22 Medizinische Themen KV-Blatt 01.2016 Neue Vielfalt inhalativer COPD-Therapien rWie den Überblick behalten? rWie richtige Verordnungsentscheidungen treffen? Die medikamentöse COPD-Behandlung ist ganz überwiegend eine inhalative Therapie. Ab Stadium II bzw. B der GOLD-Empfehlungen bzw. der entsprechenden Versorgungsleitlinie (NVL COPD derzeit in Überarbeitung) 1, 2 ist eine inhalative Dauermedikation mit lange wirksamen Bronchialerweiterern angezeigt, die durch die bedarfsorientierte Anwendung von kurz wirksamen Bronchialerweiterern ergänzt wird. Orale Therapien insbesondere mit Theophyllin treten in den Hintergrund, spielen eine zumindest wie bei Roflumilast bislang noch untergeordnete Rolle bzw. sind wie etwa beim Prednisolon für die Dauertherapie in den Leitlinien nicht verankert. Die Angebotspalette inhalativer Therapie-Produkte wächst aktuell und sorgt für nur zu verständliche Verwirrung bei den Verordnern. Hier soll der Versuch einer Orientierungshilfe gemacht werden. Die eingesetzten Substanzklassen sind schnell aufgezählt: rlange wirksame Vagolytika (LAMA) rlange wirksame Betamimetika (LABA) sowie rinhalative Corticosteroide (ICS). Abbildung 1 zeigt im Überblick die aktuell verfügbaren Substanzen. 12-Stunden-Wirkung LAMA Aclidinium Tiotropium 24-Stunden-Wirkung Glucopyrronium Umeclidinium 12-Stunden-Wirkung Substanzen LABA Formoterol Salmeterol Indacaterol 24-Stunden-Wirkung Olodaterol Vilanterol Budenosid alte Generation ICS Beclometason Mometason Fluticasonpropionat neue Generation Fluticasonfuroat Abbildung 1 – Inhalative Substanzen für die COPD-Dauerbehandlung Es fällt ins Auge, dass für die Broncho spasmolyse Substanzen mit 12-StundenWirksamkeit und mit 24-Stunden-Wirksamkeit zur Verfügung stehen. Dieses Merkmal der eventuellen „Einmal-täglich-Verordnung“ dürfte für die Verordnungsentscheidung bereits eine wichtige Rolle spielen. Berücksichtigt werden sollte allerdings, dass nicht wenige Patienten vor allem nächtliche bzw. morgendliche Beschwerden haben. Die 12-Stunden-Intervall-Medikation bietet hier Vorteile im Sinne einer Anhebung der spasmolytischen Wirkung nicht nur tagsüber, sondern auch in der späten Nacht/am frühen Morgen. Die verfügbaren erweiternden Substanzen dürften eine weitgehend übereinstimmende Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Spasmolyse aufweisen: Bei der COPD ist eine Bronchialerweiterung mit Anhebung des 1-Sekunden-Atemstoßes (FEV1) in der Größenordnung von 10 –15 % zu erwarten. Ein direkter Vergleich zwischen insbesondere den neueren Substanzen ist in Studien nicht verfügbar. Insofern ist wohl von einer insgesamt annähernd ähnlichen bronchospasmolytischen Leistungsfähigkeit der LABA und LAMA zumindest näherungsweise auszugehen. Ein Argument für die LAMA-Verordnung besteht in ihrer Wirksamkeit nicht nur im Hinblick auf die Bronchialerweiterung, sondern auch im Hinblick auf die Herabsetzung der Exazerbations-Wahrscheinlichkeit – z. B. in der „UPLIFT-Studie“ für Tiotropium nachgewiesen 3. Im Hinblick auf das Nebenwirkungsspektrum lässt die 12-Stunden-Substanz Aclidiniumbromid Vorteile vermuten, da sie aufgrund sehr schneller Pyrolyse keine nennenswerte Serum-Präsenz aufweist. Hieraus lässt sich ableiten, dass insbesondere systemische Nebenwirkungen bezüglich des Glaukom-Risikos und der Harnverhaltung nicht zu erwarten sind. Die