Neue Vielfalt inhalativer COPD-Therapien

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Medizinische Themen
KV-Blatt 01.2016
Neue Vielfalt inhalativer
COPD-Therapien
rWie den Überblick behalten?
rWie richtige Verordnungsentscheidungen treffen?
Die medikamentöse COPD-Behandlung ist ganz überwiegend eine inhalative Therapie. Ab Stadium II bzw. B
der GOLD-Empfehlungen bzw. der entsprechenden Versorgungsleitlinie (NVL
COPD derzeit in Überarbeitung) 1, 2 ist
eine inhalative Dauermedikation mit
lange wirksamen Bronchialerweiterern
angezeigt, die durch die bedarfsorientierte Anwendung von kurz wirksamen
Bronchialerweiterern ergänzt wird. Orale
Therapien insbesondere mit ­Theophyllin
treten in den Hintergrund, spielen eine
zumindest wie bei Roflumilast bislang
noch untergeordnete Rolle bzw. sind wie
etwa beim Prednisolon für die Dauertherapie in den Leitlinien nicht verankert.
Die Angebotspalette inhalativer Therapie-Produkte wächst aktuell und sorgt
für nur zu verständliche Verwirrung
bei den Verordnern. Hier soll der Versuch einer Orientierungshilfe gemacht
­werden.
Die eingesetzten Substanzklassen sind
schnell aufgezählt:
rlange wirksame Vagolytika (LAMA)
rlange wirksame Betamimetika (LABA)
sowie
rinhalative Corticosteroide (ICS).
Abbildung 1 zeigt im Überblick die aktuell verfügbaren Substanzen.
12-Stunden-Wirkung
LAMA
Aclidinium
Tiotropium
24-Stunden-Wirkung
Glucopyrronium
Umeclidinium
12-Stunden-Wirkung
Substanzen
LABA
Formoterol
Salmeterol
Indacaterol
24-Stunden-Wirkung
Olodaterol
Vilanterol
Budenosid
alte Generation
ICS
Beclometason
Mometason
Fluticasonpropionat
neue Generation
Fluticasonfuroat
Abbildung 1 – Inhalative Substanzen für die COPD-Dauerbehandlung
Es fällt ins Auge, dass für die Broncho­
spasmolyse Substanzen mit 12-StundenWirksamkeit und mit 24-Stunden-Wirksamkeit zur Verfügung stehen. Dieses
Merkmal der eventuellen „Einmal-täglich-Verordnung“ dürfte für die Verordnungsentscheidung bereits eine
wichtige Rolle spielen. Berücksichtigt
werden sollte allerdings, dass nicht
wenige Patienten vor allem nächtliche
bzw. morgendliche Beschwerden haben.
Die 12-Stunden-Intervall-Medikation
bietet hier Vorteile im Sinne einer Anhebung der spasmolytischen Wirkung
nicht nur tagsüber, sondern auch in der
späten Nacht/am frühen Morgen.
Die verfügbaren erweiternden Substanzen dürften eine weitgehend übereinstimmende Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Spasmolyse aufweisen: Bei
der COPD ist eine Bronchialerweiterung
mit Anhebung des 1-Sekunden-Atemstoßes (FEV1) in der Größenordnung
von 10 –15 % zu erwarten. Ein direkter
Vergleich zwischen insbesondere den
neueren Substanzen ist in Studien nicht
verfügbar. Insofern ist wohl von einer
insgesamt annähernd ähnlichen bronchospasmolytischen Leis­tungsfähigkeit
der LABA und LAMA zumindest näherungsweise auszugehen. Ein Argument
für die LAMA-Verordnung besteht in
ihrer Wirksamkeit nicht nur im Hinblick
auf die Bronchialerweiterung, sondern
auch im Hinblick auf die Herabsetzung
der Exazerbations-Wahrscheinlichkeit –
z. B. in der „UPLIFT-Studie“ für Tiotropium nachgewiesen 3. Im Hinblick auf
das Nebenwirkungsspektrum lässt die
12-Stunden-Substanz Aclidiniumbromid
Vorteile vermuten, da sie aufgrund sehr
schneller Pyrolyse keine nennenswerte
Serum-Präsenz aufweist. Hieraus lässt
sich ableiten, dass insbesondere systemische Nebenwirkungen bezüglich des
Glaukom-Risikos und der Harnverhaltung nicht zu erwarten sind.
