KINO Dez 2015/Jan 2016

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DEZ 20
ICH STELLE MICH NOCH EINMAL VOR: ICH HEISSE FRANZ KAFKA
K
DU UND ICH
DER BEGINN EINES UNBEKANNTEN ZEITALTERS
INHALT
03
EDITORIAL
KINO.MAGAZIN
06
12
18
24
26
28
30
»MASSLOSE UNTERHALTUNG« FRANZ KAFKA UND DAS KINO | ANDREAS UNGERBÖCK
KOMM UND SIEH ELEM KLIMOV UND LARISA ŠEPITKO | HELMUT PFLÜGL
DER WEG EINES KOMPROMISSLOSEN RETROSPEKTIVE SHI HUI | ISABEL WOLTE
STAN LAUREL & OLIVER HARDY FILMSCHAU | TOMÁŠ MIKESKA
FILM NOIR RELOADED EXIL – PSYCHOANALYSE | CHRISTINA WIEDER, FRANK STERN
DAS ART VISUALS & POETRY FILMFESTIVAL
WELTBILDER UND BILDERWELTEN KAISERPANORAMA IN WIEN | DORIS KIENINGER
KINO.PROGRAMM
40
52
60
66
75
77
80
FILMSCHAU KAFKA GEHT INS KINO | 7.12.2015 – 17.1.2016
KOMM UND SIEH: ELEM KLIMOV UND LARISA ŠEPITKO | 10.12.2015 – 3.1.2016
RETROSPEKTIVE SHI HUI | 15.12.2015 – 5.1.2016
LAUREL & HARDY WEIHNACHTSSPECIAL | 19.12.2015 – 10.1.2016
FILM NOIR RELOADED
KINOSTARTS
MUSIC FOR REFUGEES | 18. – 20.12.2015
KINO.PANORAMA
84
85
86
AKTUELLES
FILMARCHIV AUSTRIA CLUB
PROGRAMMÜBERSICHT
MEDIENINHABER UND HERAUSGEBER Filmarchiv Austria, Obere Augartenstraße 1, 1020 Wien REDAKTION Larissa Bainschab, Silvia Breuss, Ernst Kieninger,
Tomáš Mikeska BILDREDAKTION Aldijana Bečirovicc‘ BILDBEARBEITUNG Martin Benner TEXTE Sigrun Höllrigl, Doris Kieninger, Ernst Kieninger, Tomáš
Mikeska, Helmut Pflügl, Günter Pscheider, Frank Stern, Andreas Ungerböck, Christina Wieder, Isabel Wolte KURATOR KOMM UND SIEH: ELEM KLIMOV &
LARISA ŠEPITKO Helmut Pflügl KURATOR FILM NOIR RELOADED Frank Stern KURATOR KAFKA Ernst Kieninger KURATOR LAUREL & HARDY Raimund
Fritz KOPIENBESCHAFFUNG Raimund Fritz LEKTORAT Silvia Breuss, Raimund Fritz, Doris Kieninger, Marlis Schmidt, Peter Spiegel COVERFOTO K.AF.KA FRAGMENT GRAFIK Peter Chalupnik, Martin Benner; Perndl+Co DRUCK Wograndl, Mattersburg ADRESSE KINO, Programmzeitschrift des Filmarchiv Austria, Obere
Augartenstraße 1, 1020 Wien, Tel: +43 1 2161300, [email protected], www.filmarchiv.at DANK Carlos Antanes | Arsenal – Institut für Film und Videokunst e. V.,
Berlin (Milena Gregor, Carsten Zimmer) | Art Visuals & Poetry Filmfestival Wien (Sigrun Höllrigl, Jörg Zemmler) | Bonner Kinemathek (Bernhard Gugsch) | British
Film Institute, London (Fleur Buckley, Rod Rhule) | Mary Broadcast | Özlem Bulut | Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Wien (Sonja ReiserWeinzettl) | China Film Archive, Peking | Christophe Clavert, Paris | Cinémathèque de la Ville de Luxembourg (Claude Bertemes) | Cinémathèque Suisse, Lausanne
(André Schäublin, Virginie Allflatt) | The Danish Film Institute, Kopenhagen (Marianne Jerris) | Deutsche Kinemathek, Berlin (Anja Göbel, Anke Hahn) | Richard
Dindo | Bernhard Eder | Filmcoopi, Zürich (Trudi Lutz) | Filmdelights, Wien (Christa Auderlitzky, Michael Reutz) | Filmladen, Wien (Doris Sumereder) | Filmmuseum
München (Stefan Drössler) | Tobias Frühmorgen, Berlin | Gaumont Pathé archives, Saint Quen (Agnes Bertola) | Gosfilmofond, Belje Stolby (Nikolaj Borodačev,
Swetlana Dmitrijewa) | Gosfilmofond Repräsentant Wien (Stanislav Lenginowič) | Johannes Hammel, Wien | Axel Hubmann, Wien | Jupiter-Film, Neulengbach
(Hans-Peter Blechinger) | Kinemathek Hamburg (Thomas Pfeiffer) | Kinemathek Le Bon Film, Basel (Axel Töpfer) | David Kleinl | Mira Lu Kovacs | Michael Kreihsl,
Wien | Willi Landl | Lukas Lauermann | Leyya | Julia Marchese | Ben Martin | Marko Mestrovic | Mosfilm Kinokonzern, Moskau (Karen Šachnazarov, Sergej Simagin,
Olga Karawajewa) | Národní Filmový Archiv, Prag (Tomáš Žurek) | Werner Nekes | Neue Visionen Filmverleih, Berlin (Mirjam Haas) | ORF, Wien (Dagmar Fleisch­
hacker, Sandra Schwarzl-Moussong, Monika Steffel) | Österreichisches Filmmuseum | Österreichisches Kulturforum, Moskau (Simon Mraz, Julia Tauber) | Alexi
Pelikanos | Antonia Prochaska, Wien | Sixpackfilm, Wien (Brigitta Burger-Utzer, Gerald Weber) | Stadtkino-Filmverleih, Wien (Gabriela Mühlberger) | Rupert Steiner |
Jean-Marie Straub | Studiocanal, Berlin (Matthias Meinhardt) | Transit Film, München (Mark Grünthal) | Trigon-Film, Ennetbaden (Andreas Furler) | Das Trojanische
Pferd | Mirko Tzotschew, Berlin | Wega-Film, Wien | Christian Wirlitsch | Isabel Wolte, Peking | Ursula Wolte, Wien | Xstream Pictures, Peking (Jessica N. Liu) | ZDF,
Mainz (Janine Göllner, Alexandra Dexheimer, Christiane Mayer) | Hanns Zischler, Berlin
EDITORIAL
ERNST KIENINGER
»I
m Kino gewesen. Geweint.« Franz Kafkas beiläufiger Tagebucheintrag ist längst zum Gemeingut
des Schreibens und Denkens über Film geworden.
Jahrelang war der Schauspieler und Regisseur Hanns
Zischler dem manischen Kinobesucher Franz Kafka auf der
Spur und hat dabei Erstaunliches zu Tage befördert. Die
vielen in seinem Werk verstreuten literarischen Notizen
weisen einen leidenschaftlichen, ja hemmungslosen Kinogänger aus. Als Kafka in den 1910er-Jahren in die neu gegründeten Lichtspielstätten pilgerte, galt das Medium noch
als verrufen. Das grelle, tief im proletarischen Milieu verwurzelte Kino der Attraktionen, das elementare Spiel mit
der Schaulust durchlief eben eine erste Kultivierungsphase
und zeitigte frühe Formen des Starkinos wie auch des
Autorenfilms.
Kafkas Filmpassion wirkte aber auch nachhaltig auf das
Kino danach, viele seiner von Leinwand-Erlebnissen der
1910er-Jahre inspirierten Stoffe wurden verfilmt und avancierten zu Klassikern, andere beeinflussten die filmische
Avantgarde – die große Filmarchiv-Retrospektive im METRO
Kinokulturhaus lädt ein zu einer filmarchäologischen Tour
d’Horizon und zeigt Resonanzen, die Kafkas Werk bis heute
im Weltkino auslöst. Im heuer bei der Viennale erstmals gezeigten Film K etwa ersteht Kafkas Schloss in der mongolischen Steppe wieder auf, als gleichermaßen archaischer
und moderner Ort, als Spiegelung von innen und außen,
Geschichte und Zukunft, als eine kafkaeske Vision, wie sie
nur das Kino zur Sichtbarkeit bringen kann.
EDITORIAL
Geblieben ist die pure visuelle Attraktion, überlebensgroße
Leinwandfiguren, die Kafka in seinen Tagträumen adoptierte. In seinem Schreiben erweckte er diese elektrischen
Schatten mit neuem Leben und schuf damit einen ebenso
literarischen wie filmischen Topos: das Kino im Kopf, Filmbilder, die lange nach dem Kinobesuch weiterleben und sich
in verschiedensten Transformationen in der Kulturgeschichte fortschrieben. Kafka im Kino, Filme, die der große
österreichische Literat gesehen hat, berichten auch von
den Anfängen einer kulturellen Moderne, die sich parallel
zur untergehenden Donaumonarchie entwickelt hat und
mit dem ersten Weltkrieg noch weiter Fahrt aufnahm.
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ICH STELLE MICH NOCH EINMAL VOR: ICH HEISSE FRANZ KAFKA
Franz Kafka
»MASSLOSE
UNTERHALTUNG«
FRANZ KAFKA
UND DAS KINO
ANDREAS UNGERBÖCK
Diese Lücke, so kann man mit Fug und Recht behaupten,
wurde dank Zischlers Buch geschlossen, einem Buch, in
dem das Vergnügen und die Hingabe des Autors an seinen
Gegenstand aus jeder Zeile, aus jedem Satz deutlich wird.
Zugleich manifestiert sich darin der Traum wohl jedes
Cinephilen, in einer (nur scheinbar) lückenlos aufgearbeiteten Filmgeschichte noch fündig zu werden, Schätze zu
entdecken, von deren Existenz niemand wusste. So kommt
Zischler auch das Verdienst zu, einige der von Kafka erwähnten Filme, von denen man angenommen hatte, dass
sie verschollen seien, wieder bzw. neu zu entdecken. So
etwa fand sich im Restaurierungslabor der Cinémathèque
Française eine Kopie von DIE HERZENSBRECHERIN (LA
BROYEUSE DES CŒURS, 1913) von Camille de Morlhon, der
in der Korrespondenz Kafkas mit Felice Bauer eine Rolle
»Nachmittag
Palästinafilm«, notierte
er lapidar im Tagebuch.
