard® (Magnesiumpräparat). Indikationen: Magnesiummangel, Herzrhythmusstörungen, erhöhter Bedarf im Hochleistungssport
und während Schwangerschaft, bei Eklampsie und Präeklampsie, tetanischem Syndrom und Wadenkrämpfen. Dosierung: 10-20 mmol täglich, entsprechend der
Darreichungsform (Granulat, Brausetabletten, Tabletten) aufgeteilt in 1-3 orale Einzeldosen. Anwendungseinschränkungen: Eingeschränkte Nierenfunktion. Die gleichzeitige Verabreichung mit Tetrazyklinen ist zu vermeiden. Unerwünschte Wirkungen: Als Folge hochdosierter oraler Magnesiumtherapie können weiche Stühle auftreten. Packungen: Tabletten (2.5 mmol) 50, 100; Granulat (5 mmol) Citron und Granulat (5 mmol) Orange 20*, 50; Brausetabletten (7.5 mmol) 20*, 60; Granulat
(10 mmol) Grapefruit und Granulat (10 mmol) Orange 20*, 50*; Ampullen i.v. (10 ml) 10; Verkaufskategorie B. Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch.
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Aspartat und Aspartat-Hydrochlorid aus dem Magen-Darm-Trakt. Arzneim.-Forsch., 23, 267-271, 1973.
*kassenpflichtig
ergoasw.ch
Einfach 1x täglich 10 mmol
Hinweise
Vol. 26 Nr. 4 2015
Den Kleinkindbereich
für das Thema Gesundheit stärken
Die Projektgruppe von Miapas
Gerne informieren wir Sie über ein Projekt,
welches Gesundheitsförderung Schweiz gemeinsam mit nationalen Akteuren durchführt.
Mit der Schweizerischen Gesellschaft für
Gynäkologie und Geburtshilfe SGGG, dem
Schweizerischen Verband der Mütterberaterinnen SVM, dem Schweizerischen Hebammenverband, der Swiss Society of Paediatrics
ssp sgp, der Stillförderung Schweiz, dem Berufsverband Schweizerischer Stillberaterinnen BSS sowie mit UNICEF Schweiz führt die
Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz ein
Projekt zur Stärkung des Kleinkindbereichs1)
im Thema Gesundheit durch. Dieses Projekt
trägt den Namen Miapas2) und findet in Koordination mit dem TAK-Integrationsdialog «Aufwachsen: Gesund ins Leben starten» statt, bei
dem die Konferenz der Kantonsregierungen
KdK, das Bundesamt für Gesundheit BAG und
das Staatssekretariat für Migration SEM
federführend sind. Mehr Informationen
dazu finden Sie auf der Webseite www.dialog-­
integration.ch/de/aufwachsen.
Das Projekt Miapas dauert in seiner ersten
Phase bis Ende 2016 und beinhaltet folgende
übergeordneten Ziele und Massnahmen:
•Austausch und Lobbying sowie interdisziplinäre Koordination und Zusammenarbeit
Kantonale Entscheidungsträger/-innen sollen durch entsprechendes Lobbying für die
Wichtigkeit und Stärkung der Tätigkeiten im
Kleinkindbereich sensibilisiert werden. Als
erstes Produkt liegt ein Grundlagenpapier
mit dem Titel «Zur Bedeutung professioneller Arbeit im Kleinkindbereich – ein Grundlagenpapier mit Blick auf theoretische Überlegungen, empirische Evidenz und er­folgreiche Praxis» vor. Ebenfalls wird im Juli
2015 ein ergänzendes Argumentarium zu
1) Mit Kleinkindbereich sind die Lebensphasen von
Schwangerschaft bis zum 4. Lebensjahr gemeint.
2) Die Bedeutung lässt sich ableiten aus dem Französischen «mes pas» oder «mes premiers pas» =
meine ersten Schritte.
diesem Grundlagenpapier vorliegen. Beide
Dokumente werden als Download auf der
Webseite www.gesundheitsfoerderung.ch/
kleinkinderbereich verfügbar sein.
•Empfehlungen, Weiterbildung und Verbreitung von Good Practice
Es sollen gemeinsame Empfehlungen und
Botschaften der Berufsverbände zu Ernährung und Bewegung während der Schwangerschaft, im Säuglings- und Kleinkindalter
bestehen und in einem breiten Kreis der
Berufsgruppen bekannt sein. Ergänzend
dazu wird auf der Basis von bereits erprobten Inhalten ein interdisziplinäres und modulares Weiterbildungskonzept zu Ernährung während der Schwangerschaft, im
Säuglings- und Kleinkindalter erarbeitet
und zur Verfügung gestellt. Weiter entsteht
eine Internetplattform, die Empfehlungen,
Grundlagen und Praxistipps für Multiplikator/-innen zu Ernährung und Bewegung
im Kleinkindbereich zur Verfügung stellen
wird.
Die Zielgruppen beziehungsweise Nutznies­
senden des Projekts sind die Fachpersonen
der einzelnen beteiligten Berufsverbände sowie weitere Fachpersonen im Kleinkindbereich. Die Umsetzung der Massnahmen liegt
in erster Linie bei Gesundheitsförderung
Schweiz in der Einheit Programme beim Team
Ernährung und Bewegung. Gerne informieren
wir Sie laufend über die Entwicklungen und
Ergebnisse des Projekts.
Korrespondenzadressen
Dr. med. Sabine Heiniger Eggimann
FMH Kinder und Jugend Medizin
Kistlerstrasse 23 a
3065 Bolligen
[email protected]
Dr. med. Josef Laimbacher
Chefarzt Jugendmedizin
Claudiusstrasse 6
9006 St. Gallen
[email protected]
40
Hinweise
Vol. 26 Nr. 4 2015
Gesundheit von Mutter und Kind
in humanitären Krisen –
ein anerkanntes Ausbildungsangebot
Michel Roulet, Lausanne
Der Begriff Gesundheit von Mutter und Kind
umfasst die Gesundheit schwangerer und
gebärender Frauen, Neugeborener und von
Kleinkindern unter fünf Jahren. Diese ist vor
allem in humanitären Krisensituationen (Konflikte und Naturkatastrophen) besonders gefährdet. In solchen Situationen gehören zwei
Drittel jener, die Pflege- und Schutzmassnahmen benötigen, zu diesen gefährdeten Gruppen.
Um die Kompetenzen des Pflegepersonals in
so genannten entwickelten Ländern im Bereich der Mutter-Kind-Gesundheit in humanitären Notsituationen zu entwickeln, führen die
Fachhochschule für Gesundheit Waadt (Ecole
de Santé Vaud, HESAV) und die Stiftung Terre
des hommes (Tdh) 2016 ein berufsbegleitendes Weiterbildungsprogramm (Certificate of
Advanced Studies [CAS]) ein.
In humanitären Katastrophen ist der Zugang
zu Trinkwasser, Ernährung (Stillen inbegriffen), medizinischer Versorgung und Unterkünften erschwert. Diese Situationen haben
verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit von Kleinkindern: Akute Mangelernährung, Durchfallerkrankungen, Infektionen der
Atemwege und Malaria stellen die grössten
Gefahren dar. Besonders gefährdet sind Neugeborene; die Säuglingssterblichkeit nimmt
deutlich zu. Auch die Gesundheit von schwangeren und gebärenden Frauen sowie Müttern
junger Kinder verschlechtert sich.
Die Periode von 1000 Tagen, welche die 280
Tage der Schwangerschaft und die 720 Tage
der ersten zwei Lebensjahre umfasst, wird
von der WHO und UNICEF als die meist gefährdete anerkannt. Für Mutter und Kind stellt
die Geburt das heikelste Ereignis des Lebens
dar. Im Zeitraum, der sich von den ersten
Wehen bis 48 Stunden nach der Geburt erstreckt, sterben jedes Jahr 150 000 Mütter
auf der Welt, 1,6 Millionen Neugeborene
überleben nicht und 1,2 Millionen Föten, die
am Anfang der Entbindung noch lebten, werden totgeboren. Fast alle diese Todesfälle
erfolgen in Entwicklungsländern. Notsituationen und politische Instabilität erhöht die Anzahl der Todesfälle weiter.
Humanitäre Krisen sind heutzutage zahlreich
– unter anderem Konflikte in Syrien, der Ukraine, im Jemen; islamistischer Terrorismus
im Mittleren Osten und Afrika; die Ebolafieber-Epidemie in Guinea, Sierra Leone und
Liberia; verheerendes Erdbeben in Nepal;
Zustrom von Flüchtlingen nach Europa; Überschwemmungen in Myanmar. Leider deutet
nichts darauf hin, dass sich die Situation
verbessern würde. Achtzig Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe, drei Viertel
davon sind Frauen und Kinder.
So viele Leben von Müttern und Kindern wie
nur möglich retten und das mit beschränkten
klinischen und paraklinischen Mitteln; die
geschädigten lokalen Sanitätseinrichtungen
unterstützen; den Wiederaufbau gemeinschaftlicher Gesundheitszentren erleichtern
– das sind die drei grossen Prinzipien, auf
denen die von HESAV und Tdh organisierte
Ausbildung beruht.
Am Ende ihrer Ausbildung haben die Studentinnen die notwendigen Kenntnisse erlangt,
um Bedürfnisse im Bereich der Gesundheit
von Mutter und Kind zu identifizieren und
geeignete, effiziente und wirksame Einsätze
zugunsten von Müttern, Neugeborenen und
Kleinkindern in komplexen humanitären Krisensituationen durchführen zu können.