Die Ergänzung der inhalativen ­Therapie
durch inhalative Corticosteroide (ICS)
bei COPD ist bislang immer dann als
angezeigt angesehen ­worden, wenn
Asthma-typische Merkmale das Krank-
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Dosieraerosole
Kapselsysteme
Inhalationssysteme
Pulverinhalatoren
Inhalatoren mit
Reservoir / Zählwerk
Vernebler
Abbildung 2 – Devices für die inhalative Therapie der COPD (Auswahl)
heitsgeschehen mitbestimmen (AsthmaCOPD-Overlap-Syndrom (ACOS) 4, 5,
oder wenn die Exazerbationsrate hoch
ist. Dann war ab Stadium III GOLD
(FEV1 ≤ 50 % der Norm nach Spas­
molyse) der Einsatz von ICS angezeigt.
Dieses Paradigma gerät aktuell ins
Wanken, nachdem in der „WISDOM­Studie“ 6 gezeigt wurde, dass ein Wegnehmen von ICS bei COPD-Patienten
nicht zur eigentlich erwarteten steigenden Exazerbationsrate führte.
eine höhere Steroid-Rezeptor-Affinität
und scheint eine geringere systemische
Nebenwirkungsrate zu haben. Die Vorgängersubstanz Fluticasonpropionat
(z. B. in Viani ®/Atmadisc ®) zeigte in
höherer Dosierung (2 × 500 µg/Tag)
Merkmale der systemischen Nebenwirkungen (Hautveränderungen etc.).
Im Übrigen sind die bewährten und in
der Asthmatherapie vorrangig eingesetzten ICS auch für den Einsatz bei der
COPD-Erkrankung verfügbar.
Hervorzuheben ist bei den ICS die neue
Verfügbarkeit von Fluticasonfuroat
neben dem bisher etablierten Fluticasonpropionat. Fluticasonfuroat besitzt
Neben den neuen Substanzen sorgt
ein steter Wandel bei den Inhalatoren
(„Devices“) für Verwirrung. H
­ ersteller
bringen immer wieder Neuerungen auf
den Markt, die verstanden, beurteilt
und bewertet werden müssen, bevor sie
in die Verordnungsroutine aufgenommen werden können.
Abbildung 2 zeigt die Devices-Landschaft (Auswahl):
rDosieraerosole (in der Dauertherapie
kaum eingesetzt, ihre Domäne ist der
bedarfsorientierte Einsatz von kurz
wirksamen Spasmolytika)
rPulverinhalatoren mit Kapsel-System
rPulverinhalatoren mit Zählwerk­Vorrichtung und Feedbacksystem
rVernebler-Device, Alleinstellung des
Respimat ®
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Fortsetzung von Seite 23­
Bei der Entscheidung über den Einsatz
von Inhalations-Devices spielen mehrere Faktoren eine Rolle:
rKann der Patient die Koordinationsleistung zur Einatmung und unmittelbar nach Beginn der Einatmung die
Auslösung des Devices zuverlässig
bewerkstelligen?
rOder: Benötigt er ein Atemzug-getriggertes Device?
rKann der Patient die erforderliche
Atemzug-Geschwindigkeit für die
Auslösung der Substanzfreisetzung
aufbringen?
rVersteht er das Device/ist es ihm
sympathisch?
Es ergibt sich, dass bei der Auswahl der
inhalativen Therapie die Device-Merkmale eine entscheidende Rolle spielen, da die Adhärenz/Compliance der
12-Stunden-Wirkung
in der Regel durchaus kostenintensiven
­ herapie von der korrekten Anwendung
T
der Devices entscheidend abhängt.
Abbildung 3 zeigt in zunächst sicherlich verwirrender Weise im Überblick die
verfügbaren Substanzen und eine Auswahl häufiger Devices in den möglichen
Verknüpfungen rezeptierbarer Präparate
(gelbe Schrift: LAMA-LABA-Kombina­
tionen, blaue Schrift LABA-ICS-Kombi­
na­tionen).