spielte, und im Prager Filmarchiv konnte Zischler 1987
den zionistischen Dokumentarfilm RÜCKKEHR NACH ZION
(SHIVAT TZION) aus dem Jahr 1920 von Ya’akov Ben-Dov
nachweisen, oder besser gesagt: Das Filmmaterial war dem
dortigen Archivar zwar bekannt, er wusste aber nicht, dass
es sich dabei um den Film handelte, den Franz Kafka am
23. Oktober 1921 gesehen hatte: »Nachmittag Palästinafilm«, notierte er lapidar im Tagebuch.
KOLPORTAGE AUS DÄNEMARK
Die Viennale reagierte 1996 rasch, und Hanns Zischler präsentierte sein Buch während des Festivals in Wien. Im Zuge
dessen wurde ein prächtiges Programm gezeigt, das auch
dieser Tage im METRO Kinokulturhaus zu sehen ist: Es bestand und besteht aus NICK WINTER UND DER DIEBSTAHL
DER MONA LISA (NICK WINTER ET LE VOL DE LA JOCONDE, 1911), einem achtminütigen Kurzfilm aus der PathéProduktion, aus der schon erwähnten, in Paris entdeckten
HERZENSBRECHERIN und aus dem prominenten dänischen
KINO.MAGAZIN »MASSLOSE UNTERHALTUNG«
I
m Jahr 1996 veröffentlichte Hanns Zischler, hoch geschätzter Schauspieler, Autor und Regisseur des deutschen und internationalen Films und Theaters, bei Rowohlt eine Publikation, die umgehend zum »Filmbuch des
Jahres« avancierte: Kafka geht ins Kino. 18 Jahre waren
ins Land gegangen, seit Zischler sich 1978, anlässlich der
Arbeit an einem Fernsehfilm über Kafka, erstmals mit dem
Thema befasst hatte, 18 Jahre der detektivischen, bisweilen
obsessiven Charakter annehmenden Spurensuche in den
Literatur- und Filmarchiven, in Bibliotheken und natürlich in
Kafkas Schriften selbst. Dass Kafka ein begeisterter Kinogänger war, weist Zischler in seinem schmalen, aber überaus ergiebigen Band schlüssig nach. Im Vorwort schreibt
der Autor, »das sonderbare Desinteresse der Forschung an
diesem Stoff« habe ihn »verwundert«, und weiter: »Es war
offenbar der für Philologen dubiose Quellenwert des Kinos,
der eine eingehendere Auseinandersetzung gar nicht erst
entstehen ließ.«1
7
KINO.MAGAZIN »MASSLOSE UNTERHALTUNG«
ICH STELLE MICH NOCH EINMAL VOR: ICH HEISSE FRANZ KAFKA
8
Film DIE WEISSE SKLAVIN (DEN HVIDE SLAVEHANDELS
SIDSTE OFFER, 1911) von August Blom. Das 45-minütige
Kolportagestück um eine junge Frau, die entführt wird
und zur Arbeit in einem Bordell gezwungen werden soll,
gilt nicht nur als der erste längere Spielfilm der Kinogeschichte, es hatte außerdem bereits alles, was gemeinhin
zu den Ingredienzien des populären Films gezählt wird:
Action, Emotionen, Tempo und, wenn schon nicht Sex, so
doch zumindest eine gehörige Portion Anrüchigkeit. Diese
Mischung verschaffte dem Film, von Dänemark ausgehend,
einen überwältigenden Erfolg, und er wurde auch zum
Exportschlager. Die »skandalöse« Geschichte samt LastMinute-Happy-End fand sich in diversen Nachfolgefilmen
immer wieder und in immer neuen Variationen. Die Filme
im Gefolge der WEISSEN SKLAVIN brachten zudem, das
ist auch nicht unwichtig, den ersten europäischen Filmstar
hervor: Asta Nielsen wurde in den Filmen des Regisseurs
Urban Gad, die mit reißerischen Titeln wie ABGRÜNDE,
HEISSES BLUT, NACHFALTER, usw. nicht mehr viele Fragen
offen ließen, zum Sexsymbol und umgehend nach Deutschland verpflichtet, wo sie bis zum Ende der Stummfilmära
große Erfolge feierte.
26. August 1911 in sein Tagebuch: »Ich erinnere mich noch
genau an das Kinematographenstück DIE WEISSE SKLAVIN,
in dem die unschuldige Heldin gleich am Bahnhofsausgang
im Dunkel von fremden Männern in ein Automobil gedrängt
und weggeführt wird.« Reminiszenzen an diese Szene finden sich im Romanprojekt Richard und Samuel, das Kafka
mit seinem Freund (und späteren Nachlassverwalter) Max
Brod auf einer ausgedehnten Reise durch Europa zwar begann, das aber über ein erstes Kapitel nie hinauskam.
DIE WEISSE SKLAVIN ist aber auch deswegen bemerkenswert, weil der Film Franz Kafka offenbar sehr beschäftigte.
Er spielt in seinen Briefen und Notizen eine besondere
Rolle und wird immer wieder erwähnt. So notierte er am
NICHT NUR GEWEINT
Es war jene »Junggesellenreise«, auf der Brod und Kafka,
beide gerade eben 27 bzw. 28 Jahre alt, am 10. September
1911 in Paris den schon erwähnten spaßigen Kurzfilm über
den Diebstahl der Mona Lisa sahen. Daran kann man auch
sehen, wie aktuell das Kino damals war, denn das berühmte
Gemälde war erst am 21. August, also knapp zwei Wochen
zuvor, gestohlen worden. Eigentlich, so Brod in seinem Reisetagebuch, wollten die beiden jungen Touristen an jenem
Tag einen »Ausruh-Abend« machen, aber als sie an dem
berühmten Kinematographentheater Omnia Pathé vorbeikamen, konnten sie nicht widerstehen: »Wir verzichteten auf
den Rastabend (verdammte Stadt!) und gingen hinein.«2
Kafkas Kinobegeisterung war eine fast rauschhafte, ein
wenig naive, staunende. Er ließ sich – wie das Beispiel der
Abgesehen von den kleinen Irritationen (»Das Unglück
im Dock«, ein weiterer dänischer Kolportage-Reißer, hieß
in Wahrheit DIE KATASTROPHE IM DOCK, und was Kafka
»Endlich allein« nennt, ist auf dem Kinoplakat als ISIDORS
HOCHZEITSREISE angekündigt) muss man berücksichtigen,
dass Kafka sich in einer höchst schwierigen Phase seiner
Beziehung zu Felice Bauer befand, sodass das Gefühl der
Leere und Sinnlosigkeit wohl weniger auf den Kinobesuch
als auf die privaten Probleme zurückzuführen war. Aber
der schöne Begriff »maßlose Unterhaltung« zeigt, wie
stark Kafkas Kinoleidenschaft wohl war. Dieses Changieren
zwischen Staunen, Überwältigung und Neugier spiegelte
sich schon viel früher, in einem Brief an Max Brod vom 22.
August 1908, wider: »Ich danke Dir aufrichtig, mein lieber
Max, nur daß mir noch immer die Unklarheit der Tatsachen
klarer ist als Deine Belehrung. Das einzige was ich aber
überzeugend daraus erkenne, ist, daß wir noch lange und
oft den Kinema, die Maschinenhalle und die Geishas zusammen uns ansehen müssen, ehe wir die Sache nicht nur für
uns, sondern auch für die Welt verstehen werden.«4
Aus dieser fast schon ungestümen Beziehung zum Kino
heraus lässt sich auch verstehen, warum die Einträge des
großen Schriftstellers oft so flüchtig hingeworfen, so kurz
und lapidar erscheinen, so, als setzten sich seine nächtlichen emotionalen Begegnungen mit dem Kinematographen
in seinen Stellungnahmen fort. Eine Filmkritik im heutigen
Sinne gab es damals nicht, jedenfalls nicht zu einzelnen
Filmen, und auch Kafka schrieb – leider, muss man wohl
KINO.MAGAZIN »MASSLOSE UNTERHALTUNG«
WEISSEN SKLAVIN zeigt – im Kino fortreißen und überwältigen. Das lässt sich aus seinen spärlichen, verstreuten Einträgen, die dezidiert dem Kino gewidmet sind, durchgehend
ablesen. Seine Haltung entspricht damit durchaus dem,
was man aus der Filmgeschichtsschreibung über frühe
Kinobesucher weiß: Das berühmte Beispiel des allerersten
Films, der ANKUNFT DES ZUGES auf dem Bahnhof in La
Ciotat (Brüder Lumière, 1896), der angeblich die Zuschauer
in Angst und Schrecken versetzt und manche in die Flucht
geschlagen hatte, mag die Überforderung durch die neuerdings bewegten Bilder illustrieren. Auch die Warnungen
und die Skepsis früher Kino-Gegner zielten auf die »Überwältigung« der Zuschauer ab. Kafkas starke Emotionen
sind nicht zuletzt hinlänglich in dem berühmt gewordenen
Satz »Im Kino gewesen. Geweint« festgehalten, den er am
20. November 1913 nach einem Besuch im Grand Theatre
Bio-Elite in Prag in sein Tagebuch notierte, und der bis
heute immer und immer wieder zitiert wird. Dabei lohnt es
sich, den ganzen Eintrag zur Kenntnis zu nehmen: »Im Kino
gewesen. Geweint. ›Lolotte‹. Der gute Pfarrer. Das kleine
Fahrrad. Die Versöhnung der Eltern. Maßlose Unterhaltung.
Vorher trauriger Film ›Das Unglück im Dock‹, nachher lustiger ›Endlich allein‹. Bin ganz leer und sinnlos, die vorüberfahrende Elektrische hat mehr lebendigen Sinn.«3
9
LA BROYEUSE DE COEURS (Filmplakat)
»Bin ganz leer
und sinnlos, die
vorüberfahrende
Elektrische
hat mehr
lebendigen Sinn.«
Franz Kafka
Mit dem berühmten Beitrag vom 20. November 1913 verschwand das Kino aber auch so gut wie vollständig aus
Kafkas privaten Aufzeichnungen. Nur sehr angelegentlich
notierte er noch Erlebnisse im Kino bzw. verzeichnete er
sie bloß. Er hatte auch, wie evident ist und anders als einige seiner Zeitgenossen, keinerlei Ambitionen, selbst in
irgendeiner Weise filmisch tätig zu werden: »Im Gegensatz
zu Schnitzler, Hauptmann und anderen war Kafka nicht im
geringsten am Film als möglichem Arbeitsfeld (und Einkommensquelle) interessiert. Es ist kein Zufall, dass er in dem
berühmten, 1914 von Kurt Pinthus herausgegebenen Kinobuch fehlt. Kinogehen war für Kafka eher die Domäne noktambuler Abenteuer.«5 Es ist natürlich müßig und spekulativ,
aber doch reizvoll, sich auszumalen, ob sich daran etwas
geändert hätte, wäre Kafka nicht im Jahre 1924 allzu früh
verstorben. Hätte er sich für die Hochblüte des deutschen
Stummfilms begeistert? Für Fritz Lang oder Murnau oder
Josef von Sternberg? Hätte er sich für den Tonfilm interessiert? Für das erwachende Imperium in Hollywood? Unter
den vielen Rätseln, die Franz Kafka und das Kino umgeben,
ist auch dieses eines: Erst 1962 wurde mit Der Prozess das
erste seiner unsterblichen Werke verfilmt. Warum es so
lang dauerte, das ist eine ganz andere Geschichte.
1Hanns Zischler, Kafka geht ins Kino, Reinbek 1996, S. 9.
2Malcolm Pasley (Hg.), Max Brod – Franz Kafka. Eine Freundschaft.
Bd. 1: Reiseaufzeichnungen, Frankfurt/Main 1987, S. 209 f., zitiert
nach: Zischler, aaO., S. 69.
3Hans-Gerd Koch/Michael Müller/Malcolm Pasley (Hg.), Franz Kafka. Tagebücher, Frankfurt/Main 1994, Bd. 2, S. 204, zitiert nach:
Zischler, aaO., S. 136.
4Zitiert nach: Viennale (Hg.)/Andreas Ungerböck (Red.), Festivalkatalog 1996, S. 59.
5Ralph Eue, »Hanns Zischler: Kafka geht ins Kino«, Rezension in:
Süddeutsche Zeitung, 13./14. Juli 1996
KAFKA GEHT INS KINO, 7. DEZEMBER 2015 BIS 17. JÄNNER 2016
METRO KINOKULTURHAUS
FRANZ KAFKA, 1883 in Prag geboren, studierte auf Wunsch des
Vaters Rechtswissenschaft und war von 1908 bis 1922 Angestellter
der »Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen« in Prag. Daneben verfasste Kafka ein herausragendes schriftstellerisches Werk, vornehmlich Erzählungen und drei Romane, die
heute – wie wohl teilweise nur in Fragmenten vorliegend – zur Weltliteratur zählen. 1917 erkrankte er an Lungentuberkulose, von der
er sich nie mehr erholte. 1924 starb Franz Kafka in einem Sanatorium in Klosterneuburg. Entgegen seinem Willen wurden seine Werke, die er zur Vernichtung bestimmt hatte, von seinem Freund und
Nachlassverwalter Max Brod gerettet und sukzessive veröffentlicht.
