punkten mit traceability - TQ

ELEKTRONIKFERTIGUNG
PUNKTEN MIT TRACEABILITY
Traceability wird in einigen Bereichen vorgeschrieben und ist damit ein wichtiges Thema für
EMS-Anbieter. Doch wie wird sie umgesetzt? Welche Vorteile bringt sie dem Kunden? Und was
kostet dieser Mehraufwand? Was auf den ersten Blick einfach aussieht ist in der realen
Umsetzung nicht so ganz trivial. Wo ist also Traceability gefordert und wie funktioniert das?
TEX T: Wolfgang Heinz-Fischer, TQ-Group BILD ER: TQ-Group
Vorteile für den Kunden
Wie wichtig Traceability ist, zeigen viele Rückrufaktionen
aus der Wirtschaft oder dem Lebensmittelhandel. „Edeka ruft
Nuss-Nougat-Creme wegen Glasscherben zurück“ ist nur ein
Beispiel von Vielen. Prinzipiell unterscheidet man Traceability in verschiedenen Stufen die teilweise aufeinander aufbauen
beziehungsweise sich überschneiden:
▶▶ Produkt-Traceability: Rückverfolgbarkeit des Produktes
▶▶ Qualitäts-Traceability: Erfassung der Qualitätsdaten und
Qualitätsmanagement
▶▶ Material-Traceability: Material-Rückverfolgbarkeit
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▶▶ Lebenslauf-Traceability:
Lebenslaufund
Service
daten-Management
▶▶ Prozess-Traceability: Prozessdaten-Erfassung
▶▶ Logistik-Traceability: Logistik-Rückverfolgbarkeit, Verpackung, Versandverfolgung
Welche Art von Traceability gefordert ist, hängt vom Kunden und der Branche ab. Bis zu welcher Tiefe benötigt der
Kunde die entsprechenden Daten und muss nachvollziehen
können, was wann und wo gemacht wurde. Rückverfolgbarkeit
schafft in jedem Fall eine hohe Transparenz und ermöglicht
so eine schnelle Aussagefähigkeit. Es gibt eine gute Eingrenzungsmöglichkeit bei eventuellen Rückrufen und garantiert so
eine deutliche Schadensbegrenzung. Die Nutzen für den Kunden sind schnell erkennbar. In spezifischen Branchen ist dies
die Erfüllung gesetzlicher und branchenspezifischer Anforderungen wie in der Medizintechnik, Luftfahrt, Automobiltechnik und Lebensmittelbereich. Im Wesentlichen geht es um die
Eingrenzung von Material-, Prozess- und Design-Fehlern um
mögliche Folgeschäden einzugrenzen oder zu vermeiden.
Vorwärts und Rückwärts
Traceability geht in zwei Richtungen: Backward-Tracking
und Forward-Tracking. Beim Backward-Tracking wird der
Produktfehler in der Anwendung festgestellt. Ziel der Rückverfolgung ist hier, die betroffenen Baugruppen einzugrenzen
und dort nach möglichen Fehlern zu suchen. Liegt das Problem im Fertigungsprozess, in fehlerhaften Bauteilen oder im
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Was bedeutet Traceability? Die DIN EN ISO 8402 gibt
hier einen ersten Hinweis. Traceability bedeutet die Rückverfolgbarkeit eines Produktes hinsichtlich Herstellung, Zusammensetzung, Verarbeitung, Lagerung, Transport, Verbrauch
und Entsorgung. Die Forderung nach Rückverfolgbarkeit
in unterschiedlicher Tiefe resultiert aus Haftung und Schadensersatzpflicht gemäß BGB (§823, §280), aus Haftung und
Schadensersatzpflicht gemäß ProdHaftG (allgemeines Produkthaftungsgesetz), der Forderung nach Risikominimierung
und Schadensvermeidung/-begrenzung ISO 9001ff (allgemeine Qualitätsmanagementnormen), und den Normen EN 9100,
EN 9110, EN 9120 (Luft− und Raumfahrt), ISO/TS 16949,
VDA 6.1, VDA 6.2, VDA 6.4 (Automobilindustrie), ISO 13485
(Medizinproduktenorm), EN 178/2002 (Lebensmittelsicherheit) und FDA−Richtlinien (Medizinprodukte und Lebensmittel), um hier die wichtigsten Punkte zu nennen.
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Abbildung 1: Traceability erfordert eine umfangreiche Systemausstattung, eine klare Organisationsstruktur und klare Regeln.
Design selber. Dies zeigt schon, dass es notwendig sein kann
eine umfassende Rückverfolgbarkeit in fast allen Stufen durchzuführen. Beim Forward-Tracking wird der Fehler im Design
oder bei der Produktion der Baugruppen festgestellt. Hier geht
es darum, festzustellen, welche schon gefertigten oder ausgelieferten Baugruppen davon auch betroffen sein können und
dann entsprechende Rückrufaktionen zu starten. Wird Traceability durchgeführt lassen sich die betroffenen Produkte klar
eingrenzen und damit der mögliche Schaden minimieren. Also
durchaus auch ein kommerzieller Aspekt, der oft nicht in der
Kalkulation berücksichtigt wird. Traceability stellt also einen
Wert dar und darf durchaus etwas kosten.
Vorteile für Hersteller
Aber auch für den Hersteller und EMS-Anbieter bringt
die Traceability gewisse Vorteile. Sie ermöglicht die einfache,
effiziente, zeitnahe und automatisierte Erfassung aller Daten
und so schnelle und effektive Qualitätsregelkreise. Die Verriegelung von Prozessen bei fehlenden oder fehlerhaften Rückmeldedaten dient der Prozesssicherung. So wird sichergestellt,
dass sobald ein Problem erkannt ist, keine weiteren Baugruppen mehr gefertigt werden und erst einmal eine Fehlerursachenforschung und Fehlerbehebung stattfindet. Die Speicherung der Daten in einer Erfahrungsdatenbank ermöglicht die
Vermeidung von Fehlern in der Zukunft.