Der Schwerpunkt der Ausbildung liegt bei der
Entwicklung zweier besonderer Kompetenzen: Die Betreuung und Erbringung sachgerechter therapeutischer Lösungen sowie die
Errichtung einer logistischen Hilfe und Dimensionen in Verbindung mit der Förderung von
Gesundheit und der Prävention von Krankheiten.
Das CAS beginnt im Januar 2016 und endet im
November des gleichen Jahres. Es besteht aus
120 Stunden Frontalunterricht (auf siebzehn
41
Tage im Jahr verteilt) in Lausanne, der in zwei
Module aufgeteilt ist: das erste legt den
Schwerpunkt auf die Pflege und Behandlung
von Kleinkindern und das zweite auf die Behandlung schwangerer und gebärender Frauen, Wöchnerinnen und Neugeborenen. Im
ersten Modul werden allgemeine Aspekte
humanitärer Krisen behandelt, sowie theoretische Aspekte und das integrierte Management von Kinderkrankheiten (Integrated Management of Childhood Illness, IMCI) sowie
die akute Mangelernährung; das zweite Modul
beschäftigt sich mit theoretischen und praktischen Aspekten perinataler, sexueller und
reproduktiver Gesundheit. Zusätzlich zum
Frontalunterricht muss mit etwa 200 Stunden
selbstständiger Arbeit gerechnet werden. Am
Ende der Ausbildung ist eine Prüfung vorgesehen. Bei erfolgreichem Bestehen erlangt
man 10 ECTS-Punkte und 37 Kredite bei der
Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie.
Weitere FMH-Kredite sind angefragt worden.
An wen richtet sich das CAS? An diplomierte
Ärzte/Ärztinnen, Krankenpflegepersonal und
Hebammen, die aus so genannten entwickelten Ländern kommen und die sich bereits
jetzt oder in Zukunft im Bereich der Gesundheit von Mutter und Kind in humanitären Krisensituationen einsetzen. Die Anmeldefrist
läuft bis Ende November 2015. Die Kosten der
Ausbildung betragen CHF 4300.–. Unter bestimmten Bedingungen stehen Stipendien zur
Verfügung.
Für weitere allgemeine Informationen
http://www.hesav.ch/postgrade/formation/
cas-hesav/cas-en-sant%C3%A9-maternoinfantile-dans-les-crises-humaintaires
Für weitere personalisierte
Informationen
[email protected]
Meinung der Leser
Vol. 26 Nr. 4 2015
Leserbrief zu Paediatrica 2015; 26 (1): 32–34
Referenzen
Take it with some salt – the second look.
Peter Salfeld, Münsterlingen
Jürg Barben und Claudia Kuehni kommentieren in Ihrem Artikel «Therapie der akuten
Bronchiolitis, nützt hypertones Kochsalz?» die
heterogene Datenlage zu hypertonem Kochsalz bei akuter viraler Bronchiolitis (AVB) und
folgern hieraus, dass die gültigen Schweizer
Richtlinien keiner Überarbeitung bedürfen1) .
Wie von Herrn Barben und Frau Kuehni an­
geführt, ist die Datenlage nicht eindeutig,
mehrere klinisch relevante Bereiche sind zu
berücksichtigen: Verkürzung der Aufenthaltsdauer, Reduktion der Hospitalisationsrate,
Symptomverbesserung, Sicherheit sowie
Wirkmechanismus bei Patienten mit AVB. Die
im aktuellen Cochrane Review eingeschlossenen Studien zu hypertonem Kochsalz bei AVB
zeigen in einem gut definierten, aber heterogenen Patientenkollektiv in einem Single
Centre Setting eine signifikante Verkürzung
der Aufenthaltsdauer2). Die angeführten europäischen Multicenterstudien vermögen beide
nicht die Verkürzung der Hospitalisationsdauer zu bestätigen3), 4) . Die Hospitalisationsrate
kann bei den im Cochrane Review eingeschlossenen Studien zur prästationären Ver­
wendung von hypertonem Kochsalz nicht
einheitlich gesenkt werden. Die Anzahl der
hypertonen Kochsalzgaben und die Zeitpunkte dieser differieren hier erheblich. Eine neuere Studie mit frühzeitiger Inhalation von hypertonen Kochsalz in der Notaufnahme zeigt
eine signifikante Reduktion in der Hospitalisationsrate5) . Florin et al. konnten in einer zeitgleich publizierten Studie zur prästationären
Anwendung von hypertonem Kochsalz bei
AVB, mit allerdings nur einmaliger 3 % -iger
NaCl-Inhalation, keine Verminderung der Hospitalisationsrate detektieren6). Eine Symptomverbesserung bei Patienten mit AVB durch die
Inhalation von hypertonem Kochsalz wird in
den Studien im stationären Bereich, so fern
untersucht, detektiert2) . Die beiden aktuellen
europäischen Multicenterstudien berichten
hierüber nicht3) oder erst am Tag 28 nach
Entlassung4) . Im prästationären Bereich wird
eine Symptomverbesserung in Subgruppen
beschrieben6) , oder nicht beobachtet5). Insgesamt differieren Zeitpunkt der Erfassung und
Art der benutzten Symptomscores erheblich.
Die Inhalation von hypertonem Kochsalz ist
sicher. In allen Studien mit hypertonem Kochsalz bei AVB wurden keine schweren Nebenwirkungen beobachtet1)–7) .
Pathophysiologisch steht mit inhalativem hypertonem Kochsalz ein bei AVB zumindest
theoretisch wirksames Medikament zur Verfügung. Durch die Hyperosmolarität der Inhalationslösung kann nicht nur die Zähflüssigkeit
des Mukus «antagonisiert» und die infektionsbedingte Ödembildung in der Bronchialwand
vermindert, sondern auch die Zilienschlagfrequenz erhöht werden2) .
Zusammengefasst bewirkt die Inhalation von
hypertonem Kochsalz bei AVB nicht per se
eine Verkürzung der Hospitalisationsdauer,
kann aber, zumindest bei einer Subgruppe von
Patienten, zu einer Symptomverbesserung
führen. Die Datenlage ist heterogen, jedoch
hier von einem Medikament zu sprechen, das
bei AVB generell nicht verabreicht werden soll,
erscheint verfrüht. Dieses hat ebenso Eingang
in die aktuellen revidierten amerikanischen
Guidelines zur Behandlung der AVB mit einer
«Kann»-Empfehlung gefunden8). Ob eine Aktualisierung der Schweizerischen Richtlinien
notwendig ist, sollte wie vorgesehen, in der
Fachgesellschaft diskutiert werden.
1) Barben J, Kuehni CE. Therapie der akuten Bronchiolitis: Nützt hypertones Kochsalz? Paediatrica 26
(1) 2015: 32–33.
2) Zhang L, Mendoza-Sassi RA, Wainwright C, Klassen
TP. Nebulised hypertonic saline solution for acute
bronchiolitis in infants. Cochrane Database Syst
Rev. 2013 Jul 31; 7.
3) Teunissen J, Hochs AH, Vaessen-Verberne A, Boehmer AL, Smeets CC, Brackel H et al. The effect of
3 % and 6 % hypertonic saline in viral bronchiolitis:
a randomised controlled trial. Eur Respir J. 2014
Oct; 44 (4): 913–21.
4) Everard ML, Hind D, Ugonna K, Freeman J, Bradburn
M, Cooper CL, Cross E, et al. SABRE: a multicentre
randomised control trial of nebulised hypertonic
saline in infants hospitalised with acute bronchiolitis. Thorax. 2014 Dec; 69 (12): 1105–12.
5) Wu S, Baker C, Lang ME, Schrager SM, Liley FF, Papa
C, Mira V, Balkian A, Mason WH. Nebulized hypertonic saline for bronchiolitis: a randomized clinical
trial. JAMA Pediatr. 2014 Jul; 168 (7): 657–63.
6) Florin TA, Shaw KN, Kittick M, Yakscoe S, Zorc JJ.
Nebulized hypertonic saline for bronchiolitis in the
emergency department: a randomized clinical trial.
JAMA Pediatr. 2014 Jul; 168 (7): 664–70.
7) Mandelberg A, Amirav I. Hypertonic saline or high
volume normal saline for viral bronchiolitis: mechanisms and rationale. Pediatr Pulmonol. 2010 Jan;
45 (1): 36–40.
8) Ralston S, Hill V, Martinez M. Nebulized hypertonic
saline without adjunctive bronchodilators for children with bronchiolitis. Pediatrics. 2010 Sep; 126
(3): e520–5.
9) Ralston SL, Lieberthal AS, Meissner HC, Alverson BK,
Baley JE, Gadomski AM et al. Clinical practice guideline:
the diagnosis, management, and prevention of bronchiolitis. Pediatrics. 2014 Nov; 134 (5): e1474–502.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Peter Salfeld
Leitender Arzt Pädiatrie
FMH Kinder- und Jugendmedizin
Kinderpneumologe
Klinik für Kinder und Jugendliche
Kantonsspital Münsterlingen
8596 Münsterlingen
[email protected]
Replik auf den Leserbrief «Take it with some
salt – the second look» von Peter Salfeld
Im Namen der Fachkommission der SGPP:
Jürg Barbena) Claudia Kuehnib) , Carmen Casaultac) , Jürg Hammerd)
Wie in unserem Artikel in Paediatrica ausführlich dargelegt hat sich am 50-jährigen Statement von Reynold and Cook «Oxygen is vitally
important in bronchiolitis and there is little
convincing evidence that any other therapy is
consistently or even occasionally useful» trotz
42
intensiver Forschungsbemühungen in den
letzten Jahrzehnten nichts Wesentliches geän­
dert1), 2). Die aktuelle wissenschaftliche Datenlage rechtfertigt die Empfehlung von hypertonem Kochsalz als Inhalationstherapie bei
akuter Bronchiolitis nicht. Zwei Editorials in
Meinung der Leser
Vol. 26 Nr. 4 2015
den internationalen Zeitschriften European
Respiratory Journal und Thorax3), 4) sowie ein
aktueller Übersichtsartikel aus Archives of
Diseases in Childhood5) bringen dies klar zum
Ausdruck.
