NZZ, 21. November 2015

Datum: 21.11.2015
Neue Zürcher Zeitung
8021 Zürich
044/ 258 11 11
www.nzz.ch
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 114'209
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Themen-Nr.: 663.068
Abo-Nr.: 1076947
Seite: 39
Fläche: 70'431 mm²
INVESTIEREN IM TIEFZINSUMFELD 10/12
Wer da hat, dem wird gegeben
Je grösser das Vermögen, desto mehr
Instrumente stehen dem Anleger zur Verfügung
Kleinanleger haben weniger
Auswahl bei der Geldanlage als
sehr vermögende Investoren,
ausserdem haben sie Nachteile
bei den Kosten.
EUGEN STAMM
Bei dem, was als «Anleger» oder «Investor» bezeichnet wird, handelt es sich um
ein wandelbares Geschöpf Es bevölkert
die Finanzwelt in verschiedenen Ausprägungen. Am unteren Ende des Spektrums steht der «Kleinanleger», wie man
ihn fürsorglich und ein wenig despek-
tierlich nennt. Dann kommt, was das
(Kollektivanlage-)Gesetz als «vermögende Privatperson» bezeichnet, ein
Anleger mit mindestens 500 000 Fr., der
gleichzeitig Berufserfahrung im Finanzsektor oder anderswo erworbene Fachkenntnisse besitzt. Ebenso gilt als «qualifizierter Anleger», wer zwar von Geldsachen keine Ahnung hat, aber mehr als
5 Mio. Fr. besitzt. Der Unterschied zwischen qualifiziertem und unqualifiziertem Anleger ist wichtig. Wer nämlich die
Hürde nicht nimmt, für den ist das An-
gebot an Anlagefonds eingeschränkt.
Dann gibt es noch eine Einteilung, die
der Segmentierung der Kunden aus
Sicht der Banken dient. Im englischen
Sprachgebrauch reichen die Vermögensklassen von «mass affluent»
(100 000 bis 1 Mio. $ flüssiges Vermö-
gen) über «high-net-worth individual»
(1 bis 30 Mio. $) bis «ultra-high-networth individual» (über 30 Mio. $).
Hein, Gipfelsturm
der Geldanlage profitieren wohlh
ende Investoren ton mehr Optionen.
Es darf ein bisschen mehr sein
515Y0
bei direkten Immobilienanlagen eher
100 Mio. Fr.
Zweitens unterscheidet sich das Mass
Zwischen Vermögensgrösse und Geldan Beratung und Service nach Veranlage kann man folgende Beziehungen
aufzeigen: Erstens, je mehr man hat, mögensgrösse. Ab einem Betrag von
desto grösser ist die Auswahl an Anlage-
etwa 100 000 Fr. findet man bereits erste
instrumenten. Ein Sparkonto kann man unabhängige Vermögensverwalter. Softauch eröffnen, wenn man mausarm ist. ware-basierte Beratungsprogramme, die
Andere Anlagen sind aufgrund ihres man Robo-Advisors nennt, sind schon
Preises nicht für jeden zugänglich. Bei mit Kleinbeträgen zugänglich.
Anleihen, die eine Stückelung von 1000
Ab einigen hunderttausend Franken
Fr. aufweisen, mag der Kreis der poten- öffnen sich die Türen von spezialisierten
ziellen Käufer noch sehr gross sein, er Privatbanken. Die Gründung eines eigeschrumpft aber beträchtlich, wenn eine nen Family-Office (einer Firma, die das
einzelne Aktie, wie etwa die von Berk- Familienvermögen verwaltet) ist erst
shire Hathaway, bereits 200 000 $ kos- mit drei- oder vierstelligen Millionentet. Kollektive Anlagegefässe wie bei- beträgen eine Option. Bei sogenannten
spielsweise Anteile eines Immobilien- Multi-Family-Offices, die ausser der
fonds bieten breite Diversifikation zu Gründerfamilie noch andere betreuen,
einem Preis von 100 Fr.; um keine liegt die Schwelle etwas tiefer.
Klumpenrisiken einzugehen, braucht es
Drittens gilt, dass höhere Investi-
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Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich
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Aktiv verwaltete Fonds verwendet er mitteilt, ob er seine Anlagestrategie
erst bei Vermögen ab einer halben Mil- sinnvoll umsetzt und Risiko und Renlion Franken, um Spezialthemen abzu- dite in einem für ihn passenden Verhältdecken. Für effiziente Märkte in einen nis zueinander stehen. Viele Anleger
bringt, hat hingegen Verhandlungs- aktiven Fonds zu investieren, sei nicht setzten Aktien fälschlicherweise mit
spielraum. Das mag ungerecht erschei- sinnvoll, sagt Sulser. Indizes wie den hohem Risiko gleich, dabei gebe es
nen, ist aber Ausdruck der Skalierbar- SMI, den DAX oder den S&P 500 er- Unternehmensanleihen mit aktienähnkeit des Anlagegeschäftes. Ein anderes schliesse er immer mit passiven Produk- lichen Qualitäten und dividendenstarke
Beispiel sind Fremdwährungstransak- ten, unabhängig von der Vermögens- Aktien mit recht geringen Wertschwantionen, die für Kleinanleger vergleichs- grösse. Privatanlegern, die lieber selbst kungen, sagt Wiesendanger.