Ergänzung der inhalativen Therapie durch inhalative Corticosteroide (ICS) bei COPD ist bislang immer dann als angezeigt angesehen worden, wenn Asthma-typische Merkmale das Krank- Medizinische Themen KV-Blatt 01.2016 Dosieraerosole Kapselsysteme Inhalationssysteme Pulverinhalatoren Inhalatoren mit Reservoir / Zählwerk Vernebler Abbildung 2 – Devices für die inhalative Therapie der COPD (Auswahl) heitsgeschehen mitbestimmen (AsthmaCOPD-Overlap-Syndrom (ACOS) 4, 5, oder wenn die Exazerbationsrate hoch ist. Dann war ab Stadium III GOLD (FEV1 ≤ 50 % der Norm nach Spas molyse) der Einsatz von ICS angezeigt. Dieses Paradigma gerät aktuell ins Wanken, nachdem in der „WISDOMStudie“ 6 gezeigt wurde, dass ein Wegnehmen von ICS bei COPD-Patienten nicht zur eigentlich erwarteten steigenden Exazerbationsrate führte. eine höhere Steroid-Rezeptor-Affinität und scheint eine geringere systemische Nebenwirkungsrate zu haben. Die Vorgängersubstanz Fluticasonpropionat (z. B. in Viani ®/Atmadisc ®) zeigte in höherer Dosierung (2 × 500 µg/Tag) Merkmale der systemischen Nebenwirkungen (Hautveränderungen etc.). Im Übrigen sind die bewährten und in der Asthmatherapie vorrangig eingesetzten ICS auch für den Einsatz bei der COPD-Erkrankung verfügbar. Hervorzuheben ist bei den ICS die neue Verfügbarkeit von Fluticasonfuroat neben dem bisher etablierten Fluticasonpropionat. Fluticasonfuroat besitzt Neben den neuen Substanzen sorgt ein steter Wandel bei den Inhalatoren („Devices“) für Verwirrung. H ersteller bringen immer wieder Neuerungen auf den Markt, die verstanden, beurteilt und bewertet werden müssen, bevor sie in die Verordnungsroutine aufgenommen werden können. Abbildung 2 zeigt die Devices-Landschaft (Auswahl): rDosieraerosole (in der Dauertherapie kaum eingesetzt, ihre Domäne ist der bedarfsorientierte Einsatz von kurz wirksamen Spasmolytika) rPulverinhalatoren mit Kapsel-System rPulverinhalatoren mit ZählwerkVorrichtung und Feedbacksystem rVernebler-Device, Alleinstellung des Respimat ® 23 24 Medizinische Themen KV-Blatt 01.2016 Fortsetzung von Seite 23 Bei der Entscheidung über den Einsatz von Inhalations-Devices spielen mehrere Faktoren eine Rolle: rKann der Patient die Koordinationsleistung zur Einatmung und unmittelbar nach Beginn der Einatmung die Auslösung des Devices zuverlässig bewerkstelligen? rOder: Benötigt er ein Atemzug-getriggertes Device? rKann der Patient die erforderliche Atemzug-Geschwindigkeit für die Auslösung der Substanzfreisetzung aufbringen? rVersteht er das Device/ist es ihm sympathisch? Es ergibt sich, dass bei der Auswahl der inhalativen Therapie die Device-Merkmale eine entscheidende Rolle spielen, da die Adhärenz/Compliance der 12-Stunden-Wirkung in der Regel durchaus kostenintensiven herapie von der korrekten Anwendung T der Devices entscheidend abhängt. Abbildung 3 zeigt in zunächst sicherlich verwirrender Weise im Überblick die verfügbaren Substanzen und eine Auswahl häufiger Devices in den möglichen Verknüpfungen rezeptierbarer Präparate (gelbe Schrift: LAMA-LABA-Kombina tionen, blaue Schrift LABA-ICS-Kombi nationen). Aclidinium Duaklir ® / Birmica ® LAMA Tiotropium 24-Stunden-Wirkung Glucopyrronium Spiolto ® Umeclidinium Ultibro ® 12-Stunden-Wirkung Inhalationssysteme LABA Formoterol Salmeterol Indacaterol 24-Stunden-Wirkung Olodaterol Anoro ® Symbicort ® Vilanterol