Skriptum Drogenmissbrauch_092015

 DROGENMISSBRAUCH: HÄUFIG VERWENDETE SUBSTANZEN, NOTFALLMEDIZINISCHE ASPEKTE ein Situationsbericht von der Toxikologischen Intensivstation im
Wilhelminenspital/Wien Stand 08/2015 Inhalt: 1. Auszüge aus dem „Bericht zur Drogensituation 2013“ des ÖBIG 2. Österreichisches Suchtmittelgesetz (SMG) 3. notfallmedizinische Aspekte bei Drogenmissbrauch (Überdosierung) 4. missbräuchlich verwendete Substanzen 4.1. Opioide 4.2. Benzodiazepine 4.3. Psychomimetika 4.3.1. Kokain 4.3.2. neue Psychostimulantien 4.3.2.1. (Meth-­)Amphetamine 4.3.2.2. Kathinone (Mephedron) 4.3.2.3. „Speed“ 4.3.2.4. „Ecstasy“ 4.3.2.5. „Crystal Meth“, „Ice“ 4.4. Halluzinogene 4.4.1. LSD, Rauschpilze, ... 4.4.2. THC und synth. Cannabinoide 4.4.3. „Spice“ 4.5. Diverse 4.5.1. GBL („Liquid Ecstasy“) 4.5.2. Ketamin 5. allgemeine Regeln bei der Behandlung von Drogennotfällen 6. Antidota 1. AUSZÜGE AUS DEM „BERICHT ZUR DROGENSITUATION 2013“ (ÖBIG -­ Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) Der „Bericht zur Drogensituation in Österreich“ wird jährlich im Auftrag der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) und des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministeriums erstellt und befasst sich mit illegalen Drogen. Reaktionen auf den Drogenbericht 2012 Flunitrazepam (Rohypnol®) ist nur mehr auf „Suchtgiftverschreibung“ zu verordnen, für andere Wirkstoffe aus der Gruppe der Benzodiazepine (BZD) wurde die wiederholte Abgabe auf Rezept ausnahmslos abgeschafft. Als Basismodell für die Suchtpolitik wurde der „Schweizer Suchtwürfel“ herangezogen und erweitert. Zentrale Aufgabe der Suchtpolitik ist das Minimieren aller Probleme in Zusammenhang mit Substanzmissbrauch und Sucht durch ethisch vertretbare und sachlich geeignete Maßnahmen. Drogenkonsum in der Bevölkerung Die aktuellen Ergebnisse des Wiener Suchtmittelmonitorings geben keine Hinweise auf Veränderungen des Drogenkonsums. Cannabis ist nach wie vor die einzige illegale Droge mit einer nennenswerten Konsumprävalenz in der Allgemeinbevölkerung. Befragungen unter Studierenden legen nahe, dass in dieser Gruppe problematischer Alkoholgebrauch eine wesentlich größere Bedeutung hat als der Konsum illegaler Drogen. Der Konsum neuer psychoaktiver Substanzen spielt entgegen manchen Medienberichten kaum eine Rolle. Problematischer Drogenkonsum Opioidkonsum -­ meist im Rahmen polytoxikomaner Konsummuster -­ macht aktuell das Gros des problematischen Drogenkonsums in Österreich aus. Etwa 90% aller Personen in drogenspezifischer Betreuung konsumieren als Leitdroge Opioide. Aktuell gibt es zwischen 30.000 und 34.000 Personen mit problematischem Drogenkonsum unter Beteiligung von Opioiden. Etwa die Hälfte davon lebt in Wien (Drogensucht tritt nach wie vor in Ballungszentren häufiger auf als in ländlichen Gebieten). Ein Viertel der Betroffenen ist weiblich und etwa ein Fünftel unter 25 Jahre alt. Während in Wien die Prävalenzzahlen in den letzten Jahren stagnieren, steigen die Zahlen in den anderen Bundesländern (kontinuierliche Angleichung des Ausmaßes des Drogenproblems zwischen ländlichen/kleinstädtischen Regionen und der Großstadt Wien). Gesundheitliche Zusammenhänge Die Prävalenz von Hepatitis C bei Personen mit i.v. Drogenkonsum zeigt nach wie