FREITAG, 28.08.2015 I NR. 68, 129. JAHRGANG AZ 5610 WOHLEN (AG) 1 I FR. 2.50 OBERFREIAMT UNTERFREIAMT SPORT WOHLEN Die Spitex Muri und Umgebung ist ab dem 3. September an einem neuen Standort – alles andere bleibt gleich. Seite 12 Die reformierte Kirche Villmergen feiert 50-jähriges Bestehen. Wie es um die Zukunft der Kirche bestellt ist, ist noch ungewiss. Seite 15 Die Döbeli-Brüder aus Sarmenstorf wollen am eidgenössischen Nachwuchsschwingertag absahnen. Seite 20 Marcel Lanz aus Langenthal wird im nächsten Frühling die Stelle des Geschäftsleiters im Bifang übernehmen. Seite 30 Knallhart und wortgewandt kommentar Jean-Pierre Gallati, der Mann, der den Wohler Gemeindeammann attackiert, im Fokus Anwalt, Politiker, Familienmensch, Geschichtsinteressierter, Fussballfan. Jean-Pierre Gallati hat viele Facetten. Grösstenteils kriegt man nur den intelligenten und provozierenden Politiker zu Gesicht. Wie jüngst in der «Affäre Dubler». Chregi Hansen, Redaktor. Die richtigen Lehren ziehen Berufe Muri+ war letzten Herbst ein Erfolg. Und erlebte diese Woche eine Neuauflage. Berufe Wohlen+ übernahm das Konzept. Und feierte jetzt eine gelungene Premiere. Das Prinzip ist eben gut. Auf einfache Art erhalten Schüler und Schülerinnen erste Einblicke in die Arbeitswelt. Das hilft ihnen, wenn es um die Berufswahl geht. Gleichzeitig können sich die Unternehmen der Region potenziellen Lehrlingen präsentieren. Und für die Schulen ist es der ideale Einstieg ins Thema Berufswahl. Eigentlich eine Winwin-Situation. Stefan Sprenger «Ich zeigs Ihnen gerne.» Jean-Pierre Gallati holt seinen Laptop hervor. Er erklärt, wie er Wohlens Gemeindeammann Walter Dubler auf die Schliche gekommen ist. «Ich hatte keinen Whistleblower, wie viele behaupten», so Gallati. Routinemässig habe er den Lohn von Walter Dubler kontrolliert und dabei Unregelmässigkeiten festgestellt. Immer mehr kam ans Licht. Mittlerweile hat Gallati schon drei Vorstösse eingereicht. Gallati sägt damit stark am Stuhl des Gemeindeammanns. «Er hat mehrere Griffe in die Gemeindekasse gemacht, das geht einfach nicht.» «Grosse Verantwortung» Will Gallati, dass Dubler zurücktritt? «Nein, das habe ich nie gesagt.» Der 49-Jährige appelliert viel mehr an die zuständigen Instanzen, dass man die Amtsenthebung einleitet. «Wenn das ‹System Dubler› weg ist, kann es nur noch besser werden», so Gallati. Akribisch und mit System arbeitet Gallati daran, dass Dubler zur Rechenschaft gezogen wird für das, was er getan hat. Und Jean-Pierre Gallati lässt nicht locker. Knallhart, provozierend, intelligent, wortgewandt. So kennt man ihn in der Öffentlichkeit. So hat er sich Freunde und Feinde gemacht. Doch Jean-Pierre Gallati (links), der knallharte Politiker. Doch der gebürtige Waltenschwiler hat noch viel mehr Facetten. «JPG» hat noch viel mehr Facetten als «nur» jene eines Politikers in Einwohnerrat und Grossrat. Ein Teil seines Lebens war das Militär. Er absolvierte die 17-wöchige Rekrutenschule im Tessin. Sein Zugführer damals war Matthias Jauslin, der Wohler FDP-Mann, der auch im Grossen Rat sitzt. Jahre nach der Rekrutenschule wird Gallati Kompaniekommandant. «Ich führte 153 Leute. Das war eine grosse Verantwortung.» Heute ist Gallati Major im Armeestab. Bild: Simon Huwiler In mehreren Gesprächen wurde versucht, hinter die Fassade des «etwas anderen» Gallati zu blicken. Er erzählt unter anderem, warum er für eine Woche ins Kloster ging. Bericht