Mini-/Mikro-KWK in städtischen Energiesystemen

LITRES DISCUSSION PAPER
LITRES Discussion Paper 2016-02
Mini-/Mikro-KWK in städtischen
Energiesystemen
Eine Analyse von Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Susanne Schubert (TU Darmstadt)
Marlies Härdtlein (IER, Universität Stuttgart)
Susanne Schubert, Marlies Härdtlein
Mini-/Mikro-KWK Projekte in städtischen Energiesystemen: Eine Analyse von Herausforderungen und
Erfolgsfaktoren
LITRES Discussion Paper 2016-02
Universität Stuttgart
Institut für Sozialwissenschaften
Abteilung für Organisations- und Innovationssoziologie (SOWI VI)
Dr. Gerhard Fuchs, Katrin Alle, M.A.
Seidenstr. 36
D-70174 Stuttgart
Tel.: 0711 / 685-81001
Fax: 0711 / 685-81006
http://www.uni-stuttgart.de/soz/oi/
LITRES Discussion Paper (LDP)
Discussion Paper 2016-02 (2/2016)
ISSN-Print 2199-1200
© 2016 by the author(s)
Dr.-Ing. Susanne Schubert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Raum- und
Infrastrukturplanung, Institut IWAR, TU Darmstadt. [email protected]
Dr. Marlies Härdtlein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle
Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart. [email protected]
An diesem Bericht mitgewirkt hat zudem Benjamin Kraff mitgewirkt und Sebastian Blum, der im
Rahmen seiner Masterarbeit einen Teil der empirischen Basis dieses Berichts erarbeitet hat.
Weitere Downloads der LITRES Discussion Paper Reihe finden sich unter: http://www.unistuttgart.de/litres/Publikationen/
Das Forschungsprojekt LITRES
Das Projekt LITRES – Lokale Innovationsimpulse zur Transformation des Energiesystems
wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmenprogramm der Forschung
für Nachhaltige Entwicklungen (FONA) im Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung
(SÖF) in der Förder-maßnahme Umwelt- und gesellschaftsverträgliche Transformation des
Energiesystems gefördert (FKZ 01UN1216). Informationen zur Fördermaßnahme finden sich
unter https:\\www.fona.de/de/15980
Im Zuge der starken Dezentralisierungsbewegungen spielen lokale Innovationsimpulse für den
Transformationsprozess des deutschen Energiesystems eine bedeutende Rolle. Im Projekt
LITRES wird ausgehend davon, dass sich in Auseinandersetzung mit den etablierten Strukturen
des Feldes „Energiesystem“ spezifische lokale Governance-Strukturen ausbilden, die
Entwicklung situativer Governance als Grundlage für Innovationsimpulse untersucht. Hierzu
werden 8 Fallstudien zu vier lokalen Innovationsimpulsen (Mini-/Mikro-KWK, Contracting;
Intelligente Infrastrukturen und Bürgerwindanlagen) durchgeführt. Das Projekt soll einen
Beitrag zu einem besseren Verständnis um die Diffusion von erfolgreichen, nachhaltigen und
gesellschaftsverträglichen Innovationen, ausgehend von lokalen Impulsen, leisten. Ein
besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage gelegt, inwieweit von lokalen Initiativen
Impulse für eine nachhaltige Änderung des Energiesystems insgesamt ausgehen können und
welche spezifischen Konfliktlinien mit der Entwicklung neuer Energie-Governance auf lokaler
Ebene verknüpft sind.
Das Projekt wird von einem wissenschaftlichen und transdisziplinär arbeitenden
Forschungsverbund in Kooperation mit Partnern aus der Praxis im Zeitraum April 2013 bis
Ende März 2016 bearbeitet.
-
-
Universität Stuttgart, Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung für Organisationsund Innovationssoziologie
Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung
Technische Universität Darmstadt, Fachgebiet Raum- und Infrastrukturplanung
Westfälische Wilhelms-Universität, Institut für Politikwissenschaft, Lehrstuhl für
Internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik
Becker Büttner Held Consulting AG
Weitere Informationen und Kontaktdaten finden sich auf der Projektwebsite
http:\\www.uni-stuttgart.de/litres
Abstract
Mini-/Mikro-KWK Anlagen sind durch ihren Beitrag zu Erhöhung der Energieeffizienz in der
Energieumwandlung und durch ihre Chancen zur stärkeren Flexibilisierung ein wichtiger
Innovationsimpuls im Zuge der Transformation des deutschen Energiesystems. Als
Schnittstellentechnologie zwischen den Energieinfrastrukturen (Strom, Gas und Wärme) sehen
sie sich aber sowohl einer hohen technischen und rechtlichen Komplexität sowie hohen
bürokratischen Hürden im Zuge ihrer Installation gegenübergestellt.
Dennoch entstehen in einigen städtischen und stadtregionalen Energiesystemen konkrete
Projekte mit Mini-/Mikro-KWK Anlagen, die trotz der eher hemmenden Rahmenbedingungen
und der schwierigen Wirtschaftlichkeit Geschäftsmodelle entwickeln und Anlagen
unterschiedlicher Größenklassen in die Umsetzung bringen. In diesem Bericht werden vier
Projekte näher beleuchtet und ihre Einbettung in das städtische und stadtregionale
Energiesystem (in diesen Fällen Berlin und Ruhrgebiet) betrachtet. Dabei ist sowohl ihre
Entstehung und Entwicklung interessant, als auch mögliche Konflikte mit bestehenden
Strukturen und ihre Strategien, die mit diesen umzugehen. In den Projekten wirken dabei sehr
viele unterschiedliche Akteure der städtischen/stadtregionalen Energiesysteme mit und auch
ihre unterschiedliche Motivation für ihr Engagement zeigt die komplexe Schnittstellensituation
der Mini-/Mikro-KWK im Energiesystem, mit teilweise konkurrierenden Zielsetzungen und
Maßnahmen.
Die Entwicklungschancen der einzelnen Projekte sind daher sehr heterogen und nicht alle
Projekte verzeichnen große Erfolge. Dort, wo erste Maßnahmen und Umsetzungen erfolgreich
sind, spielen die spezifischen städtische und stadthistorische Randbedingungen, das
Engagement und die Vernetzung der Beteiligten vor Ort, aber auch die konkreten Quartiersund Gebäudestrukturen für die Erfolgschancen der Projekte eine entscheidende Rolle. Die
schwierigen, überlokalen Rahmenbedingungen können aber auch im Rahmen dieser Projekte
nicht ausgeblendet werden und so sind die Zukunftsaussichten für Mini-/Mikro KWK als
Innovationsimpuls und ihre Bedeutung für die Transformation des deutschen Energiesystems
gespalten. Während für die größeren Leistungsklassen (≥ 5kWel) gute Einsatzmöglichkeiten
bestehen, insbesondere wenn eine zunehmende Vernetzung der Energiesysteme (bspw. im
Zuge von virtuellen Kraftwerken) angestrebt wird, erfordern die kleinsten Leistungsklassen
noch weitere Maßnahmen, die insbesondere die Wirtschaftlichkeitsprobleme abschwächen
können.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
4
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
6
1. Einleitung
7
2. Die Untersuchungsräume: städtische und stadtregionale Energiesysteme und ihre
Governance
10
2.1. Berlin
10
2.2. Ruhrgebiet
14
3. Entwicklungsbedingungen des Innovationsimpulses
3.1. Stand der Technik und Wirtschaftlichkeit
16
17
3.1.1 Stand der Technik
17
3.1.2 Wirtschaftlichkeit
18
3.2. Projekt: Mini-KWK (20 bis 50 kWel) im virtuellen Kraftwerk (Berlin)
23
3.3. Projekt: Feldtests Mikro-KWK (1-5 kWel) für Wohngebäude (Berlin, GASAG)
25
3.4. Projekt: Installation und wissenschaftliche Begleitung von 100 Mikro-KWK (1-5 kWel)
Anlagen (Innovation City Bottrop, Ruhrgebiet)
26
3.5. Projekt: Geschäftsmodelle für Mikro-KWK (1-10 kWel) (EnergieBlock Trianel,
Ruhrgebiet)
28
4. Funktionsweise des Impulses
34
4.1. Anreize und Motivation
34
4.2. Konflikte und Schwierigkeiten
35
4.3. Erfolgsfaktoren und Umsetzung
39
5. Zusammenfassung und Einbettung des Impulses: Beziehungen zu anderen Impulsen,
Abhängigkeiten von anderen Feldern
43
6. Ausblick auf Entwicklungsperspektiven und Handlungsempfehlungen
46
7. Anhang: Methodik und Eingangsparameter für Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
49
Quellen
56
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:Entwicklung BHKW in Berlin (eigene Darstellung in Anlehnung an: Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und Umwelt Berlin 2015c)
13
Abbildung 2:
Einfamilienhaus (sanierter Altbau, siehe Tabelle 4): Wärmegestehungskosten (inkl.
Stromgutschrift bei BHKW)
19
Abbildung 3:
Parametervariationen für Otto-Erdgas-BHWK im Einfamilienhaus
19
Abbildung 4:
Kleines Mehrfamilienhaus (sanierter Altbau, siehe Tabelle 4):
Wärmegestehungskosten (inkl. Stromgutschrift bei BHKW) für das betrachtete
20
Abbildung 5:
Großes Mehrfamilienhaus (sanierter Altbau): Wärmegestehungskosten (inkl.
Stromgutschrift bei BHKW)
21
Abbildung 6:
Parametervariationen für Otto-Erdgas-BHWK im großen Mehrfamilienhaus
22
Abbildung 7: Funktionsweise virtuelles Kraftwerk (eigene Darstellung)
Fehler! Textmarke nicht
definiert.
Abbildung 8: Varianten des EnergieBlock (eigene Darstellung in Anlehnung an: Nicolai 2014:5)
30
Abbildung 9: zusammenfassende Darstellung zur Funktionsweise des Innovationsimpulses (eigene
Darstellung)
42
Tabelle 1: Zusammenfassende Darstellung der Innovationsimpulse (eigene Darstellung)
32
Tabelle 2: Einflussfaktoren und ihre Wirkung auf den Innovationsimpuls Mini-/Mikro KWK
45
Tabelle 3: Einnahmen, Einsparungen bzw. Erstattungen beim Einsatz einer Mini-/Mikro-KWKAnlage im Vergleich zu einer Wärmeerzeugung mit Heizkesseln (vgl. BHKW-Infothek 2016b;
Oschatz 2013; BAFA 2015)
49
Tabelle 4: Beschreibung der drei Gebäudetypen/Versorgungsaufgaben
50
Tabelle 5: Überblick über die exemplarisch betrachteten Wärmeversorgungstechnologien für die drei
Gebäudetypen (mit “x“ markiert)
50
Tabelle 6: Technische Eingangsdaten und Annahmen für die untersuchten BHKW in den drei
Gebäudetypen
51
Tabelle 7: Kostendaten für die untersuchten BHKW in den drei Gebäudetypen (inkl. Mwst.)
51
Tabelle 8: Überblick über die Summe der Investitionskosten sowie etwaiger Förderungen für die drei
Gebäudetypen und die untersuchten Wärmeversorgungstechnologien
53
Tabelle 9: Überblick über die Summe der betriebsgebundenen Kosten für die drei Gebäudetypen
und die exemplarischen Wärmeversorgungstechnologien (inkl. MWst.)
54
Tabelle 10:
Überblick über die Summe der verbrauchsgebundenen Kosten für die drei
Gebäudetypen und die exemplarischen Wärmeversorgungstechnologien
55
7
LITRES Discussion Paper 2016-02
1. Einleitung
Im Zuge der Erreichung der Energiewendeziele der deutschen Bundesregierung kommt neben
der Reduktion der Energienachfrage und der Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien,
auch der Verbesserung der Energieeffizienz in der Energieumwandlung eine bedeutende Rolle
zu. In diesem Zusammenhang wird ‚hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)‘ 1 als ein
wichtiger Baustein genannt (vgl. BMWI 2010: 19).
Neben der Steigerung der Energieeffizienz wird der KWK im Zuge der Energiewende aber
auch Bedeutung für die Bereitstellung von Erzeugungskapazitäten und damit dem Ausgleich
von fluktuierender Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien wie Wind und PV zugemessen
(ebd.). Zudem bilden KWK Anlagen eine wichtige Schnittstelle im Energiesystem zwischen
Strom, Wärme und Erdgas und können auch hier eine bedeutende Rolle für die Flexibilisierung
des Energieversorgungssystems als Ganzes einnehmen (vgl. Voß/Bauknecht/Konrad 2006:
22ff.; Gores/Jörß/Harthan 2014: 114). Gerade in diesem Kontext sind dezentrale KWK Anlagen
von großer Relevanz, weil sie i.d.R. dort stehen, wo die Wärme gebraucht wird (das heißt z. B.
siedlungsnah). Zugleich erzeugen sie auch Strom und können je nach Auslegung ggf. mit einem
Wärmespeicher ausgestattet sein. Damit sind sie im urbanen Raum, in dem viele
unterschiedliche Nutzer mit verschiedenen Energienachfrageprofilen auf engem Raum
zusammenkommen, eine wichtige Schnittstellentechnologie, auch im Hinblick auf die
Anpassung von Energienachfrage und -angebot, die Koordination mit unterschiedlichen
Energieträgern und die Zusammenschaltung in virtuellen Kraftwerken.
Unter den dezentralen KWK Anlagen zählen Mini- und Mikro-KWK zu der Gruppe der kleinen
und kleinsten Anlagen. Im Rahmen dieses Projekts wird, gestützt auf Literatur und
Expertenaussagen im Rahmen eines Praxisworkshops, eine Abgrenzung von Mini-/MikroKWK über die Anlagengröße von 1-50 kWel vorgenommen (vgl. auch Stahl 2014;
Arnold/Sonnenberger/Schäffler 2014; Schubert/Härdtlein/Graf 2014). Dabei sind Mikro-KWK
Anlagen sowohl in der Größe 1-2,5kWel für den Einsatz in Ein- und Zweifamilienhäusern (in
dieser kleinsten Größenklasse auch Nano-KWK genannt), oder bis maximal 20kWel für
Mehrfamilienhäuser und kleine Gewerbebetriebe denkbar, während Mini-KWK in der Größe
von 20 bis max. 50kWel eher in größeren Immobilien oder mit kleinem Nahwärmenetzen zum
Einsatz kommen.
Dieser Bericht baut auf einer vorangegangenen Analyse von Mini-/Mikro-KWK als
Innovationsfeld im bestehenden Energiesystem und ihrer Rolle im Zuge der Transformation
des Energiesystems durch die Energiewende auf (vgl. auch Schubert/Härdtlein/Graf 2014).
Hier soll daran anknüpfend untersucht werden, wie konkrete Projekte der Mini-/Mikro-KWK
im stadt(regionalen) Kontext geplant und umgesetzt wurden. Es lässt sich beobachten, dass
gerade in städtische und stadtregionalen Räumen gute Rahmenbedingungen für die Entstehung
und Entwicklung von Innovationen bestehen und die städtischen oder regionsspezifischen
Eigenschaften auch den Charakter von Innovationsprozessen beeinflussen (vgl. u. a.
Fritsch/Koschatzky/Schätzl et al. 2009: 15; Hommels 2005). Dies gilt gerade auch für die
1
Hocheffiziente KWK sind Anlagen, die verglichen mit der getrennten Produktion von Wärme und Strom
Energieeinsparungen von mehr als 10 % erreichen (EU-Richtlinie 2004/8/EG)
8
LITRES Discussion Paper 2016-02
Transformation des Energiesystems, das im städtischen Raum vor besonderen Herausforderungen aber auch Chancen angesichts des begrenzten Potenzials zur Integration erneuerbarer
Energien und der gleichzeitig hohen Dichte und individuell unterschiedlich ausgestalteten
Nachfragemuster steht. Für die Untersuchung von Mini-/Mikro-WK als Innovationsimpuls im
bestehenden Energiesystem eignet sich die städtische und stadtregionale Ebene, da M-KWK
für ihre Realisierung oftmals auf räumliche Rahmenbedingungen angewiesen sind, die sich eher
im urbanen Raum finden (bspw. vorhandene Gasnetze, unterschiedliche Nutzergruppen, je nach
Anlagentyp hohe Dichten bzw. Mehrfamilienhäuser u.s.w.) (vgl. Schubert/Härdtlein/Graf
2014: 25).
Allerdings entstehen Innovationen im Energiesystem nicht in allen städtischen oder
stadtregionalen Räumen in gleichem Maße, weil die Unterschiede in der Governance
städtischer Infrastruktursystem Folgen für ihre stadtspezifische Ausgestaltung hat (vgl.
Monstadt 2009: 1932ff.). So ergeben sich einerseits Räume, die sich mit ihrer Innovationstätigkeit in einem Themenfeld besonders hervorheben, während andere Städte oder Stadtregionen
andere Schwerpunkte für die Transformation ihrer Energiesysteme setzen oder weniger
innovativ vorgehen (vgl. Raven 2015). Auch für Mini-/Mikro-KWK lässt sich beobachten, dass
es in manchen Räumen eine besondere Häufung von Projekten gibt. Das kann unterschiedliche
geografische, stadthistorische, stadtpolitische oder stadtkulturelle Gründe haben, die hier
ebenfalls mitbetrachtet werden sollen.
Als zwei stadt(regionale) Räume mit einer besonderen Häufung der Mini-/Mikro-KWK stehen
hier Berlin und das Ruhrgebiet im Fokus, die zugleich beide große Ballungsräume mit einer
sehr spezifischen Entwicklung als Energiestandorte sind (vgl. Viétor 2013; Monstadt 2004).
Die funktionalen Raumbeziehungen der betrachteten Projekte sind im Einzelfall deutlich
konkreter zugeschnitten und i.d.R. viel kleiner als der gesamte städtische oder stadtregionale
Raum, aber verfügen gleichzeitig über räumliche Beziehungen auch jenseits der beiden
städtischen/stadtregionalen Räume. Auch diesen funktionalen Raumbeziehungen wird in der
Analyse Rechnung getragen, dennoch ist als Hintergrund zunächst das gesamte städtische bzw.
stadtregionale Energiesystem im Blick. Ausgehend von einer Desktopanalyse und der
Bewertung durch interviewte Experten werden jeweils zwei Projekte in beiden Räumen genauer
analysiert wird. Die beteiligten Akteure in den Projekten sind aber oftmals auch darüber hinaus
im Themenfeld der Mini-/Mikro-KWK im jeweiligen Untersuchungsraum aktiv.
Zentral für die Analyse sind dabei die Fragen, wie die Innovationsimpulse im städtischen/
stadtregionalen Energiesystem entstehen und sich entwickeln konnten sowie auf welche
Schwierigkeiten und Konfliktlinien mit den bestehenden Strukturen sie gestoßen sind. Zudem
wird untersucht, welche Strategien sie gefunden haben, um Erfolge zu verzeichnen, und welche
Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen auf übergreifender und städtischer/ stadtregionaler
Ebene ihre Entwicklung bremsen und befördern konnten. Das Ziel ist zu erklären, warum und
wie die Innovationsimpulse entstehen konnten, welche Akteure des städtischen/stadtregionalen
Energiesystems aus welcher Motivation mitwirken und wie die Entwicklungschancen der
konkreten Projekte im Rahmen der Transformation des Energiesystems insgesamt eingeschätzt
werden.
9
LITRES Discussion Paper 2016-02
Der Bericht ist dabei folgendermaßen aufgebaut: Zunächst werden in Kapitel 2 die beiden
Fallräume Berlin und Ruhrgebiet kurz vorgestellt, mit besonderem Fokus auf die spezifischen
Eigenschaften ihres städtischen/stadtregionalen Energiesystems. Anschließend werden in
Kapitel 3 die Innovationsimpulse beschrieben, wobei zunächst allgemeine technische und
wirtschaftliche Rahmenbedingungen der Mini-/Mikro-KWK in beiden Größenklassen skizziert
und nachfolgend die vier konkreten Projekte in ihrer Entstehung und Entwicklung dargestellt
werden. Anschließend wird in Kapitel 4 übergreifend zu allen vier Projekten diskutiert, welche
Handlungsmotivationen, Schwierigkeiten und Erfolgsfaktoren für die Initiierung und den
Entwicklungsprozess der Innovationsimpulse aber auch seiner Blockaden entscheidend waren.
Dabei steht sowohl die Einbettung der Innovationsimpulse in den städtischen/stadtregionalen
Kontext, als auch in das Energiesystem insgesamt und seine Organisation und Regulierung im
Blick. Schließlich fasst Kapitel 5 die wesentlichen Ergebnisse der Analyse zusammen, stellt
darauf aufbauend die Beziehungen des betrachteten Innovationsimpulses zu anderen
Handlungs- und Innovationsfeldern dar und bewertet deren Einfluss auf Mini-/Mikro-KWK.
Kapitel 6 fasst die unterschiedlichen Einschätzungen zu den Entwicklungschancen von Mini/Mikro-KWK zusammen und gibt einen Ausblick auf Handlungsansätze, um die
Entwicklungschancen zu verbessern.
Methodisch basiert dieser Bericht auf Literatur-, Dokumenten-, Internetrecherche sowie zehn
Interviews, davon acht persönliche Interviews, ein Telefoninterview und ein schriftliches
Interview, ergänzt um telefonische Nachfragen.