vor sehr hohe Werte (etwa 70%). Hepatitis C bei i.v. Konsumierenden stellt demnach ein gravierendes Problem dar. Insgesamt wurden für das Jahr 2012 auf Basis von Obduktionsbefunden 139 tödliche Drogenüberdosierungen verzeichnet. Weitere 22, allerdings nicht obduzierte Todesfälle sind höchstwahrscheinlich auf eine Überdosierung zurück zu führen. In Summe wird daher für das Jahr 2012 von 161 Todesfällen aufgrund von Drogenüberdosierung ausgegangen (2011: 201 Fälle). Drogenkonsum der Bevölkerung Konsumerfahrungen mit illegalen Drogen (Lebenszeitprävalenz) finden sich in Österreich am häufigsten bezüglich Cannabis mit Prävalenzraten von etwa 30 bis 40% bei jungen Erwachsenen. In den meisten Repräsentativstudien finden sich des Weiteren Konsumerfahrungen von ca. 2-­4% für „Ecstasy“, Kokain und Amphetamine und von ca. 1-­2% für Opioide. In den letzten Jahren wurde beim Probier-­ und Experimentierkonsum eine Verbreiterung des Substanzenspektrums festgestellt. In bestimmten Szenen und Gruppen von Jugendlichen finden sich dabei hohe Prävalenzraten für eine Reihe unterschiedlicher Substanzen, darunter auch biogene Drogen und Schnüffelstoffe. Generell ist aber der Konsum illegaler Substanzen bei den meisten Personen auf eine kurze Lebensphase beschränkt. Die wenigen verfügbaren Daten zum Konsum von „research chemicals“ und „legal highs“ (siehe auch Kapitel 4.3.2) in der Allgemeinbevölkerung sprechen trotz der großen medialen Aufmerksamkeit für eine geringe Einnahmeprävalenz. Die Definition des problematischen Drogenkonsums in Österreich deckt sich weitgehend mit jener der EBDD. Betont wird jedoch, dass in erster Linie das Konsumverhalten und nicht Substanzen als solche problematisch oder unproblematisch sind. Als problematisch wird Drogenkonsum dann bezeichnet, wenn dieser mit körperlichen, psychischen und/oder sozialen Problemen einhergeht. Ausschließlich rechtliche Probleme reichen nicht aus, um Drogenkonsum als problematisch zu bezeichnen. 2. AUSZÜGE AUS DEM ÖSTERREICHISCHEN SUCHTMITTELGESETZ (SMG, BGBl I Nr. 71/2014) Der Besitz von Hanfsamen ist legal, der Verkauf von Samen und Stecklingen als „Mithilfe zur Erzeugung von Cannabis“ aber strafbar, wenn der Verkäufer davon ausgehen muss, dass die Samen zur Rauchwarenerzeugung verwendet werden. Anbau von Cannabispflanzen: „Strafbar ist der Anbau mit dem Vorsatz, Suchtgift zu gewinnen“. Anbau führt zu gerichtlicher Verurteilung, wenn der Richter davon ausgehen muss, dass rauchbares Material gewonnen werden sollte. Ab einem THC-­
Gehalt von >5% der Trockenmasse ist es kaum möglich, die Verwertung zu legalen Zwecken glaubhaft zu machen. Bei Strafverfahren wegen des Erwerbes/Besitzes geringer Mengen muss die Staatsanwaltschaft die Anzeige gemäß §35 SMG für eine Probezeit von 2a zurücklegen (Gelegenheitskonsumenten sollen so vor einer übermäßigen Kriminalisierung geschützt werden). Mitrauchen eines Joints ist als Besitz einstufbar und daher prinzipiell strafbar. Konsum ist nicht ausdrücklich unter Strafe gestellt, da der Konsum aber ohne Erwerb/Besitz unmöglich ist, ist mit dem Konsum von Cannabis eine strafbare Handlung verbunden! Verurteilung heißt nicht automatisch Haft – ein nicht Vorbestrafter muss ab einer Menge von 1kg (!!) mit einer Haftstrafe rechnen. Mengen ab 200g werden als kritisch bzgl. einer Haftstrafe bewertet (evtl. abwendbar durch freiwillige Therapie). Hanf anbauen („grown“) ist auch, wenn ausschließlich für den Eigengebrauch gedacht, strafbar! (Grenzmenge 20g THC);; Addition: Menge der verschiedenen grows werden summiert! 