Interviewfragebogen_Andrae Campinge_II

discemus im Gespräch mit…
…Andrea Campinge
Assistentin der Geschäftsführung Gebr.
Campinge GmbH & Co Köln
Vita
Assistentin der Geschäftsführung
Studium der Betriebswirtschaft
Ausbildung zur Schreinerin
Abitur
discemus: Sehr geehrte Frau
Campinge, das Unternehmen Gebrüder
Campinge GmbH & Co ist als die Kölner
Fenster- und Möbelfaktur seit über 90
Jahren in den Bereichen Innenausbau,
Innenarchitektur und Fertigung aktiv.
Als Assistentin der Geschäftsführung
zählt zu ihren Aufgaben auch die
Auswahl zukünftiger Auszubildender.
Welche Ausbildungsmöglichkeiten
bietet die Campinge GmbH & Co in Köln
an?
Frau Campinge: Bei uns wird man zum
Schreinergesellen ausgebildet. Die
Schreinerausbildung findet sowohl im
Innenausbau als auch im Fensterbau
statt. Und man kann sich selber nach
der Ausbildung zum Meister
weiterbilden. Dies kann man 3 Jahre
lang berufsbegleitend machen oder
man steigt 1 Jahr aus und macht seine
Meisterausbildung.
discemus: Wieviele Auszubildende
haben Sie zur Zeit?
Frau Campinge: Normalerweise haben
wir 2 Auszubildende pro Lehrjahr. Da
aber die Auswahl der Auszubildenden
sehr schwer ist und die Auswahl nur
sehr dünn ist, haben wir diesmal nur 4
Auszubildende insgesamt, d.h. wir
haben einen im dritten, zwei im zweiten
und einen im ersten Lehrjahr und noch
keinen eingestellt für dieses Jahr.
discemus: Was empfehlen Sie jungen
Menschen die beispielsweise mit dem
Gedanken spielen eine Ausbildung zum
Schreiner zu absolvieren? Welche
fachlichen und persönlichen
Kompetenzen/Voraussetzungen sollten
diese mitbringen?
Frau Campinge: Also grundsätzlich
muß erstmal die Bewerbung anständig
sein. Nur weil ich Schreiner werden will,
muß ich nicht die Hälfte vergessen und
kann mir auch nicht erlauben, 10
Rechtschreibfehler in der Bewerbung zu
haben. Wichtig ist auch ein Foto, was
leider häufig nicht dabei ist. Und
natürlich sollten die Zeugnisse dabei
sein. Wichtig ist natürlich der Spaß am
Umgang mit Holz. Man muß zudem ein
gewisses handwerkliches Geschick
haben, wobei das natürlich im
Vorstellungsgespräch nicht direkt zu
testen ist. Wenn einer im Gespräch vor
mir sitzt, sollte er sich für das
Unternehmen interessieren.
Mathematisches Denken ist ebenfalls
wichtig. Ich muß mir ausrechnen
können, wie viel Material ich brauche
und ich muß die Größenproportionen
eines Raumes aufnehmen können.
Generell ist natürlich auch das Interesse
am Umgang mit Menschen auch
wichtig, weil ich als Schreiner beim
Kunden auch sehen muß, was der
Kunde eigentlich möchte. Körperliche
Belastbarkeit ist auch wichtig. Es
funktioniert natürlich auch, wenn man
kleiner und eher zierlich ist und natürlich
auch als Frau, aber man muß sich klar
machen, dass der Körper deutlich
belastet wird. Entscheiden ist nicht der
Schulabschluss und supertolle Noten.
Entscheidend ist, dass sich jemand
verkaufen kann und er muß sich dafür
interessieren, was er tun möchte und
wissen, was er will. Wenn die
Bewerbung stimmt und der erste
Eindruck, dann braucht der nicht
zwingend nur Einser im Zeugnis zu
haben. Gut ist immer auch, wenn die
Eltern sich für die Ausbildung und das
Unternehmen interessieren und den
Jugendlichen den Rücken stärken. Gut
finde ich, wenn die Eltern den
Jugendlichen zum
Vorstellungsgespräch hinbringen oder
auch abholen, was mir das Interesse
der Eltern zeigt. Wichtig ist der Draht zu
den Eltern, wenn es zum Beispiel
Probleme in der Ausbildung gibt
discemus: Nutzen Sie die Möglichkeit
des Praktikums im Vorfeld?