10
LITRES Discussion Paper 2016-02
2. Die Untersuchungsräume: städtische und stadtregionale
Energiesysteme und ihre Governance
Die Eigenschaften des städtischen oder stadtregionalen Energiesystems sind wichtige
Rahmenbedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Innovationsimpulsen. Ihre
eigene historische Entwicklung, die vor Ort aktiven Akteure, geografische Besonderheiten und
die spezifische Governance der städtischen Infrastruktur prägen die Möglichkeiten für die
Entstehung von Innovationsimpulsen innerhalb des lokalen Energiesystems und beeinflussen
ihre Entwicklungschancen, ihre genaue Ausgestaltung und Interaktion mit dem bestehenden
System. So gelten Städte einerseits als dynamisch und flexibel, gleichzeitig ist ihre spezifische
gebaute und soziale Struktur, die auch durch die technische Infrastruktur geprägt wird, sehr
stabil und nicht leicht zu verändern (vgl. Hommels 2005: 323f.). Innovationen in den
vorherrschenden städtischen Infrastruktursystemen sind daher mit den stadtspezifischen,
fördernden, aber auch stabilen und damit hemmenden Charakteristika der bestehenden
städtischen Strukturen und ihrer Akteure konfrontiert. Unter Bezug auf Studien von Rosen
(1986), Hughes (1988) und McShane (1994), beschreibt Hommels, dass Städte nicht nur
Einfluss auf die Ausgestaltung und ggf. Transformation ihrer soziotechnischen
Infrastruktursysteme haben, sondern in einer komplexen Interaktion mit diesen stehen, die sich
in vielfältigen sozialen, technischen, kulturellen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren
ausdrückt. Zudem ist ihr Erfolg keineswegs sicher, ihre Durchsetzung benötigt Zeit und kann
auch scheitern: „Urban innovation, conceived as a mode of sociotechnical change, involves a
laborious, time-consuming, and precarious process marked by the delicate interplay of a
variety of social, technical, cultural, and economic factors (Hommels 2005: 328f).“
Ausgehend von diesem Verständnis wird im Folgenden der räumliche Kontext der
Stadt(region) und das jeweilige städtische/stadtregionale Energiesystem skizziert, in den die
nachfolgend beschriebenen Innovationsimpulse eingebettet sind. Für die Analyse der
Funktionsweise der Innovationsimpulse spielen die städtischen und stadtregionalen
Besonderheiten der Energiesysteme eine wichtige Rolle. Ausgehend vom Innovationsimpuls
wird untersucht, welche treibenden und hemmenden Faktoren innerhalb und außerhalb der
städtischen und stadtregionalen Energiesysteme zu dessen Entstehung und Entwicklung, Erfolg
und ggf. auch Scheitern beigetragen haben.
2.1. Berlin
Als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und aufgrund seiner besonderen, durch die
Teilung geprägte Geschichte, nimmt Berlin (mit 3,4 Millionen Einwohnern die mit Abstand
größte Stadt Deutschlands (vgl. Statistisches Bundesamt 2015)) in vielerlei Hinsicht eine
Sonderrolle ein. Die Energieversorgung der Stadt hat eine lange Tradition und Berlin galt als
Vorreiter, sowohl in der Elektrifizierung, als auch in der städtischen Gasversorgung. Der 1879
gegründete „Elektrotechnische Verein Berlins“ machte die Stadt zu einem wichtigen Zentrum
der elektrotechnischen Industrie und Forschung und 1884 wurden hier die ersten städtischen
Elektrizitätswerke gegründet. Die wachsende Nachfrage nach Gas führte 40 Jahre später zur
11
LITRES Discussion Paper 2016-02
Gründung der städtischen Gaswerke, die nach wie vor als GASAG (aber inzwischen
privatisiert) in der Berliner Gasversorgung aktiv sind (vgl. Berlinenergie 2015).
Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs und der Teilung Berlins änderten sich die Rahmenbedingungen für die Berliner Energiewirtschaft grundlegend. Verstaatlichungen in Ost-Berlin
und Abwanderung vieler Betriebe aus West-Berlin hatten Folgen für die Industriestruktur und
Westberlin wurde sowohl hinsichtlich der Strom- als auch der Gasversorgung eine „Insel“ (vgl.
Energie-Museum Berlin 2010a). Das Stadtgas in Berlin war in dieser Zeit ein knappes und
teures, aber sehr begehrtes Produkt, da Kohleöfen vielerorts die einzige Alternative darstellten
(vgl. Interview 1). Die Insellage hatte aber auch Auswirkungen auf die technische Struktur der
Stromerzeugung. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und genug Reserveleistung
zur Verfügung zu stellen, wurden in Berlin, anders als anderen europäischen Großstädten zu
dieser Zeit üblich, viele kleinere statt weniger große Erzeugungseinheiten realisiert. Diese
wurden überwiegend in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben, um innerhalb des Inselnetzes bei
Kraftwerksausfällen die notwendige Flexibilität zu erhalten (vgl. Energie-Museum Berlin
2010b). Die damit einhergehende Erprobung und Erforschung der KWK-Technologie in Berlin
ist eine wichtige Grundlage für die heutigen Initiativen im Themenfeld der KWK und das
Know-how und Engagement der lokalen Akteure vor Ort.
Fünf Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung wurden auch die west- und ostberliner
Stromnetze wieder verbunden, Die Gaswirtschaft, angetrieben durch Förderungen für die
Umstellung von Kohle auf Gas, breitete sich in diesen Jahren ebenfalls sehr schnell in der
Gesamtstadt aus. Eine positive Folge dieser Entwicklung war die Aufhebung der Wintersmogverordnung Mitte der 1990er Jahre (vgl. Interview 1). Neben dem stadtweiten Gasnetz verfügt
Berlin auch über ein sehr großes, zentrales Fernwärmenetz. Nach ersten Anfängen in den
1920er Jahren geschah ein umfangreicher Ausbau erst ab den 1950er Jahren und war zunächst
auf Ostberlin beschränkt, breitete sich im Zuge des Neubaus von Großwohnsiedlungen ab den
1960er Jahren auch in Westberlin aus (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Berlin 1999). Nachdem das Berliner Fernwärmenetz, das eines der größten in Europa ist, lange
Zeit sehr profitabel war (vgl. Der Tagesspiegel 2013), ist die Rentabilität durch die aktuell
niedrigen Strompreise und damit verbunden einer schlechten Wirtschaftlichkeit der KWKAnlagen kaum noch gegeben, sodass es nicht intensiv weiter ausgebaut wird (vgl. Interview 2;
3). Zwar stellt es auch in seinen bestehenden Ausmaßen grundsätzlich eine Konkurrenz zu den
Einsatzmöglichkeiten von Mini-/Mikro-KWK dar, dennoch bleiben große Bereiche der Stadt
ohne Fernwärmenetz mit Einsatzmöglichkeiten für dezentrale KWK bestehen. Als
Millionenmetropole, mit teilweise sehr dichter Bebauung und nach wie vor vielen energetisch
unsanierten oder nur teilweise sanierten Bestandsgebäuden mit vergleichsweise hoher
Wärmenachfrage (auch größere und ältere Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Stadtvillen),
besteht in vielen Quartieren Berlins daher grundsätzlich ein großes Einsatzpotenzial für Mini/Mikro-KWK Anlagen (vgl. Interview 1; 3).
Zudem bestehen aufgrund der vielfach dichten innerstädtischen Bebauung nur sehr begrenzt
Möglichkeiten der erneuerbaren Energiegewinnung innerhalb der Stadtgrenzen. Ausgehend
von der Annahme, dass alle Ein- und Zweifamilienhäuser außerhalb des Fernwärmenetzes
grundsätzlich für den Einsatz von Mikro-KWK geeignet sind, ergab eine Schätzung ein
12
LITRES Discussion Paper 2016-02
theoretisches Potenzial von 160.000 Gebäuden für den Einsatz von Mikro-KWK im
Wohnsegment. Unter Einbezug von Mini-KWK, die auch in Mehrfamilienhäusern oder im
Gewerbe zum Einsatz kommen können, wäre das theoretische Einsatzpotenzial noch größer.
Dennoch sind die tatsächlich realisierten Anzahlen eher gering. Als Marktführer installiert
bspw. Senertec in Berlin im Jahr etwa 50 Mini-/Mikro-KWK Anlagen (vgl. Interview 3).
Die zentralen Akteure der Berliner Energieversorgung sind damit Vattenfall, der örtliche
Stromnetzbetreiber und Fernwärmeversorger, sowie traditionell die ehemals städtische und
später privatisierte GASAG als Gasnetzbetreiber. Allerdings gab es in Berlin in den
vergangenen Jahren intensiv geführte Debatten um eine „Rekommunalisierung“ der
Energienetze (inklusive eines gescheiterten Volksentscheids) und in diesem Zuge wurde
„Berlin Energie“ als neues Stadtwerk gegründet, das sich in den aktuell anstehenden
Konzessionsvergabeverfahren um den Betrieb der Berliner Energienetze bewirbt (vgl. Berliner
Zeitung 2015). Während bereits 2014 die Konzession für das Gasnetz auslief und an „Berlin
Energie“ neu vergeben wurde, woraufhin sich ein andauernder Rechtsstreit zwischen der Stadt
Berlin und der GASAG anschloss (vgl. Berliner Zeitung 2015; Der Tagesspiegel 2015), läuft
das Konzessionsverfahren für die Vergabe der Stromnetze noch und auch hier bietet „Berlin
Energie“ als neuer Akteur gegen den aktuellen Betreiber Vattenfall mit (vgl. Senatsverwaltung
für Finanzen Berlin 2015).
Berlin ist zudem geprägt durch zahlreiche Universitäten und Forschungseinrichtungen mit einer
langen Tradition in der Energieforschung. Durch seine Rolle als Hauptstadt sind zudem viele
Interessensvertretungen verschiedener Gruppen der Energieversorgung aber auch des
Handwerks und der Gebäudewirtschaft ansässig, die Lobby- und Netzwerkarbeit betreiben (vgl.
Interview 2).
Die Berliner Energiepolitik verfolgt das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990
um 40% zu senken. Berlin ist Mitglied im Klimabündnis der Städte und hat sich vor diesem
Hintergrund zusätzlich verpflichtet, die Pro-Kopf-Emissionen bis 2030 um 50% zu senken.
Dazu soll die Erhöhung der Energieeffizienz, die Nutzung erneuerbarer Energien und
Energieeinsparung beitragen (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin
2015a). Im Hinblick auf die Steigerung der Energieeffizienz spielt KWK in der Berliner
Energiepolitik eine Schlüsselrolle und war ein Förderschwerpunkt des Ende 2015 auslaufenden
Umweltentlastungsprogramm II (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Berlin 2015b). Im neuen Energiewendegesetz Berlins ist die Förderung hocheffizienter KWK
ein wichtiges Element und steht im Zusammenhang mit der Flexibilisierung der
Energieversorgungssysteme, der Energiespeicherung und intelligenter Stromnetze (§15(1)
Berliner Energiewendegesetz).
Langfristig möchte Berlin „klimaneutral“ werden. Als Grundlage für die hierfür notwendigen
Maßnahmen wurde zunächst eine Machbarkeitsstudie erstellt, die verschiedene Szenarien
aufzeigt. Sie soll die Grundlage für ein neues Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm
(BEK) bilden (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin 2014). In dieser
Studie wird der KWK eine wachsende Bedeutung zugeschrieben, wobei sowohl eine verstärkte
dezentrale als auch zentrale KWK-Strategie in den Szenarien abgebildet wird
13
LITRES Discussion Paper 2016-02
(Reusswig/Hirschl/Lass 2014: 32,69). Dabei soll die KWK zukünftig vermehrt „intelligent“
genutzt und mit Wärmespeichern kombiniert werden, denn gerade im Stadtgebiet mit hoher
städtebaulicher Dichte wird ein Potenzial für die flexible Ergänzung der fluktuierenden
erneuerbaren Energien aus dem Stadtumland gesehen (ebenda: 78). Auch Mini-KWK soll dabei
im Rahmen von Leuchtturmprojekten eine Rolle spielen und im Rahmen der „Initiative KWK
Modellstadt Berlin“ vorangebracht werden (ebenda: 130). Die „KWK Modellstadt Berlin“ ist
eine gemeinsame Initiative der Berliner Energieagentur, der GASAG, Vattenfall und der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, KWK als
Schlüsseltechnologie im Rahmen der Energiewende und für eine klimafreundliche
Energieversorgung zu befördern und betreibt Öffentlichkeitsarbeit für das Thema KWK in
Berlin (vgl. Berliner Energie Agentur 2015).
Die hohe Bedeutung der KWK in Berlin wird auch an konkreten Zahlen sichtbar. So ist Berlin
Spitzenreiter in Deutschland in der Anwendung von KWK und gerade bei den BHKW Anlagen
(kleiner als 2000kWel) zeigt sich eine rasante Entwicklung in den vergangenen Jahren. So hat
deren Anzahl in Berlin von 42 im Jahr 2000 auf über 700 in 2012 zugelegt und insbesondere
bei den Mini-/Mikro-KWK Anlagen (unter 50kWel) lässt sich eine deutliche Zunahme
verzeichnen (vgl. Abb. 1). Auf die Leistungsklasse der Anlagen kleiner 10kWel entfielen dabei
insgesamt die meisten Anlagen (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Berlin 2015c).
Abbildung 1:Entwicklung BHKW in Berlin (eigene Darstellung in Anlehnung an: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
und Umwelt Berlin 2015c)
14
LITRES Discussion Paper 2016-02
2.2. Ruhrgebiet
Das „Ruhrgebiet“ hat in den vergangenen Jahren unterschiedliche räumliche und auch
raumplanerisch gefasste und diskutierte Abgrenzungen erfahren. Für die Analyse von
Innovationsimpulsen innerhalb eines stadtregionalen Energiesystems eignet sich hier die
‚Metropole Ruhr‘, die auch institutionell durch den Regionalverband Ruhr gefasst ist, da ihre
elf Städte und vier Landkreise, mit insgesamt 5,1 Millionen Einwohnern (vgl. Regionalverband
Ruhr 2015a) historisch und auch aktuell über ähnliche Charakteristika in der Energieversorgung
und -nutzung verfügen.
Durch den traditionellen Standort für Kohlebergbau und damit einer Konzentration von
Kohlekraftwerken zur Stromerzeugung bestehen Pfadabhängigkeiten, die das heutige
Energiesystem prägen (vgl. Interview 4). So ist auf die Entwicklung zu einem zentralen, auf
fossilen Energien basierenden, Energieerzeugungsstandort auch die Ansiedelung
energieintensiver Industrie zurückzuführen – insbesondere Stahl- und Chemieindustrien – die
für einen erheblichen Anteil am Energieverbrauch und an den Treibhausgasemissionen
verantwortlich sind (vgl. Viétor 2013: 74.; vgl. Interview 4). Etwa 200 im Ruhrgebiet
angesiedelte Unternehmen der Energiewirtschaft mit einem gesamten Jahresumsatz von 42
Milliarden Euro beschäftigen rund 80.000 Personen in den Bereichen Energieumwandlung,
Energieversorgung und Energietechnik (vgl. Ruhrenergy 2015a; Regionalverband Ruhr
2015b). Die hohe Anzahl und große Dichte eröffnet Agglomerationsvorteile und macht die
Metropole Ruhr zu einem der wichtigsten Energiestandorte in Deutschland und Europa (vgl.
Ruhrenergy 2015b). Darüber hinaus bildet ein Zusammenschluss von 67 führenden
Wirtschaftsunternehmen den Initiativkreis Ruhr, der sich mit zukunftsfähigen Ideen und
praxisnahen Konzepten in vier Handlungsfeldern beschäftigt, darunter Energie. Neben der
Erarbeitung energiepolitischer Positionspapiere begleitet der Initiativkreis Ruhr das Projekt
„InnovationCity Bottrop“ (s. u.) (vgl. Innovation City Management GmbH 2015a). Zwischen
den Energieversorgungsunternehmen in der Region bestehen enge Verbindungen, sowohl in
gegenseitigen Unternehmensbeteiligungen, als auch bei städteübergreifender, betrieblicher
Infrastrukturplanung in der Strom- und Wärmeversorgung (vgl. Interview 5).
Das im Ruhrgebiet konzentrierte energietechnisches Know-how und die polyzentrale Struktur,
mit relativ hoher Dichte in den Städten und vielen, eher kleinräumigen Freiflächenanteilen, mit
nur begrenztem Potenzial für die Integration erneuerbarer Energien (vgl. Interview 4),
versprechen ein hohes Potenzial für die Implementierung von Mini-/Mikro-KWK im
stadtregionalen Energiesystem. Die Kraftwerkstechnologiekompetenzen liegen in der
Produktion, dem Anlagenbau und der Systemintegration und werden von privaten Betrieben,
Instituten und Universitäten getragen und fortwährend ausgebaut (vgl. Ruhrenergy 2015c). Die
gut ausgebauten zentralen Wärmenetze hingegen sind traditionell mit zentraler KWK
verbunden und stehen den Einsatzmöglichkeiten von Mini-/Mikro-KWK auch entgegen. Durch
die Konzentration energieintensiver Industrie sind Ziele wie 100% erneuerbar für die meisten
Kommunen im Ruhrgebiet sehr unrealistisch (vgl. Interview 4). Daher besteht die
Notwendigkeit, auch an der Weiterentwicklung und Effizienzsteigerung der fossilen
Energieversorgung im Ruhrgebiet zu forschen und zu arbeiten.
15
LITRES Discussion Paper 2016-02
Die Städte im Ruhrgebiet haben trotz der gemeinsamen regionalen Raum- und Energiepolitik
unterschiedliche Schwerpunkte im Energiebereich. Mit der „E-world energy & water“ ist die
wichtigste europäische Energiemesse seit 2001 in Essen beheimatet (vgl. Regionalverband
Ruhr 2015b). Gelsenkirchen hat sich als „Solarstadt“ einen Namen gemacht (vgl. ebd.), in
Bochum wird ein Schwerpunkt auf oberflächennahe und tiefe Geothermie gesetzt, die –
basierend auf Know-how aus der Bergbau- und Grubentechnologie – in Forschungs- und
Anwendungsprojekten getestet wird (vgl. Regionalverband Ruhr 2015c) und in Herne wurde
mit dem Energiepark „Mont-Cenis“ die Umnutzung einer ehemaligen Kohlegrube zu einem
Fortbildungszentrum mit Gebäudestruktur und innovativer, teilweise erneuerbarer
Energieversorgung realisiert (vgl. Akademie Mont Cenis 2015).
Eine Sonderrolle spielt Bottrop, das als Modellstadt im Rahmen der „Innovation City Ruhr“
ausgewählt wurde und damit Vorreiter und Beispiel für die Vision eines klimagerechten
Stadtumbaus sein soll. Innovation City Bottrop ist ein Leitprojekt, unter dessen Dach im
Rahmen eines Masterplanprozesses zahlreiche Projekte umgesetzt werden. Die Zielsetzung des
Gesamtprojekts ist die Einsparung von 50% CO2 bis 2050 ausgehend von 2010 und zugleich
die Erhöhung der Lebensqualität. Die mehr als 200 Einzelprojekte sind in den Themenfeldern
Wohnen, Arbeiten, Energie, Mobilität und Stadt einsortiert, wobei in vielen Projekten eng mit
verschiedenen Wirtschaftspartnern gearbeitet wird (vgl. Innovation City Management GmbH
2015b). Auch Bottrop ist geprägt von energieintensiver Industrie, darunter einer Kokerei und
einer Aluminiumhütte, die zu den größten Energieverbrauchern Deutschlands gehören. Diese
wurden daher aus der Ziel- und Maßnahmenbetrachtung der Innovation City ausgeklammert,
da sie mit ihren Anteilen am Energieverbrauch die Zielerreichung verfälschen würden (vgl.
Interview 4).
Für die energiebezogenen Projekte steht das Thema Vernetzung im Vordergrund (energetische
Vernetzung im Quartier und zwischen verschiedenen Nutzungen) (vgl. Interview 4; Innovation
City Management GmbH 2015c). Zwei der insgesamt 16 Projekte beschäftigen sich mit Mini/Mikro-KWK. Die Projekte sind in einem Pilotgebiet konzentriert, das in großen Teilen von
einem Fernwärmenetz erschlossen ist. Insgesamt hat Bottrop eine hohe Fernwärmedichte und
da die Fernwärme aus einer hocheffizienten KWK Anlage gespeist wird (die überwiegend aus
der Abfallverbrennung stammt, aber auch Deponie- und Grubengas nutzt), ist es ein Ziel, dieses
weiter auszubauen bzw. zu verdichten (Kratzsch 2010: 9ff.). Auch der Einsatz regenerativer
Wärmequellen, wie bspw. Umweltwärme, nutzbar gemacht über eine Gaswärmepumpe, wird
im Rahmen der Projekte forciert, sodass die M-KWK Projekte nur ein Teil des Gesamtbildes
darstellen und auch konkurrierende Technologien gefördert werden (vgl. Innovation City
Management GmbH 2015d). Für die Nutzerstruktur in Bottrop aber auch insgesamt im
Ruhrgebiet und in Nordrhein-Westfalen ist relevant, dass es einen im bundesweiten Vergleich
hohen Mieteranteil und wenig Selbsteigentümer gibt (vgl. Interview 4; 6).
KWK, aber auch die Markteinführung anderer rationeller Energietechnologien sowie der
Fernwärmeausbau, werden durch Maßnahmen und Projekte von landesministerieller Seite in
NRW gefördert (MWEIMH 2015). Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, die installierte KWK
Leistung bis 2020 zu verdoppeln (vgl. Interview 6). Zentral ist das Programm progres.nrw, das
bis Ende 2016 läuft und zum Ziel hat, die Markteinführung von Technologien zur Nutzung
16
LITRES Discussion Paper 2016-02
erneuerbarer Energien und Energieeffizienz zu fördern. Im Rahmen dieses Programms gibt es
ein KWK-Impulsprogramm NRW mit 250 Millionen Euro, aus dem v. a. kleinere und
mittelständische Unternehmen Förderung beantragen können, um KWK Anlagen zu
installieren sowie Beratung und Information zu erhalten. Dabei bekommen die Antragsteller
Zuschüsse für Mini-/Mikro-KWK Anlagen bis 50kWel von bis zu 15.000 Euro je Anlage und
zinsverbilligte Kredite für Anlagen größer 50kWel (vgl. Ministerium für Klimaschutz, Umwelt,
Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen 2015). Diese
vergleichsweise hoch angesetzte Förderung, die letztlich eine Verdoppelung der bundesweit
über die BAFA zur Verfügung stehenden Fördersätze ermöglicht, wird in NRW sehr gut
angenommen und spielt eine große Rolle für die Realisierung von Mini-/Mikro-KWK Projekten
(vgl. Interviews 6; 4). Organisatorisch ist für die Vergabe die Landesbank (NRW Bank)
zuständig. Für die Durchführung der Beratungs- und Netzwerkarbeit spielt hingegen die von
der Landesregierung beauftragte Energieagentur eine wichtige Rolle, denn sie stellt eine
operative Plattform für den Austausch von Wissen und Lösungen von Problemstellungen zur
Verfügung. So hat die Energieagentur die Initiative „KWK-Strom trifft Wärme“ gegründet, die
eine Netzwerk- und Beratungsfunktion übernimmt (vgl. Interviews 6). In der Metropole Ruhr
bringt zudem der Regionalverband Ruhr eine gemeinsame Energie- und Klimapolitik voran und
erarbeitet mit den Kommunen ein regionales Klimaschutzkonzept mit dem Titel „Erschließung
der Erneuerbare-Energien-Potenziale in der Metropole Ruhr“ (Regionalverband Ruhr 2015d).
