INSTITUT FÜR ETHNOLOGIE Volker Gottowik (Heidelberg) „Pilger, Prostituierte und „Ritual Seks“ in Zentraljava“ Ein großer Nachteil der Religionsethnologie besteht darin, dass der Forscher es zumeist mit Frommen und Heiligen zu tun hat, selbst wenn seine Sympathien eher bei den Sündern liegen. Doch manchmal wird auch dem Frommen im Namen Gottes abverlangt, eine Regel zu verletzen oder ein Tabu zu brechen. Dieser Vortrag handelt von solchen kontrollierten Regelverletzungen und den religiösen Legitimierung, die sie erfahren. Es geht um außereheliche Sexualkontakte, die von Pilgern beiderlei Geschlechts im Namen einer lokalen Form des Islam vollzogen werden, um Reichtum und Glück zu erlangen. Im Rahmen dieses Vortrags werden zwei sakrale Orte in Zentraljava vorgestellt, die für „Ritual Seks“ bekannt sind, und kontrastierend mit einem dritten Ort verglichen, an dem diese Praktiken gerade unterbunden wurden. Was alle drei Orte miteinander verbindet, ist die Vorstellung, dass der Sexualakt hier zu den rituellen Handlungen von Pilgern gehören kann oder gehören sollte. Zentral für die Legitimierung dieser Verhaltensweise sind lokale Legenden, die den Ort mit berühmten Liebespaaren identifizieren. Die Pilger versuchen, das Verhalten dieser sakralisierten Liebespaare mimetisch nachzuvollziehen, um etwas von ihrer beispielgebenden Kraft in sich aufzunehmen. Die Verbindung von religiösen Anschauungen und ritualisiertem Sex wurde in Indonesien bislang kaum ethnographisch thematisiert. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen wird das Phänomen, das hier von Interesse ist, teilweise von kommerzieller Prostitution überlagert; zum anderen scheint es als Massenphänomen eher rezenten Datums zu sein. Denn trotz oder gerade wegen der voranschreitenden Islamisierung der indonesischen Gesellschaft haben lokale Pilgerfahrten seit einigen Jahren wieder Konjunktur – und damit auch Pilgerfahrten an Orte, die dafür bekannt sind, eine rituelle Brücke zwischen Prostitution und Religion zu schlagen. Ob in Indonesien religiöser Pluralismus auch in Zukunft eine Chance hat oder sich das Land auf dem Weg zu einem islamischen Staat befindet, lässt sich exemplarisch an den gesellschaftlichen Diskursen ablesen, die sich kontrovers auf das Phänomen „Ritual Seks“ beziehen. Das jedenfalls ist eine der Thesen, die in diesem Vortrag plausibel dargelegt werden soll. Institutskolloquium Ethnologie Dienstag, 02. Juni 2015 - 17-19 Uhr, Werkstattgebäude Alle Interessierten sind herzlich eingeladen! Institut für Ethnologie, Bergius-Villa, Albert-Ueberle-Straße 3-5 www.eth.uni-heidelberg.de
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