Finance-Newsletter 01 - 2015 Herausgeber: Verband Deutscher Treasurer e.V. Postanschrift: Friedrichstraße 4 65611 Brechen Redaktionelle Verantwortung Verband Deutscher Treasurer e.V. Fachressort Equity & Debt Simon Berheide Sebastian Brauer Tobias Luhmer Stefan Zander Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 1 INHALT „Der Weg zum Rating muss nicht schmerzhaft sein“ Aufgrund großer Distanz oder negativen Assoziationen mit dem Thema Rating kann für Unternehmen wichtiges Wissen auf der Strecke bleiben. Dabei muss der Weg zum Thema Rating nicht schmerzhaft sein. So kann ein „privates“ Rating oder ein Ratingprozess mit der Hausbank erhebliche Vorteile bringen. „Mittelstandsrating von Standard & Poor’s“ Bisher haben sich die großen Ratingagenturen wie Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch eher auf die internationalen Konzerne konzentriert, während neuere Anbieter im Ratingmarkt wie Creditreform oder Euler Hermes in Deutschland zunächst bei mittelgroßen Unternehmen Fuß gefasst haben. In diesem Kontext möchte sich S&P derzeit mit einem aktualisierten Mittelstandsprodukt positionieren. „Standardisierung von Schuldscheinen durch LMA Dokumentation“ Der Schuldscheinmarkt ist in Deutschland ein attraktives Finanzierungsinstrument bis in den Mittelstand – dabei war es bisher schwierig, die notwendige Dokumentation bereits fertig in der Schublade zu haben, da fehlende Standardisierung und individuelle Anforderungen von Investoren und Emittenten häufig Nachverhandlungen erforderten. Aktuelle Entwicklungen in der Standardisierung mit Hilfe der Loan Market Association (LMA) versprechen zukünftig Besserung. „Darlehensvertragsdokumentation – Neuere Entwicklungen in der Vertragspraxis“ Im jüngst wieder anziehenden Markt der Bankenfinanzierung gibt es eine Reihe aktueller Entwicklungen im Bereich der Darlehensdokumentation, die insbesondere für Unternehmen Vorteile versprechen. Trotz eines hohen Maß an Standardisierung der verbreiteten LMA Dokumentation gibt es in Verhandlungen mit Banken interessante Spielräume zum Interessensausgleich, z.B. im Bereich der „Increased Cost“ und bei „Financial Covenants“. „Marktrückblick für Anleihen und Syndizierte Kredite“ Finanzierungsmärkte sind durch historisch niedrige Zinsen und Kreditrisikoaufschläge für Unternehmen höchst attraktiv. Einerseits wird die Gelegenheit genutzt, um sich diese Konditionen langfristig durch neue Transaktionen zu sichern, andererseits werden auch bestehende Finanzierungen nachverhandelt. Die Vielzahl an M&A getriebene Transaktionen zeigt auch, dass das aktuelle Umfeld auch große strategische Optionen auf Unternehmensseite begünstigt. Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 2 Der Weg zum Rating muss nicht schmerzhaft sein Unternehmen ohne direkte Erfahrung mit dem Thema "Rating" bleiben regelmäßig auf Distanz hierzu und verbinden damit sogar negative Assoziationen. Dabei ist eine intensive Auseinandersetzung mit der Kreditwürdigkeit des eigenen Unternehmens in jedem Fall lohnenswert. Das Wissen um die Kreditwürdigkeit des eigenen Unternehmens ist von essentieller Bedeutung. Angefangen bei der Flexibilität für die strategische Unternehmensentwicklung, über den Zugang zu Finanzierung, bis hin zu Kreditversicherung sowie als Argumentationsmittel gegenüber Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern. Die Intensität der Auseinandersetzung mit der eigenen Bonität geht bei einem Rating inhaltlich weit über das reine Bonitätsscorings hinaus, wie sie auch von Auskunfteien (z.B. D&B, Creditreform) bereitgestellt werden: Initiator Quantitative Analyse Qualitative Analyse Prognosehorizont Rating Vom gerateten Unternehmen beauftragt ( Ausnahme: „unsolicited“ Ratings) Vergangenheits- & stark zukunftsbezogen (Business