Kapitulation als Voraussetzung für Österreichs Freiheit

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Tiroler Tageszeitung
Unabhängige Tageszeitung für Tirol
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Das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren. Vor allem für die gepeinigten Opfer der Nazidiktatur war
der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung, für die Volksgenossen" war es eher ein Zusammenbruch.
Kapitulation als Voraussetzung
für Österreichs Freiheit
Innsbruck, am 02.05.2015, 312x/Jahr, Seite: _
Druckauflage: 105 725, Größe: 94,45%, easyAPQ: _
Auftr.: 1263, Clip: 9064519, SB: Akademie der Wissenschaften, Österreichische
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Es folgte die Unterfertigung
von zwei Kapitulationsurkunden durch deutsche Militärs: Am 7. Mai im Obersten
Hauptquartier der westalliierten Expeditionsstreitkräfte
in Reims, was am Folgetag in
Kraft trat, und in Berlin-Karlshorst am 9. Mai im Hauptquartier der sowjetischen 5.
Armee. Der 8. Mai wird in der
Europäischen Union als „Tag
der Befreiung" und bedingt
durch die Zeitverschiebung
in Russland der 9. Mai für das
Ende des von Stalin so proklamierten „Großen Vaterländischen Krieges" als „Tag des
Sieges" erinnert.
Das Aus für die NS-Herrschaft ging mit militärischer
Besetzung des Deutschen
Reichs und der „Ostmark"
durch alliierte Truppen einher. Die von der NS-Diktatur
gepeinigten Opfer in den KZs
empfanden es als „Befreiung", anders hingegen viele
der „Volksgenossen", nämlich
mehr als „Zusammenbruch".
So herrschten Ungewissheit,
aber auch Erleichterung über
das Ende des Krieges, den
man durch Luftangriffe und
Flächenbombardements als
opfer- und leidvoll erlebt hatte.
Viele deutsche Städte waren ohne militärstrategische
Gründe noch in den letzten
Kriegswochen in Schutt und
Asche gelegt worden. Mit der
bedingungslosen Kapitulation war jegliche deutsche
Souveränität verloren. Seither galt der Vier-Mächte-Status für Berlin und „Deutschland als Ganzes". Die noch
zu Hitlers Lebzeiten am 27.
April 1945 in Wien konstitu-
Nach dem Tod im Bunker
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ie Wehrmachtsführung sollte infolge
der Forderung der
Anti-Hitler-Koalition auf der
Konferenz von Casablanca
vom 14. bis 26. Januar 1943
zwei Jahre später mit allen Teilstreitkräften (Heer,
Kriegsmarine und Luftwaffe)
bedingungslos kapitulieren.
Waffenstillstandsverhandlungen waren damit ausgeschlossen. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels
schwor in seiner berüchtigten
Rede im Berliner Sportpalast
die „Volksgemeinschaft" noch
auf den „totalen Krieg" ein.
Widerstand gegen das NSRegime wurde immer gefährlicher. Dennoch versuchten
Spitzen der Wehrmacht den
Tyrannenmord. Am 20. Juli
1944 scheiterten sie jedoch.
Das Attentat auf Hitler misslang. In den letzten beiden
Kriegsjahren kamen mehr
Soldaten auf den Schlachtfeldern Europas und Zivilisten
durch den Bombenkrieg an
der „Heimatfront" zu Tode als
vor der bedingungslosen Kapitulation. Hitler hatte jegliches Aufgeben abgelehnt und
am 30. April 1945 im „Führerbunker" Selbstmord begangen.
D
Von Michael Gehler
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Mit dieser Deklaration sollte österreichischer Widerstand gegen das Hitler-Regime hervorgerufen werden
- der Erfolg hielt sich jedoch
in Grenzen. Die Moskauer Erklärung verfolgte eigentlich
das primäre Ziel, Österreich
von Deutschland ein für allemal abzutrennen. So gesehen
verdankte das Land seine politische Wiederexistenz - wie
durch den Friedensvertrag
von St. Germain 1919 - der
alliierten Absicht zur Schwächung seines Nachbarn im
Norden und war damit zu
Dankbare Opferthese
ierte provisorische Regierung
unter Karl Renner konnte sich
auf den Opferstatus berufen,
zumal es die Alliierten selbst
waren, die aufbauend auf dieser ihrer These die Wiederherstellung der Unabhängigkeit
Österreichs gegen Ende der
Moskauer AußenministerKonferenz in einer Erklärung
am 1. November 1943 ausgerufen hatten.
Diese war neben einer Anspielung auf die österreichische Verantwortung und
damit verbundenen Reparationsforderungen der sowjetischen Seite mit juristischen Folgewirkungen auch
ein Produkt psychologischer
Kriegführung der Alliierten
gewesen.
seiner Unabhängigkeit verdammt.