Den vermögendsten Personen stehen
weise teuer, für Grossanleger hingegen entscheiden, rät er allerdings eher davon
tionssummen tiefere Kosten bedeuten.
Der Mann von der Strasse hat bloss die
Auswahl zwischen verschiedenen teuren Angeboten. Wer sehr viel Geld mit-
ab, Anleihen-ETF zu verwenden. In der grundsätzlich alle Anlagemöglichkeiten
fast gratis sind.
Viertens ist festzuhalten, dass eine Regel fehle ihnen das notwendige Wis- offen, und ihre Informationsmöglichkeizunehmende Vermögensgrösse fast kei- sen über die Zusammensetzung der ver- ten sind besser. Statt nur Prospekte zu
lesen, trifft man Fondsmanager persönne Nachteile hat. Die derzeit geltenden schiedenen Indizes.
lich. Bei manchen Anbietern von geNegativzinsen für grosse Geldbestände
schlossenen Fonds könne man heute
sind wohl nur ein temporäres Problem. Auswählen, was man kennt
aber selbst nur investieren, wenn man
Was hingegen bleibt, ist die Schwierigkeit, sehr grosse Summen zu bewegen. Bruno Gisler, Chefökonom der Ver- eine langjährige Beziehung zu ihnen
Wer viel Geld investieren muss, wird mögensverwaltungsgesellschaft Aquila, pflege, sagt Frank Häusler, CIO des
sich beispielsweise nicht damit aufhal- schildert, dass die Präferenzen der Kun- Marcuard Family Office. In gewissen
ten, Small-Caps direkt über die Börse zu den unterschiedlich seien. Die einen be- Bereichen, etwa bei Versicherungsverkaufen, weil er damit die Preise in die vorzugten Fonds, andere Einzelanlagen. briefungen, sei man gar nicht mehr auf
Höhe treiben würde. Entweder man Um einen sinnvollen Grad an Diversifi- kostentreibende Strukturen angewieinvestiert in Fonds oder schliesst «block
trades» ab. Letzteres bedeutet, bei einer
Bank ein grosses Aktienpaket zu einem
festgelegten Preis zu erwerben.
Einfachere Strategie
Je mehr Geld vorhanden ist, desto ein-
facher ist also grundsätzlich alles. In
einem wichtigen Punkt verkehrt sich der
Zusammenhang aber, denn je kleiner
kation zu erreichen, müsse man mindestens in 15 bis 20 Aktien investieren. Bei
Einzelpositionen von 100 000 Fr.
braucht es dazu also ein Anlagevolumen
sen, z. B. auf das, was man unter einem
Fonds versteht. Allerdings gibt es auch
noch bei sehr grossen Vermögen Unter-
von gegen 2 Mio. Fr. Bei Kunden, die
keine Präferenz haben, legt Aquila in
Märkten wie der Schweiz, Europa und
den USA direkt in einzelne Aktien an.
Dort, wo es sehr spezifische Kenntnisse
braucht, wie in Schwellenländern, kommen Anlagefonds zum Zug.
eher zu klein, um selber (als sogenann-
Bei UBS arbeite man bei Vermöein Vermögen, desto konsequenter muss
die Umsetzung der Anlagestrategie gensverwaltungsmandaten ab 2 bis
sein. Bei der Verwaltung von Vermögen 3 Mio. Fr. ebenfalls mit Einzeltiteln, darunter 250 000 Fr. verwendet Dominique unter mit Fonds, um eine optimale PortSulser von Merit Asset Management foliodiversifikation sicherzustellen, sagt
Christian Wiesendanger, Leiter Wealth
fast ausschliesslich ETF.
Wichtig sei es, auch kleine Portfolios Management Schweiz. Ob jemand die
weltweit zu diversifizieren und auf Vermögensanlage mit einem solchen
grösstmögliche Kosteneffizienz zu ach- Mandat delegiere oder selber entscheiten, sagt Sulser. 100 000 Fr. kann man de, sei nicht von der Vermögensgrösse
ohne weiteres auf 16 Positionen auftei- abhängig. Vielmehr stelle sich die Frage,
len, rechnet er vor. Bei einer seiner ob man Zeit und Lust habe, sich mit solDepotbanken kostet eine Transaktion chen Entscheidungen zu befassen. Für
an der Schweizer Börse 30 Fr., das ent- Anleger, die selber entscheiden wollen
spricht beim Kauf eines ETF für 6000 und ein Vermögen von mindestens
Fr. Transaktionskosten von einem hal- 250 000 Fr. mitbringen, hat die Bank ein
ben Prozent, ein vertretbarer Wert. pauschales Modell («UBS Advice») entwickelt, das dem Kunden unter anderem
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schiede. So sei man selbst mit 1 Mrd. Fr.
ter General Partner) einen PrivateEquity-Fonds zu lancieren, weil das zu
einem Klumpenrisiko führen dürfte.
Man sieht, die «Grösse» eines Vermögens ist ein relativer Begriff.
GELDANLAGE-SERIE
Mit dem heutigen Text zu den Anlageoptionen relativ zum eigenen Vermögen
setzt die NZZ ihre zwölfteilige Serie zu
den Problemen des Investierens im
Tiefzinsumfeld fort. Am nächsten Samstag beschäftigt sich der elfte Teil mit
der Frage, wie Anleger derzeit ein Portfolio aus Sicht einer klassischen Allokation ausrichten sollten.
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