Frau Campinge: Es ist bei uns so: Die
Leute sollen sich schriftlich bei uns
bewerben. Hierdurch entsteht der erste
Eindruck. Dann laden wir zum
Bewerbungsgespräch. Je nachdem wie
das Gespräch läuft, kriegen die
Bewerber dann von mir einen Test, der
ungefähr 30-40 Minuten dauert. Hier
werden Mathematik abgefragt und
allgemeine Fragen zur Politik, Erdkunde
etc gestellt. Wir versuchen so einen
Gesamtüberblick über den Bewerber zu
bekommen. Auch werden Dinge, die
den Schreinerberuf angehen, abgefragt.
Danach entscheiden wir, wen wir noch
einmal sehen wollen. Der soll dann eine
Woche zum Praktikum kommen. Nach
Rücksprache mit der Werkstatt wird
dann entschieden, ob das überhaupt
jemand ist, der bei uns reinpasst, weil
es auch Bewerber gibt, die bei mir im
Gespräch einen guten Eindruck
hinterlassen, die aber überhaupt nicht
ins Team passen. Dann kriegt man
auch die 3 jährige Ausbildung nicht zu
Ende. Wir haben auch Lehrlinge, die
sich bewerben, die dann nach dem
Praktikum sagen, dass dies nicht so ihr
Fall ist bei uns im Unternehmen. Ich will
zwar Schreiner werden, aber nicht so
wie das hier funktioniert. Es ist immer
ein Miteinander, es muß passen
discemus: Wenn Sie Ihren eigenen
beruflichen Werdegang mal betrachten,
was würden Sie dann jungen Menschen
raten, die vor dem Einstieg ins
Berufsleben stehen?
Frau Campinge: Grundsätzlich viele
Praktika machen in verschiedenen
Berufen. Wenn man Schreiner werden
will, dann in verschiedenen
Schreinerbetrieben, in kleinen, in
größeren und in schreinernahen
Betrieben wie zum Beispiel in einer
Zimmerei. Sich weitgehend informieren
und fragen, fragen, fragen bei
Unternehmen wie discemus -also einer
Berufsberatung- aber auch im
Familienkreis mal umhören, was die
anderen und deren Eltern machen. Sich
also die Frage beantworten, wo will ich
denn eigentlich hin. Auch wenn z.B. das
Handwerk Schreiner nicht unbedingt
das richtige Handwerk für einen ist,
heißt das nicht, dass man handwerklich
nicht begabt ist, weil man kein
Schreiner wird. Es gibt viele andere
Handwerke.
discemus: Was meinen Sie, ist es
heute für junge Menschen schwieriger
oder einfacher sich beruflich zu
orientieren?
in der Beratung, dass da jemand ist, der
sagt, deine Stärken liegen dort und dort
und geh mal dahin und schau, ob das
das richtige für dich ist.
Frau Campinge: Schwierige Frage.
Heutzutage ist es auf der einen Seite
viel leichter, weil es eine große Auswahl
gibt. Aber die Auswahl ist so groß, so
dass man eigentlich gar nicht weiß, wo
man anfangen soll als junger Mensch.
Und wenn man 16 ist und eigentlich gar
nicht so recht weiß, soll ich Abitur
machen oder eine Ausbildung, glaube
ich, dass es sehr schwer ist, bei all den
Informationen eine Entscheidung zu
treffen. Hinzu kommt, dass heutzutage
viele Eltern arbeitslos sind, ihre Kinder
irgendwie laufen lassen und es für die
Kinder keine Perspektive gibt. Wo soll
ich denn als junger Mensch hin, wenn
ich das nicht vorgelebt bekomme?
Wenn mir nicht irgendeiner sagt, z.B.
der Beruf Bäcker ist toll oder der Friseur
oder der Handwerker generell ist toll
oder als Banker kommst du weiter. Und
wenn die Eltern das nicht vorleben oder
aktiv voranschieben, dann ist es, glaube
ich, schwieriger. Man braucht immer
eine Art Rückhalt. Jemand der sagt,
probier es doch mal oder wie bei Ihnen
Es gibt heutzutage viele Hilfen, aber ich
glaube es gibt auch viele Jugendliche,
die sich denken, ach das wird schon
werden und kümmern sich nicht. Ich
sehe das in den Auswahlgesprächen,
die wir hier im Unternehmen führen.