Damit Traceability funktioniert, müssen alle Daten der
Komponenten und der Fertigungsprozesse aufgezeichnet und
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zugeordnet werden. Für die Baugruppe bedeutet dass die Seriennummer als erster Schritt aufgebracht werden muss, da
dies die interne Referenznummer ist. Bisher wird das Seriennummern-Schild in aller Regel als letzter Produktionsschritt
aufgebracht, was eine Zuordnung der einzelnen Bauteile und
Produktionsschritte nicht ermöglicht. Nur nachgeschaltete
Prüfschritte können hier zugeordnet werden.
Bei sehr komplex bestückten Baugruppen ist meist kein
Platz für ein herkömmliches Seriennummern-Schild, deshalb kommen hier sehr kleine 2D-Schilder zum Einsatz. Der
Scanner zur Erfassung der Seriennummer muss außerdem in
der Lage sein, die Seriennummer zu erfassen, unabhängig auf
welcher Seite ein Produktions- oder Testschritt erfolgt. Die
Zusammenführung aller Daten und die entsprechende Aufzeichnung erfolgt über ein Manufacturing Execution Systems
(MES) und einer ERP-Anbindung. Hierzu sind Schnittstellen
in allen Bereichen des Produktionsprozesses nötig.
Von Anfang an
Die lückenlose Rückverfolgbarkeit fängt aber bereits bei
der Materialeinlagerung an. Hierzu werden im System eindeutige und intern zuzuordnende Chargen- oder Gebinde-Nummern vergeben, die im gesamten Lebenszeitraum des Gebindes
beibehalten werden. Während der Produktion werden diese
Nummern an der Produktionslinie eingelesen, um so eine
Zuordnung zu ermöglichen. Dies muss sowohl bei automatischer Bestückung, als auch bei manueller Fertigung möglich
E&E-Kompendium 2016
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Abbildung 2: Während der Produktion werden diese Chargen- oder Gebindenummern an der
Linie eingelesen, um so eine Zuordnung zu ermöglichen.
Fehlende Standards
Traceability erfordert eine umfangreiche Systemausstattung, eine klare Organisationsstruktur und klare Regeln, was
viele Fertigungsdienstleister überfordert und sie birgt noch
zusätzliche Hürden. So gibt es bis heute keine Standards in der
Kennzeichnung der Bauteile. Auch fehlen Standardschnittstellen bei den einzelnen Maschinen und sonstigen Produktionsmitteln. Es gibt aber Bestrebungen und Initiativen seitens der
ZVEI hier Standards zu definieren, was die Einführung und
den Einsatz von Traceability erheblich vereinfachen würde
und Initial-Kosten eines solchen Systems reduzieren könnte.
für schnelle und effektive Qualitätsregelkreise und damit einer Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. So können bei fehlerhaften Komponenten der davon betroffene Bereich schnell
eingegrenzt werden, bevor die Folgekosten unter Umständen
exponentiell steigen. Im Nachhinein können so Fehlerschwerpunkte erkannt werden und damit festgestellt werden, ob der
Fehler am Design oder Material liegt. Qualität lässt sich so
besser überwachen und auswerten. Traceability bringt darüber
hinaus auch Vorteile bei rechtlichen Aspekten. So kann man
zum Beispiel im Schadensfall schnell nachweisen, wo genau
der Fehler liegt, wer unter Umständen fehlerhafte Komponenten geliefert hat und in welcher Charge sie verbaut wurden.
Eventuell sind Rückrufaktionen möglich um weiteren Schaden
zu vermeiden.
Vorteile überwiegen
Bei der TQ-Gruppe ist Traceability hoch integriert und
automatisiert. Durch die hohe Integration entstehen für den
Kunden keine weiteren Kosten. Nur bei der Traceability bis auf
Bauteilebene sind zusätzliche Schritte notwendig und generieren so zusätzliche Kosten.Traceability in dieser Form ist nur
möglich durch die komplette Vernetzung aller Schritte während des gesamten Produktlebenszyklus, von der Entwicklung
bis zum Service. So kann zu jeder Baugruppe und jedem von
TQ gefertigtem Produkt eine Lebenslaufakte angelegt werden,
die keine Wünsche offen lässt. In dieser kompletten Form wird
Traceability nur sehr selten gelebt.
Unbestritten sind aber die Vorteile von Traceability, neben
den genannten Marktanforderungen ist dies die Möglichkeit
Weitere Informationen zur TQ-Group finden Sie im Business-Profil auf der Seite 79.
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sein. Damit ist die Zuordnung der einzelnen Bauteile zur Baugruppe sicher gestellt. Ist eine Prozess-Traceability gefordert
müssen alle Daten aus dem Fertigungsprozess zugeordnet
werden. Dazu zählen unter anderem die eingesetzten Produktionsmittel wie verwendete Maschinen und Maschinenparameter, sowie eingesetzte Lötmittel und Lötprofile. Manchmal
ist sogar gefordert, den entsprechenden Maschinenbediener zu
registrieren und zu zuordnen. Abschließend, speziell bei einer
Qualitäts-Traceability müssen die eingesetzten Prüfverfahren,
Prüfmittel, Prüfvorschriften und die entsprechenden Prüfergebnisse aufgezeichnet und zugeordnet werden.