Plan) unter Einbezug unternehmensinterner Informationen. Qualitative Auseinandersetzung mit Wettbewerbsposition, Unternehmensstrategie und Management Kurz- bis langfristiger Zeithorizont der Bewertung Bonitätsscoring Initiative von Auskunfteien auch ohne Beitrag oder Zustimmung des betroffenen Unternehmens Historische und öffentlich verfügbare Informationen „mechanisch“ Verarbeitung Keine bis nur geringfügige Berücksichtigung Typischerweise eher kurzfristiger Zeitraum Für ein externes Rating kommen zunächst die großen Ratingagenturen wie Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch in den Sinn, die überwiegend auf große kapitalmarktorientierte Unternehmen abzielen. Zunehmend versuchen diese Agenturen auch Ratingprodukte für mittelgroße Unternehmen anzubieten. Daneben haben bisherige Auskunfteien und Kreditversicherer wie Creditreform und Euler Hermes begonnen, neue Ratingprodukte zu etablieren. Zusätzlich platzieren neue Anbieter wie Scope oder Dagong ihre Ratingprodukte in Deutschland. Für die erste Auseinandersetzung mit dem eigenen Rating muss der Weg nicht zwingend zu einem externen Rating führen, denn dieses rückt das Unternehmen, sein Rating und etwaige Veränderungen direkt in die Öffentlichkeit und sollte mit langfristigem Bekenntnis des Unternehmens zum öffentlichen Rating einhergehen. Insbesondere dann, wenn das Rating nicht direkt mit Bezug auf eine konkrete externe Finanzierung erfolgt, kann ein „privates“ Rating der beste erste Schritt sein. Dies ermöglicht das Durchlaufen des Ratingprozesses ohne externen Druck und externe Konsequenzen. Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 3 Hierbei steht die interne strukturierte Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen des eigenen Geschäftsprofils sowie der finanziellen Aufstellung des Unternehmens mit externer Unterstützung im Vordergrund. Für das erste „interne“ oder „private“ Rating bieten sich je nach Zielrichtung unterschiedliche Partner für eine externe Unterstützung an, während für ein externes Rating der Weg zu einer Ratingagentur zwingend ist. Neben spezialisierten Beratern bieten viele Banken ihren Kunden Beratung zum Thema Rating an. Größere Banken haben häufig hochprofessionelle Ratingteams, die je nach Stärke der Bankbeziehung und Kapazitäten umfassende Beratung ohne zusätzliche Kosten bereitstellen. Auch Ratingagenturen bieten Produkte für „private“ Ratings an, die in der Regel mit entsprechenden Kosten einhergehen. Ob Bank, Ratingagentur oder ein unabhängiger Berater: Vertrauen zum Partner ist die Grundvoraussetzung. Für einen fundierten Dialog zur Kreditwürdigkeit sind tiefe Einblicke in das Unternehmen von Geschäftsstrategie bis Finanzplanung notwendig. Gerade wenn mittel- bis langfristig ein externes Rating angestrebt wird, z.B. aufgrund einer Kapitalmarkttransaktion oder günstigerer Finanzierungskosten, kann ein privates Rating ein guter Zwischenschritt sein. Auch Unternehmen mit bestehendem externen Rating greifen auf zusätzliche „private“ Ratingbewertungen zurück, wenn große strategische Maßnahmen wie Akquisitionen oder Desinvestitionen anstehen. Das private Rating von Bank, Berater oder Ratingagentur bietet dabei einige Vorteile: • • • • Identifikation der wesentlichen Stellhebel der Kreditwürdigkeit Vorbereitung des externen Prozesses für ein optimales Ergebnis Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen aus der Perspektive „Rating“ Vorbereitung der benötigten Informationen und Schaffung der dafür notwendigen Reportingstrukturen • Erhöhte Sicherheit zum erwarteten Ratingergebnis bei einem späteren externen Ratingprozess: Indikativer Charakter bei Bank und Berater – verbindlicher Charakter im Fall einer Ratingagentur • Keine externe Auswirkung und unverbindlich aus Unternehmenssicht • Kostenüberlegungen ggü. externem Rating einer Agentur Ob privates oder externes Rating und ob mit oder ohne Ratingagentur – das Durchlaufen eines Ratingprozess ist lohnenswert. Dass dieses Ressourcen erfordert, steht außer Frage, aber der Prozess muss nicht „schmerzhaft“ sein. Fachressort Equity & Debt Simon Berheide Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 4 Ratings für den Mittelstand – Eine Investition in Transparenz Ein „Full-Rating“ einer der drei großen Agenturen S&P Ratings Services (S&P), Moody´s und Fitch ist für den deutschen Mittelstand in vielen Fällen prozessual wie kostentechnisch mit Blick auf das Finanzierungsvolumen überdimensioniert. S&P adressiert dieses Thema mit einem Mittelstandsprodukt, welches in Konkurrenz zu etablierten Marktteilnehmern, wie z.B. Creditreform, Euler Hermes oder Feri tritt, zu denen in jüngster Vergangenheit einige Kritikpunkte im Zusammenhang mit dem Mittelstandsanleihemarkt geäußert wurden. Die „Mittelstands-Bonitätseinschätzung (Mid-Market Evaluation - MME)“ wird seit November 2014 als öffentliches Rating-Produkt in Erweiterung des zuvor rein privaten Produktes angeboten. Ein MME stellt ein reguliertes Rating auf einer Skala von „MM1“ (höchster Wert) bis „MM8“ (niedrigster Wert) dar. Die beiden höchsten Kategorien decken dabei den „Investment Grade“ ab. S&P geht davon aus, dass europäische mittelständische Unternehmen – die Agentur zählt dazu Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 1,5 Mrd. Euro und einer Verschuldung von bis zu 500 Mio. Euro – in den nächsten fünf Jahren Finanzierungen von ca. 3,5 Billionen Euro benötigen. Der Bankensektor wird diesen Finanzierungsbedarf höchstwahrscheinlich nicht allein mit klassischen Krediten abdecken können. Als Alternative zur Bankfinanzierung bieten sich vor allem Private Placements, Schuldscheine oder öffentliche Anleihen an. Ein MME soll Unternehmen in diesem Zusammenhang bei der Kapitalbeschaffung unterstützen. S&Ps MME basiert in wesentlichen Teilen auf der bei größeren Unternehmen eingesetzten Methodologie. Im Detail wurde die Analyse allerdings auf spezielle Faktoren im Mittelstand angepasst. Dazu gehört auf der Geschäftsseite vor allem das Verständnis der jeweiligen Wettbewerbsposition. Mittelständler agieren oft als „Hidden Champions“ und sind Marktführer in ihrer jeweiligen Produktnische – und das oft über ihre jeweiligen Landesgrenzen und Europa hinaus. Fehlende Größe im Vergleich zu den etablierten Großkonzernen ist dabei, je nach Produkt- und Marktpositionierung, nicht notwendigerweise ein Nachteil. Es kommt eher auf die Fähigkeit des Unternehmens an, sich langfristig im Wettbewerb profitabel zu behaupten. Dabei vergleicht S&P ein Mittelstandsunternehmen in erster Linie mit anderen relevanten Peers im Mittelstand, d.h. es handelt sich anders als beim „Full-Rating“ um eine Einschätzung der relativen Kreditwürdigkeit. Insbesondere die Fähigkeit, langfristig stabile Cash Flows generieren zu können, bestimmt dabei das finanzielle Risiko. Nicht zuletzt spielen auch Faktoren wie der Einfluss von Familieneigentum, Finanzierungspolitik, Liquidität und Corporate Governance Themen eine Rolle bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit. Die Entscheidung für ein Rating, insbesondere wenn dieses öffentlich kommuniziert wird, sollte unter Berücksichtigung der Ziele für eine langfristig tragfähige Kapitalstruktur und Optimierung der Kapitalkosten getroffen werden. Ein Rating erleichtert Unternehmen den Zugang zu Finanzierungsalternativen, primär über Kapitalmärkte. Die Möglichkeit der flexiblen und zeitnahen Ansprache eines großen Pools von potentiellen nationalen und Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 5 internationalen Investoren erlaubt eine Optimierung der