Bezahlt mit einem Wisch

Bezahlt mit einem Wisch
MOBILE PAYMENT An der stationären Kasse mit dem Smartphone zu bezahlen wird bald zur verbreiteten
Realität. Noch in diesem Jahr? Und wie weit sind die einzelnen Player? Es gibt verschiedene Lösungsansätze
- auch von Schweizer Unternehmen. Eine Auslegeordnung.
VON GREGOR WASER
Die Schweiz
verfügt über
eine hohe NFCAbdeckung,
eine hohe
iPhone-Dichte
und eine hohe
Kredikartennutzung. Deshalb
haben Bezahldienste wie
Apple Pay gute
Chancen, sich
zu etablieren.
Die Schweiz ist ein Smartphone-Land. Über vier Millionen
Geräte sind im Einsatz, über 70
Prozent der Bevölkerung wischt
sich bereits mit dem Finger
durchs Leben – ob beim Kommunizieren, Shoppen, News lesen oder um den Weg zu finden.
Das Smartphone dürfte eher früher als später das Portemonnaie
ergänzen oder ersetzen – angesichts der Vielzahl der Kunden-,
Bezahl- und Kreditkarten, die
sich heute noch in die Lederhülle quetschen.
Weil auch die TechnologieDinos Apple und Google an vielversprechenden Lösungen arbeiten, ist bei Banken, Zahlungsdienstleistern und Telekommunikationsunternehmen einige Hektik ausgebrochen. Wer wird künftig Zahlungen abwickeln können
– und prozentual oder mit Gebühren mitverdienen? Die Anzahl Projekte und Ankündigungen ist derzeit jedenfalls gross.
Und muss der Besitzer des Quartierblumenladens bald seine Kassentheke erweitern, um Platz für
neue Terminals zu haben? Noch
ist offen, welche Lösungen wirklich Einzug halten und sich mittelfristig etablieren.
Startschwierigkeiten
für Apple Pay
Mit Argusaugen wird der Markteintritt von Apple Pay verfolgt.
Das Zahlungssystem basiert
auf Near Field Communication
(NFC). Die Nutzer müssen zuerst
ihre Kreditkarte registrieren. Anschliessend können sie an den
elektronischen Bezahlterminals
einkaufen. Die Transaktion muss
mit einer Berührung des Fingerabdrucksensors bestätigt werden.
Zwar ist die Rede davon, dass es
2015 zum Showdown in Europa
kommt. Doch eine Verzögerung
zeichnet sich ab.
Apple Pay ist in den USA angelaufen, doch der Schritt in weitere Länder gestaltet sich schwierig. Vom angekündigten Stapellauf in Kanada und in Grossbritannien ist noch nichts zu
sehen. In Kanada beklagen sich
die Bankhäuser über die Transaktionskosten von 0,15 Prozent,
die an Apple gehen. Ebenso
stehen Sicherheitsbedenken im
Raum. Und in den USA weigern
sich einige grosse Player wie die
Supermarktkette Walmart oder
der Tankstellen-Betreiber Exxon,
Apple zu unterstützen, weil sie
eigene Lösungen vorantreiben
wollen. Apple scheint indes Geduld zu haben, schliesslich verdienen die Kalifornier in anderen Gefilden schon reichlich
Geld.
Die Schweiz dürfte laut Tobias Wirth, Vorstandsmitglied
der Smama (Swiss Mobile Association) sowie Head of Digital
Products von Aduno, beim Europa-Eintritt von Apple Pay eine grosse Bedeutung zukommen:
«Die Schweiz verfügt über eine
hohe NFC-Abdeckung, eine hohe
iPhone-Dichte und eine hohe Kredikartennutzung – bei
uns dürfte Apple zweifellos eine grosse Akzeptanz finden.»
Zwar sei die Schweiz ein kleiner Markt, doch Wirth geht davon aus, dass die Schweiz nach
Grossbritannien wohl das zweite Land in Europa sei, wo Apple
Pay eingeführt werde.
Google Wallet noch mit
Nischendasein
Mit Google steht der zweite Musterschüler des Digitalzeitalters in
den Startlöchern. Googles Projekt
heisst Google Wallet. Der PaymentDienst, der 2011 als Nachfolger
von Google Checkout eingeführt
wurde, ermöglicht die Bezahlung
per NFC-fähigem Smartphone im
stationären Handel. Zwar fristet
der Dienst noch ein Nischendasein. Dank der Zusammenarbeit
mit US-Netzbetreibern seit Februar
sowie der Zusage der Federal Deposit Insurance Corporation im
April, dass Einlagen von staatlicher Seite abgesichert werden,
dürfte Google Wallet weiteren
Schub erhalten. Über einen allfälligen Markteintritt in der Schweiz
ist noch nichts bekannt.