KINO.MAGAZIN »MASSLOSE UNTERHALTUNG«
sagen – kaum Analytisches und Reflektiertes zu seinen
Kinoerlebnissen nieder. Kaum überraschend, wenn auch bedauerlich, ist zudem die Tatsache, dass seine Begeisterung
für das noch junge Medium in keinem einzigen seiner literarischen Werke Niederschlag fand, sieht man von dem schon
erwähnten Romanexperiment Richard und Samuel ab, in
dem Kafkas Anteil durchaus Anklänge an so etwas wie ein
»Drehbuch« hat.
11
Elem Klimov und Larisa Šepitko
KOMM UND SIEH
ELEM KLIMOV &
LARISA ŠEPITKO
HELMUT PFLÜGL
EIN REGIEEHEPAAR AM BEGINN EINES
UNBEKANNTEN ZEITALTERS
Elem Klimov hatte zuvor am Moskauer Luftfahrtinstitut
studiert und kurze Zeit als Ingenieur gearbeitet, ehe er an
die Filmhochschule wechselte und in Mihaíl Romms Meisterklasse für das Fach Regie aufgenommen wurde. Mihaíl
Romm lehrte ihn das Dokumentarische mit dem Fiktiven zu
einer erzähltechnischen Einheit zu verschmelzen, was seinen drei späteren Werken jene geballte epische Kraft verleihen sollte, mit der er die Filmwelt seit AGONIE (1974–81)
zu beeindrucken weiß.
Sowohl im Fresko über den Untergang des Zarenreiches als
auch in den Erzählungen von der Überflutung einer Insel
durch ein Staudammprojekt und der Vernichtung eines
Dorfes in Weißrussland durch die deutsche Wehrmacht und
die SS besticht Klimovs Inszenierungsstil mit detailgenauen, opernhaft ausgestatteten Tableaus, die sich – konkurrierend mit stimmungsvollen Landschaftspanoramen und
ausdrucksstarken Darstellergesichtern – ins Gedächtnis
des Betrachters eingraben. Die epische Breite dieser Werke
vermittelt gleichzeitig ein Gefühl der Trauer angesichts des
Zustandes dieser Welt, die beherrscht wird von Uneinsichtigkeit, Hartherzigkeit und blinder Zerstörungswut. Die Gegenwelt dazu lebt in den Augen der Opfer, die sich diesem
Wahn widersetzen.
Satirische Bilder
skizzieren das Alltagsleben
ihrer Zeitgenossen in den
1960er-Jahren.
Hoffnungsvoll verwegen, in pointierte und straffe Formen
gegossen, präsentiert sich hingegen Klimovs erste Schaffensperiode. Satirische Bilder skizzieren das Alltagsleben
seiner Zeitgenossen in den 1960er-Jahren. Humorvoll führt
der junge Klimov in seinem Spielfilmdebüt das ausgelassene Treiben seiner Erdenbürger in einem Jugendpionierlager vor und gießt seinen Spott über jene Erwachsenen,
die aus einer guten Idee etwas Dummes machen, was sie
»strenge Erziehung« nennen. Hier werden die Bürger der
Zukunft mit Unarten vertraut gemacht, die ihr späteres Leben bestimmen werden. Das vorherrschende Lebensgefühl,
das seine 1960er-Jahre-Filme vermitteln, ist dennoch heiter
bis wolkig. Noch ahnt man nichts von der Unbarmherzigkeit
der Geschichte, die über die Menschen der beiden letzten
Filme wie ein Tsunami hinwegrollen wird, obgleich der historische Stoff, aus dem sie destilliert sind, bereits länger
zurückliegt und bekannt ist.
KINO.MAGAZIN KOMM UND SIEH
M
itten im Strudel des Tauwetters, das die festgefügten
Eisschollen der frühen Nachkriegsära zum Bersten
brachte, kreuzten sich die Wege zweier ambitionierter Filmstudenten an der Moskauer Filmhochschule WGIK:
Elem Klimov, geboren am 9. Juli 1933 im russischen Wolgograd und Larisa Šepitko, geboren am 6. Jänner 1938 im
ukrainischen Artemivsk.
13
Elem Klimov
KINO.MAGAZIN KOMM UND SIEH
DAS ALTE UND DAS NEUE IM WANDEL DER ZEITEN
14
Obwohl fünf Jahre jünger, realisiert die zielbewusste Larisa
Šepitko ihr Spielfilmdebüt ein Jahr vor Klimov. Es handelt
sich um ein Projekt, mit dem sie ihr Regiestudium in der
Meisterklasse ihres berühmten Landsmannes Aleksandr
Dovženko abschließt. Als Location mutet sich die Jung­
filmerin die kirgisische Steppe zu, denn die literarische
Vorlage stammt von dem populären kirgisischen Autor
Čingis Aitmatov, dessen Romane von jungen sowjetischen
Filmemachern in den 1960er- und 70er-Jahren häufig verfilmt werden.
In Larisas Handschrift spürt man deutlich das Echo des
lyrisch-expressiven Filmpoeten Dovženko. Grundthema ist
das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Wertordnungen
und Lebensprinzipien an einem bestimmten Punkt der
Geschichte, an dem sich Veränderungen vollziehen. Eisenstein fasste dies in die Formel »Das Alte und das Neue«.
Larisas Film bezieht sich auf das zeitlich nahe Projekt der
Neulandgewinnung in den zentralasiatischen Steppen in
der Chruščov-Ära, ein Thema, das sie in zwei späteren
Arbeiten wieder aufgreifen wird. Gelegenheit dazu bietet
1967 ein Filmprojekt zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution, zu dem sie eine Episode unter dem Titel DIE HEIMAT
DER ELEKTRIZITÄT beisteuert. Der Titel verweist vordergründig auf Lenins Formel von der zentralen Bedeutung
der Elektrifizierung als Grundlage für eine neue Gesellschaftsordung im industriellen Zeitalter. Demnach wählt
Larisa die frühen 1920er-Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges als historischen Hintergrund für ihre Vision eines
Versuchs, die Agonie eines in Trümmern liegenden Landes
zu überwinden, um aus den Ruinen neues Leben erblühen
zu lassen – mit ungewissem Ausgang.
Die für den öffentlichen Vertrieb zuständigen Behörden
hatten mit diesem Episodenfilm jedoch keine Freude. Offenbar hätte man zum Jubiläum lieber eine durch das elektrische Licht bereits erhellte, strahlende Zukunft im Film
»Wir zerstören unseren
Planeten und damit
unsere Seele«
Larisa Šepitko
Der letzte Teil von Larisas thematischer Trilogie hätte die
Verfilmung von Walentin Rasputins Roman Abschied von
Matjora werden sollen, der die Folgen eines Staudammprojekts in den 1930er-Jahren behandelt. Dieses Projekt wird
ihr künstlerisches und privates Schicksal mit Elem Klimov
auf ewig verknüpfen, nachdem sie 1965 ihren gemeinsamen Lebensweg mit der Heirat besiegelt hatten.
DAS ALTE UND DAS NEUE IM PARADIGMEN­
WECHSEL AUF DEM WEG NACH MATJORA
In den Jahren dazwischen entwickelt Larisa ihr künstlerisches Credo: Ein unbedingter Wille zur Wahrhaftigkeit
und kompromissloses Eintreten für die Kunst prägen ihre
Arbeit. Mit eiserner Disziplin treibt sie ihre Projekte voran.
Schließlich war es für eine Frau selbst in einem Land, das
die Gleichberechtigung der Frauen im Berufsleben auf
seine Fahnen geschrieben hatte, nicht leicht, sich in diesem
»Männerberuf« zu behaupten. Doch sie setzt sich durch.
1966 erscheint ihr zweiter Spielfilm DIE FLÜGEL, ein formal
in nüchternem Realismus erzähltes modernes Frauenporträt. In dem folgenden Gegenwartsfilm DU UND ICH, der 1971
entstand, verlagert sie innerhalb der Beobachtung von exemplarischen Vertretern ihrer Generation den Schwerpunkt
auf die geistige und psychische Verfassung der maskulinen
Hauptfigur. Die Erzähltechnik setzt hier im Unterschied
zur geradlinigen Abhandlung des Frauenporträts in DIE
KINO.MAGAZIN KOMM UND SIEH
gesehen. Obendrein zeigte Andrej Smirnov in seiner Episode Rotarmisten als Opfer statt als siegreiche Helden, was
dazu führte, dass bis zur öffentlichen Premiere zwanzig
Jahre vergingen. Vertreter des Staates gaben grünes Licht
für die Finanzierung auch von unkonventionellen Film­
projekten, die dann andere Staatsvertreter nach ihrer
Fertigstellung aufs Abstellgleis schoben. Im Grunde präferierte man, ähnlich wie bei den großen Verleihern im
Westen, den kommerziellen Mainstream mit dem klischeeerprobten Futter für Popcorntiger.
15
KINO.MAGAZIN KOMM UND SIEH
SKWERNYJ ANEKDOT
16
FLÜGEL auf eine komplexer verschachtelte FlashbackStruktur. In ihrem letzten, 1976 vollendeten Film DER
AUFSTIEG, einem ergreifenden Partisanendrama aus dem
Großen Vaterländischen Krieg, kehrt sie zum expressiven Bildstil ihres Frühwerks zurück. In diesem visionär
überhöhten Rahmen seziert sie noch einmal existenzielle
Fragen und die Haltung von Menschen im tiefen Zwiespalt
zwischen eigenen Wünschen und übergeordneten Werten.
Ihre Bildsprache vermag insbesondere hier innere Welten
eindringlich zu evozieren. Sie festigte ihren Ruf als zentrale
Protagonistin der Tauwetterperiode, deren Vertreter nach
Chruščovs Sturz wieder zunehmend ins Visier bürokratischer Ordnungshüter gerieten und schaffte, dem veränderten kulturpolitischen Klima zum Trotz, mit dem Gewinn des
Goldenen Bären für ihr letztes Werk bei der Berlinale 1977
den großen internationalen Durchbruch. Das Schicksal verwehrte Larisa jedoch ihren Ruhm mit einem weiteren Werk
zu bestätigen, denn ein Autounfall während der Vorbereitungen zu den Dreharbeiten für ABSCHIED VON MATJORA
setzte ihrem Leben am 2. Juli 1979 ein jähes Ende. Mit
Larisa starben fünf Mitarbeiter ihres Teams.
LARISAS VERMÄCHTNIS – VON ELEM REALISIERT:
EIN SCHWANENGESANG AUF DAS PRIMAT DER
NATUR
Dem verzweifelten Elem blieb es vorbehalten, das Projekt
seiner Frau mit einem neuen Filmteam zu Ende zu bringen.
Zum privaten Unglück gesellten sich noch Schwierigkeiten mit Vertretern der Kulturpolitik, denn sein Mitte der
1970er-Jahre fertiggestellter Film AGONIE geriet in den
Sog von Verdächtigungen seitens jener Gralshüter, die in
manch kritischen oder formal unkonventionellen Werken
der intellektuellen Künstlergarde der 1960er-Jahre systemfeindliche Motive zu erkennen vorgaben. Just in dem Jahr,
als Larisa und Elem heirateten, drehten Aleksandr Alov und
Wladimir Naumov ihr kompromisslosestes, pechschwarzes
Hauptwerk BÖSE ANEKDOTE, in dem sie im historischen
Kostüm von Dostojevskijs Novelle den Nerv der Zeit empfindlich zu treffen schienen. Diese in ihrer Rigorosität an
Buñuels Analyse der Conditio humana erinnernde Mutter
aller Satiren schildert mit galligem Humor den Teufelskreis
Die Freigabe erfolgte zu einer Zeit, als sich Elem bereits in
das filmische Vermächtnis seiner Frau vertiefte, denn die
Entstehungszeit von ABSCHIED VON MATJORA fällt in das
Ende der Brežnev-Ära. Mit einem neuen Filmteam lotet er
das Spannungsfeld zwischen Tradition und technischem
Fortschritt aus und plädiert für humanistische Werte und
die Achtung der Natur. Matjora soll von einem Stausee
überflutet werden. Während die Alten gegen die Zerstörung ankämpfen, begrüßen die Jungen die Veränderung,
die für sie neue Perspektiven eröffnet. Doch das Fällen der
Dorfeiche scheitert wiederholt. Weder Sägen noch Traktoren oder Feuer können den tief in der Erde verwurzelten
Baum zu Fall bringen, ebenso wenig wie man die alte Frau,
die ihr Haus wie ein Grab schmückt, zu dem es für sie
am Ende werden wird, dazu überreden kann, die Insel zu
verlassen, obwohl der Dammbau beschlossene Sache ist.