Dann sitzen die hier und ich denke, es
ist deine Ausbildung und nicht meine
Ausbildung. Mir ist es egal, was du
machst. Ich biete dir eine Chance und
du erkennst das nicht. Aber man kann
eigentlich nicht sagen, der arme Junge
erkennt das nicht, sondern er hat das
nie gelernt. Er hat im Gespräch nur eine
halbe Stunde, in der er sich mir
gegenüber verkaufen muß. Aber wenn
er das nie gelernt hat, wird das sehr
schwierig für ihn.
Es ist auch heutzutage schwieriger für
die Jugendlichen, weil die Berufe nicht
mehr so im Detail bekannt sind und
durch Schlagworte geprägt sind. Zum
Beispiel IT. Was ist eigentlich IT? Was
macht man da eigentlich? Mach ich
einen Kaufmann in dem Bereich oder
nur Programmierung? Es ist gar nicht
so einfach.
Aber, ob es früher leichter oder
schwerer war… es ist eigentlich immer
schwer, wenn man 16 ist und vor der
Entscheidung steht. Es gibt viele tolle
Ausbildungen. So gibt es z.B. auch die
dualen Studiengänge. Es gibt meiner
Meinung nach nichts Besseres als diese
dualen Studiengänge. Man lernt die
Praxis kennen und hat gleichzeitig die
Theorie dabei und das innerhalb
kürzester Zeit. Aber man muß sich
bewusst sein, dass dies großes
Engagement erfordert. Diese dualen
Studiengänge gibt es jetzt auch im
Handwerksbereich. Diese Ausbildung
ist sehr komprimiert insbesondere für
die Leute, die höher einsteigen wollen,
jedoch nicht für junge Menschen mit
Fachoberschulreife oder
Hauptschulabschluss. Dies ist eher was
für Leute, die Abitur haben und Studium
und Ausbildung kombinieren möchten.
discemus: „Jeder Mensch hat eine
Berufung“! Stimmen Sie dem zu?
Frau Campinge: Sicherlich hat jeder
Mensch eine Berufung, aber ob die
Berufung tatsächlich immer der Beruf
ist, weiß ich nicht. Es kann auch was
sein, was man in der Freizeit ausübt
oder im sozialen Bereich oder z.B. im
musikalischen Bereich. Ich glaube, die
wenigsten Leute können sagen, dass
ihr Beruf ihre Berufung ist. Aber der
Beruf muß Spaß machen, das ist
wichtig. Ich glaube viele Menschen die
sich selbstständig gemacht haben,
sehen dies als ihre Berufung an.
discemus: Was ist Ihr Tipp um
herauszufinden was die jeweilige
„Berufung“ ist?
Frau Campinge: Man muß in sich
hineinhören aber auch auf das hören,
was die anderen sagen und welches
Feedback sie einem geben und auch
auf das hören, wie sich das anfühlt.
Wichtig ist auch, überall hinzugucken,
nicht nur geradeaus, sondern auch
nach rechts und links. Man darf aber
auch nicht zuviel machen, denn die
Infos und das Gefühl müssen sich auch
setzen können.
discemus: Haben Sie Ihre Berufung
gefunden?
Frau Campinge: Kann ich heute nicht
so beantworten. Dafür ist meine
Tätigkeit auch einfach noch zu neu für
mich. Mir macht das, was ich mache
Spaß. Ich komme mit vielen Menschen
in Kontakt und lerne viele
Aufgabengebiete kennen. Ich bin seit 5
Jahren im Unternehmen und es kommt
immer wieder was dazu, wo ich erstmal
denke, wow oh Gott. Man muß es aber
dann einfach anpacken und angehen.
Solange ich morgens hierhin komme
und sage, ich hab Spaß daran und ich
möchte das tun, find ich das gut. Aber
ob es meine Berufung ist… ich habe
lange darüber nachgedacht, aber ich
weiß es nicht.
discemus: Frau Campinge wir danken
Ihnen für das Gespräch.
Weitere Informationen über das
Unternehmen Gebrüder Campinge
GmbH & Co finden Sie unter
www.campinge.de