3. Entwicklungsbedingungen des Innovationsimpulses
Im Rahmen der Fallstudienanalyse wurden insgesamt vier Projekte untersucht, die auf den
verstärkten Einsatz von Mini-/Mikro-KWK Anlagen abzielen und deren Markteinführung in
unterschiedlicher Weise vorantreiben wollen. Dabei wurden in jedem der beiden
stadtregionalen/städtischen Räume (Berlin und Ruhrgebiet) je zwei Projekte untersucht, die
etwas unterschiedliche Größenklassen von Nano-, über Mikro-, bis Mini-KWK Anlagen in den
Fokus nehmen.
Der Analyse und Auswertung der vier konkreten Projekte wird nachfolgend zunächst eine
kurze, generelle Beschreibung des Standes der Technik von Mini-/Mikro-KWK Anlagen sowie
eine Erörterung der Wirtschaftlichkeit von Mini-/Mikro-KWK Anlagen im Vergleich zu
anderen Wärmeversorgungsoptionen für Wohngebäude vorangestellt. Im Anschluss werden die
vier Projekte skizziert, ihre Entstehung und Zielsetzung beschrieben, die teilnehmenden
Organisationen, deren Maßnahmen und erste Erfolge aber auch Probleme benannt und die
raumstrukturellen Charakteristika jedes Projekts herausgearbeitet. Damit soll der anfangs
aufgeworfenen Frage nach der Entstehung und Entwicklung der Innovationsimpulse innerhalb
der konkreten städtischen Energiesysteme nachgegangen werden.
17
LITRES Discussion Paper 2016-02
3.1. Stand der Technik und Wirtschaftlichkeit
3.1.1 Stand der Technik
Mini-/Mikro- KWK-Anlagen sind technisch ausgereift und am Markt verfügbar. Dies gilt
insbesondere für Otto-Motoren, während sich Stirlingmotoren und v.a. Brennstoffzellen in der
Phase der Markteinführung befinden (vgl. BHKW-Infothek 2016a, Büchner und Krüger 2015,
Schubert et al. 2014, Bachor et al. 2013). Tabelle 1 gibt einen vergleichenden Überblick über
Otto-Motoren, Stirling-Motor und Brennstoffzelle. Im Nano-BHKW Bereich (1 bis 2,5 kWel)
werden z.Z. weitestgehend Stirling-Motoren angeboten, daneben sind auch wartungsintensivere
Verbrennungsmotoren verfügbar. Brennstoffzellen befinden sich für diese Leistungsbereiche
in der Entwicklung bzw. sind bereits vereinzelt am Markt verfügbar (z.B. Hildebrandt 2015).
Mikro-BHKW Anlagen (2,5 bis 20 kWel) und Mini-BHKW Anlagen (ab 20 bis 50 kWel) werden
vorrangig mit Verbrennungsmotoren betrieben (BHKW-Infothek 2016a).
Tabelle 1:
Übersicht über Stand der Technik und Eigenschaften (nach Büchner und Krüger 2015);
Dampfkolbenmotor und Mikrogasturbine sind nicht mit aufgeführt
Otto-Motor
Kommerziell verfügbar,
in großen Stückzahlen
hergestellt
Stirling-Motoren
Markteinführung
Brennstoffzellen
Markteinführung
Elektr. Leistung (kW)
1,0-9,0
1,0
0,3-5,0
Stromzahl (-)
0,2-0,5
0,1-0,2
0,2-2,5
Elektr. Wirkungsgrad
(%)
15-30
10-16
30-55
Interne Verbrennung
Externe Verbrennung
Elektro-chemisch
Brennstoffe
Flüssig, gasförmig
Flüssig, gasförmig,
fest
gasförmig
Vorteile
Robust und erprobt
Wartungsarm, leise,
emissionsarm
Wirkungsgrad,
emissionsarm
Wartungsintensiv,
hohe
Geräuschentwicklung
Wirkungsgrad,
Dichtheit
Wartungsintensiv,
hohe Investition,
Langzeiterfahrung
fehlt
Stand der Technik
Umwandlungsart
Nachteile
Im Rahmen von Feldtests wurden bzw. werden KWK-Anlagen erprobt, Wartungsaufwand,
Zuverlässigkeit, Betriebssicherheit und Geräuschemissionen untersucht auf dieser Basis die
Anlagen technisch und wirtschaftlich weiter optimiert (z.B. Berthold 2012; vgl auch Kap. 3.3.)
(siehe Tabelle2).
Tabelle 2:
Resultate aus Feldtests zu Nano- bzw. Mikro-KWK Anlagen (u.a. Berthold 2012)
Marktverfügbar-keit
Leistungsbe-reiche
Otto-Motoren
gegeben
Stirling-Motoren
gegeben; z.T. aber
Insolvenzen
Brennstoffzellen
z.T. am Markt verfügbar
1 kW el / 2,8 kW th
2-4 kW el / 5-12 kW th
0,3…1 kW el / 4-6 kW th
1 kW el / 5-7,5 kW th
1 kW el / 1,7 kW th
2 kW el / 0,3-1 kW th
5 kW el / 10 kW th
18
Gesamtwirkungsgrad
Elektr.
Wirkungsgrad
Wartungsauf-wand
LITRES Discussion Paper 2016-02
> 80% bzw. > 95%
> 92%, z.T. keine
Herstellerangaben
60-90% bzw. 85%
23-25%
12-14%
23-32% (ein Hersteller
bis 60%)
Wartungsaufwand höher
als bei Stirling
Zumeist hohe
Zuverlässigkeit und
Betriebssicherheit
Geräuschemissionen
Vergleichsweise
geringer
Wartungsaufwand und
damit -kosten (vgl.
wartungsfreie
Motoren)
Zuverlässigkeit im
Betrieb weitgehend
gegeben
Vergleichsweise hoher
Wartungs- und
Serviceaufwand
Verbesserung der
Zuverlässigkeit im
Rahmen der Testphase
Auch das Ergebnis aus Feldtests zeigt, dass die Technik verfügbar ist und sich in der gezielten
Weiterentwicklung befindet. Von den im Rahmen der Feldtests beteiligten Geräten sind
dennoch aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr alle am Markt verfügbar (vgl. Kap.3.3.)
3.1.2 Wirtschaftlichkeit
Es werden für Einfamilienhäuser, kleine Mehrfamilienhäuser (6 Wohneinheiten) und große
Mehrfamilienhäuser (32 Wohneinheiten) die Wärmegestehungskosten beim Einsatz von
Mini-/Mikro-KWK-Anlagen untersucht und diese den Wärmegestehungskosten weiterer
Wärmeversorgungsoptionen (z.B. über Pelletkessel, Gasbrennwertkessel, Wärmepumpen)
vergleichend gegenüber gestellt. Im Anhang (Kapitel 7) sind die Herangehensweise und
Eingangsdaten zur Ermittlung der Wärmegestehungskosten aufgeführt. Bei den KWKVarianten werden die Stromgutschriften bei der Ermittlung der Wärmegestehungskosten mit
einbezogen (vgl. Anhang, Tabelle 3). Nachfolgend werden die Ergebnisse zusammenfassend
dargestellt und erläutert.
Einfamilienhaus. Betrachtet man die jährlichen Kosten, die sich für die verschiedenen
Wärmeversorgungsoptionen im Einfamilienhaus (sanierter Altbau) ergeben, so zeigt sich, dass
die Wärmeversorgung über ein Erdgas-BHKW mit höheren jährlichen Kosten verbunden ist als
eine Wärmeversorgung über einen Erdgas-Brennwertkessel (inkl. solarthermischer Anlage)
oder einen Pelletkessel. Der Erdgasbrennwertkessel stellt mit Kosten in Höhe von knapp 2.100
€/a aktuell die kostengünstigste Option dar (siehe Abbildung 3). Die Wärmeversorgung über
einen Pelletkessel ist mit jährlichen Kosten in Höhe von knapp 2.400 €/a verbunden.
Demgegenüber resultiert eine Wärmeversorgung über ein Erdgas-BHKW in jährlichen Kosten
von rund 2.500 bis 2.650 €/a (inkl. Berücksichtigung der Stromgutschrift). Mit den höchsten
jährlichen Kosten sind die beiden Wärmepumpenvarianten verbunden. Hier ist in den Kosten
auch anteilig ein finanzieller Mehraufwand verursacht durch den Einbau einer
Fußbodenheizung in den Kalkulationen berücksichtigt.
19
LITRES Discussion Paper 2016-02
Gesamtkosten der Wärmeversorgung für ein Einfamilienhaus
(Altbau energet. saniert) pro Jahr (€/a)
2.503
Erdgas M-KWK (Otto)
2.645
Erdgas M-KWK (Stirling)
Erdgas (BW-Kessel) + Solar
2.091
Erdgas (BW-Kessel)
2.060
2.821
WP (Umgebungs-Luft)
2.642
WP (Erdwärme-Sonde)
2.408
Pellets + Solar
Pellets
2.377
0
500
1.000
1.500
2.000
2.500
Euro2010/Jahr
Abbildung 2:
BHKW)
Einfamilienhaus (sanierter Altbau, siehe Tabelle 4): Wärmegestehungskosten (inkl. Stromgutschrift bei
Wärmegestehungskosten (inkl.
Stromgutschrift) [Euro/Jahr]
Exemplarisch für das Erdgas-Otto-BHKW wurde eine Parametervariation durchgeführt, um die
Bedeutung einzelner Kostenparameter auf die Wärmegestehungskosten sowie die Effekte
möglicher Kostenreduktionspotenziale (z.B. bei den Investitionskosten) aufzuzeigen (siehe
Abbildung 4).
3.100
2.900
2.700
2.500
2.300
2.100
1.900
-20%
-15%
-10%
-5%
0
5%
10%
Investition WE, Speicher, Montage (20.420 €)
Strombezugskosten (28 ct/kWh)
Anteil Eigenstromnutzung (50%)
Förderhöhe (1.900 €)
Abbildung 3:
15%
Parametervariation [% des Basiswertes]
Parametervariationen für Otto-Erdgas-BHWK im Einfamilienhaus
20%
20
LITRES Discussion Paper 2016-02
Wie Abbildung 4 zeigt haben die Investitionskosten (sowohl die gesamten Investitionskosten,
als auch die Kosten speziell für Wärmeerzeuger, Speicher, Montage) und die
Erdgasbezugskosten den höchsten Einfluss auf die Wärmegestehungskosten. Eine Reduktion
der Investitionskosten für Wärmeerzeuger, Speicher, Montage um 20% beispielsweise hat eine
Reduktion der Wärmegestehungskosten von rd. 2.500 auf knapp 2.200 €/a zur Folge. Um eine
wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit der Erdgasbrennwertkessel-Variante zu erzielen (hier
liegen die Wärmegestehungskoksten bei rd. 2.050 €/a) müssten die Investitionskosten für
Wärmeerzeuger, Speicher, Montage jedoch um 30% reduziert werden. In diesem Falle würden
sich Wärmegestehungskosten (inkl. Stromgutschrift) für die KWK-Anlage in Höhe von knapp
2.030 €/a ergeben.
Demgegenüber haben der Anteil an Eigenstromnutzung im Objekt sowie die Höhe der
Strombezugskosten für das betrachtete Einfamilienhaus einen geringeren Einfluss auf die
Wärmegestehungskosten. Die Förderhöhe hat (ausgehend von den aktuellen Bedingungen) den
geringsten Einfluss. Um über eine Förderung vergleichbare Wärmegestehungskosten zwischen
der Mini-KWK-Anlage und einem Erdgasbrennwertkessel zu erreichen müsste eine sehr
deutliche Erhöhung der aktuellen Förderung für Mini-KWK-Anlagen vorgenommen werden
(im vorliegenden Fall um das 4-fache).
Kleine Mehrfamilienhäuser. Abbildung 5 gibt einen Überblick über die Wärmegestehungskosten (inkl. Stromgutschrift bei BHKW) für kleine Mehrfamilienhäuser (Altbau, saniert).
Gesamtkosten der Wärmeversorgung für ein kleines
Mehrfamilienhaus (Altbau energet. saniert) pro Jahr (€/a)
4.851
BHWK (Erdgas)
5.118
BW-Kessel (Erdgas)
Holzhackschnitzel
anlage
5.431
6.001
Pelletheizung
0
2.000
4.000
6.000
8.000
Euro2010/Jahr
Abbildung 4:
Kleines Mehrfamilienhaus (sanierter Altbau, siehe Tabelle 4): Wärmegestehungskosten (inkl.
Stromgutschrift bei BHKW) für das betrachtete
Aufbauend auf den in Anhang dokumentierten Datengrundlagen und Annahmen zeigt sich, dass
eine Beheizung des Mehrfamilienhauses mit einer KWK-Anlage zu jährlichen Kosten in Höhe
von knapp 4.900 Euro führt. Hierbei ist die Stromgutschrift (siehe Anhang, Tabelle 3) bereits
21
LITRES Discussion Paper 2016-02
berücksichtigt. Die Wärmeversorgung über einen Erdgasbrennwertkessel ist mit jährlichen
Kosten von gut 5.100 Euro verbunden. Der Einsatz einer Holzhackschnitzelfeuerung bzw. einer
Pelletfeuerung führt im Vergleich hierzu zu höheren jährlichen Kosten.
Große Mehrfamilienhäuser. Abbildung 6 gibt einen Überblick über die errechneten
Wärmegestehungskosten im Falle eines großen Mehrfamilienhauses. Hier zeigt sich, dass die
jährlichen Kosten der Wärmeversorgung bei der KWK-Variante – berücksichtigt man die
Stromgutschriften – geringer sind als beim Erdgasbrennwertkessel. Während bei der KWKAnlage jährliche Kosten in Höhe von gut 11.200 Euro auftreten, betragen sie beim
Erdgasbrennwertkessel rd. 16.600 Euro. Die Wärmeversorgung über einen Pelletkessel ist mit
den höchsten jährlichen Kosten verbunden, während unter den hier getroffenen Annahmen
(siehe Anhang), die Wärmeversorgung über einen Hackschnitzelkessel mit knapp 15.500 €/a
geringere jährliche Kosten aufweist.
Gesamtkosten der nWärmeversorgung für ein großes
Mehrfamilienhaus (Altbau energet. saniert) pro Jahr (€/a)
11.225
BHKW (Erdgas)
16.606
BW-Kessel (Erdgas)
Holzhackschnitzel
anlage
15.495
19.238
Pellets
0
5.000
10.000
15.000
20.000
Euro2010/Jahr
Abbildung 5:
Großes Mehrfamilienhaus (sanierter Altbau): Wärmegestehungskosten (inkl. Stromgutschrift bei BHKW)
Betrachtet man die gesamten Investitionskosten, so ist das Erdgas-BHKW mit den höchsten
Aufwendungen (gut 73.000 Euro unter Berücksichtigung der BAFA-Förderung) verbunden.
Die Investitionskosten speziell für KWK-Anlage, Spitzenlastkessel, Speicher und Montage
betragen hiervon rund 57.000 Euro. Demgegenüber weist der Erdgasbrennwertkessel die
geringsten Gesamtinvestitionen auf (knapp 29.000 Euro) (siehe Anhang, Tabelle 7). Auch mit
Blick auf die betriebs- und verbrauchsgebundenen Kosten ist das Erdgas-BHKW durch die
höchsten jährlichen Kosten gekennzeichnet (siehe Tabelle 7, Tabelle 8, Tabelle 9, Tabelle 10).
Insbesondere die Gutschriften im Falle der Eigennutzung des erzeugten Stroms sowie
zusätzliche Einnahmen, die u.a. aus der Vergütung des eingespeisten Stroms sowie dem KWKZuschlag resultieren, wirken sich in der Summe aber positiv auf die Höhe der
Wärmegestehungskosten der KWK-Anlage aus. Die Parametervariation in Abbildung 7 macht
die Bedeutung des Anteils an Stromeigennutzung auf die Wärmegestehungskosten deutlich.
22
LITRES Discussion Paper 2016-02
Als Ausgangspunkt wurde der Berechnung eine Eigennutzung des erzeugten Stroms in Höhe
von 50% zugrunde gelegt und dieser Anteil in der Parametervariation um + bzw. -20% variiert.
Wärmegestehungskosten (inkl.
Stromgutschrift) [€/a]
17.000
15.000
13.000
11.000
9.000
7.000
5.000
-20%
-15%
-10%
-5%
0
5%
10%
15%
20%
Erdgasbezugskosten (6,2 ct/kWh)
Anteil Eigenstromnutzung (50%)
Invest KWK, Spitzenlast, Speicher, Montage (57.170 Euro)
Abbildung 6:
Parametervariationen für Otto-Erdgas-BHWK im großen Mehrfamilienhaus
Vergleichendes Fazit. Für größere Objekte wie beispielsweise große Mehrfamilienhäuser stellt
sich eher eine Wirtschaftlichkeit von KWK-Technologien im Vergleich zu alternativen
Wärmeversorgungstechnologien ein als für Einfamilienhäuser.
Insgesamt weisen KWK-Technologien im Vergleich (noch) sehr hohe Investitionskosten auf.
Im Vergleich zu Erdgasbrennwertkesseln oder Pelletkesseln, die ausschließlich der
Wärmeerzeugung dienen, wird bei KWK-Anlagen jedoch zusätzlich Strom erzeugt, der für den
Eigenbedarf genutzt werden kann. Bezieht man die Gutschriften, die hieraus resultieren, in die
Berechnung der Wärmegestehungskosten ein, dann wirkt sich dies insbesondere bei größeren
Objekten positiv auf das Ergebnis aus, da hier u.a. größere (absolute) Mengen an Strombedarf
durch Eigenerzeugung bereitgestellt und somit (teurer) Strombezug vermieden werden kann.
Weiterhin hat der aktuelle KWK-Zuschlag (vgl. BAFA 2015) einen deutlichen Einfluss auf das
Ergebnis der Kostenrechnung.
Im EFH kommt der oben beschriebene Effekt noch nicht in ausreichendem Umfang zum
Tragen. Hier stellen die KWK-Lösungen im Vergleich zum Erdgasbrennwertkessel stets die
teurere Variante dar und es müsste eine Reduktion der Investitionskosten bei KWK-Anlage,
Speicher, Montage von mindestens 30% erzielt werden, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu
sein.
23
LITRES Discussion Paper 2016-02
3.2. Projekt: Mini-KWK (20 bis 50 kWel) im virtuellen Kraftwerk (Berlin)
Im Oktober 2010 hat die Vattenfall Europe Wärme AG mit der Errichtung eines virtuellen
Kraftwerks begonnen in das auch Mini-KWK eingebunden werden (vgl. Abb. 7 als Beispiel für
die grundsätzliche Funktionsweise eines virtuellen Kraftwerks). Ein wichtiges Ziel dieses
Projekts ist die intelligente Vernetzung von Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen (darunter
KWK und Wärmepumpen) um angesichts der Herausforderungen bei der Integration
erneuerbarer Energien in die Stromnetze größtmögliche Flexibilität zur erhalten, die sich durch
die Speicherbarkeit der Wärme an dieser Schnittstelle ergibt (vgl. Vortrag Hanno Balzer 2012:
4ff). Dabei wird der Strom komplett eingespeist, während die Wärme vor Ort genutzt wird.
Auch die Möglichkeit der Stromvermarktung von bestehenden, dezentralen BHKWs ist ein
wichtiger Ausgangspunkt für das Projekt. Neben seinen zentralen Fernwärmenetzen in
Hamburg und Berlin betreibt Vattenfall bereits seit vielen Jahren BHKW-Anlagen für die
dezentrale Wärmeversorgung. Diese werden wärmegeführt betrieben und daher wird der Strom
produziert, eingespeist und entsprechend dem KWKG vergütet, wie er im Zuge der
Wärmeerzeugung anfällt. Hinsichtlich der Stromvermarktung ist diese Betriebsweise oftmals
wenig lukrativ. Aus diesem Grund wird im Rahmen des virtuellen Kraftwerks auch das Ziel
verfolgt, die bestehenden KWK-Anlagen (ursprünglich auch mit Wärmepumpen als
Stromverbraucher, die den Strom zu Stromüberschusszeiten in Wärme umwandeln) so zu
vernetzen, dass über die gemeinsame, flexible Steuerung der produzierte Strom besser am
Regelenergiemarkt vertrieben werden kann (vgl. Interview 7).
Ein wichtiger Beteiligter an diesem Projekt ist der Mini-/Mikro-KWK Gerätehersteller
Senertec, mit den „Dachs“-Anlagen in unterschiedlichen Größenklassen (1,5 und 20kW) (vgl.
BHKW-Prinz.de 2014). Damit soll den Mini-KWK Anlagen eine gewinnversprechendere
Teilnahme am Energiemarkt ermöglicht werden, die umso herausfordernder ist, je kleiner die
Anlagen sind (vgl. Interview 3). Die „Dachse“ im Mini-KWK Bereich sind die bisher kleinsten
in das virtuelle Kraftwerk integrierten Anlagen, die größten liegen im Leistungsbereich von
600MWel. Die Anlagen kommen sowohl in Wohngebäuden als auch in Verwaltungsgebäuden
und bspw. Schulen zum Einsatz (vgl. Interview 7). Ende 2011 wurden über die etwa 100
Anlagen im virtuellen Kraftwerk mit einer elektrischen Leistung von zusammen 50MW etwa
100.000 Wohneinheiten versorgt. Die Zielsetzung war bis Ende 2013 200.000 Wohneinheiten
über insgesamt 1.000 Anlagen mit zusammen 200MW zu versorgen (vgl. Vortrag Balzer 2012:
14). Diese Ziele konnten aber im Frühjahr 2014 noch nicht realisiert werden (vgl. Interview 7).