Daran ändert auch nichts, wenn einzelne
Studien eine Verbesserung der Symptomatik
in Subgruppen fanden. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass die Beurteilung
von Atemwegssymptomen bei Kleinkindern im
Notfall untersucherabhängig ist und sich
deshalb als «hartes Kriterium» zur Beurteilung
der Wirksamkeit eines Medikamentes nicht
eignet6) . Bei der grossen Anzahl durchgeführter Studien, den vielen analysierten Outcomes, und den verschiedenen SubgruppenAnalysen ist zu erwarten, dass einige der
berechneten p-Werte «signifikant» (d. h. p
< 0.05) ausfallen, auch wenn die getestete
Intervention in Realität keinen Effekt hat. So
werden bei 10 Studien, welche je 5 Outcomes
in 4 Subgruppen analysieren 200 p-Werte
berechnet (10 mal 5 mal 4 = 200). Etwa 10
dieser p-Werte werden rein zufällig kleiner
sein als 0.05. Die Wirksamkeit der Interven­
tion wird nie durch einzelne signifikante
­p -Werte belegt, sondern nur durch eine möglichst systematische Analyse aller vor­
handenen Daten und konsistenten Resultaten
in den verschiedenen Studien, vor allem den
grossen randomisierten kontrollierten Studien. Leider erläutert Herr Salfeld in seinem
Leserbrief auch nicht, welche PatientenSubgruppen tatsächlich profitieren sollen.
In Analogie zur hypertonen Kochsalzlösung
hat sich über Jahre auch hartnäckig die Behauptung gehalten, dass Subgruppen von
Kindern mit akuter Bronchiolitis von einer
Inhalation mit Salbutamol (Ventolin®) profi­
tieren würden. Nur zögerlich hat sich die
Erkenntnis durchgesetzt, dass sich Krankheitsbild und Pathophysiologie der akuten
Bronchiolitis von dem der obstruktiven Bronchitis unterscheiden und erst kürzlich haben
sich auch die amerikanischen Kollegen durchgerungen, Beta2-Mimetika bei der akuten
Bronchiolitis nicht mehr zu empfehlen. Die
American Academy of Pediatrics hat deshalb
in ihren neusten Guidelines zur Diagnose und
Therapie der akuten Bronchiolitis (endlich)
festgehalten, dass Beta2-Mimetika bei akuter
Bronchiolitis nicht indiziert sind («Clinicians
should not administer albuterol (or salbutamol)
to infants and children with a diagnosis of
bronchiolitis» (Evidence Quality: B; Recommendation Strength: Strong Recommendation.) 7) .
Ähnliches wird sich wohl auch beim hypertonen Kochsalz abspielen. So empfehlen die aktuellsten amerikanischen Guidelines die Inhalation von hypertonem Kochsalz im ambulanten
Bereich nicht, lassen aber für den stationären
Bereich trotz schwacher Evidenz eine Option
offen: «Key action statement 4b: clinicians may
administer nebulized hypertonic saline to infants hospitalized for bronchiolitis (Evidence
Quality: B; Recommendation Strength: Weak
recommendation [based on randomized controlled trials with inconsistent findings])»7). In
diesen amerikanischen Empfehlungen sind die
zwei grossen europäischen Multizenterstudien
mit negativem Resultat8), 9) noch nicht berücksichtigt, die die ohnehin schwache Evidenz
gänzlich in Frage stellen. Die aktuellsten englischen NICE-Guidelines vom 31. Mai 201510)
empfehlen deshalb hypertones Kochsalz nicht
und der aktuelle Übersichtsartikel in Archives
of Diseases in Childhood hält unmissverständlich fest: «The surge of recent evidence consistently demonstrates that hypertonic saline
has no benefit on short-term and long-term
outcome measures»5).
Die akute Bronchiolitis ist (immer noch) eine
virale, selbstlimitierende Krankheit, die bei
einem sonst gesunden Säugling auch ohne
äusseres Eingreifen selber heilt. Wir sind uns
bewusst, dass es gerade für jüngere Kollegen
nicht einfach ist, dem Druck der Eltern für
eine medikamentöse Therapie zu wiederstehen. Es verlangt oft ein längeres Gespräch,
um den Eltern zu erklären, warum man keine
Medikamente gibt, und es wäre manchmal
einfacher, Massnahmen zu verordnen (z. B.
Inhalationen), von denen zumindest keine
erheblichen Nebenwirkungen zu erwarten
sind. Trotzdem sind wir der Meinung, dass
dies den Einsatz von Therapien nicht rechtfertigt, welche nach heutiger Kenntnis weder den
Krankheitsverlauf verkürzen noch mildern. So
beruht auch im Jahre 2015 das Management
der akuten Bronchiolitis weiterhin auf minimalem Handling sowie unterstützenden Massnahmen wie der Gabe von Sauerstoff und
Flüssigkeit, guter Nasentoilette sowie einer
Atmungsunterstützung in schweren Fällen11) .
Die Schweizer Empfehlungen12), 13) bedürfen
deshalb zurzeit keiner Revision. Dies ist auch
die Meinung aller Mitglieder der SGPP-Fachkommission, welche die Datenlage weiterhin
verfolgt.
Aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen
Datenlage möchte die Fachkommission der
SGPP mit dieser direktiven Stellungnahme
43
verhindern, dass probatorisch mit hypertonem
Kochsalz inhaliert wird, um dann aufgrund irgendwelcher subjektiver Kriterien oder Eindrücke die Inhalation fortzusetzen oder abzubrechen. Dies führt nicht nur zur Verunsicherung
von Pflegenden, Eltern und Ärzten, sondern
verursacht auch unnötige Kosten.
a) PD Dr. med., leitender Arzt Pädiatrische Pneumologie/Allergologie, Ostschweizer Kinderspital St. Gallen
b) Prof. Dr. med., Pädiatrische Epidemiologie und Pneumologie, Institut für Sozial- and Präventivmedizin
(ISPM), Universität Bern
c) Dr. med., leitende Ärztin Pädiatrische Pneumologie,
Universitätskinderklinik, Inselspital Bern
d) Prof. Dr. med., leitender Arzt Pneumologie/Intensivstation, Universitätskinderklinik beider Basel (UKBB)
Referenzen
1) Barben J, Kuehni CE. Therapie der akuten Bronchiolitis: Nützt hypertones Kochsalz? PAEDIATRICA
2015; 26: 28–30.
2) Reynolds EOR, Cook CD. The treatment of bronchiolitis. J Pediatr 1963; 63: 1205–1207.
3) Barben J, Kuehni CE. Hypertonic saline for acute
viral bronchiolitis - take the evidence with a grain
of salt. Eur Respir J 2014; 44: 827–830.
4) Cunningham S, Unger SA. Nebulised hypertonic
saline in bronchiolitis: take it with a pinch of salt.
Thorax 2014; 69 (12): 1065–066.
5) Legg JP, Cunningham S. Hypertonic saline for bronchiolitis: a case of less is more. Arch Dis Child 2015;
July 27, doi: 10.1136/archdischild-2014-308039
[Epub ahead of print].
6) Bekhof J, Reimink R, Bartels IM, Eggink H, Brand
PL. Large observer variation of clinical assessment
of dyspnoeic wheezing children. Arch Dis Child
2015; 100: 649–653.
(7) Ralston SL, Lieberthal AS, Meissner HC, Alverson BK,
Baley JE, Gadomski AM et al. Clinical practice guideline: the diagnosis, management, and prevention of
bronchiolitis. Pediatrics 2014; 134 (5): e1474–e1502.
8) Teunissen J, Hochs AH, Vaessen-Verberne A, Boehmer AL, Smeets CC, Brackel H et al. The effect of
3 % and 6 % hypertonic saline in viral bronchiolitis:
a randomised controlled trial. Eur Respir J 2014; 44
(4): 913–921.
9) Everard ML, Hind D, Ugonna K, Freeman J, Bradburn
M, Cooper CL et al. SABRE: a multicentre randomised control trial of nebulised hypertonic saline
in infants hospitalised with acute bronchiolitis.
Thorax 2014; 69 (12): 1105–1112.
10)National Institue of Clinical Excellence (NICE).
Bronchiolitis in children. NICE Guidelines 9. 2015,
May 31. http://www.nice.org.uk/guidance/ng9.
11) Wainwright C. Acute viral bronchiolitis in children
– a very common condition with few therapeutic
options. Paediatr Respir Rev 2010; 11 (1): 39–45.
12)Barben J, Hammer J. Behandlung der Bronchiolitis
im Säuglingsalter - Empfehlungen der SAPP. PAEDIATRICA 2003; 14: 18–21.
13)Barben J, Hammer J. Behandlung der akuten Bronchiolits im Säuglingsalter. Schweiz Med Forum
2004; 4: 251–253.
Zeitschriftenreview
Vol. 26 Nr. 4 2015
Zeitschriftenreview
were filed with the National Vaccine Injury
Compensation Program (VICP) alleging seizure disorder and/or encephalopathy as a vaccine injury.
Mustapha Mazouni, Lausanne
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
1. Hadjipanayis A, Grossman Z et al.
Current primary care management
of children aged 1–36 months with
urinary tract infections in Europe: large
scale survey of paediatric practice.
