4.4.3 Mehrpunkt-Übertragung (Medium

Leseprobe
Kommunikationssysteme (Band 1) aus Abschnitt „Sicherungsschicht“
4.4.3 Mehrpunkt-Übertragung (Medium-Zugriff)
Bei der Mehrpunktübertragung teilen sich mehr als 2 Stationen ein gemeinsames Übertragungsmedium bzw. einen Übertragungskanal. Der Übertragungskanal ist so organisiert, daß
mehrere Paare von DL-Instanzen quasi gleichzeitig über den Kanal im Multiplex
kommunizieren können. Das Linkmanagemanagement hat dafür zu sorgen, daß es zu keiner
Datenkollision kommt, oder wenn dies eintritt, die Kollision nach einem geeigneten Verfahren
aufgelöst wird. Die Kanalsteuerung beinhaltet hierbei zweilerlei Aufgaben:
1. die Steuerung, welche Station von einem Paar senden, und welche empfangen soll.
Dies entspricht der Verbindungssteuerung, die auch in Punkt-zu-Punkt-Anordnungen
notwendig ist.
2. die Steuerung welches Stationspaar unter vielen gerade die Kontrolle über das
Medium hat. Diese Funktion bezeichnet man als Medium-Zugriff (engl. Medium
ACcess: MAC).
Beide Aufgaben sind in der Praxis mitunter nicht eindeutig zu trennen und vermischen sich in
realisierten Systemen. Eine eindeutige Trennung findet man dagegen im Bereich der lokalen
Netze (LAN) vor. Bei den ISO-Standards für Bus- und Ring-LANs hat man der
unterschiedlichen Funktion sogar besonders Rechnung getragen, indem die beiden
Funktionen in getrennten Schichten des Kommunikationssystems angesiedelt werden. Man
unterscheidet hier innerhalb der OSI-Schicht 2 zwei DL-Instanzen:
LLC (Logical Link Control)
Diese Instanz ist für das Sicherungsprotokoll und für die Verbindungssteuerung für je
zwei DL-Partnerinstanzen zuständig.
MAC (Medium Access Control)
Diese Instanz übernimmt die Zugriffssteuerung zum Medium.
In der Datenkommunikation findet, abgesehen von wenigen Ausnahmen, meist das Zeitmultiplexverfahren zur Lösung des Medium-Zugriffs und der Verbindungssteuerung Anwendung.
Es wird unterschieden zwischen Verfahren mit geordnetem Zugriff, bei denen einer Station
der Zugriff nach einer festgelegten Reihenfolge ausdrücklich erlaubt wird und solchen mit
ungeordnetem Zugriff. Bei ungordnetem Zugriff greifen die Stationen zufällig auf das Medium
zu und es können Kollisionen auftreten. Drei häufig benutzte Verfahren sind
- das Poll-Select-Verfahren,
- das Token-Verfahren und
- das CSMA/CD-Verfahren.
Bevor hierauf näher eingegangen wird, sollen zunächst .......................
4.4.3.5 CSMA/CD
In lokalen Datennetzen ist die Zahl der Stationen oft verhältnismäßig gering, z.B. einige 10.
Wenn die Stationen nur sehr selten Daten senden, dann aber viele Daten zu senden haben,
sind Linkmanagement-Verfahren, die nach einem geordneten Prinzip arbeiten, unwirtschaftlich. Sie haben einen geringen Durchsatz, weil fortwährend das Sendrecht an Stationen
vergeben wird, die nichts zu senden haben. In solchen Fällen sind die Verfahren mit ungeordnetem, d.h. stochastischem Zugriff erheblich leistungsfähiger. Auch hierbei sind alle
Stationen gleichberechtigt.
Das Grundprinzip aller stochastischer Zugriffsverfahren besteht darin, daß eine sendewillige
Station i.a. sofort mit dem Senden beginnt, im Vertrauen darauf, daß es wegen des geringen
Verkehrsaufkommens der übrigen Stationen zu einer erfolgreichen Übertragung kommt. In
einigen wenigen Fällen kann dies nicht der Fall sein; es tritt eine Kollision auf. Merkmal der
stochastischen Verfahren ist also, daß sie nicht kollisionsfrei sind.