Grundsätzlich können bundesweit Anlagen in das virtuelle Kraftwerk eingebunden werden, die
meisten Anlagen befinden sich jedoch in den Schwerpunktmärkten von Vattenfall in Hamburg
und Berlin (vgl. Interview 7). An dem Projekt sind neben der Vattenfall Europe Wärme AG
und dem Senertec Center Berlin-Brandenburg auch SES Energiesysteme als Hersteller von
KWK Anlagen beteiligt sowie Stiebel Eltron als Wärmepumpenhersteller (Vattenfall Europe
Wärme AG o.J.: 12).
24
LITRES Discussion Paper 2016-02
Abbildung 7: Funktionsweise virtuelles Kraftwerk (eigene Darstellung)
Vattenfall Europe Wärme hat dabei in einer Testphase von einem Jahr zunächst nur mit eigenen
Anlagen begonnen und anschließend angefangen, Anlagen von anderen Betreibern
einzubeziehen, auch weil das System mit mehr Anlagen wirtschaftlicher gefahren werden kann.
Um die Verschaltung der unterschiedlichen Anlagen in das virtuelle Kraftwerk zu ermöglichen,
wurde, auch in enger Zusammenarbeit mit Senertec, der VHP-Ready (Virtual Heat and Power)
Standard ins Leben gerufen. Dieser beschreibt, wie eine KWK-Anlage steuerbar sein muss, um
ins virtuelle Kraftwerk eingebunden zu werden (vgl. Interview 3). Durch diesen Standard sollen
die Investitionskosten, die erforderlich sind um die Anlage kompatibel zu machen und zu
vernetzen, möglichst gering gehalten werden und damit auch die Einbindung kleinerer
Leistungsklassen ermöglicht werden, deren Aufnahme in das virtuelle Kraftwerk oft ein
ökonomisches Hemmnis darstellt. Bisher konnten bei Drittanlagen nur Anlagen ab einer Größe
von etwa 100kWel wirtschaftlich in das virtuelle Kraftwerk aufgenommen werden, da sich bei
kleineren Leistungsklassen der Aufwand der Verschaltung nicht lohnen würde. Auch bei den
Dachs-Geräten konnten bislang eher Mini-KWK Anlagen integriert werden, während die
Anlagen mit 5 oder 1kWel nicht wirtschaftlich einzupflegen waren (vgl. Interview 3). Durch
den VHP-Ready Standard soll auch der Anschluss von KWK Anlagen im kleineren
Leistungssegmenten besser ermöglicht werden (vgl. Interview 7). Inzwischen wurde der VHPReady Standard an das Frauenhofer Institut übergeben, das ihn weiterentwickelt. Begleitet wird
der Entwicklungsprozess von einem Gremium, in dem neben Vattenfall weitere
Energieversorger, Anlagenhersteller und Netzbetreiber vertreten sind (vgl. Interview 7). Die
ursprüngliche Idee der Integration von Wärmepumpen als wichtige Stromverbraucher, die die
Flexibilität vergrößern, in dem sie Strom verbrauchen und in Wärme umwandeln wenn
besonders viel Strom zur Verfügung steht, hat sich nach der Testphase als schwierig
herausgestellt, da die Wärmepumpen in diesem System nicht wirtschaftlich betrieben werden
können (vgl. Interview 7).
Der Innovationsimpuls profitiert in Berlin von einem potenziell großen Markt, durch eine hohe
Dichte an möglichen Nutzern, gerade auch in größeren Mietshäusern mit vergleichsweise
höheren Wärmebedarfen. Das Vorhandensein eines zentralen Fernwärmenetzes in Berlin
hingegen begrenzt das Interesse an dezentralen Wärmeversorgungslösungen, in Quartieren in
25
LITRES Discussion Paper 2016-02
denen auch die zentrale Wärmeversorgung zur Verfügung steht. Letztlich entscheiden aber
oftmals sehr kleinteilige Fragen der Siedlungs- und Gebäudestruktur über die Möglichkeiten
des Einsatzes dezentraler BHKW und ihrer Verschaltung im virtuellen Kraftwerk. Nicht zuletzt
müssen angesichts der oftmals kleinen Keller mit engen Zugängen in vielen Mietshäusern
kleinere KWK Anlagen mit entsprechend kleinerem Speichervolumen ausreichen (vgl.
Interview 7).
3.3. Projekt: Feldtests Mikro-KWK (1-5 kWel) für Wohngebäude (Berlin, GASAG)
Ein Umsetzungsprojekt mit Mikro-KWK Anlagen in Berlin, das als Innovationsimpuls
innerhalb des bestehenden Energiesystems betrachtet werden kann, ist der von GASAG
initiierte Feldversuch mit der kleinsten Leistungsklasse von Mikro-KWK Anlagen in der Größe
von 1-5kWel. Der Ausgangspunkt der GASAG für dieses Projekt war die Weiterentwicklung
des Wärmemarkts und der zunehmende Wettbewerb mit der zentralen Fernwärme,
erneuerbaren Energien und Wärmepumpen. In diesem Wettbewerb konnte die Gasbranche nach
den Brennwertgeräten noch keine neue, innovative Technik anbieten, die im Zuge der
Energiewende auf dem Wärmemarkt konkurrieren könnte. Die Mikro-KWK Technologie als
hocheffiziente Technik und zugleich mit der Möglichkeit, am Strommarkt aktiv zu sein,
versprach hier Potenzial. Allerdings waren zunächst nur sehr wenige Gerätehersteller aktiv,
weil diese auch mit der Herstellung anderer Heizungslösungen (Ölkessel, Gasbrennwertherme
oder Pelletheizung) Geld verdienen und daher der Anreiz fehlte, in die Entwicklung von MikroKWK Anlagen zu investieren. Stattdessen gab es nur wenige kleine Pioniere, die Modelle von
Mikro-KWK Anlagen in der sehr kleinen Leistungsklasse für Ein- und Zweifamilienhäuser
hergestellt haben. Allerdings waren die Geräte noch nicht marktreif und auch technisch nicht
ausgefeilt. Um diese Entwicklung voranzutreiben, hat GASAG Anfang 2010 mit einem Feldtest
begonnen und in Kooperation mit zwei Herstellern (EHE mit WhisperGen und OTAG mit
lionPowerblock) von Mikro-KWK erste Anlagen bei ihren Kunden getestet. Das Projekt zielte
darauf ab, die Gerätehersteller bei der Markteinführung ihrer Anlagen zu unterstützen und die
Anlagen durch die Erprobung technisch und wirtschaftlich weiter zu optimieren. Forciert und
unterstützt wurde das Projekt zudem von der Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und
umweltfreundlichen Energieverbrauch e. V. (ASUE), die zum Ziel hat, die Weiterentwicklung
und Verbreitung von erdgasbasierter, energiesparender Technologie voranzutreiben. Die
Anlagen wurden überwiegend in Wohngebäuden bei Nutzern im Segment größerer Ein- und
Zweifamilienhäuser getestet, aber auch im Kleingewerbe (vgl. Interview 1).
In der Feldtestphase haben sich noch viele technische und wirtschaftliche Probleme offenbart
und beiden Geräten des im Rahmen von GASAG betriebenen Feldtests ist der Durchbruch nicht
gelungen und sie sind heute am Markt nicht mehr präsent. Die Feldtestphase ist abgeschlossen
und trotz der technischen und wirtschaftlichen Probleme der konkret getesteten Anlagen, wertet
die GASAG das Projekt als Erfolg, denn es hat, zusammen mit anderen, parallel laufenden
Feldtests weiterer Hersteller, die notwendigen Impulse gesetzt und zu einer Belebung des
Marktes für Mikro-KWK Anlagen geführt. Dadurch sind mehr (und auch größere)
Gerätehersteller in die Produktion von Mikro-KWK Anlagen eingestiegen und heute gibt es
eine größere Vielfalt von Mikro-KWK Anlagen auf dem Markt. Zudem hat die GASAG im
26
LITRES Discussion Paper 2016-02
Rahmen des Projekts Erfahrung mit Mikro-KWK gesammelt und bietet heute ihren Kunden
einen Zuschuss von 500 Euro, wenn sie sich eine Mikro-KWK Anlage anschaffen. Außerdem
organisiert sie unter dem Label „Hausmacherstrom“ den Stromvertrieb an die Mieter, wenn
bspw. ein Vermieter für ein Mehrfamilienhaus eine Mikro-KWK Anlage installiert (vgl.
Interview 1; vgl. GASAG Berliner Gaswerke AG 2015). Für die im Rahmen des beschriebenen
Projekts getesteten Anlagen der sehr kleinen Leistungsklasse sind Ein- und Zweifamilienhäuser
die wichtigste Nutzergruppe. In einer groben Abschätzung des Berliner Gebäudebestands hat
die GASAG 160.000 Ein- und Zweifamilienhäuser in Berlin, außerhalb des Fernwärmenetzes
und daher als potenziell interessante Kundengruppe identifiziert (vgl. Berthold 2012: 30).
Dieses theoretische Potenzial ist im Wettbewerb mit anderen Technologien und Energieträgern
am Wärmemarkt aber bei Weitem nicht komplett zu heben, nicht zuletzt aufgrund der noch
zahlreichen, technischen, wirtschaftlichen und administrativen Hemmnisse für Mikro-KWK
(s.u.) (vgl. Interview 1). Dennoch zeigt es, dass wichtige Akteure und insbesondere die
Gasbranche in Berlin, in der Mikro-KWK ein Thema erkannt haben, welches sie zur
innovationsoffenen Ausrichtung ihrer Branche und zur Positionierung von Erdgas als Standbein
der Wärme- und Stromproduktion auch im Zuge der Energiewende nutzen wollen (Interview
1).
3.4. Projekt: Installation und wissenschaftliche Begleitung von 100 Mikro-KWK (1-5
kWel) Anlagen (Innovation City Bottrop, Ruhrgebiet)
Konkrete Umsetzungsprojekte für Mini-/Mikro-KWK wurden auch im Rahmen des Projekts
Innovation City Bottrop vorangetrieben. Hier soll ein Projekt im Fokus stehen, das sich zum
Ziel gesetzt hat, 100 Mikro-KWK Anlagen der kleinsten Größenklassen (überwiegend 1kWel
bis maximal 5kWel) in Haushalten in Bottrop zu installieren. Die vergleichsweise hohe
Zielanzahl wird damit begründet, dass fünf unterschiedliche Anlagentypen mit verschiedener
Technologie (Stirling-Technik, Ottomotor, Brennstoffzelle) zum Einsatz kommen und in
mehreren Gebäudetypen getestet werden, sodass diverse Kombinationen von Anlagentechnik
und Gebäudetypen abgebildet werden. Durch annährend identische Rahmenbedingungen
hinsichtlich der Gebäude (bspw. Dämmstandards) soll eine Vergleichbarkeit hergestellt
werden.
Das Ziel dieses Projekts ist überwiegend vom Forschungsinteresse getrieben. So soll untersucht
werden, welche Anlagentypen und KWK Technologie in welchen Gebäuden technisch und
ökonomisch optimal eingesetzt werden kann (vgl. Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. 2015).
Zudem sollen langfristig die Anwendungspotenziale der verschiedenen Anlagentypen im
Gesamtsystem "Nutzer-Gebäude-Anlagentechnik" auch hinsichtlich der Einbindung
regenerativer Energien und Wärmenutzungs- und Speichertechnologien getestet werden (vgl.
Innovation City Management GmbH 2015e). Das Projekt wurde im Dezember 2013 gestartet
und lief bis Mitte 2015. Zu Beginn stand eine Analyse geeigneter Gebäudetypen sowie eine
Aktivierung möglicher Kunden (v. a. aus dem Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser), die
anschließend im Hinblick auf die Passfähigkeit für das Projekt sortiert und ausgewählt wurden
(vgl. Interview 4). Bei der Analyse der Gebäudestruktur auf Grundlage einer Modellierung
durch das Gas-Wärme-Institut war entscheidend, dass die Anlagen eine Jahresmindestlaufzeit
27
LITRES Discussion Paper 2016-02
von 4.000 Stunden erreichen, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. Daher spielte die
Größe der Gebäude und ihr Energiebedarf eine große Rolle, aber über die Einsatzmöglichkeiten
der Anlagen entscheidet letztlich auch die ganz spezifische Gebäudestruktur, die Höhe der
Kellerdecken, die Größe der Treppenaufgänge und die bestehenden Heizsysteme (vgl.
Interview 4). Anschließend wurden für den Feldtest in 100 Gebäuden in Bottrop Mikro-KWK
Anlagen installiert und unter wissenschaftlicher Begleitung über mindestens zwei Heizperioden
betrieben und getestet (vgl. Innovation City Management GmbH 2015e).
Bereits im Juni 2014 waren nahezu alle der anvisierten 100 Anlagen installiert, wobei auch
darüber hinaus über zumindest zwei weitere Heizperioden die Anlagen durch die
Projektbeteiligten begleitet und beobachtet werden sollen (vgl. Interview 4). Bislang stehen
endgültigen Messdaten aus dem Projekt nicht zur Verfügung, sodass noch keine endgültige
Einschätzung vorgenommen werden kann (vgl. Interview 8). Tendenziell stellen sich die
Herausforderungen allerdings weniger auf der technischen Seite, als eher im Bereich der
schwierigen Wirtschaftlichkeit (vgl. Interview 9).
Das Projekt ist nur ein erster Schritt, um eine kritische Anzahl an Anlagen in der Stadt
installieren zu können. Mittelfristig wäre die Vernetzung der Anlagen und Ausstattung mit
Speichern ein weiteres Ziel, um die Vorteile der KWK und damit verbundenen Flexibilität
besser ausnutzen zu können. 2 Die Hochschule West modelliert daher begleitend, wie eine
zentrale Stromführung aussehen könnte und verfolgt mit dem Projekt ebenfalls ein
wissenschaftliches Interesse.
Die Gesamtprojektleitung liegt beim Gas-Wärme-Institut (GWI) aus Essen, das auch
federführend verantwortlich für die Umsetzung und Integration der Anlagensysteme und
nachfolgend für die technische und wirtschaftliche Auswertung der im Rahmen des Projekts
gewonnenen Daten ist (vgl. Interview 8). Das GWI ist bereits seit vielen Jahren in dem
Themenfeld kleiner KWK Anlagen aktiv und hat für unterschiedliche Leistungsklasse
Simulationsrechnungen an Hand eines Demonstrationshauses erstellt, die mit Hilfe von
Projekten wie dem 100 Mikro-KWK Projekt in der Realität geprüft werden. Daneben ist auch
der örtliche Gasnetz- und Verteilnetzbetreiber (Emscher-Lippe-Energie, ELE) beteiligt. Seine
Aufgabe besteht darin, die Nutzer bei der komplexen administrativen Seite der Installation einer
KWK Anlage (Finanzierung, Steuer, Netzintegration, Förderung etc.) zu beraten und zu
unterstützen.
Darüber hinaus ist als wissenschaftliche Partner die Hochschule Ruhr West mit dem Institut
Energiesysteme und Energiewirtschaft (vgl. Hochschule Ruhr West 2015) beteiligt sowie der
Initiativkreis Ruhr 3, der Impulsgeber für das Projekt Innovation City und für zahlreiche
Unterprojekte unter diesem Dach ist und zugleich Hauptgesellschafter der Innovation City
Management GmbH ist. Diese begleitet das Projekt und ist für die Suche möglicher Kunden
2
Hier spielen Überlegungen wie ein möglicher Strom- und Wärmevertrieb zwischen Nachbarn eine Rolle (vgl.
Interview 4). Da gibt es erste Ansätze im 100 Mikro KWK Projekt, wo bspw. in einem Doppelhaus einer eine
Wärmepumpe hat, der andere eine Mikro-KWK Anlage.
3
Der Initiativkreis Ruhr ist ein regionales Wirtschaftsbündnis aus 65 Unternehmen im Ruhrgebiet, dass sich zum Ziel gesetzt
hat, die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Ruhrgebiets zu stärken. In diesem Rahmen unterstützt der Initiativkreis
auch das Projekt Innovation City (vgl. Initiativkreis Ruhr GmbH 2015)
28
LITRES Discussion Paper 2016-02
und geeigneter Gebäude und für den Kontakt zu diesen zuständig. Im Sinne der Zielsetzung der
Innovation City wird das 100 Mikro-KWK Projekt als ein innovativer Ansatz für die stärkere
Vernetzung der Energiesysteme gefördert. Im Rahmen der Innovation City und dem Projekt
existiert zudem ein Partnernetzwerk, indem Gerätehersteller, Handwerker, die Heizungsinnung
sowie Energieberater vertreten sind, die als Multiplikatoren genutzt werden sollen (vgl.
Interview 4).
Die Kunden sind in diesem Projekt in erster Linie direkt die Gebäudeeigentümer. Mieter spielen
eher am Rande eine Rolle, wobei auch eine Wohnungsbaugesellschaft beteiligt ist. Diese
verkauft bislang jedoch nur die Wärme an die Mieter und betreibt keine direkte
Stromvermarktung an die Mieter, auch wenn es erste Überlegungen dazu gibt. Für die
Kunden/Nutzer bestand durch die vergleichsweise hohe Förderung ein starker Anreiz zur
Teilnahme an dem Projekt, sodass die Mikro-KWK Anlagen letztlich zu einem, mit einer
normalen Brennwerttherme vergleichbaren Preis, angeboten werden konnten, und sich das
Projekt für die Kunden daher finanziell sehr attraktiv gestaltet (vgl. Interview 4). Aus der
Zusammenarbeit von Herstellern unterschiedlicher KWK-Technologien, Energieversorgern,
dem Handwerk, den Nutzern und den wissenschaftlichen Institutionen, die das Projekt
begleiten, versprechen sich die Beteiligten großen Nutzen (vgl. Gas- und Wärme-Institut Essen
e. V. 2015).
Langfristig soll über das Projekt auch eine Diffusion erreicht werden, wobei es nicht 1:1 auf
andere Städte übertragen werden kann. Eine erklärte Zielsetzung ist es aber, Antworten auf die
Herausforderungen der Energiewende im Zuge des vom Strukturwandel geprägten Raums zu
liefern, die auch auf andere Fälle anwendbar sind. Um vor diesem Hintergrund Repräsentativität
zu gewährleisten, wurde mit den unterschiedlichen Anlagetypen und Gebäuden (nach IWU
Gebäudetypologie) gearbeitet. Die weitere Verbreitung der Ergebnisse wird einerseits von der
Innovation City GmbH betrieben, die in verschiedenen politischen Netzwerken vertreten ist
und u. a. von einer interministeriellen Arbeitsgruppe des Landes NRW begleitet wird,
organisiert über die Energieagentur NRW. Zudem hat die Innovation City über das
Partnernetzwerk hinaus eigene Netzwerkarbeit gemacht, die sie als Multiplikatoren nutzt (vgl.
Interview 4). Auch das GWI ist ein wichtiger Verbreitungsweg, da das Institut mit seinen
Aktivitäten an der Innovationsoffensive des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs
(DVGW) beteiligt ist und auch in Gremien zur DIN (Deutschen Industrie Norm) und des VDI
(Verband deutscher Ingenieure) zum Thema KWK arbeitet und hier seine Erkenntnisse aus
Projekten wie diesem einbringt (vgl. Interview 8).
3.5. Projekt: Geschäftsmodelle für Mikro-KWK (1-10 kWel) (EnergieBlock Trianel,
Ruhrgebiet)
Ein weiteres Projekt, das als ein Innovationsimpuls im Themenfeld der Mini-/Mikro KWK
betrachtet werden kann, ist der EnergieBlock von Trianel. Das Konzept wurde im Rahmen eines
Netzwerks zu Mini-/Mikro-KWK mit 40 Stadtwerken gemeinsam entwickelt. Der
EnergieBlock ist ein Geschäftsmodell für dezentrale Strom- und Wärmeerzeugung, das die
Stadtwerke als „White-Label Produkt“ für sich anpassen und ihren Kunden anbieten können.
29
LITRES Discussion Paper 2016-02
Es soll den Stadtwerken helfen, sich als Energiedienstleister zu etablieren und verschiedene
Dienstleistungen von Service, über Pachtlösungen bis hin zum vollwertigen Contracting
anzubieten. Daher wurden im Rahmen des Projekts verschiedene Vertragswerke für
verschiedene Energiedienstleistungsformen von Mini-/Mikro-KWK erarbeitet sowie eine
Kalkulationssoftware, die eine einfache Möglichkeit zur technischen und wirtschaftlichen
Simulation der Anlagen in verschiedenen Gebäudesituationen ermöglichen und so die sonst
sehr aufwändige Angebotserstellung vereinfachen soll. Zudem wurden Marketingunterlagen
ausgearbeitet, die jedes Stadtwerk für sich anpassen kann, eine Technologieauswahl getroffen
und mit den Geräteherstellern (darunter große Heizungshersteller, aber auch kleinere,
spezialisierte KWK-Hersteller) Kooperationen geschlossen und gemeinsame Beschaffungskonditionen vereinbart.
Das Ziel des Projekts ist es, durch einen hohen Grad an Standardisierung den Aufwand den
jedes Stadtwerk in die Erarbeitung von Energiedienstleistungsangeboten zu Mini-/Mikro-KWK
investieren müsste, zu reduzieren. Denn Mini-/Mikro-KWK sind für Stadtwerke zwar einerseits
ein interessantes Geschäftsfeld, aber andererseits ist die Wirtschaftlichkeit der Projekte durch
die geringe Leistungsklasse und den zugleich hohen Beratungs-, Kalkulations- und
Serviceaufwand schlecht, sodass es sich für ein einzelnes Stadtwerk häufig nicht lohnen würde,
hier tätig zu werden. Durch die Arbeit im Netzwerk sollen Synergien genutzt und gemeinsam
Energiedienstleistungen rund um Mini-/Mikro-KWK so vorbereitet werden, dass sie für die
Stadtwerke einfach anzupassen und umzusetzen sind. Hier setzt das EnergieBlock Konzept an
und bietet zusätzlich Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter von
Stadtwerken in Technik und Vertrieb im Themenfeld Mini-/Mikro-KWK an.