3. NOTFALLMEDIZINISCHE ASPEKTE BEI DROGENMISSBRAUCH bzw. -­ÜBERDOSIERUNGEN Die Beeinträchtigung des Bewusstseins bei Drogenüberdosierungen kann zu Störungen der Vitalfunktionen Bewusstsein, Atmung und Kreislauf führen. Insbesondere Opioide wirken per se atemdepressiv (Bradypnoe ohne subjektiv empfundene Atemnot) und kreislaufdepressiv (Hypotonie, Bradykardie). Entaktogene Drogen („aufputschende Mittel“) sind selten vital bedrohlich, führen aber gelegentlich sehr wohl auch zu behandlungspflichtigen Zustandsbildern. Die Versorgung von Drogenüberdosierungen wird sich daher nicht nur auf den Versuch einer Giftelimination (nur bei peroraler Einnahme sinnvoll) oder die Behandlung mittels Antidota (z.B. Narcanti®, Anexate®, siehe auch Kapitel 6) beschränken, sondern vor allem auf exaktes Monitoring der Vitalfunktionen, insbesondere von Atmung (Pulsoxymetrie, Atemfrequenz) sowie Kreislauf (Blutdruck und EKG). Als Sinnspruch gilt: die Therapie von „symptoms and signs“ ist ausreichend. Zudem ist auf das Auftreten möglicher Komplikationen zu achten: Insbesondere bei Z.n. Bewusstlosigkeit oder längerer Liegedauer ist gezielt auf Aspiration (mögliche Pneumonie), ein Kompartmentsyndrom bzw. in der Folge eine Crushsymptomatik zu achten. Besonders bei intravenösem Drogenkonsum kann als „Begleitproblematik“ eine Infektion (Pneumonie, Endokarditis) mit oft bereits septischem Zustandsbild des Patienten bestehen. Im Krankenhaus sollen klinische Untersuchungen (Druckstellen, geschwollene Kompartimente insbesondere an den Extremitäten und am Gesäß;; Auskultation von Lunge und Herz), laborchemische Untersuchungen (Kreatinkinase – CK, Kalium, BUN-­ und Kreatininbestimmung, infektiologische Parameter – Leukozyten, CRP) und ggf. bildgebende Verfahren (Thoraxröntgen) angeschlossen werden. Bei grobblasigen Rasselgeräuschen über der Lunge und schlechter Sauerstoffsättigung ist immer an ein „toxisches“ Lungenödem (besser: „e vacuo – Lungenödem“) zu denken. Dieses wäre mit PEEP zu behandeln, entwässernde Maßnahmen stellen keine Therapieoption dar! 4. MISSBRÄUCHLICH VERWENDETE SUBSTANZEN: 4.1 OPIOIDE Der überwiegende Anteil an Personen, welche in einem „Drogenprogramm“ betreut werden, gibt als „Leitdroge“ Opioide an. Aus dem österreichischen Epidemiologiebericht ist abzuleiten, dass der Opioidkonsum in der Gruppe der 15-­24 Jährigen seit einigen Jahren deutlich abnimmt, in den höheren Altergruppen stabil bleibt. Überdosierungen von Opioiden, hier wiederum von Substitutionspräparaten (vorwiegend Substitol® und Methadon® zuletzt vereinzelt auch Polamidon®), welche intravenös, peroral, aber auch geraucht oder geschnupft appliziert werden, stellen insbesondere auf Grund der Atemdepression lebensbedrohliche Zustandsbilder dar (NB: reine Heroinüberdosierungen sind mittlerweile sehr selten geworden). Behandlung (siehe auch Kapitel 3 und 6): symptomatisch, Antidot: Naloxon (Narcanti®) 4.2 BENZODIAZEPINE Häufig bedingt der (Bei-­)konsum von Benzodiazepinen eine Verstärkung