Stefanija Stanjuta mimt die Rolle ihres Lebens und ähnlich
eindrucksvoll agiert ihr unfreiwilliger Gegenspieler, der Leiter der Absiedelungsaktion, gespielt vom bulligen Rasputindarsteller Aleksej Petrenko. Für Klimov bedeutete Matjoras
Los das Schicksal der Erde. Seinem Verdikt »Wir zerstören
unseren Planeten und damit unsere Seele« ist schwer zu
widersprechen.
Sein nächstes Projekt, das Antikriegsdrama KOMM UND
SIEH erblickte fast zeitgleich mit Gorbačovs Wahl zum
Generalsekretär im Juli 1985 am Moskauer Filmfestival das
Licht der Leinwand und machte ihn mit einem Schlag zum
führenden Vertreter der aktuellen russischen Filmkunst
im Zeichen von Glaznost. Unter Gorbačov wurde eine Kulturpolitik der offenen Türen realisiert, die einer echten
Revolution gleichkam, und Elem Klimov spielte dabei eine
wichtige Rolle. Man wählte ihn 1986 zum ersten Sekretär
des sowjetischen Filmverbandes und in dieser Funktion betrieb er zusammen mit dem Kulturausschussvorsitzenden
Andrej Plachov die Freigabe aller bisher behinderten oder
zurückgehaltenen Filme. Er war gern gesehener Gast bei
vielen internationalen Festivals. Doch der verspätete Ruhm
konnte seinen Schmerz über den Verlust seiner Frau nicht
kompensieren. Er drehte nach KOMM UND SIEH keinen Film
mehr. Elem und Larisa beendeten somit ihre Filmkarrieren
jeweils mit einem Werk über den Zweiten Weltkrieg und
obwohl diese beiden Filme ihre einzigen über den Krieg
waren, zählen sie mit Tarkovskijs IWANS KINDHEIT zu den
»Sie werden keinen anti­
deutschen, sondern einen
antifaschistischen, einen
Antikriegsfilm sehen.«
bewegendsten und perfektesten dieses Sujets. Elem starb
am 26. Oktober 2003 nach einwöchigem Koma in einem
Moskauer Spital. Die Hommage soll das Regieehepaar,
das sich um die Filmkunst so verdient gemacht hat, dem
Vergessen entreißen.
KOMM UND SIEH: ELEM KLIMOV UND LARISA ŠETIPKO,
10. DEZEMBER 2015 BIS 3. JÄNNER 2016
METRO KINOKULTURHAUS
ELEM KLIMOV, 1933 im russischen Wolgograd geboren, besuchte
die Filmhochschule WGIK und absolvierte 1964 mit HERZLICH
WILLKOMMEN ODER EINTRITT FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN sein
erfolgreiches Regiedebüt. Internationale Berühmtheit erlangte er
durch seine vielfach prämierten Filme AGONIE (1974), ABSCHIED
VON MATJORA (1983) und KOMM UND SIEH (1985). Als Vorsitzender des sowjetischen Filmverbandes war er ab 1986 maßgeblich an
der Aufhebung von Aufführungsverboten für eine Reihe künstlerisch bedeutender Filme beteiligt. Er starb am 26. Oktober 2003
in Moskau.
LARISA ŠEPITKO, geboren 1938 im ukrainischen Artemivsk,
absolvierte ebenfalls die Filmhochschule WGIK, ihr Diplomfilm
SCHWÜLE wurde 1963 zu ihrem Spielfilmdebüt. Zu ihren bekanntesten Werken zählen das moderne Frauenporträt DIE FLÜGEL
(1966), die Episode DIE HEIMAT DER ELEKTRIZITÄT in DER BEGINN
EINES UNBEKANNTEN ZEITALTERS (1967) sowie das mit einem
Goldenen Bären ausgezeichnete Antikriegsdrama DER AUFSTIEG
(1976). Am 2. Juli 1979 starb die seit 1965 mit Elem Klimov verheiratete Regisseurin bei einem Autounfall während der Dreharbeiten
zu ihrem Filmprojekt ABSCHIED VON MATJORA, das ihr Ehemann
1983 fertigstellte.
KINO.MAGAZIN KOMM UND SIEH
einer geschlossenen (Hochzeits)-Gesellschaft, deren Frustrationen im eigenen Saft schmoren und die den eitlen »Reformer« nach Katzenjammer und bösen Träumen zurück
zu alten Prinzipien der Machtausübung geleitet. Die Story
lässt sich leicht als Chiffre auf die Veränderungen in der
Kulturpolitik während der Brežnev-Administration lesen. Im
Vergleich dazu muten Klimovs satirische Komödien noch
wie verzeihbare Lausbubenstreiche an, die ziemlich rasch
in die Kinos kamen und beim heimischen Publikum sehr
erfolgreich waren, aber vielleicht gerade deswegen international nicht wahrgenommen wurden. Erst als bekannt
wurde, dass sein Film AGONIE noch immer auf den öffentlichen Einsatz wartete, begann man sich im Westen für ihn
zu interessieren.
17
Shi Hui
DER WEG EINES
KOMPROMISSLOSEN
RETROSPEKTIVE SHI HUI
ISABEL WOLTE
I
m Januar 2015 hätte der umfassend talentierte Schauspieler, Regisseur, Autor und Kritiker Shi Hui seinen
hundertsten Geburtstag gefeiert. Shi Hui (1915–1957)
wurde in den 1940er-Jahren in Shanghai als »Kaiser der
Bühne« gefeiert, spielte in über zwanzig Filmen, führte
Bühnen- und Filmregie, und engagierte sich in allen Bereichen des Shanghaier Theater- und Filmwesens. 1957 fiel er
der »Anti-Rechts-Kampagne« zum Opfer und nahm sich im
Alter von 42 Jahren das Leben. Obwohl er nach 1979 rehabilitiert wurde und sein Film MEIN LEBEN (1950) zu den
Klassikern der chinesischen Filmgeschichte gehört, bleibt
sein Werk weitgehend unbekannt. Ihm wurde bislang noch
nie eine Retrospektive gewidmet.
1932 kehrte er nach Peking zurück, arbeitete als Assistent
bei einem Zahnarzt, und als dieser die Praxis aufgeben
musste, fand er im fortschrittlichen Zhenguang-Theater
einen Job als Budenverkäufer. Schon als Kind hatte ihn
die Peking-Oper fasziniert, nun verbrachte Shi Hui die
Freizeit damit, sein Wissen und seine Ausdrucksfähigkeit
im Rahmen der strengen Regeln der Peking-Opern-Kunst
Es war ein rechtsfreier
Raum, geprägt von
politischer Willkür.
Shi Yutao, wie er mit Geburtsnamen hieß, wurde 1915 in
Tianjin als viertes von fünf Kindern geboren. Seine Kindheit
und Jugend waren geprägt von Unruhe – einer familiären
wie gesellschaftlichen: mit dem Sturz des Kaiserhauses
geriet 1911 das gesamte Land in Aufruhr. Provinzherrscher
bildeten sich heraus, die mithilfe von Schlägertruppen oder
Armeen ganze Landstriche kontrollierten. In dieser Zeit der
»Kriegsherren«, die offiziell bis zur Gründung der nationalen
Zentralregierung unter Chiang Kai-shek 1928 dauerte und
darüber hinaus, war China fragmentiert und chaotisch.
Auch Shi Huis Familie blieb nicht verschont. Die Großfamilie
ging bankrott, sein Vater übersiedelte 1916 nach Peking.
Bald arbeitslos, starb er, als Shi Hui drei Jahre alt war. Mit 15
Jahren begann Shi Hui eine Lehre für Zugbegleiter im Nordosten Chinas, der nach 1931 unter japanischer Besatzung war.
In den zwei Jahren, in denen er in den Zügen unterwegs war,
lernte er alle Facetten des menschlichen Leids und der Grausamkeit kennen: Brände, Raub, Vergewaltigung und Mord –
es war ein rechtsfreier Raum, geprägt von politischer Willkür.
zu vertiefen; ebenso nutzte er jede Gelegenheit, moderne
Theaterstücke wie ausländische (vorwiegend amerikanische) Filme anzuschauen und lernte im Selbststudium Englisch. Eine andere Arbeit in einer Theatergruppe nahm er
zunächst vor allem wegen der drei täglichen Mahlzeiten an.
Shi Hui hatte bereits zu oft Hunger gelitten.
Rasch entwickelte sich seine Karriere als Amateur-Schauspieler. Entsprechend der unruhigen politischen Situation
in den 1930er-Jahren wechselte er immer wieder die
Theatertruppen. Zunehmend bekam er Hauptrollen und
wurde ab 1940, als er sich in Shanghai niederließ, über
professionelle Kreise hinaus bekannt und beliebt. Shi Huis
moderne und ergreifende Interpretation des Helden Wen
Tianxiang aus der Song-Dynastie im gleichnamigen Stück,
der sich gegen die mongolischen Invasoren wehrt, wurde
begeistert als politisches Statement gegen die japanischen
Aggressoren aufgenommen. Shanghai war seit 1937 unter
japanischer Besatzung, mit dem Eintritt der USA in den
KINO.MAGAZIN DER WEG EINES KOMPROMISSLOSEN
DER LOHN DER LERNFÄHIGKEIT
19
MEIN LEBEN
KINO.MAGAZIN DER WEG EINES KOMPROMISSLOSEN
Zweiten Weltkrieg verschärfte sich die davor durch den
Sonderstatus der internationalen Konzessionen relativ entspannte Situation Shanghais.
20
Eines der erfolgreichsten Stücke, in denen Shi Hui in diesen Jahren brillierte, war »Der große Zirkus« – in der 74.
Aufführung innerhalb von 38 Tagen wurde Shi Hui auf der
Bühne ohnmächtig. Auslöser waren Erschöpfung, Hunger,
selbstauferlegte eiserne Disziplin und Professionalität, die
ihresgleichen suchen. Man könnte auch sagen: Besessenheit. Neben Auftritten und akribischer Vorbereitung analysierte Shi Hui das Schauspiel an sich, übersetzte Fachliteratur und publizierte eigene Texte.
Im Oktober 1941 kam der Film SHIJIE ERNV (KINDER DER
WELT) heraus. Es ist der einzige Film aus dem Shanghaier
Exil und der erste erhaltene Film, in dem Shi Hui in einer
Nebenrolle zu sehen ist. Seine Leinwandpräsenz ist hier
schon erkennbar. Die österreichischen Filmpioniere Louise
Fleck (1873–1950) und Jakob Fleck (1881–1953) waren 1939
als mittellose Flüchtlinge nach Shanghai gekommen.1 Trotz
der widrigen Bedingungen unter japanischer Besatzung
gelang es ihnen, mit dem herausragenden chinesischen
Regisseur Fei Mu (1906–1951) einen Film zu drehen, der
die gemeinsamen Werte aller drei zum Ausdruck bringt:
KINDER DER WELT erzählt eine einfache chinesische Geschichte von Freundschaft, von persönlichem Leid und
Hoffnung, von Opferbereitschaft und dem Kampf für Recht
und Freiheit. Als letzter Film der Flecks, die im Laufe ihres
Lebens weit über 50 Filme gedreht hatten, ist er zugleich
ihr filmisches Vermächtnis. 1941 war Shi Hui u. a. mit Regisseur Huang Zuolin Mitbegründer der Professional Drama
Company, die sich von 1943 bis 1946, umbenannt in Kugan
Truppe (wörtlich »hart arbeitend«), größter Popularität
erfreute. Manche ihrer besten Theaterproduktionen wurden nach 1947 verfilmt, als der Hongkonger Industrielle
Wu Xingzai mit den Künstlern von Kugan das Wen Hua
Film Studio gründete. Huang Zuolin entwickelte sich zu
einem erstklassigen Filmregisseur, dessen Reputation über
China hinausreichte: Die erste Produktion des neuen Filmstudios, JIA FENG XU HUANG (FALSCHE PHÖNIXE), eine
Verwechslungskomödie mit Shi Hui in der seltenen Hauptrolle des jugendlichen Liebhabers, wurde aufgrund des
enormen Erfolges in China und Südostasien auch in den
USA vertrieben. Anschließend erschien Shi Hui in beinahe
jedem Film der Firma Wen Hua, er war einer der wenigen
Bühnenschauspieler, die keine Probleme mit dem Medium
Film hatten: er spielte Haupt- und Nebenrollen, er war komisch, tragisch, sympathisch oder der Böse, ernsthaft oder
humorvoll. Alle Figuren, die Shi Hui darstellte, luden zur
Identifikation ein und blieben den Zuschauern in lebhafter
Erinnerung.