Arch Dis Child 2015 Apr; 100 (4): 341–7.
Abstract
Objective
To describe current practice among European
paediatricians regarding diagnosis and management of urinary tract infections in children aged 1–36 months and to compare these
practices with recently published guidelines.
Design
Web-based large scale survey evaluating
knowledge of, attitudes towards and the methods for diagnosing, treating and managing
urinary tract infections in children.
Setting
Primary and secondary care practices in
Europe.
Sample
1129 paediatricians.
Results
A diagnosis of urinary tract infection is considered by 62 % of the respondents in children
aged 1–36 months with unexplained fever. The
preferred method of urine collection is use of a
bag (53 % for infants < 3 months and 59 % for
children 4–36 months of age). 60 % of paediatricians agree that oral and parenteral antibiotics
have equal efficacy. Co-amoxiclav is the antibiotic of choice for 41 % of participants, while 9 %
prescribe amoxicillin. 80 % of respondents
pres­cribe ultrasound in all children with a confirmed urinary tract infection. 63 % of respondents prescribe a cystography when abnormalities are revealed during ultrasound evaluation.
A quarter of respondents recommend antibiotic
prophylaxis for all children with any vesicoureteral reflux. The data among European countries are very heterogeneous. The three most
recent urinary tract infection guidelines (the
National Institute for Health and Care Excellence (NICE), the American Academy of Pedia-
trics and the Italian Society of Paediatric Nephrology) are not followed properly.
Conclusions
Management of febrile urinary tract infections
remains controversial and heterogeneous in
Europe. Simple, short, practical and easy-toremember guidelines and educational strategies to ensure their implementation should be
developed.
Kommentar
Die National Institute for Health and Care Excellence (NICE), American Academy of Pediatrics (AAP) und Italian Society of Paediatric
Nephrology (ISPN) haben kürzlich, unabhängig
voneinander, nationale Empfehlungen zur Betreuung 1–36-monatiger Kinder mit Harnwegsinfekt publiziert. Leider muss man feststellen, dass unter den verschiedenen Ländern
kein Konsens besteht, weder in Bezug auf
Urinsammeln, Indikation für Ultraschall der
Harnwege und Miktionscystourethrographie
noch Indikation zur antibiotischen Behandlung. Die vorliegende Arbeit beruht auf einer
kürzlich mittels Fragebogen bei 1129 Kinderärzten in 7 europäischen Ländern durchgeführten Umfrage. Der meisten Antworten
(91 %) stammen von Pädiatern, die in öffentlichen Institutionen tätig sind. Die Autoren
stellen fest, dass die Betreuung des Harnwegsinfektes bei Kleinkindern sehr vielfältig
ist, und dass wesentliche Unterschiede zwischen offiziellen Empfehlungen und praktischem Vorgehen bestehen. Sie insistieren in
ihrer Schlussfolgerung darauf, einfache, kurze,
praktische und einprägsame Empfehlungen zu
formulieren, und gleichzeitig Fortbildungsstrategien zu entwickeln, die die Ärzte dazu bringen, diese Empfehlungen auch anzuwenden.
2. Lateef TM , Johann-Liang R et al.
Seizures, encephalopathy, and vac­
cines: experience in the National
Vaccine Injury Compensation Program.
J Pediatr 2015 Mar; 166 (3): 576–81.
Abstract
To describe the demographic and clinical
characteristics of children for whom claims
44
Study design
The National VICP within the Department of
Health and Human Services compensates
individuals who develop medical problems
associated with a covered immunization. We
retrospectively reviewed medical records of
children younger than 2 years of age with
seizures and/or encephalopathy allegedly
caused by an immunization, where a claim
was filed in the VICP between 1995 through
2005.
Results
The VICP retrieved 165 claims that had sufficient clinical information for review. Approximately 80 % of these alleged an injury associated with whole-cell diphtheria, pertussis
(whooping cough), and tetanus or tetanus,
diphtheria toxoids, and acellular pertussis
vaccine. Pre-existing seizures were found in
13 % and abnormal findings on a neurologic
examination before the alleged vaccine injury
in 10 %. A final diagnostic impression of seizure disorder was established in 69 %, of whom
17 % (28 patients) had myoclonic epilepsy,
including possible severe myoclonic epilepsy
of infancy. Specific conditions not caused by
immunization, such as tuberous sclerosis and
cerebral dysgenesis, were identified in 16 % of
subjects.
Conclusion
A significant number of children with alleged
vaccine injury had pre-existing neurologic or
neurodevelopmental abnormalities. Among
those developing chronic epilepsy, many had
clinical features suggesting genetically determined epilepsy. Future studies that include
genotyping may allow more specific therapy
and prognostication, and enhance public
confidence in vaccination.
Kommentar
(J. J. Baudon und M. Mazouni)
Diese retrospektive, über einen Zeitraum von
10 Jahren laufende Studie wurde durch das
Departement of Neurology der Universität
Washington in Zusammenarbeit mit dem National Vaccine Injury Compensation Program
(VICP) und dem National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) durch­
geführt. Anlass waren die grosse Anzahl
Impfverweigerer ganz allgemein und die un-
Zeitschriftenreview
Vol. 26 Nr. 4 2015
genügende Dauer des Impfschutzes durch
azellulären Pertussisimpfstoff, die in den USA
zu einer dramatischen Zunahme des Keuchhustens führten. Während diesen 10 Jahren
wurden 222 Klagen erhoben, wovon 165 genügend Informationen für eine Analyse boten.
Die Klagen betrafen in 61 % der Fälle den
Impfstoff DTP (zellulär) und in 19 % der Fälle
DTPa. Die übrigen, keinen Pertussisanteil
enthaltenden Impfstoffe verteilten sich wie
folgt: MMR (17.8 %), Hämophilus (9.1 %), IPV
(6 %), Hepatitis B (8.4 %), OPV (3 %), antiPneumokokken (2.4) und DT (0.8 %), wobei in
16% der Fälle mehr als eine Impfung durchgeführt worden war.
Mehr als die Hälfte der betroffenen Kinder
waren jünger als 6 Monate und ¾ jünger als
1-jährig. Bei der Mehrheit (59 %) kam es zu
Krämpfen, bei 36 % zu Krämpfen + Enzephalopathie. In 40 % der Fälle handelte es sich um
einen ersten Fieberkrampf (doch wurde nur
bei 88 % der Kinder Fieber gemessen), der
Anfall trat in den meisten Fällen innert 72 Std.
nach der Impfung auf und dauerte weniger als
5 Minuten. 15 % der Säuglinge hatten bereits
zuvor einen Krampfanfall und 10 % einen vorbestehenden auffälligen neurologischen Befund. Ätiologische Abklärungen wurden bei
der Hälfte der Patienten durchgeführt und 4
Stoffwechselstörungen und 2 Chromosomenanomalien festgestellt.
Bei 131 der 165 einbezogenen Kinder wurden
bildgebende Abklärungen des Gehirns durchgeführt, wobei 25 % der CT-Scans und 33 % der
MRI abnorme Befunde zeigten.
Die neurologischen Abklärungen ergaben bei
69 % dieser Kinder ein Krampfleiden, wovon
17 % (28 Fälle) myoklonischer Epilepsie bzw.
Dravet-Syndrom. Zudem wurden bei 16 % der
Kinder Anomalien entdeckt, die keinen Zusammenhang mit der Impfung hatten, wie
tuberöse Sklerose oder zerebrale Dysgenesie.
Mit anderen Worten, eine beträchtliche Anzahl Kinder mit mutmasslichen Impfkomplikationen hatte eine vorbestehende neurologische Krankheit. Unter denjenigen, die eine
chronische Epilepsie entwickelten, wiesen
zahlreiche Zeichen auf, die eine genetische
Ursache vermuten lassen. Die Autoren empfehlen deshalb, in allen Fällen von Krämpfen
und/oder Enzephalopathie in Anschluss an
eine Impfung, eine vollständige, den Genotyp
einschliessende Abklärung durchzuführen.
Dieses Vorgehen ermöglicht eine spezifische
Therapie einzuleiten, eine Prognose zu erstellen und somit Vertrauen und Akzeptanz für
Impfungen im breiten Publikum zu erhöhen.
3. Friedman JN , Beck CE et al.
Comparison of isotonic and hypotonic
intravenous maintenance fluids:
a randomized clinical trial.
JAMA Pediatr 2015 May 1; 169 (5): 445–51.
Abstract
Importance
Use of hypotonic intravenous fluids for maintenance requirements is associated with increased risk of hyponatremia that results in
morbidity and mortality in children. Clinical
trial data comparing isotonic and hypotonic
maintenance fluids in nonsurgical hospitalized
pediatric patients outside intensive care units
are lacking.
Objective
To compare isotonic (sodium chloride, 0.9 %,
and dextrose, 5 %) with hypotonic (sodium
chloride, 0.45 %, and dextrose, 5 %) intravenous maintenance fluids in a hospitalized
general pediatric population.
Design, Setting, and Participants
In this double-blind randomized clinical trial,
we recruited 110 children admitted to a general pediatric unit of a tertiary care children’s
hospital from March 1, 2008, through August
31, 2012 (age range, 1 month to 18 years),
with normal baseline serum sodium levels
who were anticipated to require intravenous
maintenance fluids for 48 hours or longer
(intent-to-treat analyses). Children with diagnoses that required specific fluid tonicity and
volumes were excluded.
Interventions
Patients were randomized to receive isotonic
or hypotonic intravenous fluid at maintenance
rates for 48 hours.