Deckung des eigenen Kapitalbedarfs zu möglicherweise günstigeren Finanzierungskonditionen. Investoren schätzen dabei die zusätzliche Transparenz durch ein Rating. Das baut Vertrauen auf und vermittelt Kontinuität und Verlässlichkeit, kann aber auch eine Einschränkung des Entscheidungsspielraums mit sich bringen, wenn Ratingkontinuität aufrechterhalten werden soll. Trotz einer gewissen Alleinstellung aufgrund der Kombination internationale Major Rating Agency, Rückgriff auf etablierte Methodologie bei im Vergleich zum „Full Rating“ niedrigeren Kosten, darf mit Spannung erwartet werden, wie sich das MME-Produkt im deutschen Mittelstand etabliert. Letztlich hängt die Auswahl eines geeigneten Rating-Produkts für das finanzierende Unternehmen von der Akzeptanz der anzusprechenden Investorengruppe ab. Fachressort Equity & Debt Sebastian Brauer Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 6 Neu von der LMA: Standarddokumentation für europäische Privatplatzierungen Die LMA hat im Januar 2015 speziell für den Bereich europäische Privatplatzierung eine neue Standarddokumentation veröffentlicht. Das Projekt begann ursprünglich auf Initiative der LMA Mitglieder, die bereits als Arrangeure und Investoren auf dem Markt für europäisches Privatplatzierungsgeschäft aktiv geworden waren. Dabei herrschte ein breiter Konsens darüber, dass Privatplatzierungen in Europa in den verschiedensten Ausgestaltungsformen existierten und die Verfügbarkeit einer internationalen Standarddokumentation helfen würde, den Markt zu vereinheitlichen und den Kreis potentieller Emittenten sowie Investoren zu vergrößern. Erarbeitet wurde die Standarddokumentation von einer Kommission, deren Mitglieder als Investoren, Rechtsanwälte und Banker in Europa (UK, Deutschland, Frankreich, Holland, Italien, Spanien) und den USA über langjährige Erfahrung bei der Emission von Privatplatzierung verfügen. Darüber hinaus waren die Association of Corporate Treasurers (ACT) und die International Capital Market Association (ICMA) frühzeitig in die Erstellung der Dokumentation eingebunden. Die Dokumentation bietet zwei grundlegende Optionen für die Strukturierung der Finanzierung: erstens die Platzierung als Darlehen und zweitens als die Emission eines Wertpapiers, einer sogenannten Note. Die Standardausführung setzt initial auf dem englischen Recht, einem Kreditnehmer mit Investment-Grade Rating und einer unbesicherten Transaktion auf. Die individuelle Ausführung kann bei Bedarf jedoch an die Präferenzen der Schuldner und Investoren angepasst werden. Aus diesem Grund wurde für individuelle Anpassungen der Standardausführung ein Benutzerleitfaden durch die LMA veröffentlicht http://www.lma.eu.com/documents.aspx?c=158. Denn generell gilt immer, dass eine durch die LMA veröffentlichte Standarddokumentation als Basis für weitergehende Verhandlungen zwischen Schuldner und Investor gelten sollte. Ein hoher Grad an Standardisierung in der Finanzierungsdokumentation kann einen nennenswerten Teil der Verhandlungen ersparen und bietet somit einen Vorteil für Schuldner und Investoren. Speziell für neue Investoren ist ein hinreichender Level an Marktstandards von Bedeutung, weil es für Rechts- und Planungssicherheit sorgt. Insbesondere für Schuldner, die einen internationalen Investorenkreis anstreben, ist es vorteilhaft, diesen mit einem internationalen Dokumentationsstandard der LMA als kleinster gemeinsamer Nenner anzusprechen. Die LMA hofft durch die Bereitstellung einer Standarddokumentation für europäische Privatplatzierung einen Beitrag zu Vereinheitlichung internationaler Kreditverträge geleistet zu haben, der zu einer höheren Marktliquidität und zu verbesserten Marktstandards führt. Nigel Houghton Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 7 