Foto: M. Schütte Fachsymposium Gams am Abgrund? Um die „Zukunft der Gams in den Alpen“ ging es auf einem zweitägigen Symposium, zu dem die Bayerische Akademie für Jagd und Natur und der BJV ins oberbayerische Lenggries eingeladen hatten. Führende Biologen aus Bayern, Österreich und der Schweiz berichteten über ihre Erfahrungen und ihre Forschungsarbeiten. Dabei sind teilweise besorgniserregende Ergebnisse herausgekommen. Die Gams, die Charakter-Art der Alpen, hat Probleme. Es gibt immer weniger ungestörten Lebensraum und die Bestandsstrukturen sind aus den Fugen geraten, weil zu viele und zu junge Tiere erlegt werden. Zwei Tage lang diskutierten nun Experten über die Gründe für diese Entwicklung und vor allem über Lösungsmöglichkeiten. Auf einer Exkursion zu den Schutzwaldsanierungsgebieten im Karwendel drehte sich alles um den Lebensraum der Gams und um die Auswirkungen des hohen Jagddrucks, denn in diesen Gebieten gilt teilweise eine Schonzeitaufhebung. Betroffen sind dabei vor allem die sonnigen Südhänge, die für die Gams im Karwendel klassische Winterlebensräume bieten. Das heißt, dem heimischen Gamswild bleiben nur noch wenige artgerechte Winterlebensräume, um die harte Jahreszeit unbeschadet und ungestört zu überstehen. Das aber wäre gerade im Winter wichtig, wie Prof. Walter Arnold vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien eindrucksvoll zeigen konnte. Denn im Die Exkursion zu den Schutzwaldsanierungsgebieten im Karwendel hat Rudolf Plochmann von den Bayerischen Staatsforsten organisiert. Winter fährt die Gams ihre Stoffwechselaktivität stark zurück, gerade dann braucht sie vor allem eines: Ruhe. Die Bejagung in dieser sensiblen Jahreszeit ist deshalb eher schädlich und provoziert geradezu Schäden an Forstpflanzen. Doch die sonnigen Südhänge sind auf der anderen Seite genau die Gebiete, in denen die Waldverjüngung extrem schwierig ist. Vor dem Hintergrund der Schutzwaldsanierungsgebiete steigt der Jagddruck im Winter in vielen Teilen der Alpen deshalb noch an. Diesen Konflikt gilt es im Sinne eines wohlverstandenen Leitsatzes „Wald mit Wild“ zu lösen. Aber auch der Tourismus macht der Gams zu schaffen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit dringen Outdoor-Begeisterte 8/2015 17 Viele namhafte Referenten kamen zum Gamssymposium in Lenggries, wie Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg, Dr. Christine Miller, Dr. Peter Meile, Josef Stock, Markus Hildebrandt, Prof. Dr. Jürgen Vocke, Rudolf Plochmann, Dr. Günther Baumann, Hannes Jenny und Anton Krinner (v. l.) in die entlegendsten Winkel. Das heißt, jetzt sind alle gefordert, Verbesserungen umzusetzen, die das Überleben des Gamswildes in den bayerischen Alpen sichern. Wissenschaftler aus Österreich und der Schweiz haben aufgezeigt, wie das möglich ist. Basis ist die Bestandsaufnahme, die regelmäßige Zählung. Denn Schätzungen, das bestätigten alle Experten, geben selten tatsächliche Verhältnisse wieder. Weitere Bausteine sind Wildruhezonen und sichere Winterlebensräume auf der einen, eine gelenkte Jagd nach einem ausgefeilten Managementkonzept auf der anderen Seite. Sicher, das erfordert Ausdauer und Disziplin bei allen Beteiligten. Aber die Beispiele haben gezeigt, dass es funktioniert, dass die Überlebensraten zunehmen, der Krankheitsdruck abnimmt. Die wissenschaftliche und ideologiefreie Auseinandersetzung hat deutlich gemacht, dass unser Gamswild gesichert werden kann, wenn ihm ein Überlebensrecht in intakten sozialen Strukturen möglich ist. Neben der in vielen Bereichen sicher sinnvollen Schutzwaldsanierung darf die für das Gamswild so wichtige Sozialstruktur von Familienverbänden nicht gänzlich in den Hintergrund gedrängt werden. G. Helm 18 8/2015 Tölzer Erklärung zum Gamswild-Symposium Die Gams ist eine einzigartige Charakter-Wildart der bayerischen Alpen und ist damit ein Stück bayerische Kultur. Aktuell gilt es, die Lebensbedingungen der Gams in Bayern mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verbessern. Der Bayerische Jagdverband (BJV) fordert Jäger, Grundbesitzer und Forstverwaltung auf, eng zum Wohle des Gamswilds zusammenzuarbeiten. Ziel muss es sein, das Gamswild großflächig und in gesunden Beständen in den bayerischen Alpen zu erhalten und, wo nötig, zu fördern. Zentrale Forderungen dabei sind: ■ die Bereitstellung von Sommerund vor allem von geeigneten Winterlebensräumen: Die Lebensräume der Gams müssen großflächig und miteinander vernetzt sein. Die Gams braucht steile Hänge, nicht nur oberhalb der Waldgrenze, sondern auch im Wald. Im Winter zieht das Gamswild in die Südlagen, gerade dort braucht es störungsfreie Zonen, um sicher überwintern zu können (= ausreichend Ruhe in den Wintermonaten) ■ disziplinierte, den Bedürfnissen der Wildart angepasste Jagdstrategien: Zu starke Eingriffe in die Jugendund Mittelklasse verhindern den Aufbau gesunder Populationsstrukturen und gefährden damit den Erhalt der Wildart. Der BJV appelliert an die Vertreter der Politik, auf die Forstverwaltung einzuwirken, um die Schutzwaldsanierungsflächen zu überprüfen und neu zu bewerten. Die Schutzwaldsanierungsflächen dürfen nicht zur Todesfalle für die Wildart Gams werden. Intakte Gamsbestände brauchen ausreichend Ruhezonen, Wildschutzgebiete oder die Ausweisung und Beachtung von Wegegeboten gerade im Winter, um Störung und damit Stress für die Wildtiere zu vermindern. Nach dem Prinzip der Güterabwägung ist zu prüfen, ob und wo Belastungen durch Jagd, Waldbau, Tourismus, Freizeit, Wintersport und Infrastrukturmaßnahmen reduziert werden können. Der Erhalt der Gams in den bayerischen Alpen ist gelebter Artenschutz und darf nicht durch einseitige forstfachliche Betrachtungen in Frage gestellt werden.
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