Foster ® / Inuvair ® Budenosid alte Generation Beclometason Mometason Fluticasonpropionat ICS neue Generation Viani ® / Atmadisc ® Relvar ® Fluticasonfuroat ® ® ® ® ® ® ® ® Handihaler ®Breezehaler Turbohaler Diskus Novolizer Genuair Nexthaler Ellipta Respimat Abbildung 3 – Vielfalt möglicher Substanz-Device-Kombinationen KV-Blatt 01.2016 Abbildung 4 – Beispiel: Verfügbare Kombinationen mit Novolizer ®/Genuair ® Abbildung 5 – Beispiel: Verfügbare Kombinationen mit Respimat ® Medizinische Themen 25 26 Medizinische Themen KV-Blatt 01.2016 Fortsetzung von Seite 24 Für die Entscheidung zugunsten eines regelmäßig angewendeten Verordnungsschemas wird es hilfreich sein, unter dem Gesichtspunkt favorisierter Devices zu prüfen, welche SubstanzTherapieoptionen im jeweiligen System möglich sind. Beispielhaft und ohne hiermit verbundene Wertung zeigen die Abbildungen 4 und 5 etwa die Auswahl verfügbarer Substanzen, wenn innerhalb der Novolizer ®-/Genuair ®-Welt (nahezu identische Bedienungsweise) oder innerhalb der Respimat ®-Welt (Bedienungsvorteile für Patienten mit geringer Atemzugkraft) verordnet wird. Zu beachten ist, dass mit dem Respimat ® die Option eines ICS nicht verfügbar ist. Wer den neuerdings verfügbaren Ellipta ® verordnet (Abbildung 6), hat Kombinationen für LAMA-LABA oder für LABA-ICS zur Verfügung, nicht jedoch für alle drei Substanzklassen miteinander. Wie wichtig die Auswahl der Inhalationsdevices und ihre Schulung am Patienten sind, haben jüngst die pneumologischen Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Bundesverband der Pneumologen (BdP), Verband der pneumologischen Kliniken (VPK) und Atemwegsliga) in einem gemeinsamen Positionspapier festgehalten und die Verordner dazu ermutigt, ihre Entscheidung zugunsten eines Präparates vor dem eventuellen Aut-idem-Ersatz durch den Apotheker zu schützen und durch das Markieren des Aut-idemKreuzes durchzusetzen 7. Dr. Thomas Hering Landesvorsitzender im Berufsverband der Pneumologen in Berlin-Brandenburg [email protected] Die Bildrechte der abgebildeten Produkte liegen bei den Herstellern Abbildung 6 – Beispiel: Verfügbare Kombinationen mit Ellipta ® 1. www.goldcopd.org, Global Strategy for the Diagnosis, Managemenmt and Prevention of COPD – updated 2015, 2015. 2. Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, and A. d. W. M. Fachgesellschaften, Nationale Versorgungsleitlinie COPD, Version 1.9. www.versorgungsleitlinien.de, 2012. 3. Tashkin, D. P., et al., A 4-year trial of tiotropium in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med, 2008. 359(15): p. 1543–54. 4. Woodruff, P.G., et al., Current concepts in targeting chronic obstructive pulmonary disease pharmacotherapy: making progress towards personalised management. Lancet, 2015. 385(9979): p. 1789–98. 5. Barrecheguren, M., C. Esquinas, and M. Miravitlles, The asthma-chronic obstructive pulmonary disease overlap syndrome (ACOS): opportunities and challenges. Curr Opin Pulm Med, 2015. 21(1): p. 74–9. 6. Magnussen, H., et al., Withdrawal of inhaled glucocorticoids and exacerbations of COPD. N Engl J Med, 2014. 371(14): p. 1285–94. 7. Deutsche Gesellschaft fur Pneumologie und, B., et al., Positionspapier zur Aut-idem-Substitutionsverpflichtung bei Inhalativa. Pneumologie, 2015. 69(4): p. 196 –8.
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