Wegen seiner weiten Verbreitung in lokalen Netzen soll hier das Carrier Sense Multiple
Access-Verfahren mit Collission Detection (CSMA/CD) stellvertretend für alle stochastischen
Zugriffsverfahren besprochen werden. Schon der Name des Verfahrens deutet auf die
Zugriffsprinzipien hin:
Carrier Sense
Medium auf Träger abhören,
Multiple Access
Vielfacher Zugriff mehrerer Stationen,
Collission Detection
Kollisionserkennung.
Das Verfahren ist auschließlich für Bussysteme geeignet; es setzt eine ungerichtete
Datenübertragung zu beiden Seiten der sendenden Station entlang des Busses voraus. Anwendung findet dieses Verfahren in dem bekannten ETHERNET, einem LAN-Standard für
Koaxial-Bussysteme, der in IEEE 802.3 beschrieben wird [169], [170].
Zugriffsverhalten
Das Verhalten der DL-Instanzen bei dem CSMA/CD-Verfahren läßt sich gemäß Bild 4.32
darstellen. Eine sendewillige DL-Instanz hört den Bus solange auf eventuell schon sendende,
andere Stationen ab, bis sie den Bus frei vorfindet. Dann beginnt sie mit der Aussendung ihres
Rahmens. Auch während des gesamten Sendevorgangs wird der Bus abgehört, ob die
Übertragung durch andere Stationen gestört wird oder ob die Übertragung kollisionsfrei
abläuft. Auf die Notwendigkeit des Mithörens während des Sendens wird noch eingegangen.
Bild 4.32. Linkzugriffsverhalten der DL-Instanz beim CSMA/CD-Verfahren
Wenn während des Sendens keine Kollision festgestellt wird, erfolgte die Übertragung des
Rahmens ordnungsgemäß und die DL-Instanz wartet, bis sie wieder etwas zu senden hat. Tritt
dagegen eine Kollision auf, so muß der gleiche Rahmen erneut übertragen werden. Die DLInstanz sendet für eine gewisse Zeit ein Störsignal aus (JAM-Signal), das alle Nachbarstationen definitiv von der Kollision in Kenntnis setzt und wartet dann eine zufällige Zeit,
bevor sie erneut den Bus zum Senden abhört. Die Zufallszeit zum erneuten Senden ist
notwendig; hierdurch wird vermieden, daß im Fall einer Kollision, die daran beteiligten
Stationen nicht im unmittelbaren Anschluß erneut einen Konflikt produzieren. Würden
nämlich zwei oder mehr Stationen kollidieren und würden diese sofort wieder den Bus
abhören, so fänden sie den Bus abermals frei vor, beginnen mit dem Senden und kollidieren
abermals. Eine fortwährende, deterministische Kollision wäre vorprogrammiert. Eine unterschiedliche, zufällige Wartezeit bei den Stationen entspannt den Konflikt.
Für das CSMA/CD-Prinzip sind folgende Funktionen besonders wichtig und verlangen eine
sorgfältige Dimensionierung bei der Realisierung:
- eine sende- und empfangsseitige Richtungstrennung, damit im Empfangspfad Daten
anderer Stationen von den eigenen getrennt werden können,
- eine, meist in Hardware realisierte Erkennungsschaltung zur Detektion von Kollisionen,
- einen Zufallsgenerator, mit dem die statistische Wartezeit nach einer Kollision
generiert wird,
- die Beachtung von Dämpfungsverläufen entlang des Busses sowie einen möglichst reflexionsfrei abgeschlossenen Bus. Die eindeutige Frei-Erkennung des Busses und die
Kollisionserkennung erfordern Mindestempfangspegel; diese Funktionen dürfen
nicht durch Mehrfachreflexionen an den Busenden gestört sein.