der Symptome von Opioidüberdosierungen. Isolierte Benzodiazepinvergiftungen treten bei Drogenabusus nur selten auf (sondern sind vielmehr typischerweise bei suizidaler Absicht nicht drogenabhängiger Patienten vertreten). In der Szene weitaus am Beliebtesten war Somnubene®, welches meist gelutscht und nicht geschluckt wurde (daher oft blaue Verfärbung von Lippen, Zähnen und Zunge). Dieses ist mittlerweile nicht mehr gebräuchlich (Suchtmittelverschreibung erforderlich), die meist missbrauchten BZD stellen mittlerweile Praxiten® oder das „atypische“ BZD Zoldem® dar. Behandlung (siehe auch Kapitel 3 und 6): symptomatisch, Antidot: Anexate® 4.3 „PSYCHOMIMETIKA“ (auch: ENTAKTOGENE) 4.3.1 Kokain: Alkaloid;; farbloses (weißes) geruchloses Pulver Einnahme: meist geschnupft (nasal), dann oft noch Pulverreste in der Nase erkenntlich, gelegentlich auch intravenös oder inhalativ (geraucht bzw. Kokaindampf inhaliert), selten geschluckt. „Crack“ = free base cocain. Cocainhydrochlorid und Natriumhydrogencarbonat (= Backpulver, Soda) wird aufgekocht, auskristallisiert und dann inhaliert oder geraucht. Oft Beimengungen geringer Mengen an Strychnin, um bitteren Geschmack (= Qualitätsmerkmal von gutem Kokain) zu erzeugen. Strecken mit zu viel Strychnin kann toxische Symptome verursachen! Auch andere „Streckmittel“ (Coffein, Bupivacain, Ephedrin, ASS, Antihelminthika, Phenacetin,…) können toxische Symptome verursachen. Symptomatik: Stimulation des ZNS (Euphorie, Unruhe, Tremor, Halluzinationen, Krämpfe) aber auch Angst, paranoide Symptome, Suizidtendenz. Kardiovaskulär: Koronarspasmen! Palpitationen, Thoraxschmerz, Hypertension. Konsumentenklientel sehr unterschiedlich: in allen gesellschaftlichen Schichten verbreitet! Zum Teil Beikonsum bei Opioidabhängigkeit („Wiener Mischung“: Heroin + Kokain) Ausschließlicher Kokainkonsum eher in „besseren Kreisen“: hier fast nie Überdosierungen, welche ärztliche Intervention benötigen, zu beobachten. Selten: „Koks-­Run“ oder „Koks-­Rush“: Konsument konsumiert über Tage zunehmende Mengen an Kokain und „kommt dann nicht mehr runter“, d.h.: beginnt typische Überdosierungssymptomatik zu entwickeln: Tachykardie, Hypertonie, Nervosität, Angst, Aggression. Therapie: „cool-­down“ mit Benzodiazepinen (oft hohe Dosen erforderlich), ggf. Blutdruck-­Regulation mit Urapidil (Ebrantil®). CAVE: Betablocker können RR-­
Rebound verursachen! Denke an ACS (auch bei jungen Patienten!), daher bei Symptomatik EKG und Herzenzyme bestimmen. 4.3.2 „neue Psychostimulantien“ (NPS): im „EMCDDA Report“ (EMDCCA = europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) aus 2014 werden >400 Substanzen, welche seit 1997 registriert wurden, aufgeführt. Alleine 2013 wurden 81 NPS detektiert. Zu einem großen Teil sind diese Substanzen aber mittlerweile bereits wieder vom Markt verschwunden. In der NPSV (neue Psychostimulantien-­Verordnung) werden Substanzen und Substanzgruppen gelistet, welche dem SMG (Suchtmittelgesetz) unterstellt werden. Es sind aber auch chemische Verbindungen bekannt, welche im europäischen „early warning system“ erfasst sind, da sie im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch detektiert wurden, diese aber (noch) nicht in der NPS-­Verordnung aufgenommen sind. BEGRIFFE: „legal highs“ bzw. research chemicals“ Legal highs bzw. research chemicals sind Begriffe für „neue Substanzen“, welche psychoaktiv sind (entaktogen, halluzinatorisch,..) und teilweise legal erworben werden können. Pharmakologen unterscheiden zwischen den Begriffen „legal highs“ und „new research chemicals“, wobei aber viele Substanzen z.T. unterschiedlich oder andererseits beiden Gruppen gleichzeitig zugeordnet werden. Aus klinischer Sicht ist diese Unterscheidung nutzlos. „legal highs“ werden v.a. Substanzen genannt, welche in bunte Verkaufsbriefchen verpackt sind, „research chemicals“ jene, welche in pulvriger/kristalliner Form gehandelt werden (und meist in Phiolen oder kleinen durchsichtigen Plastiksäckchen abgefüllt sind). Viele davon sind „Amphetamin-­Abkömmlinge“, teilweise aber auch aus natürlichen Substanzen („herb highs“) abgeleitet. Diese werden z.T. als Kräutermischungen, Badesalze, Düngemittel etc. auf dem Markt angeboten. Einige dieser Substanzen wurden mittlerweile dem Suchtmittelgesetz bzw. der NPSV (neue Psychostimulantienverordnung) unterworfen – es werden jedoch immer wieder neue Stoffe synthetisiert, um das Gesetz zu umgehen. 4.3.2.1 z.B.: (Meth-­)Amphetamine In der „Clubbingszene“ weit verbreitet. Z.T. auch Missbrauch als Dopingmittel (Bodybuilderszene) oder Appetitzügler. Symptomatik: Zunahme der Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit, Schlaflosigkeit, motorische Unruhe, Reizbarkeit, Logorrhoe („Labberflash“), sexuelle Aktivierung, gesteigertes Selbstbewusstsein, fehlendes Durstgefühl, Hemmung des Appetitzentrums peripher: Blutdruckanstieg (Noradrenalin-­Wirkung an den Gefäßen), Tremor. Rasche Suchtentwicklung (starkes „Craving-­Verhalten“ besonders bei inhalativem Missbrauch) Therapie: symptomatisch (Flüssigkeitsersatz, Benzodiazepine) 4.3.2.2 z.B.: Cathinone (Mephedron) Substanz: Cathinonderivat (Cath/Quat-­Strauch) Fein-­ bis grobkristallines Pulver, seltener auch in Tablettenform. Wird meist gesnifft, seltener geschluckt. Typisch aufputschende, antriebssteigernde Wirkung, „heartopener“ (daher von den Konsumenten auch als bewusstseinserweiternd beschrieben). 4.3.2.3 z.B.: „Speed“ Substanz: Amphetamin weißlich-­gelbes Pulver, auch als Tabletten oder Paste erhältlich. Synthese: wie bei Methamphetaminen (siehe auch 4.3.2.5: „crystal meth“). 4.3.2.4 z.B.: „Ecstasy“ Substanz: Sammelbezeichnung für Vielzahl von Phenylethylaminen, meist Mischformen, im „Idealfall“ reines MDMA (Methyl-­dioxy-­Methylamphetamin). Fast immer in Tablettenform (vielfältige Formen und Farben, oft „Markenzeichen“ eingeprägt: Herzen, Vögel, Delphine, Automarkenzeichen,...). 4.3.2.5 z.B.: „Crystal Meth“, „Ice“ Substanz: Methamphetamin Grundstoff ist Ephedrin (Ephedra-­Kraut), sehr einfache chemische Synthese, als Reaktionsprodukt hoch reine Substanz in kristalliner Form. NB: Ephedrin und Pseudoephedrin sind z.B. auch in frei verkäuflichen Erkältungsmitteln zu finden! 1938 erste Marktzulassung von Methamphetamin (Pervitin®), Missbrauch v.a. während des 2. Weltkrieges („Nazi-­Droge“). Methamphetamin(-­hydrochlorid) wird meist in Pulverform, seltener in Kristallform gehandelt. Wird meist geschnupft, seltener auch in Tablettenform angeboten (diese werden dann in der Regel in Wasser aufgelöst und injiziert oder auch erhitzt und inhaliert). „Ice“ = Modename für Methamphetamin in Kristallform, wird meist geraucht. 