Aclidinium
Duaklir ® / Birmica ®
LAMA
Tiotropium
24-Stunden-Wirkung
Glucopyrronium
Spiolto ®
Umeclidinium
Ultibro ®
12-Stunden-Wirkung
Inhalationssysteme
LABA
Formoterol
Salmeterol
Indacaterol
24-Stunden-Wirkung
Olodaterol
Anoro ®
Symbicort ®
Vilanterol
Foster ® / Inuvair ®
Budenosid
alte Generation
Beclometason
Mometason
Fluticasonpropionat
ICS
neue Generation
Viani ® / Atmadisc ®
Relvar ®
Fluticasonfuroat
®
®
®
®
®
®
®
®
Handihaler ®Breezehaler Turbohaler Diskus Novolizer Genuair Nexthaler Ellipta Respimat Abbildung 3 – Vielfalt möglicher Substanz-Device-Kombinationen
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Abbildung 4 – Beispiel: Verfügbare Kombinationen
mit Novolizer ®/Genuair ®
Abbildung 5 – Beispiel: Verfügbare Kombinationen mit Respimat ®
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Fortsetzung von Seite 24­
Für die Entscheidung zugunsten eines
regelmäßig angewendeten Verordnungsschemas wird es hilfreich sein,
unter dem Gesichtspunkt favorisierter
Devices zu prüfen, welche SubstanzTherapieoptionen im jeweiligen System
möglich sind. Beispielhaft und ohne
hiermit verbundene Wertung zeigen die
Abbildungen 4 und 5 etwa die Auswahl
verfügbarer Substanzen, wenn innerhalb der Novolizer ®-/Genuair ®-Welt
(nahezu identische Bedienungsweise)
oder innerhalb der Respimat ®-Welt
(Bedienungsvorteile für Patienten mit
geringer Atemzugkraft) verordnet wird.
Zu beachten ist, dass mit dem Respimat ® die Option eines ICS nicht verfügbar ist. Wer den neuerdings verfügbaren
Ellipta ® verordnet (Abbildung 6), hat
Kombinationen für LAMA-LABA oder für
LABA-ICS zur Verfügung, nicht jedoch für
alle drei Substanzklassen miteinander.
Wie wichtig die Auswahl der Inhalationsdevices und ihre Schulung am
Patien­ten sind, haben jüngst die pneumologischen Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin (DGP), Bundesverband der Pneumologen (BdP), Verband
der pneumologischen Kliniken (VPK)
und Atemwegsliga) in einem gemeinsamen Positionspapier festgehalten und
die Verordner dazu ermutigt, ihre Entscheidung zugunsten eines Präparates
vor dem eventuellen Aut-idem-Ersatz
durch den Apotheker zu schützen und
durch das Markieren des Aut-idemKreuzes durchzusetzen 7.
Dr. Thomas Hering
Landesvorsitzender im Berufsverband der
Pneumologen in Berlin-Brandenburg
[email protected]
Die Bildrechte der abgebildeten Produkte liegen bei
den Herstellern
Abbildung 6 – Beispiel: Verfügbare Kombinationen mit Ellipta ®
1. www.goldcopd.org, Global Strategy for the
Diagnosis, Managemenmt and Prevention of
COPD – updated 2015, 2015.
2. Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, and A. d. W. M. Fachgesellschaften,
Nationale Versorgungsleitlinie COPD, Version 1.9. www.versorgungsleitlinien.de, 2012.
3. Tashkin, D. P., et al., A 4-year trial of tiotropium in chronic obstructive pulmonary disease.
N Engl J Med, 2008. 359(15): p. 1543–54.
4. Woodruff, P.G., et al., Current concepts in targeting chronic obstructive pulmonary disease
pharmacotherapy: making progress towards
personalised management. Lancet, 2015.
385(9979): p. 1789–98.
5. Barrecheguren, M., C. Esquinas, and M. Miravitlles, The asthma-chronic obstructive pulmonary disease overlap syndrome (ACOS): opportunities and challenges. Curr Opin Pulm Med,
2015. 21(1): p. 74–9.
6. Magnussen, H., et al., Withdrawal of inhaled
glucocorticoids and exacerbations of COPD. N
Engl J Med, 2014. 371(14): p. 1285–94.
7. Deutsche Gesellschaft fur Pneumologie und, B.,
et al., Positionspapier zur Aut-idem-Substitutionsverpflichtung bei Inhalativa. Pneumologie,
2015. 69(4): p. 196 –8.