Freising im Visier Ausstellungseröffnung

Freising im Visier
Ausstellungseröffnung/Buchpräsentation
Redebeitrag Dr. Ulrike Götz am 16.10.2015
Ein immer wiederkehrendes Motiv in der Sprache und der Bilderwelt der Schützen ist das
Glück – das Glück, das der Schütze beim Schießen genauso braucht wie Übung und Geschick,
wie seine ruhige Hand, sein treffsicheres Auge.
So taucht der Begriff von Glück oder Fortuna immer wieder in den Devisen auf, unter denen
die Schützen bis ins 19. Jahrhundert anstelle ihres Namens an den Schießen teilnahmen. Die
lauteten unter anderem: Glück zu, Glück und Glas, Cui Fortuna favet – wem das Glück
günstig ist.
Und auch auf unseren bemalten Scheiben, vor allem auf den älteren, ist das Glück immer
wieder Thema:
Da ist die Darstellung des Gottes Vulkan, der das Glück – eine zarte, flüchtige Gestalt, die auf
einer Kugel balanciert – auf seinem Amboss an eine Kette zu schmieden versucht.
Da ist die Göttin Fortuna, die, auf Wolken schwebend, aus einem Füllhorn ihre Gaben
ausschüttet.
Oder da ist auf einer weiteren Scheibe – besonders schön dargestellt – das Glück, das in ein
luftiges Gewand gehüllt, auf Stelzen balanciert und damit wiederum die Fragilität dieses
Gutes verbildlicht.
Wem die Sammlung eines Museums anvertraut ist und diese durch passende Objekte zu
erweitern sucht, wer nach kostbaren Gegenständen Ausschau hält, dem geht es ein wenig
wie dem Schützen. Er braucht Geschick, Übung, ein scharfes Auge, aber nicht zuletzt eben
auch Glück.
Es gibt Gegenstände, nach denen man auf der Grundlage eines bestimmten
Sammelkonzeptes gezielt sucht, um die man sich planmäßig bemüht – mit Erfolg oder ohne
Erfolg.
Anderes taucht einfach auf, fliegt einem zu, quasi wie aus Fortunas Füllhorn ausgeschüttet,
und man muss nur zugreifen.
So war es ein bisschen mit dem Scheibenbestand der Freisinger Feuerschützen.
Wir haben in unserem Museum auf diese Objektgruppe nicht spekuliert, auch weil uns ihre
Existenz zunächst nicht bewusst war.
Und dann fielen uns gleich 107 bemalte Scheiben in den Schoß.
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Es gab im Vorfeld allerdings einige Personen, die das Glück sozusagen in unserem Sinn
geschmiedet haben.
Da ist an allererster Stelle der inzwischen verstorbene Büchsenmachermeister Franz
Weidinger zu nennen, Mitglied der Freisinger Feuerschützen, der seit langen Jahren seinen
Mitschützen in den Ohren lag, man müsse den kostbaren Bestand der Gesellschaft in
sicherere und langfristige Obhut geben. Von einigen wenigen Scheiben abgesehen, die sich
zeitweise im Diözesanmuseum befanden, war die große Mehrheit ja im Schützenheim
aufbewahrt.
Franz Weidinger hatte einen Verbündeten im damaligen Oberbürgermeister Dieter
Thalhammer. Auch Kulturreferent Dr. Hubert Hierl erwies sich von Anfang an als Freund der
Schützenscheiben.
Es gab dann Vorgespräche mit dem Historischen Verein, und 2009 war es soweit: Die
Feuerschützen übergaben die älteren Scheiben ihres Bestandes aus der Zeit zwischen 1684
und 1954 auf der Grundlage eines Vertrags als unbefristete Leihgabe in die Sammlung des
Vereins im Stadtmuseum.
Hier sind sie nun räumlich, konservatorisch und organisatorisch besser untergebracht. Aber
auch inhaltlich stellt die Sammlung des Historischen Vereins ein passendes neues Zuhause
dar: So ergeben sich sinnvolle Verflechtungen mit den Gegenständen aus der Zeit
fürstbischöflicher Herrschaft, vor allem aber auch mit den Beständen zur Freisinger Bürgerund Vereinsgeschichte, den zahlreich vorhandenen Zunftaltertümern, den Zeugnissen des
Freisinger Handwerks und Kunsthandwerks, aber auch der Freisinger Malereigeschichte.
Parallel zum übergebenen Sachgut, zu dem auch die kostbare Schützenkette mit ihrer ersten
Medaille aus dem 16. Jh. gehört, ging das historische Schriftgut an das Freisinger Stadtarchiv.
