Herr Bundesrat Ueli Maurer Eidg. Finanzdepartement Bundesgasse 3 3003 Bern Ihr Zeichen Ihre Nachricht Unser Zeichen Ort und Datum DIR/Buh/Ros, [email protected] Bern, 2. Februar 2016 Vernehmlassungsverfahren Stabilisierungsprogramm 2017–2019, Aufhebung des Risikoaktivitätengesetzes Sehr geehrter Herr Bundesrat Maurer Wir danken Ihnen für die Möglichkeit, zu obengenannter Vorlage Stellung nehmen zu können. Die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung setzt sich im öffentlichen Auftrag für die Sicherheit ein und beschränkt deshalb ihre Stellungnahme zum Stabilisierungsprogramm auf die angestrebte Aufhebung des Bundesgesetzes über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten. Überrascht und konsterniert nimmt die bfu zur Kenntnis, dass dieses Gesetz nur zwei Jahre nach Inkrafttreten wieder aufgehoben werden soll. Sie setzt sich aus folgenden Gründen dezidiert für die Beibehaltung des Gesetzes ein: 1. Es ist in unseren Augen fahrlässig, wegen einer möglichen Einsparung von «nur» CHF 150 000.– Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Neben dem grossen menschlichen Leid, welches ein schwerer oder gar tödlicher Unfall auslöst, dürfen auch die volkswirtschaftlichen Kosten nicht vergessen werden. Bei einer tödlich verunfallten Person belaufen sich diese auf durchschnittlich über CHF 3 Mio. Wenn durch das Gesetz alle 20 Jahre ein Todesfall verhindert werden kann, haben sich die Investitionen des Bundes bereits gelohnt. 2. Dem erläuternden Bericht zum Stabilisierungsprogramm 2017–2019 ist die Aussage zu entnehmen, dass das Gesetz keine zusätzliche Sicherheit geschaffen habe. Diese Feststellung entspricht nicht unserer Einschätzung, unsere Beobachtungen gehen genau in die umgekehrte Richtung. Wir sind fest überzeugt: Das Gesetz hat bereits heute Menschenleben gerettet, Schwerverletzte verhindert sowie menschliches Leid und volkswirtschaftliche Kosten reduziert. Erstens ist mit dem Gesetz nun einheitlich festgelegt, wer welche gewerbliche Tätigkeit unter welchen Voraussetzungen anbieten darf. Vor Inkrafttreten des Gesetzes war es z. B. möglich, Hochtouren gewerbsmässig anzubieten ohne eidgenössischen Fachausweis für Bergführer. Und bezüglich Weiterbildung wird mit dem Gesetz ausdrücklich eine anerkannte Weiterbildung im Bereich Sicherheit und Risikomanagement gefordert. Zweitens stellen wir fest, dass nicht nur das Label von Safety in Adventures, sondern vor allem auch das Gesetz bei den Anbietern ein Umdenken hervorgerufen und ein höheres Sicherheitsbewusstsein geschaffen hat. Die bfu begleitet im Rahmen der Stiftung Safety in Adventures die gewerbsmässigen Anbieter von Risikoaktivitäten bereits seit einigen Jahren sehr intensiv und eng. Seite 2 Schliesslich kann nach nur zwei Jahren die Wirksamkeit des zur Diskussion stehenden Gesetzes noch gar nicht verneint werden, insbesondere auch deshalb nicht, weil die Übergangsphase für Betriebe sowie für Einzelpersonen mit kantonalen Bewilligungen erst knapp abgeschlossen ist. 3. Wir bestreiten auch die Aussage, wonach mit der Aufhebung keine negativen Einflüsse zu befürchten seien und die Branche im eigenen Interesse an der Weiterführung der erarbeiteten Standards interessiert sei. Wir warnen nachdrücklich vor dem Trugschluss, dass mit der Abschaffung des Gesetzes die Situation vor Einführung wieder hergestellt wird und die freiwillige Branchenregelung «erneut» funktioniert. Das Label Safety in Adventures weist zwar einen gewissen Marktwert auf, dieser ist aber leider nicht so hoch wie erhofft. Ohne gesetzliche Zertifizierungspflicht wird sich die Anzahl zertifizierter Anbieter stark reduzieren – und zwar weit unter den Bestand vor der Gesetzeseinführung. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Sicherheitsstandards der in der Schweiz kommerziell angebotenen Risikoaktivitäten wieder annähernd auf das Niveau von 1999 sinken werden. 4. Bis zur Einführung des Risikoaktivitätengesetzes war in den wichtigen (Berg-)Kantonen seit jeher ein Patent für die Ausübung des Bergführerberufs erforderlich. Mit Aufhebung des Risikoaktivitätengesetzes würde dann die Bergführertätigkeit jedermann offen stehen. Bis die Kantone ihre alten oder neuen Regelungen wieder eingeführt hätten, entstünde ein Regelungsvakuum – mit nicht tolerierbaren Folgen hinsichtlich Sicherheit für Kunden und Tourismus. Die Wiedereinführung der ehemaligen Gesetze würde zudem zu Mehrkosten für die Kantone führen. 5. Sollte das Gesetz aufgehoben werden, wird der Kanton Wallis vermutlich auch sein Gesetz bezüglich weiterer Risikoaktivitäten (Canyoning, River-Rafting etc.) wieder aktivieren, das er wegen der Bundesregel abgeschafft hat. Diejenigen Kantone, wie z. B. Graubünden, die wegen der angedachten Bundesregelung ihre Bestrebungen für mehr Sicherheit in diesem Bereich sistiert haben, werden möglicherweise ebenfalls wieder aktiv werden. Auch deshalb kann insgesamt nicht von einer finanziellen Einsparung sowie einer administrativen Entlastung ausgegangen werden, wie im erläuternden Bericht erwähnt. Da nicht anzunehmen ist, dass alle Kantone die aktuellen Bundesregeln übernehmen werden, entstehen bei der Branche Umstellungskosten, die bei Beibehaltung des Gesetzes nicht anfallen würden. 6. Das Gesetz verpflichtet Anbieter von Risikoaktivitäten, minimale Sicherheitsstandards einzuhalten, und sorgt damit auch dafür, dass in allen Kantonen eine Bewilligung anhand dieser einheitlichen Kriterien erteilt wird. Es wird den Anbietern, den Kunden und der Öffentlichkeit nur sehr schwer zu vermitteln sein, warum in Zukunft in der Schweiz auf der einen Seite des Bergs andere Sicherheitsbestimmungen gelten sollen als auf der anderen Seite. Dies führt zu Verwirrung und unnötiger Unsicherheit. Auch können kantonale restriktive Regelungen von unseriösen Anbietern leicht umgangen werden, indem sie ein Bewilligungsgesuch bei einem Kanton einreichen, der keine oder nur geringe Sicherheitsanforderungen stellt. Seite 3 Aus den aufgeführten Gründen bitten wir Sie, die Aufhebung des Gesetzes nochmals zu überdenken. Sie können versichert sein, dass wir Sie weiterhin gerne bei der Umsetzung des Gesetzes und der Optimierung der Ausführungsbestimmungen unterstützen. Denn nur klare und einheitliche Regelungen auf Stufe Bundesrecht tragen zu mehr Sicherheit für die Kunden von Anbietern von Risikoaktivitäten bei. Besten Dank für die Kenntnisnahme unserer Stellungnahme. Freundliche Grüsse bfu Brigitte Buhmann, Dr. rer. pol. Direktorin
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