Darlehensvertragsdokumentation – Neuere Entwicklungen in der Vertragspraxis Während in den letzten Jahren der Fokus mehr auf alternativen Finanzierungsinstrumenten lag (siehe z.B. zu Schuldscheindarlehen die Veröffentlichung des Leitfadens der Loan Market Association (LMA), zeichnet sich - nicht nur aufgrund des niedrigen Zinsniveaus - ein Wiedererstarken der „klassischen“ (Konsortialkredit-)Finanzierung durch Banken ab. Sowohl im Bereich der Restrukturierung bestehender Darlehensvertragsverhältnisse unter Anpassung der bislang vereinbarten wirtschaftlichen Parameter (amend and extend) als auch im Bereich der Neugenerierung ist ein steigender Beratungsbedarf erkennbar, was sich nicht zuletzt im Rahmen der erfreulichen Entwicklung der (leveraged) M&A Aktivitäten zeigt. Die LMA Standarddokumentation hat dabei entweder durch direkte Anwendung oder durch mittelbare Anpassung sonstiger Bankvertragsdokumentationen an diese internationalen Standards eine maßgebliche Bedeutung. Die Nachwirkungen der Finanzkrise, das regulatorische Umfeld (insbesondere FACTA und Basel III) und die Besonderheiten des derzeitigen (Niedrigzins-)Marktumfeldes haben in diesem Zusammenhang nicht nur zu erheblichen Anpassungen der einzelnen LMA Standardregelungen (z.B. Überarbeitung der market disruption clause und der Definition der Referenzzinssätze sowie Einführung der (Nicht-)Berücksichtigung von negativen Zinsen) geführt, sondern auch die allgemeine Verhandlungs- und Vertragspraxis erheblich beeinflusst. Hierfür möchten wir einige Beispiele aufzeigen: In der Vertragspraxis geht es derzeit vielfach um eine interessengerechte Ausgestaltung der LMA Standardregelungen, die in erster Linie zum Schutz der Banken nach der Finanzkrise eingeführt wurden. Hinzuweisen ist hier z.B. auf die Fußnote der LMA zu den increased costs Regelungen. Grundsätzlich trägt demnach der Darlehensnehmer die Kosten, die durch ein neues regulatorisches Umfeld entstehen. Ausdrücklich einbezogen sind nunmehr auch Kosten, die durch die Basel III Vorgaben verursacht werden (vgl. Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV) und EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)). Vor dem Hintergrund, dass diese Kosten üblicherweise bereits in der Marge eingepreist sind, erscheint eine abweichende Vereinbarung interessengerecht, wenn auch die Quantifizierung dieser Kosten die Banken weiterhin vor große Herausforderungen stellt. Üblich sind daher individuelle Ausgestaltungen, die, aufbauend auf einem (selbstverständlichen) Kündigungsrecht des Darlehensnehmers, sicherstellen, dass insbesondere (i) nur unmittelbar korrespondierende und nicht vorhersehbare Kosten, die über einen bestimmten Zeitraum entstehen, einbezogen werden und (ii) die Berechnung der Kosten offengelegt wird. Ein entsprechender Interessenausgleich hat z.B. auch im Rahmen der allgemeinen Compliance Zusicherungen (compliance with law) zu erfolgen, d.h. eine interessengerechte Einschränkung auf relevante regulatorische Vorgaben. Unter dem Stichwort covenants lite zeigt sich in der Vertragspraxis eine Entwicklung, die wiederum eine eher „interessengerechte“ als aus Bankensicht optimierte Risikoverteilung bewirkt. Dies zeigt sich insbesondere im Bereich der Finanzkennzahlen Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 8 (financial covenants). Vormals üblich war durchaus die Kombination mehrerer Finanzkennzahlen, z.B. Verschuldungsgrad (LTV), Zins- und/oder Schuldendienstdeckung (interest and/or debt service cover ratio) und die Begrenzung des maximalen Kapitaleinsatzes (capex), deren Feststellung ausschließlich der Beurteilung durch die Bank unterlag. Dies hat sich maßgeblich geändert. Zunächst ist die Verobjektivierung von Definitionen zu nennen, d.h. die Vereinbarung objektiver