4.6 HALLUZINOGENE 4.6.1 z.B.: LSD, Rauschpilze, Rosenholzsamen, Meskalin, Engelstrompete,... LSD (Lysergsäurediaethylamid) Lysergsäure ist ein Mutterkornalkaloid (natürliches Vorkommen). Entdeckung (Synthese) durch Albert Hofmann (berühmter Selbstversuch 1943). LSD wirkt v.a. an den serotoninergen und dopaminergen Rezeptoren im ZNS. Handel: „tickets“, „trips“: LSD wird auf Papier (z.B. Löschpapier) aufgebracht, dieses dann gelutscht oder geschluckt, seltener auch Tabletten oder Kapseln („micros“), oder in wässriger Lösung. Wirkung: starke optische, sensorische und akustische Halluzinationen, verändertes Zeitempfinden „bad trips“: Halluzinationen werden negativ erlebt, z.T. schwere Unfälle (z.B. einsteigen wollen in ein Raumschiff, welches vor dem Fenster parkt – und dann Fenstersturz), daher „tripsitter“ empfohlen. Sympathomimetische Wirkung: Tachykardie, Hypertonie, Mydriasis, Hyperhidrosis Therapie: symptomatisch;; „talk-­down“ bei Angstzuständen, Benzodiazepine Rauschpilze („magic mushrooms“): Wirkstoff Psylocibin Wirkung: Hauptangriffspunkt ist das limbische System. Euphorie, Schwindel, Nystagmus, Kopfschmerzen, Halluzinationen. Atypische Verläufe: selten: bad trip, horrortrip Chronischer Missbrauch: Apathie, Motivationsverlust, Persönlichkeitsabbau Beim Rauchen oder bei i.v. Applikation (=sehr selten) maximale Spiegel nach 3-­9min, nach oraler Einnahme langsamere Anflutung (20-­30min). Therapie: „talk-­down“ bei Angstzuständen, Benzodiazepine 4.6.2 THC (Tetrahydrocannabinol) und synthetische Cannabinoide: Hanfpflanze („Cannabis sativa“): Blätter = „Gras“ Blüten = „Marihuana“, „Ganja“, „Weed“ Harz = „Dope“, „Haschisch“, „Shit“, „Pot“ THC-­Gehalt: Proben mit extrem unterschiedlichem THC-­Gehalt: 5 bis >40% Cannabisblätter üblicherweise <10%, Blüten >10%, z.T. bis 40% in den Proben nachgewiesen!), Harz bis >40% Symptomatik: Euphorie, Nystagmus, gerötete Bindehäute, Schwindel, Hypotonie, Hunger Therapie: symptomatisch (Benzodiazepine bei Erregungszuständen;; Infusion bei Hypovolämie/Hypotonie). Lebenszeiterfahrung der Österreicher ca. 25% !! Erfahrung in den letzten 3 Jahren: ca. 25% Lebenszeitprävalenz für Cannabiskonsum bei Studierenden: 35% (Bericht zur Drogensituation in Österreich 2013, ÖBIG) Synthetische Cannabinoide: z.B. Cannabidiol, Cannabiol, etc. (es sind >100 verschiedene THC-­Abkömmlinge bekannt)! Im Labor hergestellte Cannabinoide, meist stärker wirksam als THC aus der Hanfpflanze. Mittlerweile werden synthetische Cannabiniode meist als „spice“ vermarktet. Laut chemisch/pharmakologischen Untersuchungen können diese evtl. (in sehr hohen Dosierungen) DNA-­Schäden hervorrufen, daher wird eine kanzerogene Wirkung dieser Substanzen diskutiert. 