Das Interesse der Stadtwerke Mini-/Mikro-KWK bei ihren Kunden zu etablieren dient dabei v.
a. dem Ziel, den Gasabsatz zu sichern – auch weil die Anlagen durch die gleichzeitige
Stromproduktion mehr Gas verbrauchen als konventionelle Gasheizungen. Eine weitere
Motivation war zugleich der Wunsch der Stadtwerke, sich über dieses Engagement stärker zum
Energiedienstleistungsunternehmen zu wandeln und auch Kundenbindung spielt für die
Motivation der Stadtwerke eine wichtige Rolle.
Der Fokus des Projekts liegt auf Anlagen der Leistungsklasse 1-10kWel, wobei sowohl in der
Kundengruppe, als auch der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwischen den
sehr kleinen Anlagen im Bereich 1kWel, den Anlagen zwischen 3-5kWel und denen um die
10kWel differenziert wird. Die 1kWel Anlagen für den Einsatz im Einfamilienhaus sind im
Rahmen des Projekts noch mit vielen technischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten
konfrontiert. Im Bereich der 3-5kWel Anlagen für große Einfamilien- und kleinere
Mehrfamilienhäuser ist die Wirtschaftlichkeit ebenfalls noch herausfordernd aber in einzelnen
Fällen schon eher zu realisieren, während sich die Anlagen im Bereich von 10kWel als technisch
und wirtschaftlich ausgereift dargestellt haben (Interview 10).
Diese Differenzierung spiegelt sich auch in den „Produkten“ wider, die im Rahmen des
„EnergieBlocks“ für unterschiedliche Zielgruppen entwickelt wurden. Mit dem „EnergieBlock
Kompakt“ sollen v. a. Eigenheimbesitzer angesprochen werden, der „EnergieBlock Multi“
30
LITRES Discussion Paper 2016-02
richtet sich an die Wohnungswirtschaft und „EnergieBlock Vario“ an Gewerbekunden (vgl.
Nicolai 2014: 5).
Abbildung 8: Varianten des EnergieBlock (eigene Darstellung in Anlehnung an: Nicolai 2014:5)
Nachdem das Netzwerk zunächst projektbasiert an der Geschäftsmodellentwicklung gearbeitet
hat, ist diese inzwischen abgeschlossen. Das Netzwerk mit inzwischen ca. 65 Stadtwerken und
Regionalversorgern arbeitet dennoch weiter an anderen Themen im Wärmemarkt. Neben Mini/Mikro-KWK
umfasst
das
EnergieBlock
Konzept
inzwischen
auch
Energiedienstleistungslösungen für Brennwertthermen.
Der anfänglichen Annahme, dass gerade für Stadtwerke Mini-/Mikro-KWK ein interessantes
Geschäftsfeld sein könnten, weil sie durch ihre Präsenz vor Ort die entsprechenden Netzwerke
haben und kurzen Wege nutzen können, um die administrativen und technischen Hemmnisse
und „Schnittstellenhindernisse“ besser zu überwinden und hier Kostenvorteile zu generieren,
hat sich allerdings nicht bestätigt. Gerade im kleinsten Leistungssegment um die 1kWel, aber
auch bei 3-5kWel , haben sich viele wieder aus dem Geschäftsfeld zurückgezogen, weil es zu
komplex und damit nicht wirtschaftlich ist. Auch die durch Trianel betriebene Standardisierung
und das Erschließen von Synergien, die mit der Erwartung verbunden waren, hier potenziell
einen neuen Massenmarkt zu erschließen, haben sich nicht bestätigt. Die Möglichkeit,
Flexibilität durch M-KWK an den Schnittstellen im Energiesystem zu generieren, konnte sich
nicht zeigen, weil die Standardisierung nicht weit genug vorangetrieben ist. Nach Beobachtung
der Projektbeteiligten herrsche hier noch eher „Wildwuchs“, der keine gemeinsame
Betriebsführung ermögliche. Darüber hinaus reichen die Stückzahlen der Anlagen in einem
Verteilnetz für die tatsächliche Schaffung von Flexibilität noch nicht aus (vgl. Interview 10).
Die voranstehend dargestellten, vier Projekte der Mini- und Mikro-KWK in den beiden
Fallregionen zeigen hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichten, der beteiligten Akteure, den
31
LITRES Discussion Paper 2016-02
Zielsetzungen aber auch den Erfolgen sowohl Parallelen als auch große Unterschiede auf. In
der Tabelle 1 werden die wichtigsten Informationen zu den Projekten noch einmal
überblickartig dargestellt und im nachfolgenden Kapitel 4 wird eine vergleichende Betrachtung
vorgenommen, die die Funktionsweise der Innovationsimpulse sowohl im
städtischen/stadtregionalen Kontext, als auch im Zusammenspiel mit dem Energiesystem
insgesamt in den Fokus nimmt.
32
LITRES Discussion Paper 2016-02
Tabelle 1: Zusammenfassende Darstellung der Innovationsimpulse (eigene Darstellung)
Initiative und
Motivation
Zielformulierung
Mini-KWK im virtuellen
Kraftwerk Berlin
Vattenfall Europe Wärme
intelligente Vernetzung
von Erzeugungs- und
Verbrauchsanlagen um
größtmögliche Flexibilität
zur erhalten
bessere Möglichkeiten der
Stromvermarktung
bis Ende 2013 200.000
Wohneinheiten über 1.000
Anlagen mit zusammen
200MW versorgen  bis
Frühjahr 2014 nicht erreicht
Teilnehmende
Organisationen
Vattenfall Europe Wärme
AG; Senertec Center BerlinBrandenburg; SES
Energiesysteme; Stiebel
Eltron
Maßnahmen und
Erfolge
Initiierung des VHP Ready
Standards
Bis Ende 2011 100 Anlagen
im virtuellen Kraftwerk mit
Mikro-KWK Feldtest Berlin
Mikro-KWK Innovation City
Bottrop
Initiativkreis Ruhr im Rahmen
der InnovationCity Bottrop 
Forschungsinteresse: Eignung
Anlagen - Gebäude (technisch
und ökonomisch)
„Vernetzung“ in der
Energieversorgung
Mikro-KWK EnergieBlock Trianel
Gerätehersteller bei der
Markteinführung ihrer
Anlagen zu unterstützen und
Anlagen durch die
Erprobung technisch und
wirtschaftlich weiter zu
optimieren.
GASAG, EHE, OTAG
Arbeitsgemeinschaft für
sparsamen und
umweltfreundlichen
Energieverbrauch e. V.
(ASUE)
100 Mikro-KWK Anlagen in
Haushalten in Bottrop zu
installieren  bereits 2014
erreicht
Geschäftsmodellentwicklung um
Aufwand für Stadtwerke zu
reduzieren; M-KWK im
Energiecontracting anbieten
Hochschule Ruhr West, GasWärme-Institut, Initiativkreis
Ruhr, Innovation City
Management GmbH
Wichtige Akteure:
Partnernetzwerk (Handwerk,
Energieberater als
Multiplikatoren), ELE
Gebäudeeigentümer.
Trianel, zunächst 40 Stadtwerke 
heute Netzwerk mit 65 Stadtwerken
Kooperation mit Geräteherstellern
Zielgruppe: Ein/Zweifamilienhäuser;
Wohnungswirtschaft; Kleingewerbe
Beginn 2010, Feldtest
abgeschlossen, Erfolg:
Anstoß für Hersteller in die
Weiterentwicklung von
2013-2015
Analyse geeigneter
Gebäudetypen und
Aktivierung möglicher
Ausarbeitung von White-Label
Vertragswerken für verschiedene
Energiedienstleistungsformen
sowie einer Kalkulationssoftware
GASAG  Sicherung
Gasabsatz, Voranbringen
effizienter gasbasierter
Technologie
Trianel  Stadtwerke wollen
Gasabsatz sichern und sich zum
Energiedienstleister wandeln;
gemeinsame Synergien im
Netzwerk nutzen um sich im Markt
zu positionieren
33
LITRES Discussion Paper 2016-02
einer elektrischen Leistung
von zusammen 50MW
etwa 100.000 versorgte
Wohneinheiten
Mikro-KWK einzusteigen;
Erfahrungen für bestehendes
Förderprogramm gesammelt
Blockaden/
Probleme/
Konflikte
Wärmepumpen und sehr
kleine KWK-Anlagen nicht
wirtschaftlich einzubinden
viele technische und
wirtschaftliche Probleme,
Geräteherstellern ist der
Durchbruch nicht gelungen
Raumstrukturelle
Charakteristika
+ hohe Dichte an
Mietshäusern als potenzielle
Nutzer
- großes Fernwärmenetz
 Fläche für
Speichervolumen bei KWK
Anlagen notwendig
Einsatzbereich größere Einund Zweifamilienhäuser mit
vglw. hohem Wärmebedarf
außerhalb des FW-Netzes
Kunden: 100 Anlagen
installiert  Beobachtungsund Messphase mind. zwei
Heizperioden
Mittelfristig: Vernetzung der
Anlagen und Ausstattung mit
Speichern, um die Vorteile der
KWK und damit verbundene
Flexibilität besser ausnutzen
zu können
Im Detail noch unklar, da die
konkreten Messdaten noch
nicht vorliegen, tendenziell
schwierige Wirtschaftlichkeit,
hoher administrativer
Aufwand
Einsatzbereich Ein- und
Zweifamilienhäuser mit
unterschiedlichen
Gebäudestrukturen, je nach
Wärmebedarf, Größe,
bauliche Rahmenbedingungen
zur vereinfachten
Angebotserstellung, Vorauswahl
Technologie und Kooperationen
mit Geräteherstellern für
gemeinsame
Beschaffungskonditionen ;
Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter von
Stadtwerken
Anlagen bis 5kWel bisher
kaum/nicht wirtschaftlich, Problem
fehlende Standardisierung
Sehr vielfältig durch die
unterschiedlichen Zielgruppen
34
LITRES Discussion Paper 2016-02
4. Funktionsweise des Impulses
Anschließend an die Darstellung der Innovationsimpulse in ihrer Entstehungs- und
Entwicklungsgeschichte wird im Folgenden in einer vergleichenden Betrachtung die
Funktionsweise der Innovationsimpulse herausgearbeitet. Dabei sind die unterschiedlichen
Handlungsmotivationen der beteiligten Akteure ein wichtiger Ausgangspunkt. Die
Schwierigkeiten und hemmenden Einflussfaktoren, mit denen die Innovationsimpulse
konfrontiert sind, ebenso wie ihre Erfolgsfaktoren und die fördernden Einflussfaktoren, werden
sowohl auf der städtischen und stadtregionalen Ebene betrachtet, als auch im Hinblick auf
externe Rahmenbedingungen, die jenseits des lokalen Kontextes liegen. Damit soll die Frage
beantwortet werden, welche Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen auf übergreifender und
städtischer/ stadtregionaler Ebene die Entwicklung der Innovationsimpulse bremsen und
befördern konnten.
Zudem soll herausgestellt werden, welche Strategien die
Innovationsimpulse unter diesen Rahmenbedingungen gefunden haben, um Erfolge zu
verzeichnen.
4.1. Anreize und Motivation
Die an den betrachteten Innovationsimpulsen beteiligten Akteure stammen aus verschiedenen
Bereichen der Energieversorgung, aber auch aus der Forschung, Technikentwicklung und
öffentlicher Verwaltung und sie haben dementsprechend unterschiedliche Anreize und
Motivationen für ihr Engagement im Themenfeld Mini-/Mikro-KWK. Aus der vergleichenden
Betrachtung dieser unterschiedlichen Motivationen wird deutlich, welche Ausgangspunkte und
Gründe es für die Entstehung der Projekte gegeben hat.
Die Initiative zu den Projekten ging in drei der vier betrachteten Fälle von Seiten der
Energieversorger aus, allerdings mit unterschiedlicher Motivation. Während für Vattenfall
Europe Wärme im Fall der Einbindung von Mini-KWK ins virtuelle Kraftwerk die Herstellung
von größerer Flexibilität und damit besseren Möglichkeiten zur gewinnbringenden
Vermarktung des Stroms bei wärmegeführten KWK Anlagen im Vordergrund steht, war für die
GASAG angesichts des insgesamt schrumpfenden Wärmemarkts die Sicherung des
Gasabsatzes durch die Beförderung von effizienter, gasbasierter Technologie entscheidend für
das Engagement und die Initiative im Rahmen der Feldtests mit Mikro-KWK Anlagen. Auch
für Trianel, als Stadtwerkeverbund, steht im Mittelpunkt, den Gasabsatz für die Stadtwerke zu
sichern und zugleich über Contractinglösungen für Mini-KWK den Wandel der Stadtwerke zu
Energiedienstleistern voranzutreiben und sie so als lokale Versorger im Energiemarkt gut zu
positionieren. Bei dem Projekt 100 Mikro-KWK im Rahmen der Innovation City Ruhr
hingegen war die Hauptmotivation der Initiatoren, den Mitgliedern des Initiativkreises Ruhr
und dem GWI, eher vom Forschungsinteresse getrieben, mit der Absicht, unterschiedliche
Gerätetypen in unterschiedlichen Gebäudesituationen zu testen und darüber hinaus die
„Vernetzung“ der Energieversorgung voranzutreiben. Das GWI fasst seine Motivation mit den
Worten „vom Labor in die Demonstration“ (vgl. Interview 8) zusammen und zielt in erster
Linie darauf ab, belastbare technische Daten zur Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der
Anlagen zu erhalten. Für die anderen, an dem Projekt beteiligten Akteure, ist die Motivation
35
LITRES Discussion Paper 2016-02
aber auch von eigenen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen angetrieben. So ist auch hier für den
örtlichen Gasversorger (ELE) die Sicherung und Ausbaumöglichkeit des Gasabsatzes wichtig,
ebenso wie die Suche nach neuen Geschäftsmodellen als Energiedienstleister (vgl. Interview
9). Die Gerätehersteller hingegen haben vordergründig die Erschließung neuer
Vertriebsmöglichkeiten im Blick (vgl. Interview 4).
Auch die Motivation der Kunden/Nutzer ist für Erfolgschancen der Innovationsimpulse zentral.
Diese wird aus den Erfahrungen der Akteure allerdings unterschiedlich bewertet. Vielfach
spiele für Kunden Wirtschaftlichkeit die Hauptrolle, während die Motivation, einen positiven
ökologischen Effekt zu erreichen oder zur Energiewende beizutragen, zwar gelegentlich
vorhanden, aber zumeist nachgeordnet sei (vgl. Interview 9). Andere, mit dem Vertrieb von
Mini-/Mikro-KWK vertraute Akteure, sehen zwar das Interesse an der Amortisation der
Anlagen bei den Kunden auch als relevant an, aber entscheidend wären letztlich auch
emotionale Aspekte, wie bspw. „dass ein Vater möchte, dass sein Sohn stolz auf ihn ist“
(Interview 2) und daher eine besondere Technik einbaut. Ein technisches Interesse stehe
vielfach im Vordergrund, verbunden mit emotionalen Aspekten, wie bspw. für ein bestimmtes
motorbetriebenes Mikro-KWK Gerät, weil es denselben Motor nutzt wie der Motorroller, den
der Kunden in jungen Jahren gefahren ist (vgl. Interview 2). Für andere wiederrum spielt
Sicherheit eine entscheidende Rolle, zusammen mit dem Wunsch, sich vor steigenden
Energiepreisen zu schützen, bis hin zu der Möglichkeit einer autarken Versorgung. Nicht
zuletzt zählt auch das Bedürfnis, in den Augen von Nachbarn und Freunden als technikaffin
und fortschrittlich zu wirken. Dabei haben Mini-/Mikro-KWK den Nachteil, dass sie schwer zu
erklären und i.d.R. nicht „sichtbar“ sind, aber dennoch bevorzugen viele Kunden ein
ansprechendes Design (vgl. Interview 2). Wichtig ist darüber hinaus aber auch die möglichst
ruhige Betriebsweise, denn Schallemissionen, die mit einer Mikro-KWK Anlagen im Keller
verbunden sind, werden in der Regel als sehr störend empfunden (vgl. Interview 10). Die
Motivation der Kunden ist daher facettenreich und sollte nicht allein auf Aspekte der
Wirtschaftlichkeit reduziert werden, während für die Gasversorger und Gerätehersteller die
ökonomischen Aspekte die Grundlage für ihr Engagement in diesem Themenfeld darstellen.
4.2. Konflikte und Schwierigkeiten
In allen vier betrachteten Projekten zu Mini-/Mikro-KWK wurden noch viele Schwierigkeiten
und Hemmnisse offensichtlich, die einer stärkeren Entwicklungsdynamik in dem Themenfeld
im Wege stehen könnten. In der vergleichenden Betrachtung wird dabei auch die anfangs
aufgeworfene Frage nach den Konfliktlinien mit dem bestehenden System wieder
aufgenommen und es wird deutlich, dass sich viele dieser Hemmnisse aus der übergeordneten
Ebene und der Struktur des Energiesystems als Ganzem ergeben und nur bedingt mit den
lokalen Situationen in den konkreten städtischen/stadtregionalen Kontexten zusammenhängen.
Zudem sind sie auch dem z. T. noch sehr unreifen und frühen Stadium des Innovationsimpulses
geschuldet.
Ein zentrales Problem in allen betrachteten Projekten ist die mangelhafte Wirtschaftlichkeit,
die durch den hohen Preis für die Anlagen bedingt wird. Der aktuelle Stückpreis von ca. 25.000
Euro sowie die hohen Installationskosten von Seiten des Handwerks behindern die
36
LITRES Discussion Paper 2016-02
Einsatzmöglichkeiten von Mini-/Mikro-KWK deutlich (vgl. Interview 8). So hat sich in den
betrachteten Projekten herausgestellt, dass die Wirtschaftlichkeit der kleinsten Mikro-KWK
Anlagen unter normalen Marktbedingungen und ohne besondere Förderung noch nicht gegeben
ist. Insbesondere im Vergleich mit der Gas-Brennwerttherme wird deutlich, dass vor dem
Hintergrund der Amortisationsdauer Mikro-KWK Anlagen aktuell noch nicht konkurrenzfähig
sind (vgl. Interview 9). Der Investitionspreis einer Gas-Brennwerttherme liegt mit ca. 10.000
Euro bei weniger als der Hälfte des durchschnittlichen Investitionspreises einer Mikro-KWK
Anlage. Diese Differenz kann die Mikro-KWK Anlage über eine durchschnittliche Laufzeit
von ca. 15 Jahren nicht aufholen (vgl. Interview 9). Um die Wirtschaftlichkeit und damit die
Einsatzmöglichkeiten von Mikro-KWK Anlagen zu steigern, ist eine deutliche Reduktion der
Investitionsosten notwendig. Die sehr geringen Stückzahlen stehen dieser Entwicklung jedoch
entgegen (vgl. Interview 8).
Die mangelnde Wirtschaftlichkeit, die bei etwas größeren Leistungsklassen (im Bereich MiniKWK) besser wird (vgl. Interview 5), ist zugleich der Grund, warum gerade größere
Unternehmen (Gerätehersteller und Energieversorger) mit ihrem Engagement in dem
Themenfeld zögern bzw. lange gezögert haben, denn die Gewinnerwartungen dieser
Unternehmen können in diesem Geschäftsfeld aktuell noch nicht erfüllt werden und stehen in
keinem Verhältnis zum Aufwand (insbesondere dem zeitlichen Beratungsaufwand), der mit
dem Vertrieb und der Installation der kleinsten Mikro-KWK Anlagen verbunden ist (vgl.
Interview 3). Daher waren Mikro-KWK Anlagen zunächst eher ein Feld der kleineren
Gerätehersteller mit geringeren Renditeerwartungen, die auch aus idealistischen Gründen in
diesem Themenfeld aktiv sind.
„Das kann kein Großkonzern sich leisten, das machen wir aus Idealismus, mit den
Umsatzrenditen, die die verlangen, wäre unser Laden schon nach einem Jahr zugemacht
worden. Und so haben wir 15 Jahre überstanden. Aber das ist reiner Idealismus, auf den
Schultern von Ideallisten, die mit einem relativ geringen Gehalt nach Hause gehen“ (Interview
3).
Andererseits engagieren sich in jüngerer Zeit auch gerade einige Gerätehersteller wie Vissmann
oder Buderus, weil sie trotz der noch mageren Gewinnaussichten breit aufgestellt sein und
ebenfalls Mikro-KWK Anlagen in ihrem Angebot haben wollen. Die größeren Hersteller haben
dann gegenüber kleineren den Vorteil, dass sie, konfrontiert mit der schwierigen
Wirtschaftlichkeit, auf Grund ihrer Größe und breiten Produktpallette auch wirtschaftlich einen
„längeren Atem“ haben (vgl. Interview 3).
Grundsätzlich ist die schwierige Wirtschaftlichkeit gerade der kleinsten Mikro-KWK Anlagen
im Rahmen der betrachteten Innovationsimpulse für einige beteiligte Akteure eine Erkenntnis,
die nicht ihren Erwartungen im Vorhinein entsprochen hat – zumindest nicht in dem Ausmaß,
das sich in den Projekten gezeigt hat und das v. a. bei Mikro-KWK im Ein- und
Zweifamilienhaussektor im Vergleich zu etwas größeren KWK Anlagen deutlich wird.
„Dass da doch eine so große Lücke bei Mikro-KWK im Ein- und Zweifamilienhausbereich
klafft, das haben wir so in der Form nicht erwartet. Auch was die Amortisationszeit angeht,
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LITRES Discussion Paper 2016-02
dass die so exorbitant weit weg ist. Zu den Marktpreisen, die es momentan gibt, ist das
eigentlich nicht endkundenfähig“ (Interview 9).