Seite 27 Zum Bewegen animieren Projekt Gorilla machte in Wohlen halt Skatboarden mit Beinprothese? Breakdance trotz Trisonomie 21? Die Inklusionsworkshops des Projekts Gorilla machen es möglich. Hanspeter Dick führte vier Gruppen à zehn Schüler durch den Rübelilandbeck. Bild chh Viele Berufe entdeckt Erstausgabe von Berufe Wohlen+ Wohlen kopiert Muri. Und lässt Achtklässler in ganz verschiedenen Betrieben Einblick nehmen. Berufe Muri+ hiess es letzten Herbst. Die Aktion fand Beachtung in der ganzen Region. Und wurde diese Wo- che in Wohlen kopiert. Alle Achtklässler der Oberstufen aus Wohlen, Villmergen und Niederwil konnten in zwei Tagen bis zu sechs Betriebe kennenlernen. Damit sind sie ideal gerüstet für die Berufswahl. --chh Berichte Seite 24 und 25 Er war der Star des Tages. «Schon vor dem eigentlichen Startschuss haben sich die Schüler nach ihm erkundigt, erzählt Oskar Müller, Schulleiter der HPS. Gemeint ist Thomas Winkler. Beruf: Skateboarder. Besonderheit: eine Prothese am linken Bein. «Skateboarden war meine Welt», erzählt der Ostdeutsche. «Nach meinem Verkehrsunfall war mein erster Gedanke nicht: Kann ich wieder laufen? Sondern: Kann ich wieder skateboarden.. Inzwischen kennt er die Antwort: Er kann. Und was er kann, sollen auch andere können. Winkler engagiert sich im Gesundheitsförderungsprogramm Gorilla. In ihren Workshops animieren junge Sportler die Kids zu mehr Bewegung und zu gesundem Essen. Aus Anlass des 5. Geburtstages tun sie dies jetzt auch an Heilpädagogischen Schulen. Mit Thomas Winkler freut sich, wenn er den Kids etwas weitergeben kann. Bild: pd Bei aller Begeisterung über das Konzept hat das Projekt noch Verbesserungspotenzial. Wenn Schüler sich gleich für sechs Besichtigungen anmelden (müssen), dann ist der eine oder andere Beruf dabei, der sie gar nicht interessiert. Und wenn sie völlig unvorbereitet sind und keine Fragen stellen, dann werden die 90 Minuten sehr lange. Hier muss angesetzt werden. Es braucht nächstes Jahr mehr Vorbereitung. Und weniger Besuche. Muri hat nach der Erstausgabe bereits reagiert. Ausruhen liegt auch in Wohlen nicht drin. Niederwil Von Martyrium zu Martyrium «Ich bin Schweizerin, habe immer gearbeitet, habe meine Steuern bezahlt und mir nichts zuschulden kommen lassen. Nur weil ich jetzt nicht mehr die Leistung bringen kann, die ich vorher brachte und nun abhängig von anderen werde, werde ich so behandelt.» Die 34-jährige Claudia Polar hat durch die Entfernung ihres Gehirntumors Langzeitschäden erlitten. Sie ist seit über zwei Jahren bei der IV angemeldet. Beim Warten auf den Rentenentscheid schwindet ihr Erspartes. Wann die IV über eine allfällige Rente entscheidet, weiss sie nicht. Diese schier endlose Geschichte geht ihr an die Substanz. Trotzdem sagt sie entschlossen: «Ich kämpfe weiter für meine Rechte.» --sab Bericht Seite 13 ihrer coolen Art und ihrer Leidenschaft für den Sport steckten die «Gorillas» die Kinder sofort an. --chh Bericht Seite 29 9 771660 973508 50035 Wohlen FREITAG, 28. AUGUST 2015 Mit etwas Hilfe wird Unmögliches plötzlich möglich. 