Nr. 231 27. November 2015 Ein erster Schritt, aber kein großer Wurf! Die Koalitionsarbeitsgruppe Flexi-Rente hat einen Kompromiss gefunden Der Koalitionsvertrag vom 27. November 2013 verspricht: „Wir werden den rechtlichen Rahmen für flexiblere Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand verbessern.“ Zwei Jahre später, am 10. November 2015, hat die Koalitionsarbeitsgruppe „Flexible Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand“ nun ihre Ergebnisse vorgestellt. Der Abschlussbericht beinhaltet verschiedene Vorschläge zu den Themenkomplexen: • • • Flexibles Weiterarbeiten bis zur Regelaltersrente Attraktives Weiterarbeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze Einschränkung der Zwangsverrentung von Alg II-Beziehenden. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundesverwaltung Paula-Thiede-Ufer 10 10179 Berlin Ressort 5 Neben durchaus zu begrüßenden Aspekten ist der Koalitionsarbeitsgruppe mit dem „Flexi-Vorschlag“ jedoch kein großer Wurf gelungen. Die in die Flexibilisierungsdiskussion gesetzten Erwartungen, die Übergänge in die Rente gleitender zu gestalten und insbesondere einen flexiblen Rahmen für individuelle Lösungen zu ermöglichen (vgl. sopoaktuell Nr. 228), werden mit dem Vorschlag noch nicht erfüllt. Mit der Flexibilisierung des Übergangs verbinden Beschäftigte den Wunsch, durch eine Kombination von Weiterarbeit und teilweisem Rentenbezug eine passgenaue Alternative zur Rente mit 67 gestalten zu können. Dies versprechen sich insbesondere Beschäftigte, die noch zu gesund für eine Erwerbsminderungsrente, jedoch zu krank bzw. belastet sind, um bis zur Regelaltersgrenze mit vollem Stundenumfang weiterzuarbeiten. Nicht „attraktive Weiterarbeit“ ist Ziel gewerkschaftlicher Alterssicherungspolitik, sondern eine gute Rente als Lohn für ein langes Erwerbsleben. Mit dem „Flexi-Vorschlag“ hat die Arbeitsgruppe einen ersten, aber noch keinen hinreichenden Schritt zu mehr Flexibilität beim Übergang vom Erwerbsleben in die Rente getan. 1/2 Verantwortlich: Eva M. Welskop-Deffaa Mitglied des Bundesvorstandes Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Migration und Teilhabepolitik Telefon: 030 / 6956–2400 [email protected] [email protected] Redaktion: Dr. Judith Kerschbaumer Bereichsleitung Sozialpolitik Wenn Sie wünschen, in den Verteiler dieses Redaktionsdienstes aufgenommen zu werden, schreiben Sie bitte eine Mail an: [email protected] www.arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de sopoaktuell Nr. 231 · 27. November 2015 2/2 Zu den vorgeschlagenen Regelungen im Detail: I. Flexibleres Weiterarbeiten bis zur Rente Herzstück des Vorschlags der Koalitionsarbeitsgruppe ist die Flexibilisierung und Vereinfachung der bisher zu starren Hinzuverdienstgrenzen. Künftig soll es ab dem 63. Lebensjahr möglich sein, die Teilrente stufenlos zu wählen (Flexible Teilrente). Die Hinzuverdienstgrenze für den Bezug einer Vollrente soll künftig 6.300 Euro jährlich (14 Monate x 450 Euro) betragen. Wird mehr als 6.300 Euro hinzuverdient, werden 40 Prozent des die Hinzuverdienstgrenze überschreitenden Betrages auf die Rente angerechnet. Die stufenlose Anrechnung ist grundsätzlich zu begrüßen, auch wenn die Berechnung kompliziert und verwaltungsaufwändig ist. Die Erwartungen an eine deutliche Anhebung der Hinzuverdienstgrenze werden enttäuscht. Erste Berechnungen zeigen, dass im Gesetzgebungsverfahren, das die Koalitionsbeschlüsse nun umsetzen soll, darauf zu achten ist, dass bei Erwerbsminderungsrenten, für die bisher höhere Hinzuverdienstgrenzen gelten, keine Verschlechterungen entstehen. Zu begrüßen ist die geplante bessere Information über die Auswirkungen eines Hinausschiebens bzw. die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente und darüber, wie Rentenabschläge ausgeglichen bzw. wie weitere Rentenanwartschaften aufgebaut werden können. Auch die Erweiterung der Rentenversicherungspflicht ab Regelaltersgrenze ist zu begrüßen, ebenso wie die Möglichkeit, künftig die Zahlung von zusätzlichen Beiträgen zum Ausgleich von Abschlägen 5 Jahre früher als bisher (bereits ab einem Alter von 50 Jahren) leisten zu können. Dies ist positiv, auch wenn viele Geringverdienende (Frauen) oftmals aus eigener finanzieller Kraft dazu nicht in der Lage sind. Um bei einer Rente von 1.000 Euro Abschläge für einen dreijährigen vorzeitigen Bezug auszugleichen, sind knapp 30.000 Euro erforderlich. Künftig soll im Rahmen eines Modellvorhabens Versicherten zwischen dem 45. und 46. Lebensjahr ein freiwilliger berufsbezogener Gesundheitscheck (Ü 45-Checkup) angeboten werden. Dabei ist dem Schutz von Versichertendaten höchste Priorität einzuräumen. Weiterhin soll der „Kleine Reha-Deckel“ (für z. B. onkologische Reha und stationäre Reha von Kindern und Jugendlichen) aufgehoben werden. Wesentlich sinnvoller wäre die Aufhebung des großen RehaDeckels für medizinische und berufliche Reha und die Übertragung der Budget-Verantwortung für Rehamaßnahmen an die Selbstverwaltung gewesen. II. Attraktives Weiterarbeiten Beziehende einer Vollrente können nach Erreichen der Regelaltersgrenze in die Rentenversicherungspflicht hineinoptieren („Opt-In“). Arbeitgeber- und dann zu zahlende Arbeitnehmerbeiträge erhöhen die Rente. Die 2007 beschlossene schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 wird durch den Kompromiss nicht korrigiert. Die geplante für 5 Jahre befristete Abschaffung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung von 1,5 Priorität bei Beschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze wird wohl kaum zur Attraktivität der Beschäftigung Älterer beitragen. III. Zwangsverrentung Künftig sollen SGB II-Beziehende dann nicht zwangsverrentet werden können, wenn sie dadurch (bis zu ihrem Lebensende) auf Leistungen der Grundsicherung im Alter angewiesen wären. Wir fordern, die Zwangsverrentung insgesamt abzuschaffen. Der DGB hat das Flexipaket in seiner sozialpolitik aktuell Nr. 6/2015 bewertet. Für ver.di hat Eva Welskop-Deffaa am 10. November 2015 eine erste Bewertung in einer Pressemitteilung veröffentlicht.
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