1 Einführung in die Pastoraltheologie 13. Sitzung, 8.7.2015 14. KAPITEL: BILDWERKE IN DER KIRCHE - SEGEN ODER BALLAST? Fragestellung: Sind Werke der bildenden Kunst in der Kirche förderlich oder hinderlich? Es geht ja um die Gotteswirklichkeit, die mit Worten, Gesten und Musik vermittelt wird. I. Bild und Mensch Bildgebrauch im religiösen Bereich ist von Ein- wie Mehrdeutigkeit eines Bildes betroffen: es stellt dar und verweist auf Anderes zugleich. 1. Das ambivalente Verhältnis von Bild und Theologie Hinter Bilderstreit stand oft die Frage nach der Gegenwart der geistlichen Wirklichkeit der Religion in der fassbaren Welt; Bilder berühren die Frage nach der Geistigkeit wie auch der Macht der Religion im öffentlichen Bereich. Im Osten dienen Bilder als Kultbilder, wodurch der mystische Charakter des kirchlichen Handelns betont wird; im Westen steht die Verflochtenheit von Religion, Politik und Alltagsleben im Vordergrund. Der reformatorische Ikonoklasmus fürchtete um die Geistigkeit des Glaubens, während Luther dafürhielt, Bilder als sinnenhaft gewordenes Wort („verbum externum“) zu betrachten, da sich Gott in der Inkarnation ebenfalls des Sinnenhaften bediente. Die katholische Gegenreform stützte sich auf die Theorie der „cognitio sensitiva“: Bilder bewirken etwas in der Seele, erheben den Menschen zum Dargestellten; im Barock werden Bilder zu rhetorischen Mitteln, zu einer gemalten Predigt, indem sie den Betrachter überwältigen. In der Folge werden die Gesetzmäßigkeiten christlicher Ikonographie zusehends aufgelöst; auch durch den Einfluss der Aufklärung (die sich gegen eine Erkenntnistheorie wendet, die zwischen einer niederen sinnlichen und einer höheren reflexiven Erkenntnis unterscheidet) verändert sich so die Kunstpraxis total: der Künstler ist nicht mehr an Vorgaben gebunden. Folge: Spannungsverhältnis von Kunst und Kirche bzw. Kunst und Theologie: Theologen sehen im Autonomie-Anspruch der Künstler eine Anmaßung, die die Kunst für die Kirche unnütz werden lässt bzw. sie umgekehrt in eine Art sakralen Status hebt; Künstler hingegen werfen der Kirche oft eine Formalisierung des Geheimnischarakters der Gotteswirklichkeit vor, z.B. Wieland Schmied: „Gott ist tot in der Kirche. (…)“. 2. Bildwirklichkeiten heute Kirche und Kunst sehen sich beide einer enormen Bilderflut gegenüber: auf Plakaten dienen Bilder als Blickfang, Lockmittel; Kunstbilder sind tausendfach reproduzierbar; Fernsehen nimmt Zuschauer in virtuelle Welt bewegter Bilder. 2 Einführung in die Pastoraltheologie 13. Sitzung, 8.7.2015 II. Revitalisierung von Kunst Durch die heutige Bilderflut ergeben sich Fragen: Können Bilder aus alter Zeit noch sprechen, revitalisiert werden? Moderne Kunst versucht Antwort und Kritik an der Bilderflut - inwieweit kann sie in die Kirche geholt werden? 1. Erklärende Vermittlung Faktoren, die für Vermittlung von Kunstwerken und deren „Lesbarkeit“ wichtig sind: Künstler, Auftraggeber, Inhalt, Umfeld, Wirkungsgeschichte… Interpretationsansatz von Erwin Panofsky: Vorgehen vom Phänomensinn zum Bedeutungssinn zum Wesenssinn. Andere Methoden: z.B. hermeneutische Methode (fragt nach biographischen Hintergründen, ideengeschichtlichen Kontexten, formal-inhaltlichen Zusammenhängen…); rezeptionsästhetische Methode (Ausgangspunkt: Bild ist auf aktive Ergänzung des Betrachters angelegt). Bildervermittlung kann auch schriftlich geschehen, z.B. als dezenter Hinweis neben Kunstwerken in Kirchen. 2. Inszenierung von Kunst Durch Einpassung in neuen Rahmen kann ein altes Bild wieder sprechen: z.B. die Marienikonen in der Chiesa Nuova in Rom oder in der Münchner Herz-Jesu-Kirche, das romanische Kreuz im Herzoglichen Georgianum. Durch Reduktion kann neue Aufmerksamkeit auf ein Bild gelenkt werden: z.B. „Lichtpyramide“ von Gabriela Nasfeter oder die Praxis, in der Fastenzeit Bilder zu verhängen. III. Moderne Kunst im Kirchenraum Es gibt eine Verwandtschaft von Kunst und Theologie: ohne Kunst wäre Theologie ausdruckslos, Kunstwerke haben oft eine spirituelle Dimension (z.B. das Stuttgarter Kreuz von Joseph Beuys). Eine offene Kirche kann die Herausforderung offener Kunstwerke der Moderne annehmen und damit dem Menschen helfen, auf Gott hin offen zu sein.
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