- die Beachtung der Signallaufzeit zwischen Sender und Empfänger.
Insbesondere die Signallaufzeit ist bei dem CSMA/CD-Verfahren eine systembestimmende
Größe, wie im folgenden gezeigt wird. Sie entsteht durch die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit auf dem Bus und durch Verzögerungszeiten in den elektronischen Schaltungen des
Businterfaces.
Slot Time und Minimale Rahmenlänge
Aufgrund der endlichen Signallaufzeit können zwei oder mehr Stationen den Bus zu einem
bestimmten Zeitpunkt durchaus gleichzeitig als frei vorfinden und somit gleichzeitig zu senden
beginnen. Dies führt dann zu einem späteren Zeitpunkt irgendwo auf der Leitung zu einer
Datenkollision. Die beteiligten Stationen können dann die Kollision erst nach dem
Sendebeginn feststellen. Dies ist der Grund, weshalb die DL-Instanzen auch während des
Sendens den Bus abhören müssen. Bild 4.33 verdeutlicht den Ausbreitungsvorgang entlang
der Leitung. Systembestimmend sind die maximale Leitungslänge, die durch die zwei entferntesten Stationen 1 und n gegeben ist, sowie die Verzögerungszeiten in den Businterfaces.
Zum Zeitpunkt t möge Station 1 den Bus frei vorfinden und mit dem Senden ihres Rahmens
beginnen. Die Signalflanke des Rahmens benötigt eine endliche Laufzeit a, bis sie am
entfernten Ende bei Station n angelangt ist und am Businterface bemerkt wird. Unmittelbar vor
dem Zeitpunkt t+a sei nun Station n sendebereit und findet den Bus ebenfalls frei vor, da die
Daten von Station 1 sich noch gerade nicht bis Station n ausgebreitet haben. Station 2 beginnt
bei t+a-∆t ihren Rahmen auszusenden und stellt unmittelbar danach zum Zeitpunkt t+a eine
Kollision fest. Würde Station n nun direkt aufhören zu senden, so würde Station 1 nicht
feststellen können, daß am entfernten Ende eine Kollision stattgefunden hat. Deswegen muß
Station n mindestens solange weiter senden, bis die Vorderflanke ihres Rahmens bei Station 1
bemerkt wird und damit auch Station 1 die Kollision erkennt. Voraussetzung ist hierbei, daß
Station 1 immer noch sendet.
Bild 4.33. CSMA/CD: Zur Ableitung der minimalen Rahmenlänge
Insgesamt muß daher Station 1 einen Rahmen senden, der mindestens eine Übertragungszeit
von der doppelten Signallaufzeit in Anspruch nimmt. Da keine der Stationen am Bus
bevorrechtigt ist, muß die Übertragungszeit für einen Rahmen, der Bedingung
Tü >2a
(4.38)
genügen, damit alle Stationen am Bus eine Kollision erkennen können. Die doppelte
Signallaufzeit 2a bezeichnet man als round trip delay oder Slot Time. Sie ist nicht nur für die
Mindestübertragungszeit sondern auch für die Dimensionierung der Wartezeit nach erfolgter
Kollision wichtig (siehe nächster Abschnitt).
Präambel
SFD
DA
SA
Length
Pad
CRC
: Sync-Zeichen 10101010....010
: Starting Frame Delimiter 10101011
: Destination Address
: Source Address
: Länge des nachfolgenden Info-Feldes (max. 1500 Bytes)
: Padding-Bytes zum Auffüllen des Rahmens auf >=64 Bytes
: Prüf-Sequenz
Bild 4.34. Rahmenaufbau der DL-PDUs bei CSMA/CD (Beispiel ETHERNET)
Die Stationen senden mit einer konstanten Übertragungsgeschwindigkeit vü. Mit der Slot Time
und dieser Übertragungsgeschwindigkeit ergibt sich für das CSMA/CD-Verfahren, daß die
übertragenen Rahmen eine Mindestlänge haben müssen, nämlich
n = vü Tü > vü 2a
.