DIE KUNST DES RECHTEN MASSES
Shi Huis Schauspiel lebte von Mimik und Gestik. Seiner
Meinung nach sei Talent wie ein ungeschliffener Stein, nur
nach entsprechender Bearbeitung könne daraus Jade werden. Ein guter Schauspieler brauche zudem umfassende
Lebenserfahrung. Bei der Vorbereitung zu einer Rolle verbrachte er Stunden und Tage damit, andere Menschen und
ihre Verhaltensweisen zu beobachten. Sensibel und humorvoll, auch mit Ironie, ging er dabei vor. Gesichtsausdruck
wie Gesten wurden in der Präsentation so lang ausgefeilt,
bis sie repräsentativ und natürlich waren, ausdrucksstark
und nicht manieriert. In der Stilisierung der Figuren erkennt man Grundzüge der klassischen chinesischen Oper
wieder, im Gegensatz dazu aber ist Shi Huis Spiel bemüht
um eine Natürlichkeit, die aus den einstudierten Gesten,
aus mimischen, sprachlichen und stimmlichen Mitteln
entsteht. Seine Kunst bringt Reales hervor. So gelingt es
ihm, Rollen in jeder Alters- und Berufsgruppe glaubhaft
darzustellen, bei ihm werden gute und böse Figuren gleichermaßen menschlich, mit Stärken und Schwächen und
vor allem mit ausgeprägter Persönlichkeit. Für Shi Hui gilt
als oberstes Gebot, das Publikum auf sich zu konzentrieren
(ohne diese Aufmerksamkeit der Zuschauer sei jedes Spiel
doppelt so anstrengend). Man müsse Techniken erarbeiten,
damit das Publikum gleich beim ersten Auftritt in den Bann
gezogen werde und diese Spannung im Laufe der Szene
nicht nachlasse. Entscheidend sei hier, dass der Schauspieler immer das richtige Maß an Ausdruck findet: Das
Versteckte, Zurückgehaltene müsse immer mehr und tiefer
sein als das Gezeigte. Beim Abgang solle der Schauspieler das Publikum in gespannter Erwartung des nächsten
Auftritts zurücklassen. Angeblich beherrschte Shi Hui die
Bühne dermaßen, dass selbst wenn er dem Publikum den
Rücken zukehrte, alle Augen auf ihn gerichtet blieben.
DER PREIS DER OFFENHEIT
Daneben war Shi Hui ein Mann des Wortes: Neben seinen
Tätigkeiten als Schauspieler und Drehbuchautor verfasste er
theoretische Abhandlungen zu Schauspiel und Drama, nahm
zu Fragen der Behandlung von Schauspielern Stellung und
veröffentlichte, vor allem nach Ende des Zweiten Weltkriegs,
meinungsbildende Artikel zur Tagespolitik. Er wetterte gegen
einen Bürgerkrieg, ermunterte die Shanghaier Bevölkerung,
sich politisch zu äußern, verlangte nach demokratischen Prinzipien und verurteilte die korrupten Profiteure des Kriegs.
KINO.MAGAZIN DER WEG EINES KOMPROMISSLOSEN
KOMPANIEFÜHRER GUAN
21
Studio überging, zeigt sich bereits ab 1949 in ihren Werken
der Einfluss der neuen Machthaber.
Shi Huis zweite Regiearbeit WO ZHE YI BEIZI (MEIN LEBEN)
nach dem Roman des Schriftstellers Lao She fiel in die Zeit
der Transformation. Lao Shes Werk über einen einfältigen
Polizisten, dessen Ziel es ist, seine Arbeit gut auszuführen und seine Kinder großzuziehen, der aber durch die
politischen Umstände so herunterkommt, dass er letzten
Endes auf der Straße verhungert, ist eine teils bittere, teils
tragisch-humorvolle Schilderung des Lebens der einfachen
Chinesen. Lao She schrieb seinen Roman im Jahr 1937.
Die Adaption dieses Monologs, die Shi Hui gemeinsam mit
seinem Bruder vornahm, zeugt von seiner ungeheuren dramatischen Begabung. MEIN LEBEN umfasst Jahrzehnte chinesischer Geschichte, beschrieben anhand des Schicksals
eines Einzelnen. Entsprechend der neuen Ideologie wurde
ein kommunistischer Revolutionär eingefügt, und der Sohn
des Polizisten, der dem Revolutionär gefolgt war, erscheint
siegreich zum Schluss des Filmes, um anzudeuten, dass
nun eine neue Zeit angebrochen sei. Es heißt, dass Shi Hui
versucht hatte, sich gegen diese Änderungen zu wehren.
Das Ergebnis ist ein halbherziges Bekenntnis zur glorreichen Zukunft – der Film wurde in der Folge mehrfach aus
politischen Gründen kritisiert.
KINO.MAGAZIN DER WEG EINES KOMPROMISSLOSEN
MEIN LEBEN
22
Sein Regiedebüt gab Shi Hui 1949. In MUQIN (MUTTER),
dessen Drehbuch er selbst verfasst hatte, geht es um die
Mühen einer Mutter, trotz Armut und politischer Unruhen,
ihrem Sohn eine Ausbildung und gute Zukunftschancen zu
ermöglichen. Shi Hui hatte sein Leben lang eine sehr enge
Beziehung zu seiner Mutter. Der Film zeugt von seiner humanitären Einstellung, seiner Auffassung, dass Benachteiligten geholfen werden muss.
Im Oktober 1949 wurde nach vier Jahren Bürgerkrieg die
Volksrepublik China ausgerufen. Die Kommunistische Partei
Chinas (KPCh) hatte den Kampf endgültig für sich entschieden. Alle Sparten der Kunst mussten nun den Grundsätzen
Mao Zedongs, des Vorsitzenden der KPCh, entsprechen,
die aus seinen »Reden zur Literatur und Kunst« (1942) hervorgingen: Kunst und Literatur hatten dem Volk zu dienen,
also den Arbeitern, Bauern und Soldaten. Von 1949 bis
1952, im Zuge der Verstaatlichung der Industrie, wurden
alle Filmfirmen in neugegründete staatliche Filmstudios
umgewandelt oder eingegliedert. Obwohl die Firma Wen
Hua erst 1952 verstaatlicht wurde und in das Shanghai Film
1951 wählte Shi Hui, verantwortlich auch hier für Buch, Regie
und Darstellung, im Sinne der neuen Richtlinien ein Mitglied
der Volksbefreiungsarmee zum Helden seiner Geschichte:
Für GUAN LIANZHANG (KOMPANIEFÜHRER GUAN) verbrachte er mit seinen Kollegen zur Vorbereitung zwei Monate mit einer Kompanie. Das Ergebnis ist ein spielerisch brillianter, von der damaligen Regierung scharf kritisierter Film,
dessen Hauptfigur in seiner natürlichen Unkultiviertheit – er
spricht mit starkem Dialekt, ist weder groß noch schön noch
unnahbar, sondern beliebt und kinderfreundlich – dem offiziellen Bild der Soldaten in keiner Weise entspricht. So gehörte auch Shi Hui zu den Opfern der ersten Runde öffentlicher
Kritik, die in einer monatelangen Kampagne gegen den Film
DAS LEBEN DES WU XUN (1951) von Sun Yu gipfelte.
Als Mitglied des Shanghai Film Studios erhielt Shi Hui ab
1952 nur noch wenige Angebote. Dies lag daran, dass nunmehr die Aufträge von den Leitern der Filmstudios vorwiegend nach politischen Gesichtspunkten vergeben wurden.
Shi Hui war negativ aufgefallen und außerdem nicht Mitglied
der KPCh. Er konnte nur noch bei dem international ausgezeichneten Kinderfilm JI MAO XIN (BRIEF MIT FEDER, 1954)
und der innovativ verfilmten Huangmei-Oper TIAN XIANPEI
(HIMMLISCHE HOCHZEIT, 1955) Regie führen und in Nebenrollen anderer Filme auftreten.
In den 1950er-Jahren ging die Filmproduktion Chinas
stark zurück, die Filmeinnahmen sanken. Im Zuge der
MEIN LEBEN gilt heute
als sein Meisterwerk
und legt in eindringlicher
Form auch von Shi Huis
persönlichem Dilemma
Zeugnis ab.
Shi Hui
im November 1957 verschwand der damals 42-jährige Shi
Hui. Einige Zeit später wurde seine Leiche gefunden.
MEIN LEBEN gilt heute als sein Meisterwerk und legt in
eindringlicher Form auch von Shi Huis persönlichem Dilemma Zeugnis ab: Trotz seiner herausragenden künstlerischen Leistungen als Schauspieler, Regisseur und Autor
und seines Engagements für die neue Gesellschaft endete
er, ähnlich dem von ihm im Film dargestellten Polizisten,
elendiglich mit »einer Leere in seinem Herzen«. Shi Huis
Filme dokumentieren sein Talent, seinen Humor und seinen
kritischen Blick.
1Louise und Jakob Fleck, in Zusammenarbeit mit Louises erstem,
1922 verstorbenen Ehemann Anton Kolm, waren die Gründer der
ersten bedeutenden österreichischen Produktionsgesellschaft
und ebenso Gründer der Wiener Rosenhügel-Studios, die bis ins
Frühjahr 2015 vom ORF genutzt wurden.
DIE LEERE IM HERZEN
Bereits im August 1957 begann die »Anti-Rechts-Kampagne«, die dem Aufbruch ein Ende bereitete. Ihr Ziel war die
politische Säuberung der Gesellschaft von »rechts-gerichteten« Personen, darunter viele Künstler und Intellektuelle. Shi
Hui, der zu dieser Zeit seinen letzten Film WU HAI YE HANG
(SCHIFFSFAHRT IM NEBEL) abgedreht hatte und auf das
Zensurergebnis wartete, wurde wegen seiner drei großen
Regiewerke kritisiert: In allen wäre eine »rechte« Einstellung erkennbar. Ihm wurde sogar seine Mitwirkung in QING
CHANG YI SHEN (ECHTE FREUNDSCHAFT) vorgeworfen, da
sich in dem Drama unter Wissenschaftlern kein Arbeiter auflehnt und zur Revolution aufruft. Nach einer »Kritiksitzung«
RETROSPEKTIVE SHI HUI,
15. DEZEMBER 2015 BIS 5. JÄNNER 2016
METRO KINOKULTURHAUS
SHI HUI, Schauspieler, Regisseur und Autor, wurde 1915 in Tianjin
geboren und wuchs in Peking auf. Nach einer Schauspielausbildung
kam er 1940 nach Shanghai, wo er als »Kaiser der Bühne« gefeiert
wurde. 1946 trat er in die Wen Hua Filmgesellschaft ein, ab 1953
arbeitete er bei den Shanghai Film Studios. Im November 1957
beging er im Zuge der »Anti-Rechts-Kampagne« Selbstmord, 1979
wurde er offiziell rehabilitiert. Shi Hui hinterließ sechs Regiewerke
und zahlreiche unvergessene Filmfiguren. Sein Meisterwerk MEIN
LEBEN gehört zu den besten Filmen Chinas.
