18 Savoir & Vivre Bieler Tagblatt Samstag, 31.10.2015 Eidgenössischer Zuckerguss von «Miss Kitsch» Neuerscheinung Zuckerbäckerin Sandra Müller-Jennings aus Orvin geht unter die Autorinnen: «Kitchcakes» zeigt Heidi mit Kuhglocke, Trachten und Schweizerkreuze. Übersetzt wurde das erste Buch der gebürtigen Kanadierin von ihrem Mann – und der ist kein Unbekannter. Clara Gauthey Mit der Zuckerbäckerei ists ein bisschen wie mit dem Ballett: Federleicht sollen die Verzierungen wirken, kompliziert ist es hingegen mitunter, die Perfektion auf die Bühne zu bringen. Kein Wunder also, dass auch Zuckerbäckerin Sandra Müller-Jennings aus Orvin offen zugibt: In ihrem Buch hats ein paar Dinge «you shouldn’t try at home», wie die Kanadierin mit Doppelpass lachend erklärt. Konkret: Das Heidi mit Flechtzopf und Kuhglocke, an dem die Ziege nagt, an dem könnte sich auch manch ein Anfänger die Zähne ausbeissen. Oder den «Crazy Chicks», die «Verrückten Hühnern». Aber zum Glück gibt es ja noch fast 40 weitere Anleitungen mit guten Bildern für Lernhungrige, die aus einer Süssigkeit nicht nur einen Gaumen- sondern auch einen Augenschmaus machen wollen. Die Edelweiss-Verzierungen oder die Lebkuchenmänner sind zum Beispiel auch für Anfänger sehr gut machbar. Dreisprachiges Erscheinen So international die Autorin ist – aufgewachsen im französisch-englischen New Brunswick, der einzigen offiziell zweisprachigen Provinz Kanadas, so international wird auch ihr Buch vermarktet, nämlich immerhin schon bei Ersterscheinen auf deutsch und französisch – im Frühling soll es voraussichtlich eine englische Ausgabe geben. In ihren Cake-Kursen, die sie seit 2010 in Leubringen gibt, spricht sie aber am liebsten eine Sprache, die alle verstehen: «Learning by doing», wie sie sagt und wieder lacht. Der Buchhandel hat bereits eine ordentliche Anzahl Exemplare der «Kitchcakes – Made in Switzerland» bestellt, wie die Autorin verrät. Der touristische Blick, den sich die Frau mit sonnigem Gemüt laut eigener Aussage bewahrt hat, trifft vielleicht auch im Ausland die Geschmäcker, wird sich der Werdverlag gedacht haben, der ihr dazu riet, sich ganz aufs originär Schweizerische zu konzentrieren, um sich von der übrigen Flut der Dekorationsbücher abzuheben. erst recht, vor allem, wenn sie in süssem Kleide erscheinen. Dabei denkt die Autorin schon einmal um die Ecke und lässt den Cake zur 1.-Augustfeier im Handumdrehen zum Valentinskuchen werden: Einfach Rot und Weiss vertauschen und statt Schweizerkreuz die Herzform nehmen! International ist das Schweizerkreuz ja ohnehin eher ein Symbol denn ein furchteinflössendes Nationalstaats-Siegel. Schon lange verwenden es diverse Modemarken für eine Message irgendwo zwischen Freiheit, Volkstümlichkeit und sauberem Alpen-Feeling. 800 Stunden Über 700 Trachten gibt es in der Schweiz. Einem Teil von ihnen widmet die Autorin aus Orvin eine Hommage auf Cookies. Bilder: zvg Auf den Geschmack kommt es (auch) an Weitere Tipps für Zuckerbäcker • Folgende Rezepte gibt es neben den Anleitungen für zuckersüsse Optik in dem Buch «Kitchcakes»: Hoselupf-Popcorn; Vanille-Zucker-Cookies, Philadelphia-Buttercreme für Cupcakes; MeringueButtercreme; Cupcakes der grünen Fee (mit Absinthe); Rüeblitorte; Samtroter Kuchen mit Schweizerkreuz; Vanille- und Schokoladen-Cupcakes sowie ein Rezept