Kriterien im Rahmen der Feststellung der einzelnen covenant Kriterien. Dies gilt im Übrigen für den gesamten Definitionskatalog (ein weiteres Beispiel ist hierfür die allgemeine material adverse effect Definition). Vertragsklauseln, die auf „aus Sicht der Banken“ abstellen, werden seltener. Das Regel-/Ausnahmeprinzip der LMA Standarddokumentation wird ferner zugunsten der Darlehensnehmer durch die Aufnahme höherer Schwellenwerte und umfangreicherer Ausnahmekataloge verschoben. Im Investment Grade Bereich findet darüber hinaus eher die Konzentration auf ein oder zwei wesentliche Finanzkennzahlen statt. Dabei kann die Heilung durch die Zuführung zusätzlicher Eigenmittel (equity cure) überwiegend mit den Banken verhandelt werden. Hinzu kommen verlängerte Heilungsfristen (remedy periods). Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Diskussion über die Qualifizierung von Vertragsklauseln auf Basis der LMA Standarddokumentation als allgemeine Geschäftsbedingungen und damit über die Anwendung der §§ 305 BGB (einschließlich allgemeiner Interessenabwägung) weitergeführt wird. Dies bestärkt das Ergebnis, dass jedwede Kündigung aufgrund des Verstoßes einer covenant-Regelung zusätzlich zu den allgemeinen Vorgaben des § 490 BGB unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH zu entsprechen hat, d.h.: (i) keine Kündigung zur Unzeit, (ii) kein Verstoß gegen geschaffene Vertrauenstatbestände, (iii) kein widersprüchliches Verhalten und (iv) kein Rechtsmissbrauch. Dr. Kai Erhardt / Dr. Jörg Schewe Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 9 Überblick Anleihemarkt In den letzten drei Jahren hat sich der Primärmarkt für Unternehmensanleihen äußerst positiv entwickelt. Trotz diverser geopolitischer Unruhen und einer gewissen Volatilität an den (Aktien-)Märkten fanden Unternehmen 2014 durchweg ein äußerst stabiles Marktumfeld für die Begebung von Anleihen vor. Das historisch niedrige Zinsniveau in Kombination mit niedrigen Credit Spreads offerierte insbesondere für Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum attraktive Finanzierungskonditionen. Eine anhaltende Verbesserung der Kreditqualität europäischer Unternehmen und die damit einhergehend positiven Ratingentwicklungen begünstigten dies zusätzlich. iBoxx EUR Non-Financial Credit Spreads nach Ratingklassen In Basispunkten Im Hinblick auf das EUR Emissionsvolumen von Unternehmensanleihen wurde mit EUR 318 Mrd.1) im letzten Jahr über alle Länder, Branchen und Bonitätsklassen hinweg ein neuer Rekord aufgestellt und 2009 als das bis dato erfolgreichste Jahr abgelöst. Hauptreiber waren unter anderem die Nutzung von Anleihen als ein Kerninstrument zur Finanzierung von Unternehmensübernahmen (M&A), die Refinanzierung von bestehenden Fälligkeiten und die opportunistische Nutzung der attraktiven Finanzierungskonditionen. Auch 2014 und seit Jahresbeginn 2015 nutzten zahlreiche Emittenten die exzellenten Finanzierungsbedingungen, um erstmals Anleihen zu begeben, teilweise auch ohne Credit Rating einer internationalen Agentur. Hier sind beispielsweise Mahle, CABB und Infineon Technologies (in 2015) zu nennen. 1) Quelle: dealogic – DCM Analytics; Volumensangaben umfassen den Gesamtmarkt für EUR Unternehmensanleihen (alle Ratingkategorien [Investmentgrade/ High Yield / Unrated], alle Transaktionsgrößen [Benchmark/Sub-Benchmark], Platzierungsart [Syndizierung/Privatplatzierung] sowie „Sonderformen“ wie Mittelstandsanleihen, Domestic Anleihen etc.) Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 10 EUR Bond Emissionen und Fälligkeiten In EUR Mrd. 350 300 250 200 150 100 50 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Bond Emissionen YTD Bond Emissionen Fälligkeiten YTD: 01.01. bis 27.01. des jeweiligen Jahres Quelle: dealogic – DCM Analytics Neben einer Ausweitung der durchschnittlichen Laufzeit auf ca. 8,5 Jahre war die stark zunehmende Begebung von Hybridanleihen ein anhaltender Trend. Mehr als ein Viertel der europäischen Hybridkapitalemissionen stammen aus dem deutschsprachigen Raum und wir gehen davon aus, dass dies auch für 2015 anhalten wird. Investoren sind weiterhin auf der Suche nach Rendite und sind bereit, hierfür längere Laufzeiten und höhere Risiken zu akzeptieren. Debt Issuance Programme, auch für Unternehmen ohne Rating, werden verstärkt diskutiert und bereits etabliert, um neben liquiden syndizierten Anleihen den Bondmarkt auch flexibel mit „sub-benchmark“ Transaktionen oder bilateralen Privatplatzierungen zu nutzen. In 2014 wurden – wie bereits im Vorjahr - Anleihen von Unternehmen ohne Rating in Höhe ca. EUR 23 Mrd. begeben. Auch wenn bisher kein deutsches Unternehmen einen „Green Bond“ begeben hat, findet das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Monaten auch am Unternehmensanleihemarkt zusehends Beachtung, sowohl seitens der Emittenten als auch Investoren. Stärker als im europäischen Durchschnitt nutzten letztes Jahr Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum Fremdwährungen zur Anleihefinanzierung. So wurden mehr als ein Viertel der Anleihen (27%) im USD Markt aufgenommen. Sterling und Schweizer Franken stellten weitere wichtige Währungen zur Finanzierung dar. Der deutsche Markt für High-Yield Anleihen ist weiterhin von Wachstum geprägt (+30% in 2014 gegenüber Vorjahr). Bemerkenswert im BB-Segment ist die Begebung von Anleihen mit Konditionen aus dem Investment Grade Segment. Auch wenn die EZB mit der Bekanntgabe der Maßnahmen im Rahmen des Quantitative Easings am 22. Januar nicht direkt Ankäufe von Unternehmensanleihen tätigen wird, haben wir seit Anfang des Jahres wie erwartet eine Fortsetzung des Einengungstrends der Credit Spreads beobachten können. Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 11 Obwohl kurzfristig Emissionskonditionen als sehr freundlich eingestuft werden, könnten mittelfristig die Zinsentwicklung in den USA, geopolitische Krisen sowie eine mögliche Abschwächung des weltwirtschaftlichen Wachstums einen negativen Einfluss auf die Bedingungen an den Kapitalmärkten ausüben. Das Emissionsvolumen in den ersten beiden Monaten des Jahres liegt mit einem Zuwachs von ca. 55% bereits deutlich über dem Vorjahreszeitraum. Auffällig ist, dass der Anteil an Emittenten außerhalb des Euroraums, insbesondere aus den USA (aktueller Anteil von 26%), stark zugenommen hat. Dies ist ein weiterer Indikator für große Tiefe und die derzeit sich bietenden sehr attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten am EUR Anleihemarkt, auch im Vergleich zu anderen Währungen und Finanzierungsinstrumenten. Karin Arglebe / Andreas Vogel Marc Müller / Christian Sass Matthias Minor / Catalin Petcu / Marco Sterly Ingo Nolden / Oliver Schwarzer Christian Reusch / Hans Niethammer Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 12 Überblick Konsortialkreditmarkt in Deutschland Das Jahr 2014 war aus Sicht des Konsortialkreditmarktes in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Nach Jahren einer fortschreitenden Erosion von Konditionen und dem tendenziellen Aufweichen struktureller Anforderungen, die vor allem zu frühzeitigen Neuauflagen / Refinanzierungen bestehender Kredite führten, war 2014 – vor allem ab dem 2. Quartal – durch eine stark ansteigende Anzahl von Akquisitionsfinanzierungen geprägt. Entwicklungen in der Unternehmensfinanzierung 2014 2014 erhöhte sich das Volumen syndizierter Unternehmenskredite in Deutschland um circa 25%, während die Anzahl der Transaktionen ungefähr konstant blieb. Volumensentwicklung (in EUR Mrd.) Finanzierungshintergrund (in EUR Mrd.) 160 160 300 140 140 120 120 . 