Spätestens als die 107 Scheiben im Museumsdepot Einzug gehalten hatten und an den
Gitterzügen der großen Zugregalanlage hingen, war klar, dass sich hier ein ganz besonderer
Objektbestand eingefunden hatte.
Schon in ihrer vitalen Gegenständlichkeit als dicke Holzscheiben von teilweise über 1 Meter
Durchmesser, von den Einschüssen durchlöchert, verschaffen sich die Schützenscheiben
beim Gegenüber einen starken Eindruck.
Die Bilder sodann voller Farbigkeit und von einer überreichen Vielfalt der Motive:
Da treten dem Betrachter antike Götter mit ihren verschiedenen Attributen entgegen,
charmante allegorische Frauengestalten, eine kriegerische Bavaria in Helm und Rüstung,
Porträts gestandener Freisinger Bürger, Gestalten aus Dichtung, Märchen und Sage,
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natürlich auch der Freisinger Bär in vielen Varianten, sodann Stadtansichten und
Gebirgspanoramen, Wappen, Orden, Embleme, umwoben von Schmuckgirlanden und
Spruchbändern.
Und dies im ungewöhnlichen Format runder Bilder, die ganze eigene kompositorische
Gestaltungsformen zeigen.
Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt hatte sich bei den Feuerschützen ein großer,
eigenwilliger Bilderzyklus überliefert, in dem sich politische und gesellschaftliche Geschichte,
Kultur- und Mentalitätsgeschichte der letzten 300 Jahre spiegeln – dies in lokalen wie in
überregionalen Bezügen. Im thematischem Mittelpunkt steht natürlich Freising. Der Bogen
spannt sich von der Epoche der Fürstbischöfe, also der Zeit des Alten Reichs, über das
bürgerliche 19. Jh. hinein ins 20. Jh., hier wiederum vom 1. Weltkrieg über die durch
Verunsicherung und Vielstimmigkeit geprägten Zwanziger Jahre zum Dritten Reich und bis
hinein in die Nachkriegszeit und die jüngere Vergangenheit.
Zugleich präsentiert sich die Scheibenfolge als eine Galerie Freisinger Malergeschichte.
Schützenscheiben lassen sich im Allgemeinen nicht allzu oft konkreten
Malerpersönlichkeiten zuordnen. Im Fall des Freisinger Bestandes ist dies nun im Gegenteil
in vielen Fällen möglich, sei es dass die Scheiben durch den Maler direkt signiert sind, sei es,
dass sie stilistisch zugeordnet werden können, sei es, dass es archivalische Hinweise auf den
Hersteller gibt.Nach einer ersten Sichtung rief der ungewöhnliche Bestand jedenfalls nach eingehender
Untersuchung und Bearbeitung, und die Verantwortlichen von Verein, Stadt und Museum
waren sich einig, die nötigen Mittel dafür aufzuwenden. Die Scheiben sollten einerseits
materiell gesichert und konserviert, andererseits inhaltlich beschrieben und eingeordnet
werden, und schließlich sollte auch die Öffentlichkeit in den Genuss der Erkenntnisse
kommen.
Ich danke allen Beteiligten, dass dieses Projekt in einer gemeinsamen Kraftanstrengung
gelingen konnte, und zwar nicht in der Weise, dass wir nur so ein bisschen an der Oberfläche
kratzten, um ein paar schnelle Ergebnisse zu liefern, sondern in Form einer soliden
wissenschaftlichen Bearbeitung und in einer angemessenen Präsentation.
Mein Dank gilt zunächst dem Historischen Verein und seiner Vorstandschaft unter dem 1.
Vorsitzenden Günther Lehrmann. Der Verein hat nicht nur die Sicherung und Konservierung
der Scheiben in der Hauptsache finanziert, sondern auch seine Publikationsreihe, das 43.
Sammelblatt, für die Edition der Scheiben zur Verfügung gestellt, und sonstige vielfältige
Unterstützung gewährt.
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In gleicher Weise ist der Stadt Freising unter Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher, dem
Stadtrat und der Verwaltung zu danken, dass auch von dort erhebliche finanzielle,
personelle und organisatorische Mittel bereitgestellt wurden.
Verein und Stadt wurden unterstützt durch weitere Kräfte, die die Unternehmung großzügig
finanziell förderten.
Neben den lokalen Zuschussgebern, insbesondere der kgl. priv. Feuerschützengesellschaft
und den Freisinger Stadtwerken, sind überregionale Institutionen zu nennen.