Ein zweites zentrales Hemmnis in den betrachteten Beispielprojekten, das auch in den
Strukturen des Energiesystems verankert ist und die Konfliktlinien mit diesem, bislang nicht
auf die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Energieinfrastrukturen ausgelegtem System
deutlich macht, ist der hohe bürokratische Aufwand, der mit der Inbetriebnahme einer Mini/Mikro-KWK Anlage verbunden ist. Je nach Situation stehen einem Anlagenbetreiber bis zu
zwölf Akteure gegenüber, mit denen er im Zuge der Installation und des Betriebs einer M-KWK
Anlagen zu tun hat, darunter der Heizungsinstallateur, der Elektroinstallateur, der
Schornsteinfeger, der Gasversorger, ggf. zusätzlich der Stromnetzbetreiber, die BAFA, die
Bank, sein Steuerberater und das Finanzamt. Die Formalitäten, die in diesem Kontext für jeden
Einzelfall zu organisieren sind, sind nach der Erfahrung fast aller befragten Akteure sehr
unübersichtlich und komplex. Dies führt zu einer Überforderung nicht nur für die Kunden,
sondern auch für die unterschiedlichen, beteiligten Berufsgruppen. Damit sind sie ein zentrales
Hemmnis, das die Kunden oftmals abschreckt, wenn sie registrieren, welcher Aufwand mit der
Inbetriebnahme einer M-KWK Anlage zusammenhängt (vgl. Interviews 9; 8; 4). Beispielhaft
formulierte es ein Akteur:
„Wenn Sie eine Mikro-KWK Anlage installieren und in Betrieb nehmen wollen, dann muss ich
Ihnen sagen: So, da müssen Sie Kleinunternehmer werden“ (Interview 4).
Angesichts der unübersichtlichen, bürokratischen Hürden fehlt in vielen Fällen eine Form der
„Vermittlerrolle“, die die Kommunikation zwischen allen beteiligten Akteuren übernimmt, den
Überblick hat und die Zuständigkeitsprobleme löst. Den meisten Akteuren fehlt für diese
Funktion das Wissen in den anderen berührten Themenfeldern, bspw. mangelndes technisches
Know-how beim Steuerberater oder mangelndes juristisches Wissen beim Installateur. Hinzu
kommt die technische Komplexität, die die klassischen beteiligten Gewerke herausfordert,
sodass auch fehlendes technisches Fachwissen und mangelndes Zutrauen, sich mit der
komplizierten Technik zu befassen, ein wesentliches Hemmnis darstellen (vgl. Interviews 3, 4;
2). Teilweise besteht auch von Seiten einiger Akteure nur begrenztes Interesse an M-KWK
Anlagen, so bspw. bei Schornsteinfegern, die um ihre Aufträge fürchten, sowie bei den
Installateuren, denen der Beratungsaufwand zu groß ist (vgl. Interview 4).
Dennoch gibt es einige Akteure, die eine Vermittlerrolle übernehmen, so z. B. Senertec oder
die Innovation City GmbH. Wenn es sich hierbei jedoch um klassische Marktteilnehmer, wie
bspw. den Gerätehersteller Senertec handelt, dann besteht das Problem, dass der verhältnismäßig hohe Zeitaufwand für die Beratung (nicht selten 20-40 Stunden pro Kunde) eine
Herausforderung für das wirtschaftliche Arbeiten der Marktakteure ist (vgl. Interview 2; 3).
Als drittes wesentliches Hemmnis konnte in den untersuchten Projekten das unsichere
Investitionsumfeld ausgemacht werden. Auch dieses ist eng mit dem Energiesystem als Ganzes
und seiner nationalen und europäischen Regulierung verbunden, sodass auch hier die
Schwierigkeiten und Konfliktlinien mit dem Energiesystem und übergeordneten GovernanceEbenen deutlich werden, mit denen die Projekte im städtischen und stadtregionalen Kontext
konfrontiert sind. Hier ist die Volatilität innerhalb der Gesetzgebung und bei den
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LITRES Discussion Paper 2016-02
Fördermechanismen ein großes Problem, gerade angesichts der schwierigen Wirtschaftlichkeit
von Mini-/Mikro-KWK Anlagen. Für viele potenzielle Kunden ist die Investitionsentscheidung
angesichts immer wieder angekündigter, möglicher Veränderungen im Regelungsrahmen oder
an den Förderinstrumenten schwierig und führt im Bereich von Mini-/Mikro-KWK eher zu
einem Abwarten (vgl. Interview 3). Und selbst für die Experten in dem Themenfeld ist das
Förderregime so unübersichtlich und ständig in Veränderung, dass Unsicherheit entsteht, die
für die tatsächliche Realisierung von Mini-/Mikro-KWK Anlagen hinderlich ist (vgl. Interview
2). Eng mit diesem Hemmnis verbunden ist die Kritik an der aktuellen Energie- und
Klimapolitik und an den Strukturen des bestehenden Energieregimes, die ebenfalls zu einem
Hemmnis für die Realisierungschancen von Mini-/Mikro-KWK werden.
Weitere Konfliktlinien, mit dem sich die betrachteten Innovationsimpulse auseinandersetzen
müssen, bestehen direkt mit den verfestigten Strukturen der Energieerzeugung und der
Organisation der Energiemärkte. Die über viele Jahrzehnte herrschende Verbundwirtschaft in
der Energieversorgung, die von wenigen großen Akteuren bestimmt wurde, hat trotz der
Liberalisierung der Energiemärkte und neuen Regelsetzungen im Zuge der Energiewende noch
entscheidenden Einfluss und betreibt Lobbyarbeit für ihre bestehenden, technischen Strukturen,
die geprägt sind von der zentralen Stromerzeugung auf Basis von Kohle (vgl. Interview 3). Vor
diesem Hintergrund ist auch das momentane Energiemarktdesign und in diesem Kontext der
niedrige CO2 Zertifikatspreis mit der Folge des aktuell niedrigen Strompreises, ein zentrales
Hemmnis. Ohne eine ausreichende Internalisierung der externen Kosten für die
Kohleverstromung wird hier ein zentrales Hemmnis in den bestehenden Strukturen des
Energiesystems für Mini-/Mikro-KWK gesehen, das sich auch in den betrachteten Projekten
auswirkt (vgl. Interview 3).
Neben der Kritik an den Regelungsstrukturen auf europäischer Ebene bestehen aber auch in der
deutschen Energiegesetzgebung Hemmnisse für Mini-/Mikro-KWK. Insbesondere wird die
Pflicht zur Teilnahme von Mini-/Mikro-KWK Anlagen an der EEG-Umlage kritisiert. Hier
entstünde ein „Fördermittel-Kreislauf“ (Interview 3), der nicht zuletzt den Konflikten zwischen
den unterschiedlichen politischen Ressorts geschuldet sei. Einerseits wird der aus
hocheffizienter KWK erzeugte Strom nach KWKG vergütet, andererseits wird eine bestimmte
Summe je kWh als EEG-Umlage wieder abgezogen. Für die oben beschriebene, schwierige
Wirtschaftlichkeit der M-KWK Anlagen ist eine, auch nur geringe zu zahlende Umlage, ein
entscheidendes Hemmnis, das den Erfolg des Innovationsimpulses verhindern könnte (vgl.
Interview 3).
Aber auch andere Politikfelder jenseits des Einflusses der städtischen oder stadtregionalen
Energiesysteme haben hemmende Auswirkungen auf die Entwicklungschancen der
Innovationsimpulse, wie sie auch in den betrachteten Projekten deutlich wurde. Hier spielt
bspw. das Mietrecht eine Rolle, das es für den Vermieter aus steuerlichen Gründen unattraktiv
macht, Strom aus einem Mini-KWK an die Mieter zu verkaufen (vgl. Interview 3).
Eng verknüpft mit dem für M-KWK Anlagen ungünstig ausgestalteten Regelungsrahmen ist
die, im Vergleich zu anderen Energiebranchen, eher schwache Lobbyarbeit der Branche. Viele
der in die Innovationsimpulse eingebundenen Akteure sind in der Lobbyarbeit nicht oder nur
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LITRES Discussion Paper 2016-02
wenig aktiv, weil sie bspw. durch ihre wissenschaftliche Ausrichtung hier nicht ihre Aufgaben
sehen (vgl. Interview 8) oder als Energieversorger im komplexen Energiemarkt verschiedene
und sich widersprechende Interesse in den einzelnen Sparten der Energieversorgung haben.
Hier treten am ehesten die Gerätehersteller in Erscheinung, bspw. über Verbände wie das
BHKW-Forum. Aber auch ihr Engagement ist begrenzt, da gerade die kleineren Hersteller eine
nicht direkt gewinnbringende Tätigkeit wie Lobbyarbeit oder die bessere Vernetzung und
Weitervermittlung von Wissen nur in engen Grenzen betreiben können (vgl. Interview 3). Auch
das Installationshandwerk war hier in den letzten Jahren noch wenig aktiv und sieht die
Notwendigkeit, selber bessere Lobbyarbeit im Themenfeld Mini-/Mikro-KWK zu betrieben
(vgl. Interview 2).
Die Probleme und Herausforderungen, vor denen Mini-/Mikro-KWK stehen, sind damit noch
nicht abschließend behandelt, aber deutlich wird, dass die Konfliktfelder und Hemmnisse, die
die konkreten Innovationsimpulse der Mini-/Mikro KWK behindern, wenig mit der lokalen
Situation vor Ort und der Ausgestaltung der städtischen oder stadtregionalen Energiesysteme,
ihrer Akteure und Vernetzungen zu tun haben, sondern überwiegend durch die Strukturen des
Energiesystems und seine gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen auf nationaler und
europäischer Ebene bestimmt werden. Hier zeigen sich die Konfliktlinien mit den verfestigten
Strukturen des Energiesystems deutlich, mit denen der Innovationsimpuls als
„Schnittstellentechnologie“ besonders zu kämpfen hat. Hinsichtlich der zahlreichen beteiligten
Akteure an den Innovationsimpulsen und der fehlenden „Vermittlerrolle“ liegen einige
Schwierigkeiten auch auf Ebene der konkret betrachteten Projekte.
4.3. Erfolgsfaktoren und Umsetzung
Neben den Hemmnissen kristallisieren sich aus der Betrachtung der Innovationsimpulse auch
verschiedene Erfolgsfaktoren heraus, die für die Umsetzung der Projekte entscheidend waren
und in einigen Fällen zur Überwindung der zuvor genannten Hemmnisse führen konnten. Damit
wird die eingangs genannte Frage wieder aufgenommen, welche Strategien die entscheidenden
Akteure der Innovationsimpulse verfolgen, um Erfolge zu erreichen. Nicht alle, aber viele
dieser Erfolgsfaktoren, sind dabei in den konkreten Konstellationen der Projekte begründet und
mit ihrer Situation in den spezifischen städtischen und stadtregionalen Kontexten verknüpft.
Zum einen sind hier die Fördergelder zu nennen, die (in unterschiedlichem Ausmaß und von
unterschiedlichen Geldgebern) insbesondere im Rahmen der Mikro-KWK Projekte gewährt
wurden. Deutlich wird, dass es nicht die bundesweit zur Verfügung stehenden Fördermittel
(bspw. über das BAFA) waren, die diese Projekte über die Wirtschaftlichkeitsschwelle gehoben
haben, sondern ortsspezifische und umfangreiche finanzielle Förderung ausschlaggebend war,
die im Vergleich zu den sonst zur Verfügung stehenden Mitteln hoch ausfällt (vgl. Interview
9). So war im Fall des 100 Mikro-KWK Projekts die Gewährung der Fördergelder im Rahmen
des Innovation City Projektrahmens von zentraler Bedeutung für die Umsetzungserfolge, da so
die oben beschriebenen Wirtschaftlichkeitsprobleme für die Nutzer kein Hindernis mehr
dargestellt haben und auch das Mikro-KWK Projekt in Berlin wäre ohne den finanziellen
40
LITRES Discussion Paper 2016-02
Aufwand der GASAG nicht möglich gewesen. Andere Projekte, wie bspw. das virtuelle
Kraftwerk mit der Einbindung von Mini-KWK, kamen hingegen ohne besondere
Förderprogramme aus. Hier zeigt sich der Unterschied im Hinblick auf die bessere
Wirtschaftlichkeit der etwas größeren Leistungsklasse der Mini-KWK gegenüber den sehr
kleinen Mikro-KWK Anlagen. Allerdings ist die Vergütung des KWK-Stroms über das KWKG
für den Betrieb von Mini- und Mikro-KWK Anlagen auch für die Projekte die ohne spezielle
Förderung laufen eine wichtige Grundvoraussetzung, um überhaupt am Markt teilnehmen zu
können (vgl. Interview 3).
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist die im Rahmen der jeweiligen Projekte organisierte
Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren. Sie hat entscheidend dazu
beigetragen die Hemmnisse des hohen bürokratischen Aufwands und der technischen und
administrativen Komplexität auf ein Maß zu reduzieren, indem es der Realisierung von Anlagen
oder deren Vernetzung nicht mehr im Wege steht. Dies zeigt sich deutlich im Rahmen des 100
Mikro-KWK Projekts. Hier war nach Einschätzung der beteiligten Akteure die
Zusammenarbeit zwischen Forschungspartner, Anwendern, Planern, Installateuren,
Geräteherstellern, Verbänden, Energieversorgern und der Energieagentur entscheidend. Die
oben als fehlend identifizierte Rolle eines „Vermittlers“ im Dickicht der technischen und
administrativen Anforderungen bei Mikro-KWK wurde hier von der Innovation City GmbH,
aber auch dem örtlichen Verteilnetzbetreiber als Berater für die Kunden, übernommen. Dieser
hat bspw. einen Infoabend veranstaltet, um über das Thema Abrechnung mit dem Verteilnetz
zu informieren. Zusätzlich wurden Informationsblätter erstellt, um einzelne Aspekte rund um
die Abrechnung besser zu erklären. Aus der Interaktion mit dem Endkunden kann der
Energieversorger hier zudem Schlüsse ziehen, welche Informationen noch fehlen und wo es
noch Probleme mit dem administrativen Aufwand gibt. Ohne diese Rolle hätte auch hier die
Überforderung der Nutzer die Realisierung der Anlagen vermutlich verhindert (vgl. Interview
9). An vielen Stellen hat der einzelne Energieversorger aber keine Möglichkeiten, den Aufwand
zu reduzieren, da zu viele andere Themenfelder (Steuerrecht, Förderung etc.) betroffen sind
(vgl. Interview 9).
Auch Senertec, deren Anlagen im Rahmen des virtuellen Kraftwerks in Berlin Einsatz finden,
hat mit der Definition eigener Vertriebsstrukturen in ihren dezentralen „Senertec-Zentren“, in
denen sie viele Beratungsleistungen vor Ort anbieten, diese „Vermittlerrolle“ übernommen und
kann so auch Erfolge verbuchen, während aber zugleich die Kosten durch den hohen Personalund Zeitaufwand (s. o.) auch ein Problem darstellen (vgl. Interview 3). Das Ziel von Senertec
ist dabei nicht nur den Endkunden zu adressieren, sondern seine Dienstleistungen an
Heizungsbauer weiterzuverkaufen, die als Vertragspartner des Endkunden fungieren. Zudem
bietet Senertec zahlreiche Schulungen an, bspw. für Planer, Installateure und für
Schornsteinfeger, um die Hemmschwelle zu senken, ein BHKW einzubauen bzw. sich
überhaupt damit zu beschäftigen (vgl. Interview 3).
Zwei der betrachteten Innovationsimpulse zielen ebenso in ihrer Zielsetzung, als auch mit ihren
erreichten Maßnahmen und Erfolgen auf die Verminderung der bürokratischen Hindernisse und
41
LITRES Discussion Paper 2016-02
der Komplexität. Dies geschieht zum einen über die Initiierung des VHP-Rady Standards zur
stärkeren Vereinheitlichung und damit einfacheren Einbindung von kleinen KWK Anlagen in
virtuelle Kraftwerke und zum anderen über die Schaffung von „white-label“ Lösungen für
Contractingmodelle für M-KWK, die mit weniger Zeit- und Personalaufwand als sonst von
Stadtwerke adaptiert werden sollen.
Ein nicht unwesentlicher Erfolgsfaktor ist aber nicht zuletzt, dass trotz der hohen Komplexität
die technische Funktionsweise der Mini-/Mikro-KWK Anlagen inzwischen ausgereift scheint.
Diese Erfahrung konnte im Rahmen der betrachteten Innovationsimpulse im Bereich der MiniKWK, aber bspw. auch im Rahmen der 100 Mikro-KWK Anlagen im kleinsten
Leistungssegment gemacht werden. Während im Rahmen des Mikro-KWK Feldtests der
GASAG durchaus auch noch technische Probleme auftraten (was im Kontext eines Feldtests
und des Lernens aus diesem aber auch ein wichtiger Bestandteil ist und die Erfahrungen, die
vor diesem Hintergrund gemacht wurden daher dennoch als Erfolg angesehen werden können),
sind bei den aktuell noch laufenden Erprobungen von Mikro-KWK Anlagen, trotz der noch
nicht abgeschlossener Datenerhebungen, die ersten Erfahrungen aus technischer Sicht sehr gut
(vgl. Interview 8; 9).
Es zeigt sich, dass in den vier betrachteten Beispielprojekten trotz ihrer Unterschiede in der
Zielsetzung, der eingesetzten Technik und der beteiligten Akteure, durchaus viele Parallelen
sowohl in der Handlungsmotivation der Akteure, als auch bei den Schwierigkeiten und
Hemmnissen, mit denen sie konfrontiert waren und den Erfolgsfaktoren, die letztlich auch zur
Überwindung einiger dieser Hemmnisse beitragen konnten, deutlich werden. Konfliktlinien mit
dem bestehenden Energiesystem und dessen Regelung ergeben sich dabei v. a. auf überlokaler
Ebene und sind nicht zuletzt im getrennten Verständnis der verschiedenen
Energieinfrastrukturen Strom, Wärme und Gas und dem fehlenden Funktionieren an den
Schnittstellen begründet. Dort, wo die Projekte dennoch erfolgreich waren, haben zumeist
Bedingungen auf städtischer und stadtregionaler Ebene (Förderung, Vernetzung der Akteure)
dazu beigetagen. Die folgende Abbildung stellt daher die wichtigsten Erfolgsfaktoren,
Handlungsmotivationen und Hemmnisse zusammenfassend dar (vgl. Abb. 10).
42
LITRES Discussion Paper 2016-02
Handlungsmotive:
Erfolgsfaktoren:
Förderung, v.a.
finanziell
Gute Rahmenbedingungen für die
Zusammenarbeit der
zentralen Akteure
Mini-/Mikro
KWK
Reife der Technik
Energieversorger:
Sicherung Gasabsatz,
Flexibilität steigern,
bessere
Stromvermarktung
Institute/Verbände:
Forschungsinteresse
Gerätehersteller:
Vertriebsmöglichkeiten
Hemmnisse:
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Bürokratie
Technische Komplexität
Unsicheres Investitionsumfeld
Struktur des bestehenden Energiesystems der Energiemärkte und energiepolitischen Rahmensetzungen 
schwache Lobbyarbeit
Kunden/Nutzer:
Wirtschaftlichkeit
weiche Faktoren
(Ökologie, Autonomie, Image)
Abbildung 9: zusammenfassende Darstellung zur Funktionsweise des Innovationsimpulses (eigene Darstellung)
43
LITRES Discussion Paper 2016-02
5. Zusammenfassung und Einbettung des Impulses: Beziehungen zu
anderen Impulsen, Abhängigkeiten von anderen Feldern
Mini-/Mikro-KWK bilden eine Schnittstellentechnologie im Energiesystem, die eng mit der
Strom- und Wärmeversorgung, aber auch mit dem Gasnetz verknüpft ist. Sie eröffnen die
Möglichkeit, Lastspitzen und -täler auszugleichen und verbunden mit thermischen
Wärmespeichern die Flexibilität im Energiesystem zu erhöhen, insbesondere in Ergänzung zu
den fluktuierenden erneuerbaren Energien. Daher haben Mini-/Mikro-KWK sehr viele
Verbindungen in die verschiedenen Bereiche des Energiesystems und mit deren Regulierung
aber auch zu anderen Innovationsimpulsen, die Einfluss auf M-KWK nehmen.
Das voranstehende Kapitel hat dies verdeutlicht, indem es v. a. die Hemmnisse aufgezeigt hat,
die für Mini-/Mikro-KWK als Innovationsimpuls aus den Rahmenbedingungen des
Energiesystems, seiner Organisation und Regulierung, entstehen. Hier sollen die
Abhängigkeiten von externen Rahmenbedingungen und damit auch die Verknüpfungen des
Innovationsimpulses zu anderen Themenfeldern genauer aufgeschlüsselt werden. Hiermit soll,
anknüpfend an die Analyse der Schwierigkeiten und Konflikte, insbesondere mit den
verfestigten Strukturen der überlokalen Ebene (siehe Kapitel 4) die Frage beantwortet werden,
welche Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen auf übergreifender Ebene die Entwicklung
von M-KWK bremsen und befördern konnten.
Zunächst einmal sind das Strommarktdesign aber auch die Entwicklung der Energiepreise und
der Energierohstoffe zu nennen, die, wie oben gezeigt, ein wichtiges Hemmnis für die
Wirtschaftlichkeit sein können. Veränderungen in den Energierohstoffpreisen haben direkte
Auswirkungen auf die Amortisationsdauer und damit die Wirtschaftlichkeit von Mini-/MikroKWK (vgl. Interview 2). Die Verbindung zu den Energierohstoffpreisen zeigt sich beispielhaft
bei der Entwicklung des Dachs-Motors, der ursprünglich nicht für den Einsatz in BHKW
entwickelt wurde, sondern für den Betrieb gasmotorischer Wärmepumpen. Er sollte eine
Möglichkeit bieten mit dem Einsatz von Erdgas Wärme zu gewinnen, als Reaktion auf die
Ölpreiskrise 1972 und ihre Auswirkungen auf den Wärmemarkt, die diese Entwicklung
nahegelegt hat. Erst zu einem späteren Zeitpunkt kam die Erzeugung elektrischer Energie über
den Dachsmotor hinzu (vgl. Interview 3).
Am intensivsten werden Mini-/Mikro-KWK in Verbindung mit dem Themenfeld der virtuellen
Kraftwerke/ Smart Grids/ intelligenten Energieinfrastrukturen diskutiert (vgl.
Scheiner/Graf/Härdtlein 2014) – das haben auch die untersuchten Innovationsimpulse in den
beiden Fallstudienräumen gezeigt. Hier haben fast alle interviewten Experten betont, dass die
Installation von M-KWK oft nur als ein „erster Schritt“ gesehen wird und mittel- bis langfristig
an die Einbindung in einem virtuellen Kraftwerk gedacht werden muss. Denn erst durch die
Integration in virtuelle Kraftwerke können M-KWK Anlagen ihr Flexibilitätspotenzial
ausschöpfen und damit eine wichtige Funktion im zukünftigen Energieversorgungssystem
finden. Auch ergeben sich auf diesem Weg neue Geschäftsmodelle, die die Möglichkeit
eröffnen, die Wirtschaftlichkeit aufgrund der breiteren Vermarktungschancen für den Strom zu
44
LITRES Discussion Paper 2016-02
verbessern. Hierüber kann auch das Interesse an dem Betrieb von Mini-/Mikro-KWK Anlagen
grundsätzlich gesteigert werden (vgl. Interview 3).
