Vorlesung 10

Hasskriminalität im Europäischen Survey 2005
Kriminologie II WS 2015 2016
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Erkenntnisse aus Opferbefragungen
 Polizeidaten zu Hassdelikten unterschätzen das
tatsächliche Aufkommen von Hasskriminalität erheblich
 Das Ausmaß von selbst berichteter Viktimisierung durch
Hassgewalt unterscheidet sich zwischen verschiedenen
ethnischen Gruppen deutlich
 Diese Unterschiede werden erklärt durch
– Unterschiede in Lebenstilen und opferrelevanten
Verhaltensmustern
– Unterschiede in der Wahrnehmung von
Viktimisierung durch Hassgewalt (Zuschreibung von
Motiven)
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Flüchtlingskrise: Neue Statistik für fremdenfeindliche
Straftaten
 Rechts motivierte Straftaten gegen Flüchtlinge und Helfer
sollen bald in einer eigenen Statistik erfasst werden.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte der
"Bild"-Zeitung, dass dem rechten Spektrum zugeordnete
Straftaten - beispielsweise gegen Asylbewerber,
Journalisten, Politiker oder Ehrenamtliche - ab Januar
gesondert erfasst würden. Das sei notwendig, damit die
Behörden sich "ein noch besseres Bild" von der
Zunahme derartiger Delikte machen könnten.
 Spiegel online, 21. 12. 2015
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Erkenntnisse aus Opferbefragungen
 Polizeidaten zu Hassdelikten unterschätzen das
tatsächliche Aufkommen von Hasskriminalität erheblich
 Das Ausmaß von selbst berichteter Viktimisierung durch
Hassgewalt unterscheidet sich zwischen verschiedenen
ethnischen Gruppen deutlich
 Diese Unterschiede werden erklärt durch
– Unterschiede in Lebenstilen und opferrelevanten
Verhaltensmustern
– Unterschiede in der Wahrnehmung von
Viktimisierung durch Hassgewalt (Zuschreibung von
Motiven)
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Das Opfer von Hassgewalt
 Die Anzeigerate unterscheidet sich nicht
 Mehr Unzufriedenheit mit polizeilicher
Behandlung der Anzeige
 Stärkere Wahrnehmung von rassistischen
Motiven
 Stärkere Betroffenheit durch Hassgewalt
–Angst vor Gewalt ist stärker ausgeprägt
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Der Trend zur horizontalen gesellschaftlichen Ordnung
 Die Idee der Einheit der gesellschaftlichen Ordnung und
der ungeteilten Mitgliedschaft geht verloren
 Damit verringert sich auch:
– Kollektivbewusstsein
– Konsens als Grundlage gesellschaftlicher Ordnung
 Es entstehen Segregation und Ausgrenzung als
wesentliche Merkmale horizontaler Ordnung (gated
communities)
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Zugehörigkeitskonflikte
 Reduktionistisch und dichotom
–wir und sie/Deutsche und Nichtdeutsche
 Wir-Gruppen-Prozesse
–Eskalation
–Polarisierung
 Zugehörigkeitskonflikte sind Brutstätten der
Gewalt
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Warum entstehen Zugehörigkeitskonflikte?
 Konflikte um Macht und Teilhabe
 Konkurrenz um Ressourcen und Güter
 Unsicherheit und Angst (der
Individualisierungsverlierer)
 Wertkonflikte
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Kontroll- und Überlegenheitsphantasien
 Die Abriegelung von Grenzen und die „Festung
Europa“
 Bessere Menschen
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Neutralisierungstechniken und die Legitimierung von Gewalt
 Der Immigrant als „bequemer“ Feind
 Fremde sind gefährlich
– Ausländer und Kriminalität
– Ausländer und Terrorismus
– der „Asylbetrüger“ und der Wirtschaftsflüchtling
 und grenzen sich selbst aus
 Wir als Opfer: die Opferperspektive und die Begründung
von Gewalt
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Die Antwort auf Hassgewalt
 Anti-Hass-Strafrecht
 Bestrafung von Motiven
–Tatstrafrecht v Täterstrafrecht
–„Niedrige Beweggründe“
Mordmerkmale
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EU Rahmenbeschluss
 Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit 2008
 Bezüglich derartiger Straftaten sollen die Mitgliedstaaten dafür Sorge
tragen, dass
– diese Delikte mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden
Strafen geahndet werden;
– Bei der Festsetzung des Strafmaßes für ein gewöhnliches Delikt soll
künftig die rassistische oder fremdenfeindliche Motivation als
erschwerender Umstand berücksichtigt werden.
