Datum: 29.07.2016 Die Rechnung geht nicht auf MOBILE PAYMENT Kontaktloses Zahlen wird ein Milliardenmarkt werden. Die Schweizer Anbieter Twint und Bellamy haben gegen die globalen IT-Konzerne keine Chance. von MARC KOWALSKY Bezahlen mit Smartphone ist einfacher als mit Kreditkarte oder SCHON BEQUEM Bargeld. Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 47'302 Argus Ref.: 62325012 Datum: 29.07.2016 CHF 198.00 - Karte bitte, kein anderes Bezahlverfahren mehr», zeigt das Kassenterminal. sagt Ingolf Zies, Partner bei der UnterDoch der junge Mann im nehmensberatung Bain & Company. Zahlungen per Smartphone sind Elektronikmarkt zückt nicht das Portemonnaie, um seine schneller und bequemer als per Kreditneuen Kopfhörer zu bezahlen, sondern karte oder Bargeld. «Das Handy hat man das Handy und hält es an den Kartenleser. sowieso immer dabei und griffbereit, man Ein Druck auf den Fingerabdrucksensor, ist vertraut mit dem Umgang», sagt Todas Terminal piepst zufrieden, dann rat- bias Trütsch, Experte für Mobile Payment tert die Quittung aus dem Drucker. Und und Ökonom an der HSG: «Dann ist es ausser dem Händler freut sich auch Apple nur noch ein kleiner Schritt, um es auch über den Kauf. Denn abgewickelt wurde für Zahlungen zu benutzen.» So verwenden in Dänemark bereits über 50 Prozent die Transaktion über Apple Pay. Seit 7. Juli sind diese kontaktlosen Zah- der Bevölkerung das lokale System Molungen in der Schweiz möglich. Der Blitz- bile Pay; 45 Prozent der Schweden nutzen start von Apple Pay hat alle überrascht. das dortige Pendant Swish. Nun drängen Denn jahrelang ging hierzulande fast gar gleich mehrere IT-Giganten in den Markt. nichts in Sachen Mobile Payment - und In den achtziger Jahren herrschte der das, obwohl die Schweiz mit ihrer starken Kampf der PC-Systeme, in den NeunziBankenszene für eine Vorreiterrolle prä- gern der Kampf der Suchmaschinen, in destiniert gewesen wäre. Dann positio- den nuller Jahren der Kampf der Smartphones. Nun entscheidet sich, wer bei nierten sich innert weniger Wochen gleich Mobile Payment die Oberhand gewinnt. drei Player: Die beiden Newcomer Twint Dem Gewinner winken Milliardenund Paymit gaben ihre Fusion bekannt einnahmen. Apple etwa verrechnet dem und wollen sich als Schweizer Standard- Kreditkartenherausgeber (Issuer) in den lösung etablieren. Bis Ende 2017 peilt USA 0,15 Prozent auf jede Transaktion man hierzulande eine Million Nutzer an. mit Apple Pay; in China sind es 0,07 ProWenige Tage später präsentierte Swatch zent. Schweizer Zahlen sind nicht erhältdie Bellamy. Die nach einem Schrift- lich. Twint belastet die andere Partei, den steller benannte Plastikuhr fungiert als Kreditkartenpartner der Händler (Acquikontaktlose Visa-Karte. Die Ziele setzt rer), mit einem gestaffelten - und günstiSwatch-Group-Chef Nick Hayek beschei- geren - Tarif: Bei Transaktionen bis 5 den: «Von einer normalen Swatch verkau- fen wir weltweit 300 000 bis 500 000 Franken etwa sind es 2 Rappen, bei Käu- Stück. Wenn wir von einer Payment-Uhr fen über 100 Franken sind es 20 Rappen. 