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der Kulturfonds Bayern, also ein staatliches Förderprogramm,
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die Ernst von Siemens Kunststiftung
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der Bezirk Oberbayern
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die Landesstelle für die Nichtstaatlichen Museen
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sowie die Bayerische Einigung e.V.
Wir freuen uns über diese Unterstützung nicht nur wegen ihres materiellen Aspektes. Die
Zusage einer solchen Förderung gerade von auswärtiger Seite signalisiert ja immer auch die
Anerkennung der inhaltlichen Bedeutung des Projekts und seiner überregionalen,
grundsätzlichen Relevanz.
Das für die Öffentlichkeit sichtbar vorliegende Ergebnis sind nun ein Buch und eine
Ausstellung. Sie tragen den Titel „Freising im Visier“.
Es war ein mehrjähriger Weg dahin, ein Weg, auf dem mich besonders meine Kolleginnen im
Stadtmuseum, Dipl.Ing. Eva Fritz und Barbara Sibinger, begleitet haben, denen ich dafür
herzlich danke und die inzwischen wahrscheinlich schon runde Kreise vor den Augen sehen.
Besonders danken möchte ich auch Herrn Lehrmann, der die Freude an den Entdeckungen
stets teilte und die Arbeit bestärkte und unterstützte.
Mit dem Gegenstand „bemalte Schützenscheibe“ betraten wir vollkommenes Neuland. Man
musste sich dem Thema über die – nicht allzu reich vorhandene Literatur – allmählich
nähern und sich viele Abbildungen von Schützenscheiben anderer Schützengesellschaften
anschauen, um zu einem Verständnis für den Gegenstand und zur Bewertung der eigenen
Sammlung zu kommen.
Man darf nun wohl folgendermaßen formulieren: Aufgrund seiner Größe, seines Alters und
einiger inhaltlicher Besonderheiten gehört der bisher kaum bekannte Bestand der Freisinger
Feuerschützen zu den bemerkenswerten Scheibensammlungen im altbayerischen Raum und
vielleicht sogar darüber hinaus.
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Die bemalte Schützenscheibe ist ein mitteleuropäisches Phänomen. Erste vereinzelte
Exemplare haben sich aus dem 16. Jahrhundert erhalten. In etwas größerer Anzahl, aber
immer noch rar, sind bemalte Schützenscheiben dann seit dem späten 17. Jh. überkommen,
womit wir auch den Zeitraum der ältesten Freisinger Scheiben berühren.
Die wirklich umfangreichen und eindrucksvollen Bestände sind im süddeutschen Raum bzw.
im Raum des ehemaligen Habsburger Reiches vorzufinden.
Das kommt nicht von ganz ungefähr. Das Bemalen von Gegenständen, überhaupt die
Bildfreudigkeit in allen Lebenslagen ist eben tatsächlich eher ein süddeutsch-alpenländisches
Phänomen. Hier gibt es traditionell bemalte Möbel, entsprechende Objekte der religiösen
Volkskunst wie Votivbilder, bemalte Häuserfassaden, die Fülle an Bildausstattungen in
Kirchenräumen. Und so hat hier eben auch das Schießen auf bemalte Scheiben eine
besondere Tradition, während man im Norden und Westen Deutschlands – wie ich im
Austausch mit einer Kollegin vom Rheinischen Schützenmuseum in Neuss lernen konnte –
eher beim ursprünglichen Brauch des Schießens auf den sprichwörtlichen Vogel blieb. Das
Scheibenschießen ist dort zwar ebenfalls bekannt, fand aber hauptsächlich durch
Kulturtransfer aus dem Süden seit dem späten 19. Jahrhundert Einzug. Eine wichtige Station auf dem Weg unserer Beschäftigung mit dem Freisinger
Scheibenbestand war die Konservierung der Scheiben. Unter anderem hatte die
Aufbewahrung in der nikotingeschwängerten Luft des Schützenheims eine gelblichbräunliche Verfärbung der Bilder zur Folge gehabt. Die Wirkung nach der vorsichtigen
Reinigung war erstaunlich. Die Scheiben gewannen nun noch einmal deutlich an Leuchtkraft
und Präsenz. Durchgeführt wurden die Maßnahmen durch Restaurator Alfons Empl,
Landshut, unterstützt durch Marie-Christine Reginek, ebenfalls Landshut. Anschließend
wurden die Scheiben professionell fotografiert.
Parallel suchten wir die Scheibenbilder inhaltlich zu beschreiben und zu deuten.