KINO.MAGAZIN DER WEG EINES KOMPROMISSLOSEN
»Hundert-Blumen-Kampagne«, die die Bürger 1956 aufrief,
sich über die Situation ihrer jeweiligen Berufssparten zu
äußern, veröffentlichte die neugegründete Fachzeitschrift
China Film – Vorläufer der heute noch existierenden Film
Art – eine Reihe von Artikeln namhafter Experten aus allen
Bereichen des Filmschaffens, die sich in einem einig waren:
Es sei falsch, nur für »Arbeiter, Bauern und Soldaten« Filme
zu machen und dabei die Erfahrungen erprobter Filmemacher außer Acht zu lassen. Man müsse der Kunst ihren kreativen Freiraum lassen. Shi Hui nahm an der Diskussion teil
und verfasste einen kritischen Beitrag. 1956 gründete er mit
Kollegen die Fünf-Blumen-Werkstatt, eine Arbeitsgruppe zur
Entwicklung von Stoffen und Drehbüchern. Ähnliche kreative
Gruppen im Rahmen des Shanghai Film Studios folgten – in
den paar Monaten ihrer Existenz entstanden einige der bemerkenswertesten Produktionen der 1950er-Jahre.
23
BIG BUSINESS
STAN LAUREL & OLIVER HARDY
WENN DIE MAUS AUS DEM HAUS IST,
HERRSCHT KOMISCHE ANARCHIE
TOMÁŠ MIKESKA
Auch wenn die beiden Künstler im deutschsprachigen
Raum bis heute unter dem Namen »Dick und Doof« bekannt sind, wird dieses Synonym dem künstlerischen Schaffen, aber vor allem den Persönlichkeiten hinter »Laurel &
Hardy« keinesfalls gerecht. Mit harter Arbeit und viel Engagement schufen die beiden Komiker und ihr Produzent Hal
Roach ein anspruchsvolles Gesamtwerk, das nur in seiner
ursprünglichen Form betrachtet werden muss. Was es ausmacht, ist ein außerordentliches Gefühl fürs Publikum und
Situationskomik – eine unverwechselbare, anarchische Komik mit einzigartigem Sinn für Reduktion aufs Wesentliche,
aber auch die aufrichtige Freundschaft der beiden Protagonisten, die spürbar auf das Publikum jeden Alters übertragen wird. Mit »Laurel & Hardy« kreierten der Brite Arthur
Stanley Jefferson (1890–1965) und sein amerikanischer
Kollege Oliver Norvell Hardy (1892–1957) mehr als nur konträre Figuren, die ein harmonisches Ganzes bilden und ohne
einander nicht können. Mit ihren meist simplen Geschichten und wiederkehrenden Motiven wurden sie zu projizierten Vertrauten, die den Rezipienten im Prinzip des typischen Slow Burns sogar direkt miteinbeziehen und so auch
zum Teil der Komödie werden lassen. Mittel, die vor allem
aus der Feder Stan Laurels stammen, der bis zum Ende die
treibende Kraft hinter »Laurel & Hardy« war, sie als Autor
weiterentwickelte und ihre Welt auch als Cutter formte.
EINE ERFOLGSGESCHICHTE MIT HERZ
Bereits 1998 präsentierte das Filmarchiv Austria die restaurierten Originalfassungen der bedeutendsten Laurel & Hardy
Klassiker erstmals in Österreich. Mit 91 Filmen war es nicht
nur die größte Laurel & Hardy Retrospektive im deutschsprachigen Raum, sondern auch ein Startschuss für eine vom Publikum immer wieder gewünschte Filmschau, die auch in diesem Jahr in der Vorweihnachtszeit für Entschleunigung sorgt.
Das diesjährige Programm konzentriert sich auf einen besonders repräsentativen Auszug aus dem beeindruckenden
Gesamtschaffen des Duos. So laden ausgesuchte Langfilme
wie BOHEMIAN GIRL (1936) oder PARDON US (1931), sowie
fünf Kurzfilmprogramme aus 20 Kurzfilmen ins METRO
Kinokulturhaus des Filmarchiv Austria ein. Ein Familienprogramm, das nicht nur Fans, Cineasten und Nostalgiker in
der Adventzeit erheitert. Als filmische Zeugnisse einer
symbiotischen Partnerschaft, die beinahe ein Jahrhundert
später an Wahrhaftigkeit nichts verloren hat, lassen Stan &
Ollie an die zeitlose Kraft von Freude denken. Die aktuelle
Filmschau bietet eine unterhaltsame Form des Entspannens in der turbulenten Vorweihnachtszeit.
LAUREL & HARDY SPECIAL, 15. DEZEMBER 2015 BIS 5. JÄNNER 2016
METRO KINOKULTURHAUS
STAN LAUREL, eigentlich Arthur Stanley Jefferson, wurde 1890
im englischen Ulverston geboren und startete seine Karriere im
Alter von neun Jahren am Theater. Das Mastermind des Duos zog
vor der Kamera meisterhaft-dusselig den Hut, hinter den Kulissen
dagegen die kreativen und geschäftlichen Fäden. 1961 erhielt er
einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk. Stan Laurel starb 1965,
acht Jahre nach seinem kongenialen Filmpartner und Freund,
dessen Tod er nie verkraftete, an einem Herzinfarkt.
OLIVER NORVELL HARDY, von Stan zärtlich »Babe« genannt,
stammt aus Harlem, Georgia und widmete sich nach einem abgebrochenen Jus-Studium der Schauspielerei. Sein Tie-twiddling und
Finger-twisting machten den Improvisationskünstler weltberühmt,
der Freimaurer, Connoisseur, passionierte Golfer und Spieler hielt
sich aber sonst gerne im Hintergrund (»It‘s Stan’s Business«). Nach
mehreren Schlaganfällen starb er 1957 im Alter von nur 65 Jahren.
KINO.MAGAZIN STAN LAUREL & OLIVER HARDY
S
tan Laurel und Oliver Hardy wussten, wie sie Damen
und Herren, Groß und Klein zum Lachen bringen. Den
erheiternden Beweis dafür liefern 107 gemeinsame Filme kurz und lang sowie die Tatsache, dass das Komiker-Duo
selbst 65 Jahre nach Ende ihrer aktiven Karriere weiterhin
zu dem erfolgreichsten der Filmhistorie gehört. Ihre Slapstick Einlagen und Running Gags sind legendär und wurden
von vielen KollegInnen des Faches kopiert und nachgeahmt.
Wer sich an die wiederkehrende Komik hinter vertauschten
Hüten, Laurels fragendem Kopfkratzen, nichtfunktionierenden Türklingeln und verdrehten Sprichwörtern, als auch
der Ton zu ihren anfänglich stummen Meisterwerken hinzu
kam, nicht erinnern kann, hat ein wesentliches Stück Filmgeschichte gekonnt ignoriert.
25
FILM NOIR RELOADED
EXIL – PSYCHOANALYSE
CHRISTINA WIEDER, FRANK STERN
D
ie einst in Wien und Berlin so bekannten FilmkünstlerInnen – jene »Zweite Reihe« des europäischen Filmexils
– lassen sich oft nicht durch die Gesichter der zwiespältigen Charaktere auf der Leinwand erkennen, und selbst
wenn, sind es meist kleine Nebenrollen, die von SchauspielerInnen aus Wien, Berlin, Prag oder Budapest übernommen
wurden. Dennoch hinterließen sie Spuren, intervenierten sie
in den Filmen durch europäische Präsenz, durch eine meist
vom Theater geprägte Mimik sowie einen teils starken deutschen, tschechischen oder ungarischen Akzent, der in vielen
Fällen skurril erscheinen mag, wenn man bedenkt, dass gerade die exilierten SchauspielerInnen häufig unter amerikanisierten Namen im Abspann erscheinen.
KINO.MAGAZIN FILM NOIR RELOADED
AUF UND HINTER DEM SILVER SCREEN:
»DIE ZWEITE REIHE«
26
Diese SchauspielerInnen wurden nicht selten mit der
Bezeichnung »Actor/Actress with accent« etikettiert, für
Kamerapersonen, RegisseurInnen, RegieassistentInnen,
DrehbuchautorInnen oder ProduzentInnen gab es keinen
vergleichbaren Terminus, obgleich auch sie die Filmsprache
Hollywoods durch unterschiedlichste Akzente und cineastische Traditionen bereicherten. Sie liefen in den Studios
euphemistisch unter »Zusatzpersonal«, oft ohne Arbeitsvertrag, ohne in den Unions organisiert zu sein, und nur
mit eindringlicher Recherche lassen sie sich identifizieren.
Obwohl sie damals nur selten ihren »Credit« im Abspann
der Filme bekamen, ist es maßgeblich ihr Filmschaffen, das
die Basis für die Entwicklung einer transatlantischen Filmsprache darstellt, jene illustrative, intensive, atmosphärisch
prägende Sprache der Kamera, die sowohl die europäische
Filmästhetik in die Studios von Hollywood einführte als
auch die US-amerikanische Filmkultur in den Produktionen
zu bewahren wusste.
Der aus Krakau stammende Rudolph Maté etwa war bereits
in den 1920er-Jahren ein angesehener Kameramann in der
europäischen Filmwelt und wirkte nicht nur an deutschen,
ungarischen und französischen Produktionen namhafter Regisseure mit, sondern fand auch in Hollywood Eingang in die
exklusiven Kreise etablierter und anspruchsvoller Filmschaffender. So spricht Maté, seines Zeichens auch Vertreter der
europäischen EmigrantInnen-Community, nicht nur in Hitchcocks FOREIGN CORRESPONDENT (1940) durch die Kamera.
Auch Rita Hayworths exemplarische Inszenierung der GILDA
(1946) unter der Regie des ebenfalls aus Budapest emigrierten Charles Vidor ist Rudolph Maté zu verdanken. Die
Mitarbeit an Ernst Lubitschs TO BE OR NOT TO BE (1942) ist
daher wenig überraschend, wird doch Alexander Korda, Matés ehemaliger Lehrer, als »Presenter« des Films genannt.
Obgleich im Schatten der Bühnenbeleuchtung und hinter
der Kamera stehend, lässt Maté in seinen Arbeiten die Bilder
gleichzeitig bewegter und erstarrter, erdrückender und auch
befreiender wirken und begegnet auf diese Weise so manch
absurder Vorstellung der Hays-Office-Zensoren mit einem
visuellen Tiefgang, den diese allerdings nicht zu erkennen
vermochten.
D.O.A. (1947) ist eine der frühen Regiearbeiten Matés und
entstand als Low-Budget-Produktion, die dennoch durch ihren fesselnden, subtilen und die ProtagonistInnen auf Irrwege führenden narrativen Aufbau zu einem herausragenden
Werk des Film noir wurde. Lange Flashbacks erklären die
Intrigen, welchen Edmond O’Brien in der Rolle von Frank Bigelow während eines unschuldigen Aufenthalts in San Francisco unwissentlich zum Opfer fällt und deren Bedrohung er
sich bis zuletzt nicht gänzlich bewusst ist. Die Verwandlung
Bigelows vom mittelständischen, treuen Businessman zum
hard-boiled Detective, der zwar nicht der Femme fatale, aber
der Paranoia der Großstadt verfällt, erweist sich dennoch als
folgenschwere Entwicklung für den Protagonisten.
Ähnlich fatale Folgen kündigen sich aufgrund des detektivischen Alleingangs Ray Patricks (Paul Langton) in MURDER
IS MY BEAT von Edgar E. Ulmer an. Doch die Vielzahl an
Umkehrungen moralischer Vorstellungen, unnachvollziehbaren Entscheidungen und inkohärenten Handlungen
Die Bedeutung der Psychoanalyse für den Film noir ist
unübersehbar, die psychischen Welten und Traumwelten,
das Unheimliche im Sinne Freuds, in das die ZuschauerInnen hineingezogen werden, gehören zu den wesentlichen
kulturellen Merkmalen der »siebten Kunst«. So konnte die
Wiener Psychoanalytikerin Jeanne Wolff-Bernstein gewonnen werden, die Filme jeweils mit einem Kommentar und
Publikumsgespräch zu begleiten.