für Hundebiskuits. • Fazit: Alles unglaublich süss, aber auch zum Reinlegen, vor allem die Rüblitorte! gau Zubehör zur Torten-Dekoration kann man unter anderem auf der Homepage www.kitschcakes.ch von Müller-Jennings kaufen, aber auch in diesen Onlineshops: • www.bakeria.ch • cake-boutique.ch • genevacakes.ch Buchtipps zur Kuchendekoration: • Lindy Smith, «Lindys kreative Tortenkunst». Gut Machbares von der englischen Bestsellerautorin; Übersetzung 2013. • Peggy Porschen, «Sweet Flowers». Florale Blütenpracht und Hochzeitstorten mit absolutem Wow-Effekt für Fortgeschrittene (2014). gau Ein Hingucker auf jeder 1.Augustfeier ist der Schweizerkreuz-Kuchen. Info: Sandra Müller-Jennings, «Kitchcakes – Made in Switzerland», Werd Verlag, 49 Franken. Schweizerkreuze und Herzen Made in Switzerland kommt an. Heimatliebe und Schweizerkreuz Symbolträchtige Alpenblume: Die Anleitung zur Edelweiss-Blüte auf dem Cupcake ist eine der einfachen Dekorationen aus dem Buch von Sandra Müller-Jennings. In zwölf Schritten kommt man hier mit vergleichsweise wenig Gebastel zum Ziel. Seit vier Jahren gibt Miss Kitch, wie sich Müller-Jennings selbstironisch auf ihrer Webseite nennt, Kurse für Zuckerbäcker aus der ganzen Schweiz. Da ist es nur natürlich, dass einige der Rezepte, die sich nun in ihrem ersten Buch finden, schon in diesen Kursen von ihr verraten wurden. Allerdings hat sie für das Buch an vielen weiteren Dekorationsanleitungen gebastelt, die sich eben speziell rund um Heidi, Ziegen, Alphörner oder Hoselupf drehen. «In diesem Buch stecken 800 Stunden Arbeit», erklärt die Autorin. «Eine durchaus schwere Geburt.» Gatte Mathias Müller (SVPGrossrat) übersetzte auf deutsch, weshalb dem Berufsoffizier schliesslich die Zeit fehlte, seine eigene geplante Neuerscheinung voranzutreiben. Auf Anfrage erklärte der Werdverlag, das Erscheinen von «Wie entscheiden Sie?» mit Kolumnen aus dem «Schweizer Soldat» werde sich voraussichtlich bis ins Frühjahr verzögern. SVP-Schafe als Deko? Auf die (nicht ganz ernste) Frage, ob das Motiv des Schafes in ihrem Dekorations-Buch von der SVPKampagne aus dem Jahr 2007 inspiriert sei, stutzt Müller-Jennings nicht schlecht... Wie sie die Kampagne selbst gefunden habe? Sie denke liberal. FDP also? Nun – nein, Sie wähle natürlich ihren Mann! Der Dekoration schadet ihre politsche Einstellung keineswegs, sie ist, wie erwartbar, einigermassen kitschig und zuckrig und so süss, wie man es bei einer Bäckerin mit kanadischen Wurzeln erwarten darf: sehr! A Table Ein Hauch weiter Welt ie es sich für einen echten Flughafen gehört, werden die Gäste im Airport Restaurant in Grenchen von einem grossen Modellflugzeug begrüsst. Nicht irgendein Flugzeug hängt von der Decke, es ist die legendäre Douglas DC-3 mit Swissair-Bemalung. Zwar herrscht an diesem Sonntagabend kein Flugbetrieb mehr. Das Aviatik-Feeling W stellt sich angesichts des schlichten, zweckmässigen Mobiliars und des glänzenden Aluminiumdekors aber schnell ein. Die freundliche Bedienung bittet an einen Fensterplatz. Die Front des Restaurants ist mit extragrossen Fenstern versehen, damit die Gäste die Flugzeuge beobachten können. Die Atmosphäre wird mit einem Glas Petite Arvine zum Apéro abgerundet (6.50 Franken/Glas). Die Aromen des Wallisers erinnern an Grapefruit und Passionsfrucht. Im Gaumen