22.0 bn 250 Tr 8.4 bn 19.1 bn 200 100 100 . Mrd EUR 80 60 150 EUR 80 100 60 50 40 0 20 40 13.9 bn 60.4 bn 85.1 bn 20 54.9 bn * Quelle: 2010 2011 Dealogic Loanware 1Q 2Q 2012 3Q 4Q 2013 2014 Transaktionsanzahl 0 6.4 bn 2013 M&A 2014 Refi LBO Allg. U-Zweck Sonstige Folglich ist der Anteil großvolumiger Transaktionen tendenziell angestiegen. Vor allem Akquisitionen und deren Finanzierung haben zu dieser Entwicklung geführt. Waren in 2013 nur rund € 6 Mrd. des Kreditvolumens akquisitionsbedingt, so stieg dieser Anteil auf rund € 55 Mrd. in 2014. Damit erreichte der Anteil der Akquisitionsfinanzierungen für Unternehmen das höchste Niveau seit 2007. Die idealen Rahmenbedingungen für Akquisitionstätigkeit im derart großen Maßstab waren maßgeblich getrieben von einem Niedrigzinsumfeld, welches durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank geprägt ist. Hierzu kommt die gestiegene Bereitschaft von Banken, mitunter sehr hohe Underwritings für Akquisitionen zur Verfügung zu stellen. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die USD 16,2 Mrd. Akquisitionsfinanzierung von ZF Friedrichshafen (Übernahme TRW Automotive). Diese stellte 2014 die größte Akquisitionsfinanzierung im EMEA-Raum dar. Das Refinanzierungsvolumen erreichte 2014 dagegen nur circa € 60 Mrd. und damit rund 20% weniger als im Vorjahr. Das Überangebot an Liquidität war der Haupttreiber für Preisreduzierungen und strukturelle Erleichterungen. Im späteren Verlauf des Jahres konnte allerdings aufgrund der weitgehenden Ausreizung dieser Aspekte eine Bodensatzfindung registriert werden. Die am häufigsten beobachtete Laufzeit für Unternehmenskredite im Investment Grade-Bereich ist 5+1+1 Jahre. Auch Firmen im sogenannten Cross-Over-Bereich konnten deutliche Verbesserungen bei der Verhandlung der Laufzeiten erzielen. Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 13 Deutscher Leveraged Buyout (LBO) Markt 2014 Das in Euro denominierte Kreditvolumen des LBO Marktes in Deutschland erreichte in 2014 ein Volumen von rund € 8 Mrd. und verzeichnete damit einen substantiellen Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Dabei stieg die Anzahl der Transaktionen leicht an, was auf einen Rückgang des Durchschnittvolumens der Finanzierungen schließen lässt. Treibende Kräfte für den LBO Markt waren neue Buy-Out Transaktionen, kreditfinanzierte Dividendenausschüttungen, aber auch frühzeitige Refinanzierungen. Sogenannte „CovenantLite“ Strukturen, die vormals fast ausschließlich in transatlantischen Syndizierungen gesehen wurden, konnten in 2014 auch im europäischen Markt platziert werden. Auch in Deutschland wurden in 2014 erstmals Covenant-Lite Strukturen angeboten. Ausblick für den deutschen Konsortialkreditmarkt 2015 Der harte Wettbewerb, den wir 2014 beobachten konnten, setzt sich in 2015 unvermindert fort. Akquisitionsfinanzierungen werden auch in 2015 eine treibende Kraft für den Konsortialkreditmarkt bleiben. Im LBO Markt erwarten wir für Deutschland einen Volumensanstieg gegenüber dem Vorjahr. Financial Sponsors weisen hohe Liquiditätsbestände auf und spüren daher ebenfalls den Anlagedruck. Auch sehen wir die Auflage neuer Verbriefungsvehikel (CLOs) in Europa als klares Anzeichen für anstehende Marktaktivität. Aber auch Banken selbst benötigen Kredit-Assets um ihre Budgetziele zu erreichen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass 2014 ein besonders gutes Jahr für den deutschen Konsortialkreditmarkt war. Auch 2015 sind die Zeichen positiv, für einen sich fortsetzenden positiven Trend. Reinhard Haas Christoph Weaver Andreas Voglis Mathias Noack Verband Deutscher Treasurer e.V. – Friedrichstraße 4 – 65611 Brechen – www.vdtev.de Seite 14
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