FILM NOIR – THE NEXT GENERATION –
15. DEZEMBER, 19:00
Ist es also das Ziel der Filmreihe FILM NOIR RELOADED,
die »Zweite Reihe« exilierter Filmschaffender ins Bild zu
rücken, wenig bekannte Filme auf die Leinwand zu bringen
und den künstlerischen Wert von B-Movies und Low-Budget-Produktionen in unser kulturelles Bewusstsein zu heben, so sollen im Zuge dessen auch jene Filmschaffenden
die Möglichkeit zur Leinwandpräsenz finden, die sich heute
der Ästhetik des Film noir anzunähern versuchen und es
trotz Zero-Budget schaffen, eine Reihe visuell scharfsinniger Kurzfilme zu produzieren.
D.O.A.
nächtliche Wien – all das zeichnet diese Kurzfilme aus und
beweist, wie stark und ästhetisch anspruchsvoll die Bildsprache des Film noir auch heute noch ist.
THE NEXT GENERATION des Film noir – die Studierenden
des Schwerpunkts Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte –
wird an diesem Abend ihre Kurzfilme präsentieren, ihre
Überlegungen dazu erörtern und sich gemeinsam mit dem
Publikum in der Diskussion der fortwährenden Bedeutung
des Film noir widmen.
Verbrecherische Pläne, paralysierende Stadtbilder, undurchschaubare Charaktere sowie englischsprechende
»Actors/Actresses with accent« finden sich ebenso in den
Filmen wie kritische Auseinandersetzungen mit auferlegten
Rollenbildern. Scheinbar selbstverständliche Strukturen
des Film noir werden in den Kurzfilmen der Studierenden aufgebrochen, indem sie vorgeformte Darstellungen
von Männlichkeit und Weiblichkeit infrage stellen und die
Queerness des klassischen Film noir im modernen Filmschaffen explizit werden lassen.
ZU DIESEM SPECIAL WERDEN FOLGENDE FILME PRÄSENTIERT:
Seit Beginn der Arbeit im Rahmen des Schwerpunkts Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien haben Studierende die Möglichkeit,
die angebotenen Seminare in Form von Kurzfilmproduktionen abzuschließen. Während des mittlerweile zehnjährigen
Bestehens des Programms entstand somit eine Vielzahl
an Kurzfilmen von Studierenden, die sich auf unterschiedlichste Weise mit noir Filmschaffen befassen. Licht, Schatten, Spiegelungen, Rauch, ambivalente Charaktere, das
D.O.A., US 1950 | 14.12., 17.12.2015
FILM NOIR – THE NEXT GENERATION: STUDIERENDEN-KURZFILMABEND | 15.12.2015
MURDER IS MY BEAT, US 1955 | 11.01., 14.01.2016
KINO.MAGAZIN FILM NOIR RELOADED
verführt das Publikum zu vorschnellen Urteilen. Während
Ulmer vor der Emigration noch mit Filmschaffenden der
sogenannten »Ersten Reihe« zusammengearbeitet hatte –
Fred Zinnemann, Billy Wilder oder Robert Siodmak, um nur
einige zu nennen – erwies sich Hollywood für ihn als große
Herausforderung. Mit DETOUR (1945) und THE STRANGE
WOMAN (1946) mit Hedy Lamarr in der Hauptrolle verortete sich der ursprünglich aus Olmütz stammende Regisseur
im Umfeld der großen Studionamen, doch um nach einigen
weniger erfolgreichen Produktionen wieder Anschluss an
das angesehene Umfeld der Noir-Filmschaffenden zu finden, bedurfte es der Hilfe Ilse Lahns. Die gebürtige Wienerin pflegte Kontakte zu dem in Hollywood tätigen Kreis exilierter Filmschaffender und verschaffte Ulmer auf diesem
Wege jenes Projekt, das später als MURDER IS MY BEAT
bekannt werden sollte. Auch er lässt in seiner Regiearbeit
in erster Linie die Bilder sprechen und kreiert eine Atmosphäre, die stärker als jede komplexe Handlung Unbehagen,
Unschlüssigkeit und eine ständige Reflexion der für wahr
gehaltenen Ereignisse bewirkt.
27
Jörg Piringer (A) MNASIR
Oleksandra Stehlik (A) WIEN SURREAL
Sigrun Höllrigl/George Chkheidze (A) A MAN AND A WOMAN
Jörg Zemmler
© Jörg Zemmler Soundpoetry
DAS ART VISUALS &
POETRY FILMFESTIVAL
Eröffnet wird am Samstag um 17:30 mit KAFKA GEHT INS
KINO (2002) und neu restaurierten Filmen, die Franz Kafka
gesehen und über die er geschrieben hat. Das Stummfilmscreening wird von Gerhard Gruber live am Piano begleitet
und ist eine Kooperation mit dem Filmarchiv Austria.
Weiter im Programm geht es um 19:00 mit einer KafkaPerformance von Charlotte Spitzer und dem Tänzer Ziga
Jereb sowie weiteren Kafka-Poesiefilmen. Der internatio­
nale Eröffnungsfilm THE AEGEAN OR THE ANUS OF DEATH
ist dem Flüchtlingsthema gewidmet und wurde bereits
mehrfach international ausgezeichnet.
SOUNDPOETRY UND SCHNELLE SCHNITTE
Im darauffolgenden Wettbewerbsprogramm messen sich
bekannte heimische Medienkünstler wie Jörg Piringer
oder GRAF+ZYX mit Filmemachern aus Deutschland. Der
Abendschließt mit der elektroakustischen Textperformance
»papierfliegerluft« des Musikers und Schriftstellers Jörg
Zemmler. Der zweite Festivaltag steht im Zeichen der
Wettbewerbsprogramme. Der englische KuratorMalcolm
Pope spricht am Nachmittag um 16 Uhr über neue Wege
der Kurzfilmvermarktung. Im Rahmenprogramm feiert
der Poetry Film A MAN AND A WOMAN (2015) von Sigrun
Höllrigl und GeorgeChkheidze Kinopremiere. Das darauffolgende Wettbewerbsprogramm um 19:00 ist den narrativen
Textfilmen gewidmet. Die dritte Filmschau steht wiederum
ganz im Zeichen von Media Arts mit handgezeichneten Animationen und schnellen Schnitten. Anschließend wird der
Siegerfilmbekanntgegeben, der von einer unabhängigen
siebenköpfigen Jury ausgewählt werden wird.
138 FILME AUS DREI LÄNDERN:
DER POETRY FILMWETTBEWERB
Im Gegensatz zu 2014 wurde der Wettbewerb 2015 im
gesamten deutschsprachigen Raumausgeschrieben. 138
Poetry- oder Textfilme aus Österreich (36), Deutschland
(98) und der Schweiz (vier) sind eingegangen. Die Frei­
räume zwischen Text, Film und Sound wurden dabei von
den Künstlerinnenund Künstlern vielfältigst ausgelotet.
DER POETRY FILM – DEFINITION UND
STANDORTBESTIMMUNG
Der Poetry Film ist fast so alt wie der Film selbst. Die Anfänge liegen in den 1920er-Jahren. Einen großen Aufschwung
erlebte das Genre mit der Digitalisierung vor allem im angloamerikanischen Raum. In Deutschland gilt die Literaturwerkstätte Berlin mit dem weltweit größten Poetry-Filmfestival
als Vorreiter und wichtiger Bezugspunkte der Szene. Darüber hinaus existieren Poesiefilmfestivals in Athen, Rom, Oslo,
Worcester (USA), Buenos Aires, Cork, Vancouver, sowie Veranstaltungsreihen in England und Indien. Das Genre des Poetry Films bewegt sich zwischen Medienkunst, Experiment,
Animation sowie klassischen narrativen oder dokumentarischen filmischen Verfahrensweisen. Der englische Fotograf
und Filmemacher Alistair Cook definierte den Poetry Film als
»unverwechselbar verschlungene Einheit, als Verschmelzung
und Verknüpfung von Wörtern, Sound und einer Vision. Es
ist ein Versuch, ein Gedicht zu verwenden und es durch ein
Medium so darzustellen, dass ein neues Kunstwerk daraus
entsteht, unabhängig vom Ursprungsgedicht.« Das Wiener
Festival ist offen für ganz unterschiedliche literarische Ansätze und verwendet den Ausdruck Poetry Film oft synonym
mit dem Begriff Textfilm.
ART VISUALS & POETRY FILMFESTIVAL,
5. UND 6. DEZEMBER 2015
METRO KINOKULTURHAUS
KINO.MAGAZIN DAS ART VISUALS & POETRY FILMFESTIVAL
D
as Art Visuals & Poetry Filmfestival gilt in der Szene
als Geheimtipp für innovative Kunsterlebnisse. Die
Veranstaltung wird von Sigrun Höllrigl und Hubert
Sielecki geleitet und ist Österreichs erstes und einziges Poetry Filmfestival, das sich jedes Jahr neu erfindet. Die beiden
Festivaltage am 5. und 6. Dezember bieten auch heuer wieder ein spannendes Programm rund um die Visualisierung
von Literatur. Bei der Kuratierung wurde viel Wert auf einen
Schwerpunkt in deutscher Sprache gelegt. Gezeigt werden
insgesamt 37 Textfilme aus vier Ländern.
29
Besucher im Kaiserpanorama, um 1913
Besucher im Kaiserpanorama in der Ausstellung KINOMAGIE, METRO Kinokulturhaus, Oktober 2015
WELTBILDER UND
BILDERWELTEN
KAISERPANORAMA IN WIEN
DORIS KIENINGER
Das Kaiser- oder Weltpanorama, an das sich der Schriftsteller Joseph Roth hier zurückerinnert, hatte die Anmutung
einer Zeitmaschine, die, scheinbar von innerem Leben
beseelt, ihn an jenem Dezembertag ins sommerliche, exotisch ferne Vietnam versetzte. Roths Erlebnis datiert aus
der Zeit der Jahrhundertwende, als diese »optischen Reiseinstitute« in vielen Städten als selbstverständliche und
regelmäßig besuchte Einrichtung galten. Ein großer runder
Holzguckkasten war es, der im wöchentlichen Wechsel die
Begutachtung räumlich-plastischer Reisebilder offerierte.
Kolorierte Stereofotografien auf Glas, die durch die Okulare
des Guckkastens einen dreidimensionalen Effekt erzeugten,
illusionierten das Publikum mit thematisch geordneten Bilderzyklen in nahe und ferne Weltgegenden, transportierten
»Die Gucklöcher an
dem Kasten leuchteten
wie Katzenaugen in
der Finsternis.«
aber auch, Film und Fernsehen vorwegnehmend, aktuelle
Informationen aus den diversen Bereichen des öffentlichen
Geschehens. Charakteristisch am Medium Kaiserpanorama
war die Art der Rezeption: Rund um den Apparat konnten
bis zu 25 Personen Platz nehmen, wobei fünfzig Ansichten
in automatisierter Folge vor die Optiken gelangten.