29 Thomas Winkler verlor nach einem Verkehrsunfall ein Bein. Das hält ihn nicht davon ab, weiter Skateboard zu fahren. Das beeindruckt nicht nur die Kids. Spüren, was alles möglich ist Inklusionsworkshop des Gesundheitsförderungsprogramms Gorilla machte in der HPS halt Seit fünf Jahren entert die Gorilla-Crew mit ihrem Bus regelmässig Schulen. Junge Freestylesportler und Ernährungsprofis verhelfen den Kids zu einem besseren Lebensgefühl. Zum 5. Geburtstag gibt es eine Inklusionstour, der Start erfolgte diese Woche an der HPS Wohlen. Jahren wurden die Gorilla-Workshops lanciert. Mit ihnen erreichen Silvani und sein Team auf unkomplizierte Art und Weise Tausende von Kindern pro Jahr. «Uns ist es wichtig, dass sich die Kinder bewegen und wissen, was für sie gesund ist. Darum nimmt neben dem Sport auch die Ernährung einen wichtigen Teil des Programms ein», erklärt der Bündner. Die Menschen würden heute immer bequemer, viele Kinder sind übergewichtig. Mit dem Gorilla-Projekt lernen sie viel über sich und überschreiten zum Teil Grenzen, wagen sich an Neues. «Wir wollen Freude vermitteln. Die Kids sollen Erfolgserlebnisse haben. Was wir vermitteln, soll längerfristig Wirkung haben», so Silvani. Chregi Hansen Eigentlich gibt es für Luigi Ponte nur eine Sportart: Fussball. Der Präsident der Schweizer Schiedsrichter und Vizepräsident des Aargauer Fussballverbandes lebt für seinen Sport. Doch von dem, was er an diesem Morgen rund ums Schulhaus Junkholz sieht, ist der Wettinger begeistert. Behinderte und nicht behinderte Schüler rasen unter Anleitung von Profis auf Skateboards herum, üben sich in Breakdance oder lernen den brasilianischen Kampftanz Capoeira. Sie vergnügen sich beim FrisbeeSpiel und bereiten sich selber ein gesundes Znüni zu. Und wo Ponte auch hinschaut: Überall sieht er nur glückliche Gesichter. Und das liegt nicht nur am sonnigen Wetter. Die Erfolge stellen sich schnell ein Ponte, der sich bei Plussport auch für den Behindertensport engagiert, zollt den Verantwortlichen des Projekts Gorilla grossen Respekt. «Jeder soll Sport betreiben können. Bei mir ist es Fussball, dafür engagiere ich mich. Aber letztlich ist es doch egal, welche Sportart es ist», betont er. Und auch Cyrill Raemy, Projektleiter von Blindspot, einer nationalen Förderorganisation für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung, lobt das Projekt in höchsten Tönen. «Gerade Sport ist trotz Behinderung möglich Drei Partner, die sich bei diesem Projekt gefunden haben (von links): Ernesto Silvani (Schtifti), Cyrill Raemy (Blindspot) und Luigi Ponte (Plussport). Freestylesportarten eignen sich wunderbar für solche Anlässe. Sie ermöglichen den Kindern schnelle Erfolgserlebnisse», ist er überzeugt. Blindsport ist denn auch Fachpartner von Gorilla. Und noch einer ist begeistert. «Ich staune, was die Kinder nach so kurzer Zeit schon alles können», sagt Oskar Müller, Schulleiter der HPS. «Und wenn man die Kinder draussen sieht, wie sie mit Freude an der Sache sind, erkennt man den Unterschied zwischen unseren Schülern und denen des Junkholz kaum noch», fügt er an. 50 Kinder der HPS und ebenso viele aus der Regelschule nahmen am Projekt teil. Rund ein Dutzend Mitarbeiter von Gorilla kümmern sich um sie. «Das scheint viel zu sein. Aber uns ist es wichtig, dass die Kids eine Beziehung zu ihren Leitern aufbauen. Nur so ist es möglich, die Leidenschaft für den Sport zu vermitteln», erklärt Noemi Reichel, Programmleiterin und Personalverantwortliche von Gorilla. Einer, der sich über das viele Lob freut, ist Ernesto Silvani. 