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Reform der Strafzumessungsvorschrift §46 StGB
 (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände,
die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander
ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
– die Beweggründe und die Ziele des Täters,
 Reform des §46 StGB 2015
– Die Beweggründe und Ziele des Täters
– „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder
sonstige menschenverachtende,“
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Prävention?
 De-eskalierende Sozial- und Überzeugungsarbeit mit
Gewalttätern
– keine Hinweise auf Erfolg

 Beibehaltung der „alten“ Ordnungsform der Gewalt
– Gewaltmonopol des Verfassungs- und Rechtsstaats
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Terroristische Gewalt, Amok …
Todesursachen 2013 (Alkohol 2012)
20000
18311
18000
16000
14551
14000
12000
10076
10000
8000
6000
3614
4000
64
2000
585
0
0
1002
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0
Quellen: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de;
Bundeskriminalamt, www.bka.de)
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Ausgangspunkte
 Extreme Gewalt bedeutet seltene Ereignisse
 Nur wenige Menschen begehen Akte extremer Gewalt
 Von diesen stehen wiederum nur wenige für Forschung
zur Verfügung
 Forschung zu extremer Gewalt
– Einstellungen
– Korrelationsstudien
– Qualitative Forschung/Fallstudien
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Terroristische Gewalt Deutschland 1968 - 2012
25
250
Quelle: Rand Terrorism
Incidents Datei
20
200
Ereignisse und Verletzte linke
Y-Achse, Tote rechte Y-Achse
15
100
10
50
5
0
0
1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
1986
1988
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
150
Terroristische Ereignisse
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Verletzte
Tote
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Amoktaten (International, 1970 – 2014)
Opferzahl
Täter
überlebt
Suizid
Getötet
Insgesamt
0-5
24 (55%)
16 (36%)
4 (9%)
44
6-10
9 (31%)
16 (55%)
4 (14%)
29
 10
6 (22%)
17 (63%)
4 (15%)
27
Insgesamt
39 (40%)
49 (47%)
12 (13%)
100
Quelle: Erhebung von Amokdaten an Hand von Presseberichten (MPI 2014)
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Forschungsansätze zur Entstehung extremer Gewalt?
 Apokalyptische Gewalt (Manson, Jonestown/Guyana
1978 Massen(selbst)mord)
 Genozid
 Amok
 Kriminelle Karrieren, Zugang zu Gangs, Mafia
 Prognose schwerer Gewalt
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Radikalisierung und Rekrutierung
 Radikalisierung
– Internalisierung von Werten/Normen, die (extreme) Gewalt
gut heißen
 Rekrutierung
– Eintritt/Zugang zu radikalen Gruppen
 Die Begehung extremer Gewalt
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Wege zu Radikalisierung, Rekrutierung und Gewalt
 Radikalisierung und Rekrutierung verweisen auf
Prozesse und verschiedene Stadien, die im Prinzip nach
den Vorstellungen über kriminelle Karrieren geformt sind
– Einstieg, Teilnahme, Ausstieg
 Auf dem Weg werden die meisten Menschen, die
begonnen haben, über Gewalt nachzudenken,
abbrechen
– Gelegenheiten sind blockiert
– Neue Entscheidungen werden getroffen
 Fragen
– Warum wird der Weg in die Radikalisierung beschritten?
– Welche „turning points“ werden sichtbar?
– Wo kann Prävention ansetzen?
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