So manche Scheibe warf größere Fragen auf. Ich habe Ihnen bei der
Jahreshauptversammlung des Historischen Vereins im April exemplarisch eine zunächst
vollkommen rätselhafte Scheibe von 1804 mit der Darstellung einer Dame vor einer
Meereslandschaft vorgestellt, die sich nach intensiven Recherchen als allegorisches
Berufsbild des Freisinger Kaufmanns Matthias Oberbucher entpuppte.
In dieser Weise gingen wir Scheibe für Scheibe durch, suchten ihre Darstellung zu verstehen
und sie in den jeweiligen historischen und kunsthistorischen Kontext einzubetten.
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Zu unserem Konzept gehörte von Anfang an, eine umfassende Publikation mit einem
Bestandskatalog aller 107 Scheiben zu erstellen. Auf jeweils einer Doppelseite wird nun jede
Scheibe einerseits abgebildet, andererseits ausführlich beschrieben und erklärt. Bearbeitet
haben wir den Katalog in einer Dreiergruppe: Dr. Sebastian Gleixner und Eva Fritz haben sich
zusammen mit mir jeder einzelnen Scheibe angenommen.
Neben dem Bestandskatalog enthält die Publikation zwei ausführliche einleitende Aufsätze:
Robert Leutner befasst sich – mit durchaus kritischem Blick – mit dem „Bild und Selbstbild
des bürgerlichen Schützen“ durch die Jahrhunderte.
Ich selber widme mich dem Phänomen der bemalten Schützenscheibe und gebe eine
allgemeine Charakterisierung des Freisinger Scheibenbestands.
Die Tatsache, dass so viele Scheibenmaler identifiziert werden konnten, zog die Idee nach
sich, diesen Malern Kurzbiographien zu widmen, so dass der Band mit 18 kleinen
Biographien, darunter 16 direkt mit Freising verbundene Maler betreffend, auch die jüngere
Freisinger Malergeschichte neu erhellt. Hier betätigten sich Dr. Bernd Feiler, Eva Fritz, Ulrike
Götz und Günther Lehrmann.
Dank gilt sodann auch dem Stadtarchiv unter seinem Leiter Florian Notter. In einem eigenen
Beitrag wurden die auf den Scheiben genannten Schützen – immerhin über 400 an der Zahl
– auf ihre biographischen Eckdaten geprüft. Irmgard Feiner und Aloisia Gißibl widmeten sich,
unterstützt von Ossi Bensch vom Standesamt der Stadt, dieser arbeitsintensiven Aufgabe.
Erläuterungen zu den Konservierungsmaßnahmen durch die Restauratoren runden den Band
ab.
Dr. Lothar Altmann, Kunsthistoriker und Lektor, begleitete die Herstellung des Buches
fachkundig und professionell.
Darüber hinaus danke ich allen, die Auskünfte erteilten oder ansonsten hilfreich die
Entstehung des Buches unterstützten. Unter anderem stieß ich auf motivierendes Interesse
von Eva-Maria Brockhoff vom Haus der Bayerischen Geschichte.
Gerd Rothe fertigte zuverlässig und ideenreich das Layout des Buches, der Umschlagentwurf
stammt von Karin Diederichsen.
Vielleicht kann unsere Publikation Anregung und Vorbild sein für die Katalogisierung und
Edition anderer historischer Scheibensammlungen. Und natürlich wollten wir den Bestand nun auch vorzeigen.
Und so eröffnen wir heute eine Ausstellung mit 108 bemalten Scheiben der Freisinger
Feuerschützen.
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Aus der Gruppe der älteren Scheiben bis 1954 wurden einige wenige aus Platzgründen
herausgenommen, dafür eine Reihe von Scheiben aus dem jüngeren, weiterhin im
Schützenheim aufbewahrten Bestand mit hinzugefügt, um den Bilderbogen bis in die
Gegenwart zu schlagen. Als letztes Exemplar schließt nun die Scheibe zum 125jährigen
Jubiläum des Historischen Vereins von 2015, gemalt von Sallie Wunner-McIlheran, den Kreis
zur ältesten Scheibe von 1684.
Die Ausstellung gestaltete sich mit Blick auf unser räumlich, aber auch organisatorisch und
personell kleines Museum als anspruchsvolles und kompliziertes Projekt.
So mussten wir, da unsere Sonderausstellungsfläche nur über wenige Quadratmeter verfügt,
das gesamte Museum ausräumen, um angemessen Platz zu schaffen.