50 000 Stück verkaufen, ist das schon gut. Bellamy holt sich das Geld direkt vom Design ist wichtiger als Funktionalität.» Kunden: Die Aktivierung der Uhr kostet 5 Franken, das Aufladen mit einem Geld- betrag 3 Franken, jede Saldoabfrage 60 Immer griffbereit Noch steckt der Markt für kontaktlose Rappen etc. Doch egal wo die Kosten an- Zahlungen weltweit in den Kinderschu- fallen: Am Ende zahlt immer der Käufer. Wer hat die besten Karten im Kampf hen. Doch das Potenzial ist gewaltig: Alder Systeme? Wichtigster Erfolgsfaktor lein in den USA werden jährlich 4000 Milliarden Dollar an den Ladenkassen ist die Akzeptanz im Handel. Hierzuumgesetzt, in der Schweiz sind es 88 Mil- lande treffen Apple und Bellamy auf gut liarden Franken. «Wer das Smartphone vorbereitetes Terrain. Zwar ist die Schweiz immer dabeihat, braucht mittelfristig noch mehrheitlich ein Bargeldland. Doch zwei Drittel der Kassenterminals sind Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 47'302 Argus Ref.: 62325012 Datum: 29.07.2016 Zweites Killerkriterium im Kampf um bereits für kontaktlose Zahlungen eingerichtet; im internationalen Vergleich ist das Zahlungsmittel der Zukunft ist die das sehr viel (in den USA etwa sind es nur Benutzerfreundlichkeit. Eine Zahlung ist fünf Prozent). 2020 werden es alle sein. dann am angenehmsten, wenn sie für den Das hilft Apple und Bellamy, die auf Kunden völlig in den Hintergrund tritt der bestehenden Kreditkarteninfrastruk- wie etwa beim Fahrtenvermittler Uber. tur aufbauen. Für Twint muss der Han- «Ein bis zwei Klicks können schon zu viel del nachrüsten: Das sogenannte Beacon, sein», sagt Bain-Mann Zies. Hier haben ein auf der Funktechnologie Bluetooth Bellamy und Apple Pay die Nase vorn: Die basierender Kontaktpunkt, kostet den Uhr bzw. das Smartphone ans Terminal Händler 150 bis 200 Franken und muss halten reicht, bei Apple Pay muss man die in die Kassensoftware integriert werden. Zahlung zudem noch mittels FingerabTwints Trumpf: Das System läuft auf druck autorisieren. Für Twint muss man Apple- und auf Android-Geräten. Apple hingegen erst eine App installieren, allenPay hingegen ist nur auf den eigenen Ge- falls Guthaben aufladen, an der Kasse die räten verfügbar. Das sind in der Schweiz App öffnen, falls kein Beacon vorhanden immerhin 53 Prozent aller Smartphones ist, einen QR-Code scannen und schliess- allerdings sind nur die jüngeren Gene- lich die Zahlung autorisieren. Dafür wirbt Twint mit Zusatzfunktiorationen (ab iPhone 6) zahlungsfähig. nen: So ersetzt die App die Kundenkarte Bellamy benötigt gar kein Handy. aus Plastik und schreibt etwa Treue- punkte automatisch gut. Auch elektroniBeide Systeme können an jedem kontakt- sche Coupons mit Sonderangeboten sind losen Terminal der Welt genutzt werden. denkbar. Die Bezahlung in Onlineshops Twint hingegen ist eine rein schweizeri- ist bereits möglich, ebenso die Überweische Lösung. Für Auslandseinsätze sung zwischen Privatpersonen. Bis Ende müsste mit anderen lokalen Anbietern Jahr will Twint zudem in ersten Restaueine Art Roaming-Vertrag abgeschlossen rants ihre Zahlfunktion anbieten: Die Tiwerden, ähnlich wie dies Telekomanbie- sche sind dann mit einem QR-Code auster tun für ihre Handykunden. Derzeit ist gestattet, den der Kunde nach dem Essen das nicht geplant. Dafür geniesst die Lö- mit der App scannen kann. Auch Apple sung die Unterstützung der meisten nam- Pay bietet zahlreiche Zusatzanwendunhaften Schweizer Geldinstitute und Kre- gen - in den USA etwa Barabhebungen ditkartenherausgeber. Apple Pay und am Geldautomaten. Aber Twint gehe im Bellamy haben mit der Corner Bank der- Anwendungsbereich deutlich darüber hizeit nur den kleinsten der vier Schweizer 5 bis io Millionen Marketingbudget Kreditkartenanbieter im Rücken. Das Ungleichgewicht freilich dürfte nur eine Frage der Zeit sein. In den USA begann Apple Pay mit sechs Partnerbanken, inzwischen sind es 2500. Und das, obwohl der Konzern von jedem Kreditkartenherausgeber fünf bis zehn Millionen Fran- ken Marketingbudget für Apple Pay verlangt. Denn: «In England haben die Kreditkartenanträge zugenommen bei jenen Herausgebern, die Apple Pay anbieten», sagt Paymit-Chef Armin Schmid. Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Android Pay wertet die Einkaufsdaten für Werbung aus, Apple Pay punktet mit Datenschutz. Auflage: 47'302 Argus Ref.: 62325012 Datum: 29.07.2016 naus, sagt Urs Rüegsegger, CEO des Finanzdienstleisters SIX Group. Auch weil Twint Zugang zu den Einkaufsdaten hat, was der Benutzer aber untersagen kann. Apple wirbt aktiv mit Datenschutz als Verkaufsargument und erhebt die Transaktionsdaten gar nicht erst. Daten statt Gebühren Am Horizont lauern bereits mächtige Herausforderer. Google ist mit Android Pay in den USA und Grossbritannien aktiv. Die Funktionen sind Apple Pay sehr ähn- lich, Gebühren werden nicht erhoben. Dafür wertet Android Pay, typisch für Google, die Einkaufsdaten zu Werbezwecken aus. «Alleine deswegen werden manche User diese Lösung nicht wollen», sagt der Schweizer Fintech-Experte Marc Bernegger. Demnächst soll Android Pay Twint-Beacon, Bellamy-Uhr und Android Pay (von oben) in Aktion. KONTAKTLOS in weiteren Ländern lanciert werden (siehe Karte auf dieser Seite). «Für die Schweiz haben wir momentan noch nichts anzukündigen», heisst es bei Google. Samsung, der weltgrösste Hersteller von Smartphones, setzt nicht auf das Zah- lungssystem des Verbündeten Google, Wettlauf der Systeme Weltlauf Aktuelle Marktpräsenz der wichtigsten Anbieter von Mobile Payment [] Es] er Grossbritannien Deutschland [1] [] Südkore Südkorea 0 Kanada [1] Frankreich USA f Schweiz Spanien China Puerto Rico Rico Puerto I Singapur Singapur [1] Honghong Hungkong Australien Australien Brasilien Pay-Systeme eingeführt Android Pay Apple Pay Microsoft Wallet Wallet SSamsung Samsung Pay Pay Themen-Nr.: 660.003 Q 'Point [ 0 Bellamy(Swatch) (SwatelD 0 Bellamy 1 Einführung geplant Gerüchteweise Abo-Nr.: 660003 Eigene ehe Auflage: 47'302 Argus Ref.: 62325012 Datum: 29.07.2016 sondern hat ein eigenes lanciert. Auch Einschränkungen und Gebühren durch Samsung verlangt keine Transaktions- die Banken sind eine Katastrophe», sagt gebühren. Die Südkoreaner betrachten auch Swatch-Group-Chef Nick Hayek. die Zahlungsfunktion vielmehr als ein zu- «Aber das haben wir leider nicht in der sätzliches Verkaufsargument für ihre Hand.» Nächstes Jahr will Hayek eine Smartphones. Samsung Pay ist bereits in Version 2.0 der Bellamy lancieren, die fleacht Märkten aktiv, allein diesen Juni xibler ist und bei der die Kunden ihre gewurde in Südkorea damit über eine Mil- wohnte Kreditkarte hinterlegen können. liarde Dollar umgesetzt. Eine Lancierung Doch vorerst dürfte das Portemonnaie ist auch in der Schweiz geplant. «Wir sind am Handgelenk eine Nischenanwendung diesbezüglich zurzeit in Gesprächen mit bleiben: «Wir sehen in China, dass viele möglichen Partnern», sagt Gordon Mül- Eltern die Uhr als Notgroschen für ihre ler, Pressesprecher Samsung Schweiz. Kinder verwenden», sagt Carlo Giorda«Momentan steht noch kein Termin fest.» netti, Creative Director bei Swatch. Jüngst ist auch Microsoft in den Markt Twint hat international ebenfalls keine eingestiegen. Vorerst gibt es die Wallet Chance. Bestenfalls als lokale Alternative nur in