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DIGITAL 49
news
ÖV-Apps neu
mit Ticket Shop
Neu und wegweisend beim Lösungsansatz von Technologiepartner Glue
Software Engineering ist die nahtlose Integration von Ticketing und
Echtzeit-Reiseplanung: Fahrgäste
erhalten so bereits mit der Fahrplanabfrage die tariflich korrekte
Auswahl an passenden Tickets.
Hat man einmalig eines der Zahlungsmittel Visa, Mastercard oder
PostFinance-Card hinterlegt, genügt für den Kauf ein Klick. Während
die ÖV Bern-App von Bernmobil den
Ticketkauf für Fahrten im gesamten
Libero-Tarifverbund ermöglicht,
deckt die PostAuto App zusätzlich
auch die Verbünde A-Welle, Frimobil, Mobilis, Ostwind, Passepartout
und TNW ab. Weitere Gebiete sollen
bis Ende Jahr dazukommen. Für eine flexible Tür-zu-Tür-Reiseplanung
können beide Apps wie bisher schon
auf dem gesamten ÖV-Streckennetz
der Schweiz benutzt werden. Die
kostenlosen Apps finden sich im App
Store von Apple und bei Google Play.
www.glue.ch
Sommerakademie
im Seedamm Plaza
Die Sommerferienzeit lässt sich
nutzen für die eigene Weiterbildung. Noch besser werden, Neues
dazulernen, das eigene Netzwerk
erweitern und vertiefen - das sind
Gründe, wieso Bildungsfachleute,
Coaches, Führungskräfte, HRFachleute und Wissensdurstige so
begeistert sind von der Sommerakademie. Sie findet dieses Jahr
zum 5. Mal und neu vom 28. bis
31. Juli 2015 auch im Seedamm
Plaza in Pfäffikon SZ statt. Im Hotel,
Seminar- und Tagungshotel ganz
oben am Zürichsee stehen 22 verschiedene Seminare zur Wahl, z.B.
Motivation bei Lernenden, perSONare - via Stimme zur Persönlichkeit,
keine Angst vor Stegreifreden,
Personal Branding - Auftrittskompetenz, Self Leadership, Resilienz was uns stark macht im Umgang mit
Herausforderungen oder Improvisation - Rettung aus jeder Situation.
50
DIGITAL
Diverse Schweizer Lösungen
Gleichzeitig sind in der Schweiz
zahlreiche Projekte schon weit
fortgeschritten oder stehen
ebenfalls in den Startlöchern.
Vor knapp einem Jahr lancierte
Swisscom die Bezahl-App Tapit,
ebenfalls basierend auf NFC. In
der Eigenwerbung tönt der Ablauf spannend: «Kreditkarten,
Treuekarten und Zugangskarten
– alles an einem Ort sicher hinterlegt, ohne dass das Portemonnaie
platzt. Mit nur einem Tap an der
Kasse im Supermarkt bezahlen
und gleichzeitig noch Treuepunkte sammeln.» Nach der vielversprechenden Ankündigung
ist es um die Lösung aber ruhiger
geworden. Mit ein Grund: Der
Ablauf ist relativ kompliziert.
Die Kreditkarte muss erst auf der
SIM-Karte abgespeichert werden,
man benötigt ein Swisscom-Abo
10 Rappen an, über 100 Franken
20 Rappen. Anstelle von NFC verwendet Twint Bluetooth als Übermittlungstechnologie.
Von Privatperson zu
Privatperson
Den Peer-to-Peer-Ansatz, die
Bezahlung von Privatperson zu
Privatperson, verfolgt eine neue
Lösung SIX P2P Paymit von SIX
Payment Services, die ebenfalls
noch 2015 lanciert werden soll
und von der UBS und ZKB unterstützt wird. Schweizer Kunden
können zulasten ihres Bankkontos
oder ihrer Kreditkarte ein Guthaben auf die P2P-App laden. Zahlungen erfolgen im geschlossen
P2P-Kreislauf mit dem Alias der
Mobile-Nummern. Dabei ist es
nicht erforderlich, dass der Empfänger bereits am P2P-Verfahren
teilnimmt. Per SMS erhält der
«Einige Lösungen dürften wieder verschwinden, weil Ihnen
die Endkunden-Akzeptanz fehlt.
Als Händler würde ich vorerst
Tobias Wirth, Aduno
abwarten.»
und der Aktivierungsprozess ist
nicht einfach. «Tapit scheint kein
grosses Kundenwachstum zu verzeichnen», stellt Tobias Wirth
fest, «ein Nachteil ist, dass nur
wenige Banken und Kreditkartenherausgeber die Lösung unterstützen».