2003 gründete Silvani zusammen mit Roger Grolimund mit dem Geld aus einer Erbschaft die Schtifti Foundation. Ziel war es, sich für die Gesundheit «« Was wir vermitteln, soll lange Wirkung haben Ernesto Silvani, Stiftung Schtifti der Kinder und Jugendlichen tatkräftig und an vorderster Front einzusetzen. Was mit einem Skaterbus begann, entwickelte sich mit der Zeit zu einem national sowie international ausgezeichneten Programm. Vor fünf Zum 5. Geburtstag des Projekts Gorilla lanciert die Stiftung eine Inklusionswoche. «Wir wollen das Jubiläum nicht für uns feiern, sondern etwas für Kinder mit Behinderungen tun. Die gehen zu oft vergessen», erklärt der Präsident der Schtifti Foundation. Ganz nach dem Motto: Freestylesport ist trotz kognitiver oder körperlicher Behinderung möglich. Was die Kids draussen sowie in der Turnhalle eindrücklich beweisen. «In den Begegnungen mit diesen Kindern lernen auch wir von der Crew ganz viel», betont Silvani. Skateboardprofi trotz Prothese Zum Auftakt der Woche in Wohlen hat die Gorilla-Crew einen prominenten Botschafter dabei: Thomas Winkler, deutscher Profiskateboarder, der seinen Sport trotz Beinprothese mit grosser Leidenschaft ausübt. «Nach meinem Unfall dachte ich, dass ich nie mehr skateboarden kann, habe mich lange zurückgezogen», erzählt er. Heute beweist er allen das Gegenteil. «Ich will mit meinen Auftritten anderen Mut machen. Man soll sich nicht verstecken. Wenn man sich et- «« Wenn man sich etwas zutraut, ist vieles möglich Thomas Winkler, Skateboardprofi was zutraut, ist vieles möglich», so der Ostdeutsche, der extra für diese Tour in die Schweiz gekommen ist. Und der für viele Wohler Kinder nun als Vorbild dient. «Was sie sportlich machen, ist egal. Hauptsache, sie bewegen sich», meint Winkler. Das ist ganz im Sinn von Schulleiter Oskar Müller. «Gerade unsere Kinder brauchen jemanden, der sie motiviert. Der sich mit ihnen freut. Der sie begeistert für den Sport», sagt er. Das Projekt Gorilla geht da mit gutem Beispiel voran. «Wir haben freiwillige Mitarbeiter aus allen Berufssparten, vom Hausabwart bis zum Islamwissenschaftler. Wichtig ist für uns, dass sie mit Leidenschaft dabei sind und das auch ausstrahlen», sagt Noemi Reichel. In Wohlen ist dies definitiv der Fall, wie ein Blick in die Gesichter der Kinder beweist. Fussballturnier angeboten Kein Wunder, wünscht sich Müller einen regelmässigen Stopp des Gorilla-Busses in Wohlen. Das kann Silvani nicht garantieren. «Wir sind an rund 40 Schulen pro Jahr. Da können wir nicht immer die gleichen Orte ansteuern, auch wenn wir es gerne würden», meint er entschuldigend. Aber Luigi Ponte weiss Abhilfe. «Wenn es gewünscht wird, veranstalte ich hier ein Fussballturnier für behinderte Kinder», bietet er an. Womit er dann doch näher bei «seiner» Sportart ist. Gratulieren und Gutes tun Auf dem Programm steht nicht nur Sport, sondern auch gesunde Ernährung. Bedienen können sich die Schüler beispielsweise am Müesli-Buffet. Schon nach kurzer Zeit beherrschen die Schüler und Schülerinnen die ersten Breakdance-Moves. Bilder: Chregi Hansen/zg Inklusion ist bei Gorilla seit jeher ein zentrales Element. Dennoch ist eine eigene Inklusionstour Neuland für die Crew. Die Schtifti hat sich daher erfahrene und kompetente Fachpartner, namentlich Blindsport und Plusport, an die Seite geholt. Übrigens, wer jetzt die Chance nutzen möchte, der Gorilla-Crew und der Schtifti Foundation zu fünf erfolgreichen Jahren zu gratulieren, kann dies vom 26. August bis 31. Oktober direkt auf der Website www.gorilla.ch tun. Der Clou: Für jeden Glückwunsch spenden Coop und Philips je 5 Franken an Gorilla.
© Copyright 2024 ExpyDoc