Ebenfalls in diesem Kontext wird die Verschaltung von M-KWK Anlagen und Elektromobilität
diskutiert. Auch hier sehen einige Akteure ein großes Potenzial, denn Elektroautos wären ein
sehr geeigneter „Pufferspeicher“ für den Strom, den die M-KWK Anlage erzeugt. So kann
bspw. in den Nachtstunden, wenn die M-KWK Anlagen für Heizzwecke laufen, zeitgleich ein
Elektroauto für den Tag aufgeladen und der Strom so direkt vor Ort sinnvoll genutzt werden.
Solche direkten Nutzungen erweisen sich im Vergleich zur Netzeinspeisung unter den aktuell
niedrigen Preisen als wirtschaftlicher. Im Gegensatz zu bspw. PV-Anlagen, die nur tagsüber
Strom produzieren, wenn das Elektroauto ggf. nicht an der Ladestation ist, können M-KWK
Anlagen außerdem zu unterschiedlichen Zeiten eingesetzt werden (vgl. Interview 3). Diese
Vorteile können neben Privathaushalten insbesondere auch für Kleingewerbe nützlich sein, mit
etwas größeren KWK Anlagen, die nachts mehrere Firmenwagen mit dem Strom aus ihren
KWK Anlagen aufladen könnten. Daher sehen einige Experten die Chance, dass die
Elektromobilität mittelfristig die Verbreitung von M-KWK Anlagen befördern kann.
Neben diesen anderen Innovationsfeldern und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen
hängen die Entwicklungschancen von M-KWK aber auch von Entwicklungen in der
Energiepolitik auf nationaler und subnationaler Ebene ab. Dies zeigt sich deutlich am Einfluss
der nationalen Energiegesetzgebung mit der Förderung über das KWKG, aber auch an den
Regelungen des EEG (und den Diskussionen über die zu zahlende EEG-Umlage), sowie den
Regelungen zum Energiemarktdesign und den damit verbundenen Möglichkeiten und Grenzen
für Geschäftsmodelle, die zukünftig auch auf der Bereitstellung von Kapazität und damit
Flexibilität im Energiesystem basieren. Daneben nimmt auch die Landesenergiepolitik eine
einflussreiche Rolle ein, die in beiden betrachteten Fällen (Berlin und Nordrhein-Westfalen)
deutlich auf KWK setzt und diese Technologie explizit und mit Hilfe von Energieagenturen
und speziellen Programmen und Vernetzungen fördert. Ebenso sind die Bedingungen auf
kommunaler Ebene, wie bspw. im Fall Bottrops mit dem Programmrahmen der Innovation City,
aber auch mit konkreten, räumlichen und raumstrukturellen Bedingungen bis hin zur baulichen
Struktur und der Nutzungsstruktur im Quartier und auf Gebäudeebene, zentrale
Einflussfaktoren für die Erfolgschancen von M-KWK. Zudem bestehen Verbindungen zu
anderen Akteuren und Politikfeldern jenseits der Energieversorgung, insbesondere mit der
Wohnungswirtschaft und -politik, die in ihrer jeweiligen Ausprägung ebenfalls Einfluss auf die
Realisierungschancen von Mini-/Mikro-KWK haben kann.
Die vielfältigen Einflussfaktoren auf M-KWK wurden bereits in Kapitel 4 deutlich und sie
zeigen, dass die Rahmenbedingungen, die treibenden und hemmenden Faktoren für die
Umsetzung konkreter M-KWK Projekte und damit die Chancen für die Entwicklung des
Innovationsimpulses zu großen Anteilen außerhalb der konkret betrachteten Projekte und
vielfach auf übergeordneten Ebenen liegen, während auf lokaler Ebene Strategien gefunden
werden (müssen), mit den Konfliktlinien zu den Strukturen des bestehenden Energiesystems
umzugehen und so ggf. Erfolge zu verzeichnen.
45
LITRES Discussion Paper 2016-02
Die nachfolgende Tabelle fasst zusammen, welche Einflussfaktoren sich fördernd oder
hemmend auf die Chancen von Mini-/Mikro-KWK Anlagen auswirken. Die Darstellung ist
dabei in keiner Weise abschließend, denn selbstverständlich gibt es auch darüber hinaus
vielfältige Verbindungen zwischen dem Innovationsimpuls der Mini-/Mikro-KWK und
anderen Handlungsfeldern auf subnationaler, nationaler und internationaler Ebene. Dennoch
sollen hier die im Rahmen der Analyse als besonders wichtig erscheinenden Einflussfaktoren
zusammenfassend dargestellt werden (vgl. Tab. 2).
Tabelle 2: Einflussfaktoren und ihre Wirkung auf den Innovationsimpuls Mini-/Mikro KWK
Einflussfaktoren
anderer
Handlungsfelder
nationale Energiepolitik
EEWärmeG
KWKG
EEG
Diverse Förderstrukturen
Energiemarktdesign
Landesenergiepolitik
Wohnungspolitik
Virtuelle Kraftwerke
E-Mobilität
Strompreis
Gaspreis
Ölpreis
Effekt und Wirkungsweise
Positiv durch Pflicht erneuerbare Energien oder hocheffiziente
KWK im Neubau
Positiv durch verlässliche Förderung, ggf. auch für Wärmenetze
Neutral – ggf. Negativ, problematisch wäre v. a. die Ausweitung
der Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage
Grundsätzlich Positiv, aber
Negativ ist fehlende Planungssicherheit durch ständige
Änderungen
Negativ aufgrund fehlender Vergütung der Kapazitätsbereitstellung
Positiv – zumindest in den beiden betrachteten Fallräumen in Berlin
und NRW
Negativ durch mangelnde (sehr bürokratische) Möglichkeiten der
Direktvermarktung des Stroms an die Mieter und der
Umlagemöglichkeiten bei Investitionen
Positiv – M-KWK profitieren von der Integration in virtuelle
Kraftwerke und umgekehrt
Positiv – sinnvolle Kombi-Technologie mit M-KWK zur
Energienutzung und -speicherung
Negativ – die aktuell geringen Strompreise gefährden die
Wirtschaftlichkeit von M-KWK
Schwankend, geringe Energierohstoffpreise sind positiv, steigende
sind negativ für M-KWK
Schwankend – ein hoher Ölpreis ist positiv für die überwiegend auf
Erdgas basierenden M-KWK und war sogar mitverantwortlich für
Innovation
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LITRES Discussion Paper 2016-02
6. Ausblick auf Entwicklungsperspektiven und Handlungsempfehlungen
Aufbauend auf den Ergebnissen der Fallstudien und der Analyse der hemmenden und
fördernden Einflussfaktoren auf M-KWK als Innovationsimpuls im Energiesystem, soll ein
Ausblick auf die Entwicklungsperspektiven gegeben werden. Diese werden trotz der ähnlichen
Schwierigkeiten der betrachteten Beispielprojekte, insbesondere hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Komplexität, von befragten Experten sehr unterschiedlich bewertet.
Einige Akteure sehen insgesamt sehr gute Chancen für M-KWK, und dabei nicht nur für die
etwas größeren Mini-KWK, sondern auch für Mikro-KWK. Hier brauche es aber noch etwas
Zeit, bis sich die Technologie durchsetze, ähnlich wie bei der Einführung der Brennwerttherme,
die heute Standard sei. Eine wichtige Triebfeder sei hier, dass die Nutzer ein Interesse hätten,
ihren Strom selber zu produzieren, um direkt an der Energiewende und ihren Chancen
teilzuhaben. Die etablierten Akteure gerieten hierdurch deutlich unter Druck (vgl. Interview 4).
Chancen werden auch in der Motivation der Kunden gesehen, da im Einfamilienhaussegment
nicht allein die (oft noch schwierige) Wirtschaftlichkeit alleiniges Entscheidungskriterium für
einige Kunden sei, sondern auch andere Motivationen (Ökologie, Image, Technikaffinität) dazu
kämen, die für die Entwicklungsperspektiven von Mikro-KWK Anlagen eine wichtige
Antriebskraft sein könnten (vgl. Interview 2). Allerdings wird hier auch mit Veränderungen der
bisherigen Struktur am Markt von M-KWK Anlagen gerechnet. Insgesamt müsse die
Entwicklung hin zu einer größeren Vielfalt an Anlagen mit fein differenzierbaren
Leistungsklassen im sehr kleinen Leistungssegment gehen. Diese breitere Produktpalette werde
für die kleineren Anbieter eine Herausforderung, sodass angenommen wird, dass größere
Hersteller eher Marktanteile hinzugewinnen werden. Wichtig sei dabei das Angebot einer
Komplettlösung mit „allem aus einer Hand“ (Interview 2), inklusive der Betreuung während
der Laufzeit. Durch eine solche Entwicklung würde es auch einen größeren Wettbewerb
zwischen den Herstellern geben, der aktuell noch nicht im größeren Maße gegeben sei, was
auch die Weiterentwicklung bremse. Wenn in diesem Zuge auch die Stückzahlen größer
werden, könnten auch die Investitionskosten für die Anlagen sinken (vgl. Interview 2).
Ein weiterer Antreiber für Mini-/Mikro-KWK Anlagen wird darin gesehen, dass nach der
Abkehr von der Kernkraft auch die gesellschaftliche Akzeptanz für Kohle als Energieträger
sinke. Angesichts der gleichzeitig zunehmenden Anteile fluktuierender, erneuerbarer Energien
würde immer deutlicher, welche wichtige Rolle hocheffizienten und dezentralen M-KWK
Anlagen (oder auch KW(K)K) für das Gelingen der Energiewende zukäme (vgl. Interview 8).
Andere Akteure schätzen die Entwicklungschancen von M-KWK gemischter ein. So wird zwar
durchaus eine Chance darin gesehen, dass Nutzer mittelfristig Möglichkeiten entdecken mit MKWK Anlagen Geld zu verdienen, aber noch ist das Anfangsinvestment zu hoch und wirkt
daher abschreckend (vgl. Interview 3). Allerdings hängt der schmale Grad einer möglichen
Wirtschaftlichkeit von vielen Details ab. Am Beispiel eines konkreten Nutzers lässt sich z. B.
zeigen: Wenn die Gebäudesituation und Nutzungsstruktur eine Laufzeit von ausreichender
Länge (bspw. ca. 5000 Stunden/a) ermöglicht und das Investment mit Installationskosten, auch
in Abhängigkeit von der konkreten Gebäude- und Anschlusssituation, nicht zu hoch wird, kann
bereits heute eine Wirtschaftlichkeit erreicht werden – allerdings liegt die Amortisation auch
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LITRES Discussion Paper 2016-02
dann noch bei i. d. R. über zehn Jahren (vgl. Interview 2). Eine wichtige Rolle würden hier auch
die Wertesysteme der Nutzer spielen. Während heute noch die Kunden überwiegen, die eine
Anlage selber besitzen wollen und denen neben der Wirtschaftlichkeit auch Autonomie wichtig
ist, werden auch Chancen darin gesehen, dass mit neuen Generationen Kunden dazukommen,
die im Sinne einer „Share-Economy“ aufgeschlossener für neue Geschäftsmodelle sind, mit
Schwarmstrom und als Nutzer in einem virtuellen Kraftwerk, mit ggf. geteiltem Besitz an
Anlagen oder in Contractinglösungen. Auch hierdurch würden sich neue
Entwicklungsperspektiven für M-KWK ergeben (vgl. Interview 2).
Daneben gibt es sehr kritische Stimmen zu den Entwicklungsperspektiven von M-KWK. Diese
betonen, im Gegensatz zu der eben genannten Perspektive, die trotz aller Motivation
dominierende Frage der Wirtschaftlichkeit als Entscheidungskriterium für die Endkunden.
Diese ist bei den aktuellen M-KWK Anlagen im Vergleich zu alternativen Heizungslösungen
letztlich nicht ausreichend (vgl. Interview 3, 9). Möglichkeiten, dieses zentrale Hemmnis zu
umgehen, entstehen nur, wo Förderprogramme mit relativ hohen Fördersummen bestehen (vgl.
Interview 9). Zudem entsteht Druck durch das EEWärmeG, dass es erforderlich macht,
entweder erneuerbare Energien oder hocheffiziente KWK im Neubau einzusetzen, sodass allein
die klassische Brennwerttherme keine Lösung mehr ist. Allerdings gilt dies nur im Neubau –
das Haupthandlungsfeld ist aber der Bestand und im Neubau sind zugleich die Bedarfe so
gering, dass viele M-KWK Anlagen hier eher nicht zum Einsatz kommen können.
Die Einschätzungen der befragten Experten zu den Entwicklungsmöglichkeiten von M-KWK
gehen daher insgesamt sehr weit auseinander. Von der Einschätzung, dass das Themenfeld
kleiner KWK-Anlagen insgesamt ein wirtschaftlich schwieriges sei, in dem insbesondere für
die Mikro-KWK Anlagen keine nennenswerten Erfolgsaussichten bestünden (vgl. Interview
10), steht die Aussage gegenüber, dass es mittelfristig keine Gasheizung mehr ohne KWK
geben werde, weil der Einsatz von Gas in der Energieversorgung auf ineffiziente Weise (daher
ohne KWK) ökologisch und ökonomisch nicht mehr zu rechtfertigen sei (vgl. Interview 6).
Die Handlungsempfehlungen, die die befragten Akteure formulieren, zielen überwiegend in
eine ähnliche Richtung. Zentral wird die Reduktion des administrativen Aufwands bei der
Anmeldung, der Installation, der Förderung, dem Betrieb und der Versteuerung genannt (vgl.
Interview 8). Insgesamt müsse der formell-rechtliche Rahmen deutlich verschlankt werden und
idealerweise müsse die Planung, Installation, der Betrieb und die Abrechnung von M-KWK
Anlagen als Dienstleistung „aus einer Hand“ angeboten werden (vgl. Interview 4). Die
Komplexität der technischen Seite könnte in einem solchen Fall in einem Firmenverbund mit
Subunternehmen angeboten werden, sodass nicht der Endkunde vor der Herausforderungen
steht, mit zahlreichen Einzelunternehmen der verschiedenen beteiligten Handwerksbranchen
alleingelassen zu sein (vgl. Interview 2). Insbesondere im Thema der Fördermittelvergabe wäre
zudem deutlich mehr Konstanz wünschenswert, denn durch die vielen und oft unkalkulierbaren
Änderungen in den Fördergeldvergaben, aber auch im gesetzlichen Regelungsrahmen, entsteht
Planungsunsicherheit (vgl. ebd.).
Eine konkrete Empfehlung für die Reduktion der Komplexität und auch der mit M-KWK
verbundenen Bürokratie ist der Vorschlag, Stromzähler vorwärts und rückwärts laufen zu
48
LITRES Discussion Paper 2016-02
lassen, und damit die Einspeisung und andererseits Entnahme von Strom aus dem Netz zu
registrieren. Die Grundlage wäre, dass der eingespeiste Strom zu den gleichen Kosten vergütet
wird, wie die Summe, die für den entnommenen Strom zu zahlen ist. Am Ende eines Jahres
könnte abgerechnet werden und wenn mehr eingespeist als entnommen wurde, erhält der
Anlagenbetreiber Geld, im umgekehrten Fall muss er die Differenz bezahlen. Eine so vglw.
einfache Lösung hätte nach Ansicht mancher Experten gute Chancen auf Erfolg, aber bisher
keine Durchsetzungschancen gegen die Lobby anderer Akteure, wie bspw. der
Energieversorger. Dennoch argumentieren mehrere Akteure der M-KWK Branche bereits seit
vielen Jahren für eine solche Option (Interview 3).
Am gesetzlichen Rahmen gibt es von Seiten der Akteure konkrete Kritik, deren Änderung dem
Themenfeld Mini-/Mikro-KWK Auftrieb geben könnte. So wird zum einen der niedrige Preis
für CO2-Zertifikate kritisiert, der keinen Anreiz darstellt, von der kohlebefeuerten, zentralen
Stromerzeugung abzurücken. Veränderungen an diesem System zu Lasten der Kohle, könnten
(i. d. R. erdgasbefeuerte) Mini-/Mikro-KWK Anlagen im Vergleich deutlich besser
abschneiden lassen und potenzielle Kunden hätten einen größeren ökonomischen Anreiz für
eine Investition in eine M-KWK Anlage (vgl. Interview 3). Eine weitere gewünschte Änderung
am gesetzlichen Rahmen betrifft das Mietrecht. Eine wichtige Unterstützung für den
Innovationsimpuls würde sich ergeben, wenn die Vermieter die Möglichkeit hätten,
Investitionen in Anlagen wie Mini-/Mikro-KWK auf die Mieter umzulegen und steuerlich
abzuschreiben. Beides könnte die Investitionsbereitschaft der Vermieter in M-KWK Anlagen
erhöhen. Demgegenüber stehen hier die politischen Überlegungen zu den Obergrenzen dessen,
was für die Mieter finanziell zumutbar ist (vgl. ebd.).
Als eine weitere, wichtige Handlungsempfehlung wird die Einbindung zentraler Akteure in die
Planung und Umsetzung von Projekten der M-KWK genannt, darunter das Handwerk und die
Wohnungswirtschaft. Gerade letztere ist bisher nur wenig in das Themenfeld M-KWK
integriert, aber zugleich eine wichtige Nutzergruppe, da gerade in Mehrfamilienhäusern oft
wirtschaftlich lohnende Möglichkeiten für die Einrichtung von Mini-KWK bestehen (vgl.
Interview 9).
Auch wenn einige befragte Experten skeptisch sind, so sehen dennoch viele der im M-KWK
Themenfeld tätigen Akteure, unter der Voraussetzung der Verbesserung der
Rahmenbedingungen, von der Beratung, „Dienstleistung aus einer Hand“, über die Reduktion
der Komplexität bis hin zu größerer Konstanz in den Fördermittelvergaben, einen potenziell
großen Markt für Mini-/Mikro-KWK. Dies gelte auch im sehr kleinen Bereich der Ein- und
Zweifamilienhäuser, wo mittelfristig eine Alternative zu klassischen Öl- und Gasheizungen
gefunden werden müsse (vgl. Interview 2; 6).
49
LITRES Discussion Paper 2016-02
7. Anhang: Methodik und Eingangsparameter für
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
2.1. Vorgehensweise zur Berechnung der Wärmegestehungskosten
Die Ermittlung der Wärmegestehungskosten erfolgt in Anlehnung an VDI 2067: Es werden für
die jeweiligen Gebäudetypen und die betrachteten Wärmeversorgungstechnologien die
jährlichen kapitalgebundenen, betriebs- und verbrauchsgebundenen Kosten in Euro pro Jahr
ermittelt und aufaddiert:
•
•
•
•
Die kapitalgebundenen Kosten resultieren aus den jeweils getätigten Investitionen, die
anhand der Annuitätenmethode in jährliche Kosten übertragen werden. Förderungen
über die Mini-/Mikro-KWK-Förderung 4 oder das Marktanreizprogramm 5 werden dabei
mit berücksichtigt.
Zu den betriebsgebundenen Kosten zählen u.a. Kosten für Wartung, Instandhaltung,
Versicherung, Hilfsenergie, ggf. Schornsteinfegerkosten.
Die verbrauchsgebundenen Kosten umfassen die Brennstoffkosten (u.a. Erdgas,
Holzpellets, Heizöl, Strom) der jeweiligen Anlagen.
Bei der Berechnung der Wärmegestehungskosten von KWK-Anlagen erfolgt eine
Gutschrift für die erzeugte Strommenge. Hierfür wird angenommen, dass ein Teil des
erzeugten Stromes im Objekt selbst genutzt werden kann, während der verbleibende
Teil in das Stromnetz eingespeist und entsprechend vergütet wird. Mit KWK-Anlagen
sind - im Vergleich zu Heizkesseln - folgende zusätzlichen Einnahmen, Einsparungen
bzw. Erstattungen verbunden, die in Tabelle 3 aufgelistet sind.
Tabelle 3: Einnahmen, Einsparungen bzw. Erstattungen beim Einsatz einer Mini-/Mikro-KWKAnlage im Vergleich zu einer Wärmeerzeugung mit Heizkesseln (vgl. BHKW-Infothek
2016b; Oschatz 2013; BAFA 2015)
+
vermiedener Stromeinkauf bei Eigennutzung des erzeugten Stroms
+
Vergütung von eingespeistem, überschüssigem Strom (vgl. EEX-Baseload und
vermiedene Netznutzungsentgelte)
+
KWK-Zuschlag für erzeugten Strom (siehe BAFA 2015
+
Energiesteuererstattung für Brennstoff (z.B. Erdgas: 0,55 Cent/kWh)
6
)
Tabelle 4 gibt einen Überblick über die drei betrachteten Gebäudetypen, die jeweils spezifische
Versorgungsaufgaben wiederspiegeln. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Gebäude
4
Im Internet unter: http://www.bafa.de/bafa/de/energie/kraft_waerme_kopplung/mini_kwk_anlagen/
5
Im Internet unter: http://www.bafa.de/bafa/de/energie/erneuerbare_energien/index.html
6
Im Internet unter:
http://www.bafa.de/bafa/de/energie/kraft_waerme_kopplung/stromverguetung/index.html
50
LITRES Discussion Paper 2016-02
sanierte Altbauten darstellen, für welche jeweils eine Erneuerung der Wärmeversorgung
vorgenommen wird.