4.6.3 „Spice“: Bis vor kurzem legal erwerbliche Kräutermischungen (z.B.: Helmkraut, blauer Lotus,…) welche als „Räuchermischung zur Raumluftaromatisierung“ verkauft wurden. Mittlerweile generell verboten, da in vielen Präparaten synthetische Cannabinoide enthalten sind. 4.7 DIVERSE DROGEN 4.7.1 GBL (Gammabutyrolacton), „liquid ecstasy“: fälschlicherweise auch Liquid Ecstacy genannt (hat aber nichts mit Ecstacy zu tun, sondern ist in seiner Wirkung den Benzodiazepinen ähnlich). GHB = Gammahydroxybuttersäure: auch als Medikament erhältlich! (Alkover®, Somsanit®), bei Alkoholentzugsproblematik verwendet. GBL = Gammabutyrolacton: Vorstufe zu GHB;; wird innerhalb weniger Minuten im Organismus zu GHB umgewandelt. GBL im Internet relativ problemlos zu erwerben. GBL in Reinform legal (mit Drogistenausweis) im Großhandel erhältlich (fettlösliche Wirkung). Über 300 Produkte auf dem österreichischen Markt mit GBL als Inhaltsstoff (v.a. Farben, Lacke, Nagellacke, Felgenreiniger,…). Wirkung: in niedriger Dosierung euphorisierend, entspannend, Libido steigernd Nebenwirkung/Symptome bei Überdosierung: Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit;; meist Mydriasis (bei tiefer Bewusstlosigkeit manchmal aber auch Miosis);; Bradykardie;; bei höherer Dosierung schwerer Rauschzustand (ähnelt einem Alkoholrausch);; insbesondere Kombination mit Alkohol kann zu Übelkeit und Erbrechen führen;; zerebrale Krämpfe;; häufiger Gebrauch kann zu psychotischen Zuständen führen Der Zustand der betroffenen Person wird von Sanitätern und Helfern oft falsch eingeschätzt -­ meist wird eine Überdosierung von Benzodiazepinen, Alkohol oder Opioiden vermutet. (DD zu Opioidintoxikation: KEINE Atemdepression). Häufige Anamnese bei Überdosierung: „wie vom Blitz getroffen umgefallen“ Derzeit kein klinisch relevantes Nachweisverfahren in Österreich verfügbar! (prinzipiell: gaschromatografisch oder massenspektrometrisch nachweisbar). Therapie: unspezifisch Rechtliche Situation: GBL ist nicht im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt, jedoch wird die Abgabe in Europa größtenteils durch die Vertreiber überwacht („Monitoring“: Der Besitz ist nicht strafbar, ist aber durch das Chemikaliengesetz und die Gefahrenstoffverordnung geregelt). Strafbar ist der Missbrauch von GBL zur Synthese von GHB sowie die zweckentfremdete Abgabe oder der Verkauf zum Konsum (Arzneimittelgesetz). GHB wird in Österreich seit 2002 nach dem Suchtmittelgesetz bewertet. 4.7.2 z.B.: Ketamin („Vitamin K“, „Keta oder Kate“, „K“, „synthetisches Kokain“) Substanz: Ketaminhydrochlorid, flüssige Substanz oder weißliches kristallines Pulver. Einnahme oral oder intravenös, in kristalliner Form auch geschnupft oder geraucht. Selten auch in Pillenform, z.T. auch in Ecstasy beigemischt (Info: European Early Warning System). Wirkung: wachtraumartig, lebhaft, farbenträchtig, halluzinatorisch. Als „Farbwürze“ bei LSD-­Konsum dazu empfohlen. Bei höherer Dosierung „einfrieren“ (Körperbewegung nahezu unmöglich). Konsumenten werden auch „Psychonauten“ genannt. Therapie: symptomatisch Neue Psychostimulantienverordnung (NPSV) -­ Probleme: Einerseits werden z.T. Substanzen der NPSV unterworfen, welche im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch sichergestellt wurden, sich schließlich aber z.B. als „Ticagrelor-­Fragment C“ detektieren lassen. Andere Substanzen (z.B. div. Antihelminthika) sind ebenfalls in der NPSV gelistet, weil diese als „Streckmittel“ bei der Herstellung von Psychostimulanzien verwendet werden. Andererseits werden sehr wohl psychoaktiv wirksame Substanzen (z.B. Geranium – der Name soll auf ein „herb high“ hinweisen, die Substanz ist aber rein synthetisch hergestellt), welche aktuell am Markt gehandelt werden, noch nicht in der NPSV gelistet. 