Auf unserem Weg unterstützten uns allerdings zwei kluge und kreative Begleiter.
Zunächst die Graphikerin Karin Diederichsen. Ihr ist der graphische Teil des
Ausstellungsprojekts zu danken: Vom Plakat bis zur Einladungskarte schuf sie eine
einheitliche visuelle Optik. Besonders hervorgehoben sei auch das Mobile im Treppenhaus,
das Ihnen beim Heraufgehen vermutlich aufgefallen ist und das Karin Diederichsen
entworfen hat.
Architekt Anton Mang, den Sie aus anderem Zusammenhang kennen, nämlich vom großen
Projekt der Generalsanierung des Asamgebäudes, hat uns sodann vor allem im Hinblick auf
die Präsentation der Objekte beraten und unterstützt.
Vor allem verdanken wir ihm eine ganz zentrale Idee der Ausstellungsgestaltung: Man denkt
ja vielleicht zunächst, bemalte Schützenscheiben müssten ihren Platz an der Wand haben –
das ist ihr Ort in den Schützenheimen, und so sieht man sie auch in der Regel in
Ausstellungen präsentiert. Herr Mang bestärkte uns in der Auffassung, die Scheiben nicht
nur als zweidimensionale Bilder, sondern als plastische Objekte zu begreifen und schlug
deshalb vor, sie zu einem großen Teil frei stehend im Raum zu platzieren. Hierfür entwarf er
exklusiv einen eigenen Ständer, der nicht nur stabil konstruiert und ästhetisch gestaltet ist,
sondern auch gedanklich an die ursprüngliche Situation des freien Stehens der Scheibe am
Schießstand anschließt. Im Miteinander mit den Scheiben, die an der Wand hängen, ergibt
sich eine eindrucksvolle Gesamtwirkung.
Dank gilt in diesem Zusammenhang auch nochmals Restaurator Alfons Empl als bewährtem
Partner beim sorgfältigen Aufbau und der Bestückung der Ausstellung.
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Das inhaltliche Konzept der Präsentation ist – so würde ich formulieren – so einfach wie
einleuchtend. Man folgt der Chronologie der Scheiben, von denen sich jede mit einer festen
Jahreszahl verbindet, darunter mit so sinnfällig-bedeutungsvollen wie 1724, 1812, 1848,
1871, 1933. Wie in einer Chronik lassen die Scheibenbilder die letzten gut 300 Jahre, von der
Barockzeit bis in die Gegenwart, aufleuchten. Sie tun dies nicht in inhaltlich systematischer
und stilistisch homogener Weise, sondern als Schlaglichter unterschiedlichster Art, fügen
sich aufs Ganze betrachtet aber doch zu einem Kontinuum der Zeitläufte.
Meine Damen und Herren,
ich hoffe nun, dass Buch und Ausstellung Sie vielfältig anregen, informieren und erfreuen
werden.
Tatsächlich hat sich das große Projekt „Freising im Visier“ glücklich gefügt. Das
Schützenglück, von dem wir am Anfang sprachen, war unserer Arbeit günstig.
Und dazu möchte ich abschließend noch eine unserer Scheiben zu Wort kommen lassen.
Es ist die Scheibe, die der Freisinger Kochbäcker Jakob Reischl zum Georgischießen 1804
stiftete. Sie zeigt die Göttin des Ackerbaus, Ceres. Ceres steht nach getaner, anstrengender
Arbeit neben dem Pflug, vor sich den Ernteertrag ihrer Bemühungen: Trauben, Kürbisse und
weitere Früchte. Im Hintergrund aber balanciert auf Stelzen als kleine Gestalt in luftigem
Gewand Fortuna – das Glück, das auf seine, unberechenbare Weise an der Ernte mitgewirkt
hat.
Wie die meisten Scheiben des frühen 19. Jahrhunderts trägt auch diese eine Umschrift,
einen gereimten Spruch: im Ton etwas belehrend, etwas betulich, im Ausdruck etwas
holperig, und doch originell und farbig.
Da lesen wir im Rund der Scheibe:
„Wer Arbeit mag und Fleiß nicht spart, wenn er auch lange sorgsam harrt, kann seinen
Zweck erzielen, hat er doch guten Willen. Fortuna! Da von ohngefaehr, und kömmt sie gleich auf Stelzen her, d’rum hofft auf sie, sie
kommt gewiß, so schmeckt auch spaeter Lohn recht süß.“
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und freu mich, dass wir Buch und Ausstellung nun an Sie
übergeben können.
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