Main outcomes and measures
The primary outcome was mean serum sodium level at 48 hours. The secondary outcomes were mean sodium level at 24 hours,
hyponatremia and hypernatremia, weight
gain, hypertension, and edema. Confounding
variables were included in multiple regression
models. Post hoc analyses included change
from baseline sodium level at 24 and 48 hours
and subgroup analysis of children with primary respiratory diagnosis.
Results
Of 110 enrolled patients, 54 received isotonic
fluids and 56 received hypotonic fluids. The
mean (SD) sodium level at 48 hours was
45
139.9 (2.7) mEq/L in the isotonic group and
139.6 (2.6) mEq/L in the hypotonic group
(95% CI of the difference, -0.94 to 1.74
mEq/L; P = .60). Two patients in the hypotonic
group developed hyponatremia, 1 in each
group developed hypernatremia, 2 in each
group developed hypertension, and 2 in the
isotonic group developed edema. Mean (SD)
change from baseline to 48-hour sodium level
was +1.3 (2.9) vs -0.12 (2.8) mEq/L, respectively (absolute difference, 1.4 mEq/L; 95 %
CI of the difference, -0.01 to 2.8 mEq/L;
P = .05).
Conclusion and relevance
Our study results support the notion that
isotonic maintenance fluid administration is
safe in general pediatric patients and may
result in fewer cases of hyponatremia.
Kommentar
Die Verwendung hypotoner iv-Lösungen geht
auf die 1950er Jahre zurück und gründet auf
den Arbeiten von M. A. Holiday und W. E. Segar, die den Bedarf gesunder Kinder an Flüssigkeit und Elektrolyten in grossen Zügen auf
Energieverbrauch und Zusammensetzung der
Muttermilch bezogen. Hypotone Lösungen
sind generell in Spitälern, mit Ausnahme von
Intensivpflegestationen, weiterhin zur Erhaltung des Wasserhaushaltes gebräuchlich. Literaturdaten der letzten Jahre weisen jedoch
auf das, manchmal mit Komplikationen belastete Hyponatriämierisiko hin. Die hypotone
Lösung wurde in der Folge durch isotone Lösungen ersetzt, ohne jedoch Risiken wie Hypernaträmie und Bluthochdruck zu vermeiden.
Die vorliegende, randomisierte, an Kindern in
einer allgemeinpädiatrischen Abteilung durchgeführte Doppelblindstudie, ergab keinen signifikanten Unterschied der Natriämie nach 24
und 48 Stunden Infusion einer Erhaltungsdosis
isotoner oder hypotoner Lösung. Immerhin
kam es in der Gruppe mit hypotoner Infusionslösung zu 2 Fällen mit Hyponatriämie nach 24
Stunden. Die Autoren weisen darauf hin, dass
nur wenige Studien mit Kindern in allgemeinpädiatrischen Abteilungen durchgeführt wurden. Hingegen weisen die zahlreichen, in den
letzten Jahrzehnten gemachten Studien und
Metaanalysen darauf hin, dass bei Kindern in
Intensivpflegeabteilungen und postoperativ
das Hyponatriämierisiko mit isotonen Infusionslösungen im Vergleich zu hypotonen Lösungen geringer ist, ohne vermehrtes Hypervolämie- und Hypernatriämierisiko.
Zusammenfassend bestätigt diese Studie
dass iv verabreichte isotone Lösung für allge-
Zeitschriftenreview
meinpädiatrische Patienten kein Risiko darstellt und nur selten zu einer Hyponatriämie
führt.
4. Villarino ME, Scott NA and al.
Treatment for preventing tuberculosis
in children and adolescents: a randomized clinical trial of a 3-month,
12-dose regimen of a combination
of rifapentine and isoniazid.
JAMA Pediatr 2015; 169: 247–55.
Abstract
Importance
Three months of a once-weekly combination
of rifapentine and isoniazid for treatment of
latent tuberculosis infection is safe and effective for persons 12 years or older. Published
data for children are limited.
Objectives
To compare treatment safety and assess noninferiority treatment effectiveness of combination therapy with rifapentine and isoniazid
vs 9 months of isoniazid treatment for latent
tuberculosis infection in children.
Design, Setting, and Participants
A pediatric cohort nested within a randomized,
open-label clinical trial conducted from June 11,
2001, through December 17, 2010, with followup through September 5, 2013, in 29 study sites
in the United States, Canada, Brazil, Hong Kong
(China), and Spain. Participants were children
(aged 2–17 years) who were eligible for treatment of latent tuberculosis infection.
Interventions
Twelve once-weekly doses of the combination
drugs, given with supervision by a health care
professional, for 3 months vs 270 daily doses
of isoniazid, without supervision by a health
care professional, for 9 months.
Main Outcomes and Measures
We compared rates of treatment discontinuation because of adverse events (AEs), toxicity grades 1 to 4, and deaths from any cause.
The equivalence margin for the comparison of
AE-related discontinuation rates was 5 %. Tuberculosis disease diagnosed within 33 months of enrollment was the main end point for
testing effectiveness. The noninferiority margin was 0.75 %.
Results
Of 1058 children enrolled, 905 were eligible
for evaluation of effectiveness. Of 471 in the
Vol. 26 Nr. 4 2015
combination-therapy group, 415 (88.1 %) completed treatment vs 351 of 434 (80.9 %) in the
isoniazid-only group (P = .003). The 95 % CI for
the difference in rates of discontinuation attributed to an AE was -2.6 to 0.1, which was
within the equivalence range. In the safety
population, 3 of 539 participants (0.6 %) who
took the combination drugs had a grade 3 AE
vs 1 of 493 (0.2 %) who received isoniazid only.
Neither arm had any hepatotoxicity, grade 4
AEs, or treatment-attributed death. None of
the 471 in the combination-therapy group
developed tuberculosis vs 3 of 434 (cumulative rate, 0.74 %) in the isoniazid-only group, for
a difference of -0.74 % and an upper bound of
the 95 % CI of the difference of +0.32 %, which
met the noninferiority criterion.
Conclusions and relevance
Treatment with the combination of rifapentine
and isoniazid was as effective as isoniazidonly treatment for the prevention of tuber­
culosis in children aged 2 to 17 years. The
combination-therapy group had a higher
treatment completion rate than did the isoniazid-only group and was safe.
Kommentar
Die Behandlung der latenten Tuberkulose ist
im Kindesalter aus verschiedenen Gründen
wichtiger als beim Erwachsenen:
•Eine Tuberkuloseinfektion ist beim unter
5-jährigen Kind immer kürzlich erfolgt und
kann von der latenten Form zur Krankheit
fortschreiten.
•Beim Kleinkind besteht Gefahr, dass die
latente Tuberkulose in eine schwere Form
(Miliaris, Meningitis) übergeht.
•Ein Kind mit latenter Tuberkulose hat mehr
Lebensjahre mit dem Risiko vor sich, an
Tuberkulose zu erkranken.
•Kinder vertragen die medikamentöse Behandlung der latenten Tuberkulose besser.
Seit den 1950er Jahren hat sich die Suche
nach einer vorbeugenden Tuberkulosetherapie eine wirksame, nebenwirkungsfreie, von
Kindern gut vertragene und akzeptierte Behandlung um Ziel gesetzt. Trotz gewissen
praktischen Problemen bringt diese umfangreiche, in 29 Studienzentren in Brasilien,
Hong-Kong, Kanada, Spanien und den USA
durchgeführte Untersuchung sehr interessante Schlussfolgerungen. Die Kombinationsbehandlung Rifapentin + Isoniazid (eine wöchentliche Dosis) wird von 2–17-jährigen
Kindern gut vertragen, Nebenwirkungen sind
selten und geringfügig, und sie ist sicher (0
46
Tuberkulosefälle nach 33 Monaten). Dieses
Behandlungsschema stellt eine neue Alternative zur Behandlung der latenten Tuberkulose
durch Isoniazid alleine dar. Die Autoren erwähnen auch eine bessere Compliance, führte doch die Mehrheit der Patienten die kombinierte Behandlung vollständig durch.
5. Power RF, Murphy JF.
Tongue-tie and frenotomy in infants
with breastfeeding difficulties:
achieving a balance.
Arch Dis Child 2015; 100: 489–94.
Abstract
Aims
Currently there is debate on how best to manage young infants with tongue-tie who have
breastfeeding problems. One of the challenges is the subjectivity of the outcome variables used to assess efficacy of tongue-tie division. This structured review documents how
the argument has evolved. It proposes how
best to assess, inform and manage mothers
and their babies who present with tongue–tie
related breastfeeding problems.
Methods
Databases were searched for relevant papers
including Pubmed, Medline, and the Cochrane
Library. Professionals in the field were personally contacted regarding the provision of
additional data. Inclusion criteria were: infants less than 3 months old with tongue-tie
and/or feeding problems. The exclusion criteria were infants with oral anomalies and
neuromuscular disorders.
Results
There is wide variation in prevalence rates
reported in different series, from 0.02 to
10.7 %. The most comprehensive clinical assessment is the Hazelbaker Assessment Tool
for lingual frenulum function. The most recently published systematic review of the effect of tongue-tie release on breastfeeding
concludes that there were a limited number
of studies with quality evidence. There have
been 316 infants enrolled in frenotomy RCTs
across five studies. No major complications
from surgical division were reported. The
complications of frenotomy may be minimised
with a check list before embarking on the
procedure.