Tabelle 4:
Beschreibung der drei Gebäudetypen/Versorgungsaufgaben
Einfamilienhaus
(EFH)
Anzahl Wohneinheiten (WE)
Nutzfläche je WE
Gebäudenutzfläche
Anzahl Bewohner je WE
Bewohner insgesamt
Spezif. Heizwärmebedarf (sanierter
Altbau)
Spezif. Brauchwasserwärmebedarf
Spezif. jährl. Gesamtwärmebedarf
Jährlicher Gesamtwärmebedarf
1
170 m2
170 m2
4
4
Mehrfamilienhaus, 6
Wohneinheiten
(MFH, klein)
6
90 m2
540 m2
3
18
Mehrfamilienhaus, 32
Wohneinheiten
(MFH, groß)
32
62m2
1.984 m2
2
64
70 kWh/(m2*a)
70 kWh/(m2*a)
70 kWh/(m2*a)
12,5 kWh/(m2*a)
82,5 kWh/(m2*a)
14,03 MWh/a
16 kWh/(m2*a)
86 kWh/(m2*a)
46,4 MWh/a
16 kWh/(m2*a)
86 kWh/(m2*a)
170,6 MWh/a
Quellen: IER (2015), Mazlis (2013), IE (2011)
Neben dem Einsatz von KWK-Anlagen zur Wärmeversorgung werden - für einen Vergleich –
exemplarisch weitere Wärmeversorgungstechnologien mit untersucht. Diese sind in Tabelle 5
aufgelistet und umfassen neben der Wärmeversorgung über Erdgas-Brennwertkessel auch
Wärmeversorgungsoptionen über Erneuerbare Energien.
Tabelle 5:
Überblick über die exemplarisch betrachteten Wärmeversorgungstechnologien für die
drei Gebäudetypen (mit “x“ markiert)
Einfamilienhaus
(EFH)
Erdgas-KWK-Otto
Erdgas-KWK-Stirling
Pelletkessel
Pelletkessel + Solar
Holzhackschnitzelkessel
Wärmepumpe - Umgebungsluft
Wärmepumpe Erdwärmesonde
Erdgas - Brennwertkessel
Erdgas – Brennwertkessel + Solar
X
X
X
X
X
X
X
X
Mehrfamilienhaus,
6 Wohneinheiten
(MFH, klein)
X
Mehrfamilienhaus,
32 Wohneinheiten
(MFH, groß)
X
X
X
X
X
X
X
2.2. Datengrundlagen
Nachfolgend werden zunächst für die BHKW-Varianten die technischen Daten und
Kostendaten aufgeführt. Im Anschluss werden die Datengrundlagen für die weiteren
Wärmeversorgungsoptionen im Überblick aufgelistet.
2.1.1. Technische Daten und Kostendaten der Wärmeversorgung über BHKW
Tabelle 6 gibt einen Überblick über die technischen Daten, die den betrachteten KWKTechnologien für die drei Gebäudetypen zugrunde gelegt wurden. Tabelle 7 zeigt die zugrunde
gelegten Investitionskosten, die betriebs- und verbrauchsgebundenen Kosten auf.
51
Tabelle 6:
LITRES Discussion Paper 2016-02
Technische Eingangsdaten und Annahmen für die untersuchten BHKW in den drei
Gebäudetypen
Einfamilienhaus (EFH) a
Elektrische Leistung
Thermische Leistung
KWK-Jahresnutzungsgrad
Wärmebereitstellung (inkl.
Erzeugung, Wärmeübergabe/Regelung,
Verteilung)
KWK-Jahresnutzungsgrad Stromerzeugung
Mehrfamilienhaus, 6
Wohneinheiten
(MFH, klein) b
Mehrfamilienhaus,
32 Wohneinheiten
(MFH, groß) b
Erdgas-KWK-Otto c
Erdgas-KWK-Otto c
5,5 kW(el)
12,5 kW(th)
19,2 kW(el)
36,1 kW(th)
Erdgas-KWKStirling
1 kW(el)
5,8 kW(th)
Erdgas-KWKOtto
1 kW(el)
2,5 kW(th)
69,75%
58,2%
54,8%
51,2%
14% d
24% d
24,1%
27,2%
Jährliche Wärmeerzeugung
14.025 kWh/a
14.025 kWh/a
40.000 kWh/a (KWK);
6.440 kWh/a
(Spitzenlast)
Jährliche Stromerzeugung
Anteil Eigennutzung Strom
Anteil Einspeisung Strom
Eingesetzte Brennstoffenergie (Jahresbrennstoffbedarf) - Erdgas
2.816 kWh/a
60%
40%
5.783 kWh/a
50%
50%
17.600 kWh/a
50%
50%
144.400 kWh/a
(KWK);
26.225 kWh/a
(Spitzenlast)
76.800 kWh/a
50%
50%
20.112 kWh/a
24.095 kWh/a
73.058 kWh/a
282.151 kWh/a
ASUE (2011), Oschatz und Mailach (2013), Verbraucherzentrale NRW (2013), eigene Recherchen
ASUE (2011), Mazlis (2013), IE (2011), eigene Recherchen
c zusätzlich wird noch Spitzenlastkessel installiert
d vgl. Preissner (2011)
a
b
Tabelle 7:
Kostendaten für die untersuchten BHKW in den drei Gebäudetypen (inkl. Mwst.)
Einfamilienhaus (EFH)
Investitionen a
Kessel / Wärmeerzeuger inkl. Regelung,
Pufferspeicher etc., Lieferung,
Inbetriebnahme, Montage
Gasanschluss
Schornstein/Abgasleitung
Entsorgung Heizöltank
Summe
Förderung BAFA / Mini-KWK-Förderung
Summe Investition (inkl. MwSt.)
Kapitalgebundene Kosten
Nutzungsdauer (Kessel, Pumpe, Speicher,
Zubehör etc.)
Zinssatz
Summe kapitalgeb. Kosten (inkl. MwSt.)
Betriebsgebundene Kosten b
KWK-Stirling
ErdgasKWK-Otto
Mehrfamilienhaus, 6
Wohneinheiten
(MFH, klein)
Erdgas-KWKOtto g
Mehrfamilienhaus, 32
Wohnein-heiten
(MFH, groß)
21.750 €
20.420 €
33.194 €
68.032 €
2.250 €
1.200 €
500 €
25.700 €
-2.375€
23.325 €
2.250 €
1.200 €
500 €
24.370 €
-1.900 €
22.470 €
2.500 €
3.000 €
1.000 €
39.694 €
-2.950 €
36.744 €
2.975
3.570
2.380
76.957 €
- 3.492 €
73.465 €
15 Jahre
15 Jahre
15 Jahre
15 Jahre
2%
1.815 €/a
2%
1.749 €/a
2%
2.860 €/a
2%
5.717 €/a
Erdgas-KWKOtto g
52
Wartung (Pflege, Reinigung,
Betriebsstoffersatz), Instandsetzung
Schornsteinfeger
Bedienung/Überwachung
Heizkostenverteilung
Hilfsenergie
Summe betriebsgeb.Kosten (inkl. MwSt.)
Verbrauchsgebundene Kosten c
Verbrauchspreis Strom
Verbrauchspreis Erdgas
Summe verbrauchsgebundene Kosten (inkl.
MwSt.)
Gutschriften für Stromnutzung aus KWK
EEX-Baseload Strompreis
spezif. KWK-Zuschlag (Förderdauer: 60.000
Vollbenutzungsstunden) d
LITRES Discussion Paper 2016-02
134 €/a
275 €/a
896 €/a
2.688 €/a
40 €/a
40 €/a
80 €/a
39 €/a
213 €/a
81 €/a
396 €/a
420 €/a
107 €/a
1.503 €/a
80 €/a
200 €/a
2.240 €/a
157 €/a
5.365 €/a
6,9 cent/kWh
1.395 €/a
28,0 cent/kWh
6,8 cent/kWh
6,5 cent/kWh
1.634 €/a
4,734 €/a
6,2 cent/kWh
17.614 €/a
3,2 cent/kWh
Eingespeister Strom: 8 cent/kWhel
Selbstgenutzter Strom: 4 cent/kWhel
0,55 cent/kWh
Energiesteuerrückerstattung Erdgas
0,05 cent/kWh
0,1 cent/kWh
0,5 cent/kWh
0,5 cent/kWh
spezif. vermiedene Netznutzungsentgelte f
2,22 cent/kWh
EEG-Umlage auf selbstgenutzten Strom e
-472,70 €/a
-809,03 €/a
-2.462 €/a
-10.744 €/a
Vermiedener Stromeinkauf / Eigennutzung
-0,56 €/a
-1,51 €/a
-44 €/a
-192 €/a
Vermiedene Netznutzungsentgelte
Vergütung eingespeister Strom (EEX
-36,04 €/a
-92,53 €/a
-282 €/a
-1.229 €/a
Baseload)
KWK-Zuschlag eingespeister Strom (anteilig
-90,10 €/a
-160 €/a
-704 €/a
-3.072 €/a
umgerechnet auf 15 Jahre) d
KWK-Zuschlag selbstgenutzter Strom
-67,58 €/a
-80 €/a
-352 €/a
-1.536 €/a
(anteilig umgerechnet auf 15 Jahre) d
-110,62 €/a
-132,5 €/a
-402 €/a
-1.552 €/a
Energiesteuererstattung
854 €/a
EEG-Umlage auf selbstgenutzten Strom e
Insgesamt vermiedene Kosten bzw.
-777,61 €/a
-1.275,53 €/a
-4.246 €/a
-17.471 €/a
zusätzliche Einnahmen durch KWK-Strom
a IER (2015), Oschatz und Mailach (2013), Verbraucherzentrale NRW (2013), ASUE (2011), IE (2011), ergänzende eigene
Recherchen
b ASUE (2015), IER (2015), Mazlis (2013), Oschatz und Mailach (2013), Verbraucherzentrale NRW (2013), ASUE (2011), IE
(2011), ergänzende eigene Recherchen
c Erdgas und Strom, Grund- und -Arbeitspreise basierend auf EnBW-Tarifen, Stand September 2015, siehe
https://www.enbw.com/privatkunden/tarife-und-produkte/index.html; Pelletspreise basierend auf Angaben des Deutschen
Energieholz- und Pellets-Verbandes, siehe http://www.depv.de/de/home/marktdaten/pellets_preisentwicklung/;
Holzhackschnitzelpreise
basierend
auf
Angaben
von
CARMEN,
siehe
http://www.carmenev.de/infothek/preisindizes/hackschnitzel
Bzgl. KWK-Zuschlag siehe: http://www.bafa.de/bafa/de/energie/kraft_waerme_kopplung/stromverguetung/; KWK-G im
Internet unter: http://www.bafa.de/bafa/de/energie/kraft_waerme_kopplung/index.html; In den hier durchgeführten
Kalkulationen wird einheitlich für alle betrachteten KWK Anlagen folgende im novellierten KWK-G vorgesehene
differenzierte Vergütung angewandt: 8 cent/kWh für den in das allgemeine Stromnetz ausgespeisten KWK-Strom,
4 cent/kWh für den im Objekt selbst verbrauchten KWK-Strom, Förderdauer beträgt 60.000 VBh. Grundsätzlich besteht
nach dem novellierten KWK-G für KWK Anlagen bis 2 kWel die Möglichkeit einer einmaligen pauschalierten Zahlung von
4 cent/kWh el für 60.000 VBh. Dies wird in vorliegenden Rechnungen aber nicht berücksichtigt.
e) 2016 beträgt die reduzierte EEG Umlage auf selbst genutzten Strom 35%. Ausnahme: Bei BHKW bis zu einer elektrischen
Leistung von 10 kW ist die Nutzung selbst erzeugten Stroms bis zu 10.000 kWh von der Zahlung der EEG-Umlage
ausgenommen (Quelle https://www.verbraucherzentrale.de/BHKW-Verguetung); EEG-Umlage 2016: Die EEG-Umlage für
nicht privilegierten Letztverbraucherabsatz beträgt für das Jahr 2016: 6,354 Cent/kWh.
https://www.netztransparenz.de/de/EEG-Umlage.htm
f nach https://www.verbraucherzentrale.de/BHKW-Verguetung gibt es noch keine festgesetzte Vergütung für kleine BHKW,
daher eigene Abschätzung
g inkl. Erdgas-Spitzenlastkessel
d)
53
LITRES Discussion Paper 2016-02
2.1.2. Datengrundlagen für fossile und erneuerbare Wärmeversorgungstechnologien
Nachfolgend werden die Investitionskosten, die betriebs- und verbrauchsgebundenen Kosten
der zusätzlich betrachteten Wärmeversorgungsoptionen im Überblick dargestellt und auf die
jeweiligen Datenquellen verwiesen.
Investitionskosten: Die Investitionskosten für die betrachteten fossilen und erneuerbaren
Wärmetechnologien umfassen je nach Heiztechnologie die Kosten für Kessel/ Wärmeerzeuger
inkl. Regelung, Wärmepumpe (inkl. Zubehör, Anschlüsse, Warmwasserbereitung),
Wärmequelle (Sonde, Luftkanäle, Zubehör), Solarkollektoranlage (inkl. Zubehör),
Warmwasserbereitung, Pufferspeicher, Lagerung/ Austragung/ Tank/ Gasanschluss,
Schornstein/ Abgasleitung, Lieferung, Montage, Inbetriebnahme, Entsorgung Heizöltank, im
Falle von Wärmepumpen: Mehraufwand für hausinterne Verteilung.
Die Investitionskosten wurden bereits durchgeführten Vollkostenrechnungen bzw.
Heizkostenvergleichen verschiedener Autoren entnommen. Die Summen der
Investitionskosten sowie Angaben zu etwaigen Fördermöglichkeiten für die einzelnen
Gebäudetypen und Wärmeversorgungstechnologien finden sich in Tabelle 8.
Tabelle 8:
Überblick über die Summe der Investitionskosten sowie etwaiger Förderungen für die
drei Gebäudetypen und die untersuchten Wärmeversorgungstechnologien (Angaben
in Euro, inkl. Mwst.)
Einfamilienhaus (EFH) a
Mehrfamilienhaus, 6
Wohneinheiten
(MFH, klein) b
Mehrfamilienhaus, 32
Wohneinheiten
(MFH, groß) c
Förderung
Investition
(Marktanreiz
programm)
Investition
Förderung
Investition
Förderung
Pelletkessel
15.930
-3.500
25.670
-3.500
52.007
Pelletkessel + Solar
22.530
-6.000
-d
-d
Holzhackschnitzelkessel
-d
29.260
-3.500
54.978
Wärmepumpe 23.100
-1.300
-d
-d
Umgebungsluft
Wärmepumpe
27.600
-4.500
-d
-d
Erdwärmesonde
Erdgas - Brennwertkessel
9.550
13.638
28.917
Erdgas – Brennwertkessel
15.850
-2.500
-d
-d
+ Solar
a
in
Anlehnung
an
IER
(2015),
Förderprogramm
MAP
(http://www.erneuerbareenergien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/foerderung-im-marktanreizprogramm-2015-bafa.pdf?__blob=publicationFile),
Hartmann et al. (2013), ergänzte eigene Recherchen
b in Anlehnung an Mazlis (2013), Hartmann et al. (2013), ergänzt um eigene Recherchen
c in Anlehnung an IE Leipzig (2011), FNR (2012), FNR (2013), ergänzt um eigene Recherchen
d nicht betrachtet
Für die Kalkulation der jährlichen Kapitalkosten wurde (mit Ausnahme von KWK-Anlagen,
hier: 15 Jahre) eine 20jährige Lebensdauer der Anlagen sowie Zinssätze in Höhe von 2%
zugrunde gelegt.
Betriebsgebundene Kosten: Die betriebsgebunden Kosten basieren ebenfalls auf bereits
durchgeführten Vollkostenrechnungen bzw. Heizkostenvergleichen verschiedener Autoren.
Die Kostenangaben umfassen Kosten für Instandsetzung, Wartung, Schornsteinfeger,
54
LITRES Discussion Paper 2016-02
Versicherung/Überwachung und Hilfsenergie. Die Summen der betriebsgebundenen Kosten für
die einzelnen Gebäudetypen und Wärmeversorgungstechnologien finden sich in Tabelle 9.
Tabelle 9:
Überblick über die Summe der betriebsgebundenen Kosten für die drei Gebäudetypen und die exemplarischen Wärmeversorgungstechnologien (inkl. MWst.)
Summe betriebsgebundener Kosten
Pelletkessel
Pelletkessel + Solar
Holzhackschnitzelkessel
Wärmepumpe - Umgebungsluft
Wärmepumpe Erdwärmesonde
Erdgas - Brennwertkessel
Erdgas – Brennwertkessel + Solar
Einfamilienhaus
(EFH) a
Mehrfamilienhaus, 6
Wohneinheiten
(MFH, klein) b
1.631 €/a
Mehrfamilienhaus,
32 Wohneinheiten
(MFH, groß) c
4.981 €/a
-d
-d
-d
1.882 €/a
4.882 €/a
331 €/a
376 €/a
323 €/a
323 €/a
-d
-d
-d
-d
1.007 €/a
3.423 €/a
-d
-d
526€/a
526 €/a
a in
Anlehnung an IER (2015).
In Anlehnung an IER (2015), IE (2011), Hartmann et al. (2013)
c In Anlehnung an IE (2011), Hartmann et al. (2013), Mazlis (2013)
d nicht betrachtet
b
Verbrauchsgebundene Kosten: Die Preise für den Bezug von Strom, Erdgas, Pellets und
Hackschnitzeln wurden - wie auch bei den BHKW-Varianten - folgenden Quellen entnommen:
•
•
•
Erdgas und Strom, Grund- und -Arbeitspreise basierend auf EnBW-Tarifen, Stand
September
2015,
siehe
https://www.enbw.com/privatkunden/tarife-undprodukte/index.html
Pelletspreise basierend auf Angaben des Deutschen Energieholz- und PelletsVerbandes, siehe http://www.depv.de/de/home/marktdaten/pellets_preisentwicklung/
Holzhackschnitzelpreise basierend auf Angaben von CARMEN, siehe
http://www.carmen-ev.de/infothek/preisindizes/hackschnitzel
Die Summen der verbrauchsgebundenen Kosten für die einzelnen Gebäudetypen und Wärmeversorgungstechnologien finden sich in Tabelle 10.
55
Tabelle 10:
LITRES Discussion Paper 2016-02
Überblick über die Summe der verbrauchsgebundenen Kosten für die drei
Gebäudetypen und die exemplarischen Wärmeversorgungstechnologien
Summe verbrauchsgebundener Kosten
Pelletkessel
Pelletkessel + Solar
Holzhackschnitzelkessel
Wärmepumpe - Umgebungsluft
Wärmepumpe Erdwärmesonde
Erdgas - Brennwertkessel
Erdgas – Brennwertkessel + Solar
a
nicht betrachtet
Einfamilienhaus
(EFH)
1.091 €/a
870 €/a
Mehrfamilienhaus, 6
Wohneinheiten
(MFH, klein)
3.015 €/a
Mehrfamilienhaus,
32 Wohneinheiten
(MFH, groß)
11.076 €/a
-a
-a
-a
1.973 €/a
7.250 €/a
1.157 €/a
853 €/a
1.153 €/a
952 €/a
-a
-a
-a
-a
3.276 €/a
11.414 €/a
-a
-a
56
LITRES Discussion Paper 2016-02
Quellen
Literatur
Arnold, A./Sonnberger, M./Schäffler, H., (2014): Soziotechnische Entwicklungen und
Geschäftsmodellinnovationen im Energiebereich. Ergebnisse aus Workshops zu den
Themenfeldern Mikro-/Mini-KWK, Contracting, Intelligente Infrastrukturen und
Bürgerwindanlagen. LITRES Discussion Paper 2014-01. Stuttgart.
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e.V. BHKW-Kenndaten 2014/2015. Module, Anbieter, Kosten.
ASUE (2011): Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch
e.V. Ratgeber Wärmeversorgung mit Kostenvergleich Heizung 2011, Neubau /
Grundsanierung. Im Internet unter http://asue.de/node/438, zuletzt besucht am 19.01.2016
BAFA (2015): Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA): Informationen zu
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http://www.bafa.de/bafa/de/energie/kraft_waerme_kopplung/index.html, Zuletzt besucht am:
17.01.2016
Bachor et al. 2013: Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Status quo und Perspektiven.
Statusreport 2013. Verein Deutscher Ingenieure e.V. DüsseldorfBAFA (2015): Bundesamt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA): Informationen zu KWK-Förderung. Im Internet
unter: http://www.bafa.de/bafa/de/energie/kraft_waerme_kopplung/index.html, Zuletzt
besucht am: 17.01.2016
Berthold, O. (2012): Effizienztechnologien – Mit Feldtests zur Marktreife. Berliner
Energietage – Veranstaltung „Berliner NetzwerkE – Strom effizient nutzen“. 25.Mai 2012. Im
Internet unter: http://www.berliner-netzwerke.de/media/file/366.120525_410_berthold_berliner_netzwerke.pdf, zuletzt besucht am
26.01.2016
BHKW-Infothek 2016a: Die BHKW-Infothek: Modelle und Anbieter von BHKW unterschiedlicher Leistungsbereiche. Übersicht. In: http://www.bhkw-infothek.de/bhkw-anbieterund-hersteller/, zugegriffen am 27.01.2016
BHKW-Infothek 2016b: Die BHKW-Infothek. 2. Wirtschaftlichkeit. In: http://www.bhkwinfothek.de/bhkw-informationen/wirtschaftlichkeit-foerderung/, zugegriffen am 17.01.2016.
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Interviews
Interview 1
Interview 2
Interview 3
Interview 4
Interview 5
Interview 6
Interview 7
Interview 8 (Schriftl.Befragung
und telefonische Nachfragen)
Interview 9 (Telefoninterview)
Interview 10
GASAG AG
SHK Innung Berlin
SenerTec Kraft-WärmeEnergiesysteme GmbH
Innovation City GmbH
Stadtwerke Bochum
Energieagentur NRW
Vattenfall Europe Wärme AG
Gas-Wärme-Institut e.V.
Juni 2014
Februar 2015
Januar 2015
Emscher-Lippe-Energie GmbH
Trianel GmbH
August 2015
Juli 2014
Juni 2014
Dezember 2013
Juli 2014
Juni 2014
August 2015
Gesetzestexte
EU-Richtlinie 2004/8/EG Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über die
Förderung einer am Nutzwärmebedarf orientierten Kraft-Wärme-Kopplung im Energiebinnenmarkt
und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG (Inkrafttreten am 21.02.2004).
60
LITRES Discussion Paper 2016-02
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Berlin (Berliner Energiewendegesetz – EWG Bin)
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