ausgewogen und mit einer angenehmen Fruchtsüsse gefällt der Wein. Auf die Speisekarten warten muss man nicht, diese befinden sich bereits in einer Halterung auf dem Tisch. Das mag nicht so ganz zur trendigen Flughafenatmosphäre passen. Aber es kommt ja bekanntlich auf den Inhalt an: Es gibt eine grosse Auswahl an Pizzen (ab 16.50 Franken), diversen Fleischgerichten und klassischer Schweizer Küche, wie Cervelat Salat (18 Franken) oder gratinierte Älpler-Rösti (18 Franken). Zudem gibt es eine separate Saisonkarte und die hält ein verlockendes Angebot an Wildgerichten bereit. Als Vorspeise werden zwei Kürbiscremesuppen mit Kürbiskernöl geordert (9.50 Franken). Für den Herrn soll es danach der Rehpfeffer nach «Grossmutter Art» mit Speck, Croutons und Silberzwiebeln sein (29.50 Franken). Dazu werden Spätzli, Rotkraut, Rosenkohl und glacierte Marroni sowie ein Preiselbeerapfel serviert. Die Dame hingegen entscheidet sich für den «Wildsaupfeffer Grenchenberg» (27.50 Franken). Neben den genannten Beilagen wird dieser mit gebratenen Waldpilzen und Speck garniert. Nun muss noch der passende Rotwein gefunden werden. Die Weinkarte des Airports ist bescheiden. Immerhin wird Wert auf Schweizer Produkte gelegt und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist fair. Auch die Bielerseewinzer sind mit Rolf Römer und Adrian Klötzli vertreten. Heute indes soll es der «Sous l’Eglise» Grand Cru aus Yvorne sein (26 Franken/50cl-Flasche). Der Waadtländer Pinot Noir gefällt mit einem fruchtigen Bouquet mit Noten wie Pflaume und Sauerkirsche sowie etwas Röstaromen. Am Nebentisch diskutieren zwei Sportpiloten über ihre Leidenschaft. Vis-à-vis unterhalten sich englischsprechende Gäste und nebenan isst ein Hotelgast. Die Flughafenatmosphäre ist spürbar. Nach kurzer Wartezeit wird die Suppe aufgetragen. Zwar ist sie mit der Kernöl-Deko optisch hübsch anzusehen, der Geschmack aber enttäuscht. Die Kürbissuppe ist wässrig und kaum gewürzt, von Kürbis keine Spur. Nun müssen es die Hauptgänge richten. Beide Teller sind ansprechend angerichtet und lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Der Rehpfeffer ist geschmacklich stimmig abgeschmeckt. Einige Fleischstücke schmecken ausgezeichnet, einige sind leider trocken. Dasselbe gilt für den Wildsaupfeffer. Zur grossen Freude ist das Rotkraut selber hergestellt. Rosenkohl und Spätzli sind auf den Punkt gegart und die Waldpilze sind köstlich. Einzig die glacierten Marroni sind hart. Ein Dessert hat für einmal keinen Platz mehr, ein Espresso (4 Franken) macht heute den Abschluss, auch wenn die «B’soffne Zwetschgen» mit Zimtglace verlockend klingen. Alles in allem ist es ein gelunge- ner Aviatik-Abend, allerdings mit etwas Luft nach oben. Fabian Maienfisch Restaurant Airport Grenchen Karte: Schweizer und Italienische Küche. Saisonale Karte. Preis: Vorspeisen zwischen 8 und 14.50 Franken, Hauptgerichte zwischen 18 und 42 Franken. Ambiance: Moderne Räumlichkeiten mit Aviatik-Feeling. Kundschaft: Sportpiloten, Hotelgäste und Grenchner. Aufgefallen: Aviatik ist hier das zentrale Thema, auch auf dem grosszügigen Kinderspielplatz vor der Türe. fm Info: Flughafenstrasse 123, 2540 Grenchen, 032/654 70 70, www.airporthotel.ch. Fr und Sa, 7 bis 0.30 Uhr, So bis Do, 7 bis 23.30 Uhr.
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