5. ALLGEMEINE REGELN BEI DER BEHANDLUNG VON DROGENNOTFAELLEN: Beachtung möglicher Selbstgefährdung: Hohes infektiologisches Risiko bei i.v. Abusus (Hepatitis C, HIV) Sichern der Vitalfunktionen: Bewusstseinslage: Beurteilung des Glasgow-­Coma-­Scale (GCS), notärztlich-­neurologischer Status (Erkennen anderer Komaursachen wie z.B. Insult oder Blutung). Atmung: Atemmuster (Atemtyp, Frequenz), rechtzeitige Intubation bei Aspirationsgefahr Kreislauf: Schockzeichen beachten (Opioide verursachen Kreislaufdepression), Kokain kann zu ACS führen. Sonstige vital bedrohliche Symptome: Dehydratation, Elektrolytentgleisung, Kompartmentsyndrom, im Winter oft Hypothermie Diagnosestellung: Oft nur durch Anamnese möglich! NB: nicht jeder polytoxikomane Patient ist bei Bewusstseinstrübung intoxikiert, auch andere Ursachen -­ z.B. Sepsis, ZNS-­Infektion, vorangegangene zerebrale Hypoxie, zerebrale Blutungen -­ können verantwortlich sein! Toxidrome = Symptomkomplexe, die bei Vergiftungen auftreten. Allerdings zu unspezifisch, um mit Sicherheit auf ein Toxin schließen zu können. Beispielhaft Opioide: Miosis, Koma, Atemdepression, Darmatonie, Harnverhalten. Labortests: problematisch: Harntests oft wochenlang und auch bei therapeutischer Medikamenteneinnahme positiv – also z.B. bei laufender Substitutionstherapie. Serumtests nicht für alle Medikamente und Substanzen verfügbar, teuer! 6. ANTIDOTA: Kompetitive Antagonisten: dosisabhängige Verdrängung der Toxine vom Rezeptor Flumazenil = Anexate® Antidot bei Benzodiazepinen. CAVE: gelegentlich ist auch eine Aufwachreaktion auf Anexate® bei stark alkoholisierten Patienten zu beobachten, daher nicht aus positiver Reaktion auf Anexate® zwingend auf eine Benzodiazepinüberdosierung schließen! Vorsichtig (titriert) dosieren, Empfehlung: „milliliterweise“ applizieren, wenn nach 0.5mg (=5ml) keine eindeutige Aufwachreaktion besteht, nicht weiter dosieren, Gefahr: BZD-­
Entzugssymptomatik (cerebrale Krämpfe) möglich! Naloxon = Narcanti® Antidot bei Opioiden Empfehlung: „titriert“ dosieren (1Amp. Narcanti® auf 10ml verdünnen, milliliterweise applizieren);; wenn nach 0.4mg Narcanti® (1Amp.) keine eindeutige Aufwachreaktion besteht, nicht weiter dosieren. Bedenke: ein sedierter Patient ist viel einfacher zu behandeln als ein antagonisierter, nun wacher und zumeist incomplianter Patient: die Antagonisten wirken nur kurz (10-­
30min), wohingegen die Drogen zumeist deutlich länger wirken. Daher sollen Antidota nur bei lebensbedrohlichen Symptomen (Atemdepression, fehlende Schutzreflexe bei Bewusstlosigkeit) eingesetzt und zudem nur „titriert“ angewendet werden. Meist neuerliche Intoxikationssymptomatik kurze Zeit nach Antidotgabe, deshalb ist unbedingt die weitere klinische Beobachtung des Patienten angezeigt (Entlassung aus dieser Observanz erfolgt an unserer Abteilung frühestens 1 Std. nach letzter Antidotgabe und fehlenden bedrohlichen Überdosierungs-­ bzw. Vergiftungssymptomen). Weitere Hinweise zu (sonstigen) Intoxikationen: Skriptum „Intoxikationen“ (http://www.a-­k-­n.at , Bereich „Dokumente“) OA Dr. Rainer Schmid [email protected] Toxikologische Intensivstation, Abt. f. Anästhesie, Wilhelminenspital A-­1160 Wien, Montleartstrasse 37 Tel: 01/49150-­4030