den USA, und die Marktchancen zu den IT-Giganten könnte man sich podürften ebenso mikroskopisch sein wie sitionieren - auch weil die Grossbanken der Marktanteil der Windows-Smart- hierzulande noch immer einen Vertrauphones (weltweit 0,7 Prozent). Bereits ensbonus geniessen, wenn es um die Abetabliert sind hingegen die chinesischen wicklung von Zahlungen geht. LangfrisLokalgrössen WeChat (200 Millionen tig dürfte alles auf den alten Zweikampf verbundene Bankkonti) von Tencent und Apple vs. Google hinauslaufen - mit Alipay (300 Millionen) von Alibaba. Auch Startvorteil für Apple. Vergangenes Jahr andere Uhrenhersteller mischen mit: wurden über Apple Pay bereits TransakMondaine etwa hat einen Universal-Chip tionen im Wert von 10,9 Milliarden Dolentwickelt, der sich an jedes Armband an- lar abgewickelt. «Wir gewinnen jede clippen lässt. Auf dem Weltmarkt dürfte Woche eine Million User», sagte Appledas ebenso wenig Chancen haben wie die Pay-Chefin Jennifer Bailey im März der verschiedenen Schweizer Start-ups, die US -Website TechCrunch. Langfristig ihr Glück versucht haben: Klimpr und die aber hat Googles Android mit einem welt- Swisscom-Tochter Tapit haben bereits weiten Marktanteil bei den Smartphones wieder aufgegeben, auch die Genfer Mo- von 84 Prozent die besten Chancen, auch bino hat sich nicht durchgesetzt. den Payment-Markt zu dominieren. Das droht auch Bellamy, denn die Kre- ditkartenuhr hat einige gravierende Zukunft ohne Banken Nachteile: Neben der Zahlung bietet sie Experten spinnen den Gedanken zum keine weiteren Funktionen. Das Billig- Zahlungssystem der Zukunft schon weiDesign des Plastiktickers ist Geschmacks- ter. Irgendwann könnten die grossen ITsache. Vor Benutzung muss die Bellamy Player die Kreditkarte umgehen und ein mit Geld aufgeladen werden, danach sind eigenes Apple- oder Google-Konto anbiedie Transaktionen auf 1000 Franken pro ten. Dazu brauchen sie eine Banklizenz. Zahlung und 2500 Franken pro Jahr be- Google hat eine solche bereits für Europa. schränkt. Wenn die hinterlegte Kredit- «Das wäre auch für Apple ein sehr klei- karte nach zwei Jahren abläuft, muss ner Schritt», sagt Paymit-Chef Schmid. man für 105 Franken eine neue Uhr kau- Vorerst will Apple nichts davon wissen: fen. Auch sonst ist die Bellamy für den Man Baue lieber auf Partnerschaften mit Kunden die teuerste Bezahllösung: «Die den Banken, die die Kunden kennen, ver- Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 47'302 Argus Ref.: 62325012 Datum: 29.07.2016 kündete Jennifer Bailey kürzlich in einem Interview. Doch das kann sich jederzeit ändern. «Die Kreditkartenherausgeber müssen ihre Rolle finden», sagt Alexander Schultz-Wirth, Advisory Partner bei PwC: «In fünf bis sechs Jahren könnte es kritisch werden.» Und die nächste Kundengeneration, die Millennials, wird vielleicht gar kein Bankkonto mehr haben, sondern alle ihre Geldgeschäfte mit Hilfe eines rein digitalen Players erledigen. Entsprechende Start-ups wie Number26 in Deutschland oder das englische Revolut sammeln derzeit viel Risikokapital ein; PayPal ist bereits seit längerem in diesem Markt aktiv. «Die primäre Bankverbindung läuft dann über das Smartphone», erwartet FintechExperte Bernegger. Bis dahin freilich werden noch viele Kassenterminals beim Anblick eines Smartphones zufrieden piepsen. Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 47'302 Argus Ref.: 62325012
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