(4.39)
Die Mindestrahmenlänge, die Übertragungsgeschwindigkeit und die maximale Signallaufzeit
stehen also in einem engen Verhältnis. Die Signallaufzeit hängt wiederum vom Medium, der
maximalen Ausdehnung des Bussystems und den Verzögerungen der eingesetzten Schaltungen ab. Alle Größen sind sorgfältig aufeinander abzustimmen. Der Bus kann also, selbst
wenn die Dämpfung keine Rolle spielen würde, nicht beliebig weit ausgedehnt sein. Bei dem
erwähnten Ethernet sind beispielsweise festgelegt:
Übertragungsgeschwindigkeit
10 Mbit/s
maximale Entfernung
500 m
Slot Time 2a
50 µs
Aus Gleichung (4.39) berechnet man mit diesen Werten eine Mindestrahmenlänge
nmin = 500 Bit.
Die Festlegung einer Mindestrahmenlänge hat Auswirkungen auf das Rahmenformat der DLPDUs. Bild 4.34 zeigt einen typischen Rahmenaufbau, wie man ihn bei diesem Zugriffsverfahren vorfindet. Die einzelnen Felder der DL-PDU sind ganzahlige Vielfache von Bytes.
Bis auf das Informationsfeld haben alle übrigen Felder eine feste Länge. Es wird eine Mindestrahmenlänge von nmin = 512 Bit (64 Byte) gewählt, so daß das Informationsfeld eine
Mindestlänge von 46 Bytes aufweisen muß, um die Forderung nach einer minimalen
Rahmenlänge zu erfüllen. Da das Informationsfeld eine variable Länge hat, wird der Rahmen
ggf. mit Hilfe sog. Padding-Bytes auf die Mindestlänge aufgefüllt.
Statistische Wartezeit
Stellt eine Station eine Kollision fest, so macht es keinen Sinn, vor Ablauf der Slot Time 2a
erneut mit dem Senden zu beginnen. Würden darüberhinaus kollidierte Stationen deterministisch sofort nach Ablauf der Zeit 2a erneut senden, so wäre wieder eine Kollision zu
erwarten. Stationen, die Kollisionen festgstellt haben, müssen deshalb nach einem zufälligen
Schema wiederholt senden, um den Konflikt zu beseitigen. Dies wird durch eine zufällige
Wartezeit nach der Kollision geregelt. Bei den meisten CSMA-Verfahren wird die Wartezeit
Tw in ganzahligen Einheiten der Slot Time ermittelt:
Tw = i . 2a
(4.40)
Hierin wird i als ganze Zahl zufällig aus dem Intervall
0 ≤ i < 2k
(4.41)
gewählt und k ist die Anzahl der erfolglosen Versuche. Nach jedem Mißerfolg bei der
Übertragung steigt also die Wartezeit im Mittel exponentiell an 1. Nach einer Kollision könnte
direkt im nächsten Slot (i=0) oder übernächsten Slot (i=1) wieder gesendet werden. Dagegen
verteilt sich die Wartezeit bei zweimaliger Kollision bereits auf die Werte 0, 2a, 4a oder 6a. Die
Wahrscheinlickeit, daß nach einer erfolgten Kollision direkt im nächsten Slot wieder gesendet
werden darf, ist
Ps =
1
2k
.
(4.42)
Sie ist gleichzusetzen mit der Kollisionswahrscheinlichkeit auf dem Bus, wenn 2 Stationen
wartend sind. Die Kollisionswahrscheinlichkeit baut sich also mit jeder erneuten Kollision
schrittweise auf einen kleineren Wert ab, so daß Konflikte konvergierend abnehmen. Andererseits wird bei diesem Prinzip (gewollt) erreicht, daß diejenigen Stationen bevorrechtigt
senden dürfen, die wenig zu Kollisionen beitragen; dies trifft für Stationen mit wenig
Verkehrsaufkommen zu.
1
k wird auf den Ausgangswert null zurückgesetzt, wenn eine Übertragung kollisionsfrei war.