Auf Mitte 2015 ist die Lösung Twint von Postfinance angekündigt worden. Verschiedene Händler in SBB-Bahnhöfen
und einzelne Coop-Filialen begleiten die Pilotphase. Die mobile
Zahlungslösung funktioniert ohne
Karte. Ob im Laden, beim OnlineShopping, an Automaten oder an
Events soll die Smartphone-Lösung zum Einsatz kommen. Es
gilt, eine App herunterzuladen
und den Prepaid-Betrag, der auf
dem virtuellen Konto liegt, zu
verwenden. Grosse Bedeutung
misst Twint auch Coupons zu.
Die Unternehmen werden insbesondere mit diesem Aspekt umgarnt, sie sollen die Möglichkeit
von Couponing, Loyalty-Karten,
Fastline Services und digitalen
Stempel- und Geschenkkarten zu
ihren Gunsten nutzen. Auch bei
den Transaktionskosten bietet
Twint Transparenz: Für Einkäufe von 10 bis 100 Franken fallen
nicht registrierte Empfänger den
Zahlungshinweis sowie die Aufforderung zum Download der App
und zur Registrierung. Reagiert er
nicht, wird das Guthaben binnen
28 Tagen an den Auftraggeber
rückübertragen. Der registrierte
Empfänger erhält innert Sekunden eine Nachricht über die Gutschrift des empfangenen Betrags
in der P2P-App. Sein angezeigtes
Guthaben wird sofort aktualisiert
und steht dem Empfänger für eine Zahlung seinerseits zur Verfügung. Tobias Wirth erachtet den
Ansatz als spannend, ein Fragezeichen hat er aber: «Es ist noch
unklar, wie mit dieser P2P-App an
der Kasse bezahlt werden soll.»
Auch Migros mischt mit
Viel in Bewegung ist bei der Migros. Mit der bestehenden Migros
App kann heute schon auf Basis
einer Geschenkkarte, die im App
aktiviert wird, bezahlt werden.
Eine Erweiterung sieht nun vor,
die App mit dem E-Banking-System der Migros Bank zu verknüpfen. Damit sollen gegen 800 000
Migros-Bank-Kunden ihre Einkäufe direkt begleichen können.
Der Vorteil aus Sicht der Migros:
Gebühren zu sparen und den
Kunden zusätzliche Angebote zu
unterbreiten. Wie bei der erfolgreich etablierten Starbuck-Lösung
basiert der Migros-Ablauf auf der
Generierung eines QR-Codes, der
auf der App generiert wird und
von der Kassiererin eingescannt
wird. Schon vor zwei Jahren hat
Manor eine Kunden-App lanciert.
Doch um diese Lösung ist es ruhiger geworden, die Nachfrage
dürfte sich in Grenzen halten. Bei
der Migros könnte das nun anders
aussehen, angesichts der breiten
Verankerung in der Bevölkerung.
Entsprechend ernsthaft werden
die orangen Bemühungen von
allen Zahlungsanbietern verfolgt.
Und dann gibt es noch ein
weiteres spannendes Projekt, das
2015 zum Fliegen kommen dürfte: Swiss Alps (Swiss Access Loyalty Payment Services). In diesen
Tagen soll eine erste Version einer Online-Wallet eingeführt werden. Swiss Alps ist nicht primär
eine neue Möglichkeit für mobiles Bezahlen im stationären Handel, sondern vielmehr ein OnlineZahlungsverfahren. Die Finanzindustrie steht hinter der Initiative.
Ziel ist es, eine zentrale digitale und mobile Wallet-Lösung zu
etablieren, die die verschiedenen
Technologien unterstützt.
Welche Lösung setzt
sich durch?
Im Bereich Mobile Payment ruhig
ist es um Paypal, den etablierten
Online-Zahlungsabwickler. Wie
Tobias Wirth weiss, habe Paypal
kürzlich den mobilen PaymentAnbieter Paydiant gekauft. Entsprechend dürfte in absehbarer
Zeit von Paypal auch im Bereich
Mobile Payment mehr zu hören
sein. Ein konkretes Produkte gebe
es derzeit aber noch nicht.
Und was soll nun eigentlich der Blumenhändler unternehmen? «Vorerst noch nichts»,
empfiehlt Tobias Wirth: «Für einen Händler ist es primär wichtig, dass seine Kunden mit den
gängigen, etablierten Zahlungsmitteln zahlen können: Maestro, Kreditkarte, Postcard. Hierzu verfügt er über einen Terminal, der in der Regel NFC bereits
unterstützt.» Bei Lösungen wie
Twint oder P2P stelle sich die
Frage, welche Investitionen getätigt werden müssen. Hier gelte es,
die Erfolgsaussichten abzuschätzen. «Einige Lösungen dürften
wieder verschwinden, weil ihnen die Endkunden-Akzeptanz
fehlt. Als Händler würde ich vorerst abwarten.» ■
Marketing & Kommunikation 5/15