Österreichs Politiker bedienten sich bereitwillig der
„Opferthese", wobei sie ausblendeten, dass viele ihrer
Landsleute den Einmarsch
der deutschen Truppen im
März 1938 nicht nur bejubelt
und begrüßt, sondern auch
die NS-Judenverfolgungspolitik mitgetragen und diese
bis zu letzten Konsequenz
umgesetzt hatten: dem Massenmord. Im Unterschied zu
Deutschland wurde in Österreich nach der Kapitulation
das anfänglich teilweise praktizierte Fraternisierungsverbot in den westlichen Zonen
nicht lange gehandhabt. Die
Franzosen sahen Österreich
als befreundetes Land („pays
ami"). In der sowjetischen
Zone gab es dagegen alles
andere als Verbrüderung. Es
herrschten Repression und
Willkürakte gegenüber der
Zivilbevölkerung. Frauen
versteckten sich wochenlang
aus Angst vor Übergriffen.
Unzählige wurden Opfer von
Massenvergewaltigungen. Im
ersten Kontrollabkommen
vom 4. Juli 1945 zwischen
den USA, der UdSSR, Großbritannien und Frankreich
wurde die Aufteilung der vier
Besatzungszonen für Österreich beschlossen und eine
Alliierte Kommission eingeMit der Anerkennung der
Regierung Renner durch die
vier Alliierten im Oktober
1945 war die Gesamtstaatlichkeit Österreichs über die Zo-
richtet. Die Potsdamer DreiMächte-Konferenz vom 17.
Juli bis 2. August 1945 betraf
auch Österreich und sah Entschädigungsleistungen für
„deutsches Eigentum" vor.
Die Sowjets übernahmen mit
der Bezeichnung „USIA" unter ihrer Verwaltung stehende
Großbetriebe in ihrer Zone,
die sie beschlagnahmten.
Die sowjetische Besatzungszone umfasste Niederösterreich, das Burgenland,
Wiener Randgemeinden und
Oberösterreich nördlich der
Donau und östlich der Enns.
Das sowjetische Oberkommando war in Baden bei Wien
stationiert. Die US-Besatzungszone bestand aus Oberösterreich südlich der Donau
und westlich der Enns, Salzburg und dem steirischen
Salzkammergut, die britische
aus der übrigen Steiermark,
Kärnten und Osttirol sowie
die französische aus Nordtirol und Vorarlberg. Wien wurde mit Ausnahme der ersten
Bezirks als internationaler
Sektor in vier Zonen geteilt.
Die Bezeichnung „Die Vier im
Jeep" wurde zum Symbol des
besetzten Landes und seiner
Hauptstadt.
[email protected]
Michael Gehler (Österreichische
Akademie der Wissenschaften) ist
seit 2006 Jean-Monnet-Professor
für Zeitgeschichte an der Universität Hildesheim
Zur Person
nengrenzen vorerst gesichert.
Tirols Landeshauptmann Karl
Gruber hatte die westlichen
Länder in Wien vertreten und
eine ausgewogenere Regierungsbildung erreicht. Um
die Demarkationslinien zwischen den Besatzungszonen
zu überschreiten, war ein von
den Alliierten ausgestellter
Identitätsausweis notwendig,
der in vier Sprachen (Deutsch,
Englisch, Französisch, Russisch) ausgefertigt war und
Bestätigungsvermerke jeder
der vier Besatzungsmächte
erforderlich machte.
Ab 1950 wurden die Militärschrittweise in Zivilverwal-
tungen überführt. Es genügte
das Veto einer Besatzungsmacht im Alliierten Rat, um
eine gesetzliche Bestimmung
zu Fall zu bringen. Wahlplakate der Parteien konnten
jederzeit von der alliierten
Zensur beanstandet, überklebt oder zensuriert werden.
Später einigte man sich darauf, dass ein Veto nur in Kraft
tritt, wenn alle vier Mächte es gemeinsam einlegten.
Für die Kosten der zu Beginn
Hunderttausende Mann umfassenden Besatzungstruppen, die später dann schrittweise auf rund 50.000 Mann
reduziert wurden, musste
Österreich aufkommen. 1954
belief sich das sowjetische
Kontingent noch auf 36.000
Mann, das amerikanische
auf 15.000, das britische auf
2800, während das französische nur noch 540, davon
150 Gendarmen aufwies. Die
französischen Militärs waren v. a. in ihrem Wiener Sektor im Einsatz. Kärnten, die
Steiermark, Tirol und Vorarlberg waren praktisch schon
besatzungsfrei, während der
Osten mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland
noch unter starker militärischer Kontrolle stand. Österreich verdankte seine 1955
erlangte Freiheit auch der
Kapitulation der Wehrmacht
zehn Jahre zuvor.
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Militon Kantarija hisst die sowjetische Flagge auf dem Berliner Reichstag. Ein Foto wird zum Symbol für das Ende des Grauens.
Foto: dpa
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