Conclusions
Good assessment and selection are important
because 50 % of breastfeeding babies with
Zeitschriftenreview
Vol. 26 Nr. 4 2015
Kommentar
Die Frage, wie man sich in Anbetracht eines
verkürzten Zungenbändchens verhalten soll,
wird immer noch diskutiert (mehrere 2015
erschienene Artikel). Eine klare Antwort
steht, angesichts der Tatsache, dass der Verlauf in 50 % der Fälle spontan günstig ist und
keine Stillprobleme verursacht, immer noch
aus. Durch diese umfassende Literaturübersicht liefern die Autoren einige interessante
Einsichten:
•Prävalenz: Es bestehen wesentliche Unterschiede (0.02–10 %), häufiger bei Knaben,
Zusammenhang mit Kokainkonsum der
Mutter
•Klinische Funktionsevaluierung des Zungenbändchens: Es werden zahlreiche Messmethoden, die Verwendung eines Fragebogens zur Beurteilung von Brustschmerzen
beim Stillen und ein praktischer Stilltest
beschrieben.
•Frenotomie: Es besteht kein Konsens bezüglich Timing, Analgetika sowie Komplikationen und deren Vorbeugung.
Die Autoren empfehlen auf Grund ihrer Literaturübersicht, 2–3 Wochen vor einem Eingriff
zu warten. Komplikationen sind selten, der
Eingriff sollte jedoch von jemandem durchgeführt werden, der imstande ist, eine eventuelle Blutung zu stillen. Eine Frage bleibt unbeantwortet: Wie wirkt sich die Frenotomie auf
die Stilldauer aus?
Korrespondenzadresse
Prof. Hon. Dr. Mustapha Mazouni
13 route du Pavement
1018 Lausanne
[email protected]
1007587
ankyloglossia will not encounter any problems. We recommend 2 to 3 weeks as reasonable timing for intervention. Frenotomy
appears to improve breastfeeding in infants
with tongue-tie, but the placebo effect is difficult to quantify. Complications are rare, but
it is important that it is carried out by a trained professional.
47
FMH - Quiz
Vol. 26 Nr. 4 2015
FMH-Quiz 63
Fallbeschreibung
Anamnese: Der 8-jährige Maurice wird von
seinen Eltern in Ihre Praxis gebracht, weil er
seit 3 Wochen eine zunehmende Läsion der
Kopfhaut aufweist. Maurice ist ein sonst gesunder Knabe, der auf dem Lande auf dem Hof
seiner Eltern wohnt. Er hat einen Hund mit
dem er oft und lange spielt. Das Problem begann mit einer roten, einige Zentimeter messenden Läsion okzipital an der Kopfhaut; die
Läsion war mit Schuppen bedeckt, leicht juckend und zeigte einen lokalen Haarverlust.
Trotz lokaler Desinfektion und peroraler antibiotischer Therapie war die Hautläsion langsam progredient.
Klinische Untersuchung: Guter Allgemeinzustand. Gewicht 25 kg, Länge 120 cm, Herzfrequenz 80/Min. Atemfrequenz 25/Min. T°
37°C, Blutdruck 96/60 mmHg. Bei der Untersuchung des Kopfes findet sich die beschriebene Läsion (Abbildung) mit lokal gebrochenen, kurzen und zerbrechlichen Haaren. Die
übrige Haut ist unauffällig, ebenso sind auch
die weiteren somatischen und neurologischen
Untersuchungsbefunde normal.
Topische Behandlung
•Desinfektion (Seife, Shampoo)
•Imidazolderivate
•Ev. Rasur der betroffenen Region
Frage 1
Beschreiben Sie die Kopfhautläsion von
Maurice.
Frage 2
Erwähnen Sie 2 Krankheitsbilder, die bei
Maurice in Frage kommen und unterstreichen
Sie Ihre Verdachtsdiagnose.
Frage 3
Wie wird die Behandlung aussehen?
Antwort 1
Rundliche, scharf begrenzte Läsion mit Haarverlust, gebrochenen Haaren sowie schuppende Kopfhaut mit entzündlichen Veränderungen.
Antwort 2
•Tinea capitis (Dermatophytose)
•Alopezia areata
•Trichotillomanie
•Psoriasis
Antwort 3
Systemische Behandlung
Terbinafin, Itraconazol/Fluconazol, Griseofulvin (cave: Zulassung/Verfügbarkeit beachten)
48
Kommentar
Die Anamnese und das beschriebene klinische Bild lassen primär den diagnostischen
Verdacht einer Tinea capitis zu. Die aufgeführten Differentialdiagnosen sind möglich, aber
beim präsentierten klinischen Bild unwahrscheinlich.
Wie immer sollte zur Diagnostik und therapeutischen Wahl, der Nachweis des spezifischen
Erregers erfolgen. Im mykologischen Labor
sollten z. B. Microsporon canis (Haupterreger
in Europa), Microsporum audouinii, Trychophyton tonsurans, Trichophyton violaceum
und Trichophyton mentagrophytes nachweisbar sein. Übertragen werden die Pilze einerseits von Mensch zu Mensch (anthropophil),
wobei asymptomatische Träger als Reservoir
gelten und andererseits kommt die Übertragung von Hunden und Katzen (zoophil)auf den
Menschen vor (Anamnese: Tierarzt, Bauernhof etc.). Bedingt durch Reiseaktivitäten und
Ferien in fernen Ländern sowie durch die zunehmende Migration ändern sich sowohl Inzidenz als auch Häufigkeit der Spezies der
Dermatophyten. In der Literatur wird zwi-
FMH - Quiz
Vol. 26 Nr. 4 2015
schen Tinea capitis, Tinea faciei und Tinea
corporis unterschieden, wobei Microsporon
und Trychophyton via die Haarfollikel in keratinisiertes Gewebe (Haare) eindringen. Diagnostisch und therapeutisch ändert diese Unterscheidung jedoch wenig. Für die in der
Schweiz bestehenden Verhältnisse sind in der
Arbeit von Kielinger gute epidemiologische
Daten gesammelt worden: Diese zeigen, dass
¾ der Fälle von Tinea capitis und ¼ der Fälle
von Tinea faciei auf anthropophile, die übrigen
auf zoophile Übertragung zurückzuführen
sind. Insbesondere Trichtophyton violaceum
und Micorosporum audouinii, die vor allem bei
Patienten afrikanischer Herkunft vorkommen,
haben stark zugenommen1) .
Die Untersuchung mittels Wood-Lampe (UVLampe, die UVA-Strahlung von 365 nm emittiert) und entsprechendes Aufleuchten der
pilzbefallenen Stellen ist gut dokumentiert,
die Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchungsmethode sind aber nicht sehr hoch.
Insbesondere bei Epidemien kann diese Untersuchung aber trotzdem eine diagnostische
Hilfe darstellen; eine gelblich-grüne Fluoreszenz ist relativ typisch für eine MicrosporumErkrankung (z. B. M. canis). Bei einer Infektion
des behaarten Kopfes mit M. canis ist die
Sensitivität allerdings nicht sehr gross und die
Untersuchung somit für eine Ausschlussdiagnose nicht geeignet.
Die mykologische Untersuchung im Labor ist
zwingend, da die Empfindlichkeit auf die gebräuchlichen Antimykotika unterschiedlich ist
und dies die Umgebungsprophylaxe (Abklärung asymptomatischer Kontaktpersonen)
und die Möglichkeit eines allfälligen Schulausschlusses beeinflussen. Donghi und Mitarbeiter haben drei Fälle von Schulkindern in Zürich beschrieben, bei denen Microsporon
audouinii resistent auf oral verabreichtes
Terbinafin und Fluconazol waren, nicht aber
auf Griseofulvin2) . Etwas beunruhigend (gemäss Autoren) an diesem Bericht war die
Tatsache, dass drei Familienmitglieder und
fünf Mitschüler asymptomatische Träger waren und als potentielle Infektionsquellen dann
auch behandelt wurden. Dies wirft nicht nur
die Frage nach der optimalen Therapie, sondern auch die Frage der Isolation, des Schulausschlusses und der Umgebungsuntersuchungen auf.
zum Nachweis der Spezies und Resistenzprüfung im konventionellen Labor zwei bis sechs
Wochen dauern kann. Ein Nachweis mittels
PCR ist in spezialisiertem Labor möglich, aber
nicht Routine und kostenintensiv.
Klinisch relevant und für die Therapie wegweisend sind die folgenden Aspekte: Regelrechte
Probeentnahme mit Abnahme von Schuppen
und Haaren (eventuell Rückfrage bei entsprechendem Labor), bei klinisch hohem Verdacht
immer Beginn mit systemischer Therapie
(konventionelle Antimykotika nur lokal im
Haarbereich sind zu wenig wirksam), wenn
immer möglich soll der Speziesnachweis so
rasch wie möglich angestrebt werden. Bei
ausgedehntem Befund sind gegebenenfalls
kurzfristig lokal desinfizierende und antiymykotische Massnahmen vorzusehen, jedoch
keine chirurgischen Manipulationen. In den
unten aufgeführten Leitlinien wird empfohlen,
zusätzlich zur systemischen Therapie zu Beginn täglich, dann wöchentlich eine lokale
Therapie mit Povidone-iodine (Betadine®)
oder Ketoconazol Shampoo oder Seleniumsufid 1 % (Selsun® Shampoo) durchzuführen.
Dadurch wird die systemische Therapiedauer
reduziert und die Transmissionsrate von Sporen vermindert. Generell ist keine Haarentfernung nötig, wird aber z. B. in den deutschen
Richtlinien zur Reduktion der Transmissionsrate auch empfohlen3) .
Betreffend Wahl des primären und dann speziesspezifischen Antimykotikums sowie der
Frage des Schulausschlusses und der Umgebungsabklärung gibt es in der Schweiz keine
Generell ist wichtig zu wissen, dass der Direktnachweis unter dem Mikroskop zwar
schnell, aber wenig sensitiv ist und die Kultur
49
allgemein gültige und anerkannte Richtlinien:
In der Paediatrica (Vol 16 (5): 45–48, 2005)
wurden Empfehlung der französischsprachigen Kantone und des Kantons Tessin formuliert. In der kantonalen Bekanntmachung
Schulgesundheit 2012–2013, erschienen im
Juni 2012, wurden die Empfehlungen der
Westschweizer und Tessiner Kantone zum
(vor)schulischen Ausschluss bei übertragbaren Krankheiten formuliert: Für Tinea capitis
normaler Schulbesuch, falls die vorgesehene
Behandlung begonnen und ausgeführt wurde.
Die Ausführung der Behandlung ist Sache der
Familie und benötigt keine Überprüfung; eine
vorzusehende Überprüfung bei Rückfall erfolgt auf Initiative des schulmedizinischen
Dienstes. Ähnliche Angaben finden sich im
Internet, abrufbar bei der Vereinigung der
Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der
Schweiz, publiziert im Dezember 2005. Auch
dort wird der Passus übernommen: Die Behandlung ist Sache der Familie und benötigt
keine Überprüfung. Bei einem Rückfall soll
eine Überprüfung auf Anweisung des Schularztes durchgeführt werden. Auch das Kantons­
arztamt des Kantons Solothurn (www.so.ch/
Infektionskrankheiten/Empfehlungen_Schulausschluss) schreibt, dass die Rückkehr in die
Schule nach Therapiebeginn möglich ist, und
keine Massnahmen bei Kontaktpersonen (gleicher Haushalt/gleiche Klasse) ergriffen werden sollen und zudem auch keine obligatorische Meldepflicht besteht.
In den Richtlinien der Europäischen Pädiatrischen Dermatologischen Gesellschaft aus
dem Publikationsjahr 2010 wird zur Behand-
FMH - Quiz
lung unverändert Griseofulvin bei Microsporum ssp. empfohlen, bei Trichophyton species
die neueren oralen Antimykotika wie Terbinafin, Itraconazol und Fluconazol4) . Bei Trichophyton ssp haben diese Substanzen eine
kürzere Therapienotwendigkeit, sind aber
auch teurer. Über Schulausschluss wird im
Originalpaper nichts empfohlen, die Arbeit im
Handbuch der Deutschen Gesellschaft für
pädiatrische Infektionskrankheiten (DGPI
Handbuch, 6. vollständig überarbeitete Auflage, 2013, Thieme Verlag) zitiert dafür eine
einwöchige Karenzzeit nur für antropophile
Erreger. Erwähnt wird auch, dass die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
eine Karenzzeit von zwei Wochen vorschlage,
bis die Sporenlast im Follikel gesenkt sei.
Daselbst wird auch die Therapie mit Griseofulvin als zugelassene Medikation für Kinder
vorgeschlagen, im Text aber eine Metaanalyse
randomisierter Studien zitiert, die die Überlegenheit von Terbinafin im Vergleich zu Griseofulvin bei Trichophyton ssp. belegen soll.
Die Leitlinien der deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft, der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der Deutschen
Gesellschaft für Krankenhaushygiene3) beschreiben sehr ausführlich Therapie, unterstützende topische Behandlung und Inter­
vention (Rasur, Desinfektion etc.), Präven­tionsmassnahmen bei häuslicher Behandlung
und die Massnahmen für epidemiologische
Untersuchungen und Frequentierungen von
Schulen und Kindergärten. Dort heisst es:
Über Massnahmen entscheidet das zuständige Gesundheitsamt im Falle einer Meldung
bzw. Benachrichtigung durch einen behandelnden Arzt. In Frankreich wird in der dermatologischen Fachliteratur ein Schulausschluss
bei Kindern mit antropophiler Tinea gefordert.
Die britischen Richtlinien favorisieren für Trichophyton tonsurans, violaceum und soudanese Terbinafin, für Microsporon canis und
audouinii Griseofulvin oder Itraconazol5) . Die
fehlende Verfügbarkeit von Griseofulvin in
verschiedenen europäischen Ländern und die
deutliche Kostenerhöhung für die Suspension
in UK werden klar bemängelt.
Was soll man nun machen? Bei der Durchsicht
der Literatur und der Nachfrage bei universitären Spezialisten (z. B. auch PIGS, Pädiatrische Infektiologie Gruppe Schweiz) scheinen
in der Schweiz für die Behandlung und die
Umgebungsmassnahmen bei diagnostizierter
Tinea capitis (ich schliesse da die T. faciei und
corporis ein) keine einheitliche Meinung vor-
Vol. 26 Nr. 4 2015
zuliegen. Es gibt keine verbindlichen Richtlinien. Sehr wahrscheinlich ist das von den Engländern vorgeschlagene Procedere sinnvoll,
pragmatisch und kostengünstig. Es wird nach
Entnahme der mykologisch zu untersuchenden Probe bei klinischem Verdacht sofort als
«first line therapy» Terbinafin oder, wo vorhanden, Griseofulvin verwendet. Eine Alternative
kann sowohl Itraconazol wie auch Fluconazol
sein (Kosten); angepasst und gewechselt wird
nach Bekanntwerden des Erregers. Nach
Einleiten der oralen Therapie in Kombination
mit einer lokalen Behandlung (Desinfektion,
Shampoo) braucht es in der Regel keinen
KITA- beziehungsweise Schulausschluss. Initial kann das Tragen einer Kopfbedeckung
jedoch die Sporenweitergabe etwas vermindern. Bei einem Kind mit Trichophyton tonsurans ist die Familie (enge Kontaktpersonen)
zu untersuchen und asymptomatische Träger
sind generell zu behandeln. Der Therapieerfolg misst sich an der Negativierung der Kulturen (Kontrollen alle zwei Wochen) und nicht
nur am klinischen Bild.
Referenzen
1) Kieliger S, Glatz M, Cozzio A, Bosshard PP. Tinea
capitis and tinea faciei in the Zurich area - an 8-year
survey of trends in the epidemiology and treatment
patterns. J Eur Acad Dermatol Venerol, 2014,
DOI:10.1111/jdv.12908; (Epub ahead of print).
2) Donghi D, Hauser V, Bosshard PP. Microsporum
audouinii tinea capitis in a Swiss school: assessment and manangement of patients and asym­
ptomatic carriers. Medical Mycology, 2010, 49:
324–8.
3) Leitlinien der Deutschsprachigen Mykologischen
Gesellschaft, Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Tinea capitis. Hygiene und Medizin, 2003,
28: 505–511.
4) Kakourou T, Uksal U, European Society for Pediatric
Dermatology. Guidelines for the management of
Tinea Capitis in children. Pediatric Dermatology,
2010, 27: 226–228.
5) Fuller LC, Barton RC, Mohed Mustapa MF, Proudfoot LE, Punjabi SP, Higgins EM. British Association
of dermatologists guidelines for the management
of tinea capitis 2014. Br J Dermatol, 2014, 171:
454–63.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Martin H. Schöni
Kindermedizinische Poliklinik
Inselspital Bern
3010 Bern
[email protected]
50
Pharma-News
Die ersten 1000 Tage im Leben
eines Kindes: Der Grundpfeiler
für lebenslange Gesundheit
Die aktuelle Forschung zeigt, dass Gesundheit und Krankheit eines Menschen
wesentlich weniger durch seine vererbten Gene bestimmt werden als vermutet,
sondern hauptsächlich über sogenannte
epigenetische (griechisch «epí» = zusätzlich) Vorgänge, die darüber entscheiden,
was der Körper aus den vorhandenen
Genen macht1). Durch diese Vorgänge
kann es zu Veränderungen einzelner
Körpersysteme oder Organe kommen,
die sich im Laufe des Lebens in bestimmten Krankheiten äußern.
Frühkindliche Prägung
durch Ernährung
Die Wissenschaft zeigt, welche Rolle
die frühkindliche Ernährung spielt, insbesondere in den ersten 1000 Tagen von
der Zeugung bis zum Alter von zwei
Jahren. Damit ein Kind sich gesund entwickeln kann, sollten seine Eltern bereits vor der Empfängnis, besonders aber
während Schwangerschaft, Stillzeit und
den ersten Jahren nach der Geburt auf
eine optimale Ernährung von sich und
dem Kind achten. Optimal heißt, die
Nahrungsauswahl immer der entsprech-
enden Lebensphase des Säuglings und
Kleinkindes anzupassen.
Stillen schützt
Muttermilch erhöht nachweislich den
Schutz vor Übergewicht, Allergien und
anderen Volkskrankheiten. Beispielsweise zeigen Studien, dass Stillen im Vergleich zur Flaschenernährung das Risiko für Übergewicht, Typ-2-Diabetes
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen um
25 bis 40 Prozent vermindern kann 2).
Dies gilt insbesondere für eine ausreichend lange Stillzeit. Untersuchungen
weisen darauf hin, dass eine Stilldauer
von neun Monaten zu einer Senkung
des Übergewichtsrisikos im späteren Leben führt. Jeder Monat des Stillens bis
dahin vermindert dieses Risiko um zusätzliche vier Prozent.
Milupa Forschungsergebnisse
Milupa Experten aus den Bereichen
Biologie, Ernährungswissenschaften und
Medizin erforschen mit viel Leidenschaft seit mehr als 30 Jahren die Muttermilch, damit auch nicht gestillte
Kinder in den Genuss einer Nahrung
kommen, die einen optimalen Start für
langfristige Gesundheit ermöglicht. Sie
konnten beispielsweise zeigen, dass bestimmte Prebiotika eine gesunde Darmf lora fördern und so die Abwehrkräfte
stärken3), 4), 5), 6). Ein weiterer Erfolg der
Milupa-Forschung war, dass sie die Bedeutsamkeit von langkettigen, mehrfach
ungesättigten Fettsäuren (LCPs) zeigen
konnte. Diese sind ein fester Bestandteil
der Muttermilch und sorgen auch langfristig für eine optimale Entwicklung
von Gehirn, Nervensystem und Sehvermögen7), 8).
Abwechslungsreiche Beikost und
altersgemäße Kleinkindernährung
Die Nahrungspräferenzen in den ersten
drei Lebensjahren sind prägend für die
spätere Kindheit und sogar bis ins Erwachsenenalter. Deshalb sollte die Beikost eines Säuglings nicht nur altersgerecht, sondern auch möglichst vielseitig
gestaltet sein, damit das Kind später gerne gesunde Lebensmittel wie Obst und
Gemüse isst.
Nicht nur Säuglinge, sondern auch
Kleinkinder im Alter von ein bis drei
Jahren entwickeln sich rasant und brauchen eine gute und ausgewogene Ernährung, damit sie gesund bleiben. Aktuelle
Studien zeigen jedoch: Kleinkinder in
Deutschland beispielsweise bekommen
zu wenig Vitamin D, Eisen und Jod,
aber zu viel an Eiweiß, Salz und Zucker 9). Kindermilchen können dazu beitragen, diese Ernährungsschief lage zu verbessern. Wenn Kindermilchen darüber
hinaus Prebiotika enthalten, können sie zu
einer gesunden Darmf lora beitragen10).
Wichtiger Hinweis
Stillen ist ideal für das Kind. Die WHO
empfiehlt ausschliessliches Stillen während der ersten 6 Monate.
Pressekontakt:
Farner Consulting SA
Myriam Delouvrier
Rue Centrale 10
Case postale 6164
CH-1002 Lausanne
[email protected]
Quellen
1. Plagemann A, Dudenhausen JW. In: Ernährungsbericht 2008. DGE. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. 2008 Bonn, 271-300 2. Plagemann A et al. Metab Syndr Relat Disord 2005; 3: 222–32
3. Arslanoglu S et al. J Nutr 2007; 137: 2420–4 4. Arslanoglu S et al. J Nutr 2008; 138: 1091–5 5. Bruzzese E et al. Clin Nutr 2009; 28: 156–61 6. Arslanoglu Set al. J Biol Regul Homeost Agents 2012; 26:
49–59 7. Willatts P et al. Am J Clin Nutr 2013; 98: 536S–42S 8. Singhal A et al. Lancet 2004; 363: 1642–5 9. Kersting M, Clausen K. Ernährungsphysiologische Auswertung einer repräsentativen Verzehrsstudie bei Säuglingen und Kleinkindern VELS mit dem Instrumentarium der DONALD Studie. In: Schlussbericht. Forschungsinstitut für Kinderernährung 2003 Dortmund 10. Chatchatee P et al. J Pediatr
Gastroenterol Nutr 2014; 58: 428–37.
1007561
Die ersten 1000 Tage im Leben eines Kindes, von der Empfängnis bis
zum Alter von zwei Jahren, gelten
als wichtigste Phase, in der viele
Faktoren die Chance auf spätere
Gesundheit erhöhen können. In diesem «Zeitfenster der grösstmöglichen
Chancen» hat beispielsweise die Ernährung von Mutter und Kind einen wesentlichen Einf luss auf die
Entwicklung der kindlichen Organe, deren Funktionsweise und Stoffwechsel.
Kaktus
Vol. 26 Nr. 4 2015
Wie gehe ich mit dem Mangel
an Impfstoffen um?
Nicole Pellaud, SGP-Präsidentin
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Das BAG hat im Juli eine Information zur Verknappung verschiedener Impfstoffe veröffentlicht, insbesondere an Ärzte gerichtet, die
Kleinkinder betreuen.
http://www.bag.admin.ch/themen/medizin
/00682/00685/index.html?lang = de/>Aktuell
Die SGP ist seit über einem Jahr in dieser
Angelegenheit, die nicht nur die Schweiz betrifft, aktiv und ist auch bei Bundesrat Berset
vorstellig geworden, um das Anliegen einer
nationalen Impfstoffereserve ab 2017/2018
beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung BWL zu fordern. Erste Gespräche
zwischen BAG, BWL und Herstellern haben
bereits stattgefunden.
Wie in der Stellungnahme des BAG zu lesen
ist, handelt es sich um ein globales Produktionsproblem, auf welches weder die Eidgenössische Impfkommission, noch das BAG oder
die SGP Einfluss haben.
In Erwartung der erneuten Verfügbarkeit dieser Impfstoffe und um einen optimalen Ablauf
des Impfplanes zu garantieren, erfordert die
aktuelle Situation einige Anpassungen.
Wir sind uns der Schwierigkeiten bewusst, die
sich daraus ergeben können, insbesondere was
die Akzeptanz durch gewisse Eltern des hexavalenten Impfstoffes (der Hepatitis B ein­
schliesst) anstelle des pentavalenten anbetrifft.
Wir versichern Ihnen, dass wir in dieser Angelegenheit alles unternommen haben und auch
aktiv bleiben, dass wir aber, wie die Eidgenössische Impfkommission, das BAG und das
restliche Europa, einige Monate werden warten müssen, bis die Produktion wieder in Gang
gekommen und die Impfstoffe wieder verfügbar sind.
Das von der SGP unterstützte Online-Portal
Infovac (www.infovac.ch) hält Sie immer auf
dem aktuellsten Stand und formuliert Alter­
nativen, wo immer möglich.
Situation Mitte August 2015
DTPa-IPV-Hib Pentavac® Mangel bis Ende 2015
Infanrix-Hib® Mangel bis August 2015
DTPa-IPV Tetravac® und Infanrix® Mangel während 2015
ROR
Priorix® Mangel bis Oktober 2015
Priorix-Tetra® wieder erhältlich
Hepatitis A Havrix® Mangel bis August 2015
Alternativen
Um dieser Situation abzuhelfen und Kinderund Hausärzten zu ermöglichen, weiterhin
nach schweizerischem Impfplan zu impfen,
empfehlen die Eidgenössische Impfkommission und das BAG folgendermassen vorzugehen:
Säuglinge
Infanrix Hexa® (DTPa-IPV-Hib + Hepatitis B)
Kinder ab 4 Jahre Boostrix-Polio® (dTPa-IPV), reduzierte Antigen-Dosis; Wirksamkeit ab diesem Alter, nicht
jünger, bewiesen
MMR MMRVAXPRO®
Hepatitis A Twinrix®, enthält auch Hepatitis B (auch bereits gegen Hepatitis B geimpfte).
Mehr Informationen
zur Verfügbarkeit von Impfstoffen
Infovac
Verfügbare Impfstoffe, http://www.infovac.
ch/de/impfstoffe/verfuegbare-impfstoffe
GlaxosmithKline AG
Verfügbarkeit der Impfstoffe, http://www.
glaxosmithkline.ch/index.html
52
Sanofi Pasteur MSD AG
Verfügbarkeit der Impfstoffe www.spmsd.ch
Das Gesamtpaket für Kinder
mit Obstipation.
Speziell für Kinder
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Studien
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entwickelt vom europäischen Marktführer.*
aromafrei . sans arôme . senza aroma
Fachkurzinformation MOVICOL® Junior aromafrei. ZUSAMMENSETZUNG: 6,563 g Macrogolum 3350; 89,3 mg Natrii hydrogencarbonas; 175,4 mg Natrii chloridum; 25,1 mg Kalii chloridum.
INDIKATIONEN: Koprostase bei Kindern (2-11 Jahre); Anwendung max. 7 Tage. Symptomatische Behandlung der Obstipation bei Kindern (2-11 Jahre); ohne ärztliche Empfehlung nicht länger
als 3 Monate anwenden. DOSIERUNG: Die Dosierung für Kinder ist vom Alter abhängig; für genaue Dosierungsanweisungen siehe ausführliche Fachinformation. Für Kinder unter 2 Jahre
nicht empfohlen. KONTRAINDIKATIONEN: Überempfindlichkeit gegen einen der Inhaltsstoffe, intestinale Perforation oder Obstruktion, Ileus, schwere entzündliche Darmerkrankungen. VORSICHTSMASSNAHMEN: Bei Herzkreislauferkrankungen Tagesdosis sehr langsam verabreichen; bei Kindern < 4-5 Jahre kommt es bei der Behandlung von Koprostase häufiger zu Erbrechen;
bei Symptomen, die auf eine Verschiebung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes hinweisen Einnahme sofort beenden; die Resorption anderer Arzneimittel kann vorübergehend reduziert sein. SCHWANGERSCHAFT/STILLZEIT: Bei Anwendung in der Schwangerschaft/Stillzeit ist Vorsicht geboten. UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Gastrointestinale Störungen, allergische
Reaktionen, Elektrolytverschiebungen, Kopfschmerzen, periphere Ödeme. ABGABEKATEGORIE: B. PACKUNGEN: 30 / 60 Sachets. ZULASSUNGSINHABERIN: Norgine AG, 4132 Muttenz.
Kassenzulässig. Ausführliche Informationen entnehmen Sie bitte der Fachinformation auf http://www.swissmedicinfo.com
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1007459
* Norgine; Konsolidierte Daten von IMS, GERS, Insight Health und FarmINFORM, Nov. 2014. 1. NICE Guidelines „Constipation in children and young people, diagnosis and management of idiopathic
childhood constipation in primary and secondary care“; Clinical Guideline May 2010. www.nice.org.uk/guidance/cg99/chapter/Introduction. Zugriff: 06.05.2015.
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