Meist gehörten die Panoramageschäfte zum Filialnetz von
August Fuhrmann (1844–1925), der ab den 1880er-Jahren
von Berlin aus die Verbreitung dieser Schaustellung vorantrieb und es bis 1910 auf rund 250 Filialen in Österreich,
Deutschland und weiteren Ländern brachte.2 Fuhrmann war
jedoch nicht der »Erfinder« dieser Schaumaschine, denn
der Ursprung des Betrachtungsgerätes reicht bis in die
Frühzeit der Stereofotografie zurück. Sir David Brewster
(1781–1868), maßgeblich an der Entwicklung und Einführung der Stereoskopie beteiligt, beschrieb bereits 1856
KINO.MAGAZIN WELTBILDER UND BILDERWELTEN
»A
m Nachmittag um drei Uhr, die Dämmerung
lauerte schon an den Fenstern, brachen wir auf
zum Weltpanorama. Es lag in einer stillen, kleinen Gasse und sah von außen einem gewöhnlichen Laden
ähnlich. Über der Glastür hing eine rot-weiße Fahne. Öffnete man die Tür, so erklang eine Glocke wie ein Gruß. Am
Eingang saß eine Dame wie eine grauhaarige Königin und
verkaufte Eintrittskarten. Drinnen war es dunkel, warm und
sehr still. Sobald sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt
hatten, erblickten sie einen Kasten, hoch wie der halbe
Raum, mit Gucklöchern in Manneshöhe die ganze Rundung
entlang, in Abstand von etwa je zwanzig Zentimeter. Die
Gucklöcher an dem Kasten leuchteten wie Katzenaugen in
der Finsternis. Man ahnte, dass der Kasten innen hohl und
beleuchtet war. Unten stahl sich aus seinem Inneren ein
schwacher, geheimnisvoller Schimmer und verschwamm
auf dem Fussboden. Vor jedem Guckloch-Paar stand ein
runder Klaviersessel. »Setzen«, sagte der Herr Lehrer, es
klang wie in der Klasse, aber in der Finsternis war es kein
Befehl, sondern nur eine Art milder Einladung. Wir rückten
mit den Stühlen, ich saß, weil ich zu klein war, nicht ganz,
sondern hatte den runden Sessel gleichsam halb gelüftet
und presste meine Nase gegen die Wand des Kastens, meine Augen gegen die Gucklöcher, die von Metall umrahmt
waren. Drinnen erschienen Bilder von Cochinchina.1 «
31
wie die Präsenz fesselnder Gletscherformationen. Bis zur
Jahrhundertwende, zuletzt 1896 in Znaim nachweisbar,
reiste Polanecky mit dem monumentalen Guckkasten und
firmierte in der Schaustellerzeitung Komet als »Gründer
der Kaiserpanoramen«.4
KINO.MAGAZIN WELTBILDER UND BILDERWELTEN
August Fuhrmann als Reporter für das Kaiserpanorama, um 1900
32
ein Polygon, an dessen Seiten 20 Personen durch ein Stereoskop blicken konnten.3 Zuerst waren es oft ambulante
Schausteller, die die verblüffenden Erfindungen der Technik
und der visuellen Apparaturen – man denke etwa an den
Phonographen, das Mikroskop, Teleskop, Stereoskop, Automaten, Projektionen mit der Laterna magica und nicht
zuletzt das Kino – transportierten, nicht nur real von einer
Vorführstätte zur nächsten, sondern auch als Mittler zwischen Wissenschaft und Publikum.
Der Pionier des Kaiserpanoramas war dabei der aus Böhmen stammende Alois Polanecky (1826–1911), der zuvor mit
Mikroskopen und einfachen Stereobetrachtern durch die
Lande tourte und ab 1866 mit seinem großen, aus Frankreich stammenden »Glas-Stereogramm-Salon« in den Ländern der Monarchie und in Deutschland unterwegs war. Die
neue plastische Seh-Erfahrung, die Möglichkeit, auf bequeme Weise die dargestellten Gegenden mittels der stereoskopischen Optik zu erkunden, sie mit den Augen vom Vorder- in den Hintergrund und wieder zurück zu durchwandern, entsprach einer ersten touristischen Vereinnahmung
der Welt durch den Betrachter. Faszinierende Momentbilder
aus dem Pariser Straßenleben zogen genauso in den Bann
August Fuhrmann erkannte das Potenzial und professionalisierte den Einsatz der Schaumaschine. Fest installierte
Panoramafilialen, in einem Art Franchise-System mit Berlin
verbunden, machten den Auftritt der Wanderpanoramisten
zunehmend obsolet. Dazu kam, dass die Filialen ihr Bildmaterial leihweise bezogen und ihr Programm laufend – im
Wochenrhythmus – wechseln konnten. Die von Fuhrmann
eingeführte Ringleihe, d. h. die Bilder zirkulierten zwischen
den Abnehmern, sollte zur modellhaften Distributionsform
im Medienbereich avancieren – so spiegelt sich diese Entwicklung auch im Übergang vom Wanderkino zum festen
Kinotheater samt Filmverleihsystem wider. Reisende Schausteller hingegen agierten autark und mussten die Auslagen
für die angekauften Bilder durch möglichst lange Nutzung
einspielen, eine laufende Aktualisierung des Bestandes war
nicht möglich. Fuhrmanns Angebot hingegen war breit gefächert, sein Katalog von 1915 offeriert 992 Serientitel. Den
Schwerpunkt bildeten die Reise- und Landschaftszyklen
aus Europa und aus anderen Erdteilen. Daneben erregten
aber auch »Aktualitäten« die Schaulust der Besucher: Expeditionen, Katastrophen, Krieg, Politik und (Welt)Ausstellungen. 1923 gab August Fuhrmann sein Unternehmen auf,
die Weltpanorama AG führte die Agenden bis zur endgültigen Schließung der Zentrale im April 1939.5
KAISERPANORAMA IN WIEN
Am 19. Juli 1885 eröffnete in Wien die erste Panoramafiliale
der Monarchie, das »Panorama International«, am Kolowratring Nr. 7.6 Das als »Sehenswürdigkeit für Gebildete
aller Stände« beworbene Panorama erfreute sich eines
regen Besuches, bis 10 Uhr abends hielt der Besitzer das
Lokal geöffnet. Bis 1892 ist Hermann Arlet als Inhaber des
Unternehmens nachzuweisen, daneben reiste er mit einem
Zweitgerät durch Böhmen, Mähren und Niederösterreich.7
1896 erwarb er einen der ersten Kinematographenapparate
aus der Produktion von Oskar Messter in Berlin, zuzüglich
einem »colorirten Bild« mit zwei Tänzerinnen.8
Im Frühjahr 1887 offerierte in Wien ein weiteres Panoramainstitut seine Dienste, diesmal aber nicht als Fuhrmann-Filiale, sondern als »echte« Schaustellung: Louis Veltées Panoptikum bewarb das »Internationale Panorama« mit einem
Fundus von mehreren hundert Ansichten, das nun neben
den Wachsfiguren und mechanischen Ausstattungsgruppen
in dem neu eröffneten Lokal am Kohlmarkt Nr. 10 (später
Nr. 5) zu besichtigen war.9 Veltée hatte eine gewisse Affinität zur Fotografie, denn schon 1866 präsentierte er am
KINO.MAGAZIN WELTBILDER UND BILDERWELTEN
Werbeplakat der Gebrüder Kitz, um 1890/1900
33
Ostasien und Japan. Nikko: Schneiderinnen bei der Arbeit. Stereofotografie um 1900
Algerien. Bazar in Algier. Stereofotografie um 1900
NIEDERGANG EINES MEDIUMS:
KONKURRENZIERUNG DURCH DAS KINO
Dass es nun keine weiteren Panoramabetriebe in Wien
mehr gab, war kein Zufall. Denn der Niedergang des Mediums hatte schon eingesetzt. Anfangs schleichend und
unmerklich, später immer deutlicher bekamen die Panoramabesitzer die Konkurrenz der Kinos zu spüren, nahm die
Besucherzahl ab, bis nur mehr Stammkunden und Schulklassen das mittlerweile antiquiert wirkende Institut aufsuchten. Im Vergleich zu den »lebenden« Bildern des Kinematographen erstarrten die stereoskopischen Ansichten zu
leblosen Attrappen der Realität. Und so setzte der Schriftsteller Max Brod bereits 1913 zur nostalgischen Grabrede
für das »vom gesunden Hauch der Neuzeit« angekränkelte
Kaiserpanorama an: »Hat niemand mehr Lust mit mir ins
Panorama zu gehen?«, fragt er und kommt zum Schluss:
»Armes Panorama, Vergnügung unserer Großeltern, Überbleibsel der Biedermeierzeit: jetzt erregt unsere Nerven der
Kinematograph. Wir wollen beflimmert sein, förmlich von
wechselnden Augen aus kreidiger Leinwand heraus angeschaut, nicht selbst ruhig und sanft durch zwei Gucklöcher
in eine schwarze Kiste blicken.«16 Max Brods Freund Franz
Kafka, ein leidenschaftlicher Kinogänger, schätzte wiederum eben diese Ruhe des Blicks. Er fühlte sich der stereos-
kopischen Apparatur verbunden und konstatierte 1911 nach
einem Besuch des Kaiserpanoramas im nordböhmischen
Friedland: »Die Bilder lebendiger als im Kinematographen,
weil sie dem Blick die Ruhe der Wirklichkeit lassen.
Der Kinematograph gibt dem Angeschauten die Unruhe
ihrer Bewegung, die Ruhe des Blickes erscheint wichtiger.«17
Kafkas Wunsch nach einer idealen Wahrnehmungsinstalla­
tion, der »Vereinigung von Kinema und Stereoskop«, die
die Sinneserfahrung optimieren sollte, blieb eine Vision.
Unter Schaustellern galt das Geschäft mit dem Kaiserpa-
»Die Bilder lebendiger als
im Kinematographen, weil
sie dem Blick die Ruhe der
Wirklichkeit lassen.«
FRANZ KAFKA
norama schon bald nach der Jahrhundertwende als nicht
mehr lukrativ. Denn als 1911 ein potenzieller Panoramabetreiber sich an die Lesergemeinde der Fachzeitschrift Der
Photograph mit der Frage wandte, ob ein neu zu errichtendes Kaiserpanorama in einem Ort mit 10.000 Einwohnern
lebensfähig wäre, wenn schon ein Kinotheater am Platz
etabliert sei, waren die Antworten eindeutig. »Wenn Ihnen
Ihr Geld lieb ist, dann lassen Sie die Finger davon«, rät
einer aus eigener Erfahrung. »Kaiserpanoramas haben
sich überlebt. Wer einmal in einem Kinematographen war,
geht in kein Kaiserpanorama mehr.« – »Hände weg vom
Kaiserpanorama!«, warnt ein anderer.18
In den 1920er-Jahren verschärfte sich die existenzielle
Situation der Panoramabetriebe. Nahezu jeder größere Ort
wurde mittlerweile von einem lokalen Kinotheater bespielt,
die Filmprogramme hatten an Länge, Qualität und Akzeptanz gewonnen. Daneben rotierten im Panorama immer
noch die schon in allen Variationen gesehenen Bilderzyklen. Die Zentrale lieferte kaum mehr neue Serien für den
Verleih und die wiederholt programmierten, längst veralteten Aufnahmen vom Ersten Weltkrieg und von der Kaiserzeit ließen jeden Gegenwartsbezug vermissen; die Zeit der
Monarchie hatte im Panorama ihr behagliches Refugium
gefunden. Die Kinematographie hingegen war zum adäquaten Bildmedium der Moderne avanciert.
Die Schließung der Berliner Zentrale 1939 und damit die
Einstellung der Bilderleihe bedeutete schließlich das endgültige Aus für die meisten noch bestehenden Filialen.
Nur einige wenige überdauerten diese Zäsur, in Österreich
waren es die Panoramen in Wien, Graz und Wels. Mit Hilfe
KINO.MAGAZIN WELTBILDER UND BILDERWELTEN
Kärntnerring eine 500 Aufnahmen umfassende »optischfotografische Ausstellung« in besonderen Geräten, den
»Alettoskopen«.10 1888 bediente ein drittes Panorama auf
der Praterstraße Nr. 15 das Wiener Publikum mit den dreidimensionalen Bildern. Auch dieser Besitzer war ein Schausteller, er unterhielt im Prater eine Sternwarte, die vor dem
Restaurant »Eisvogel« einen Blick auf Mond, Mars und
Saturn versprach.11 Ab 1892 begann das Medium in Wien zu
boomen, verschiedene Panoramabetriebe erschienen und
verschwanden wieder. Zuweilen war das Bilderkarussell in
größere Schaustellergeschäfte integriert. Veltées Panoptikum am Kohlmarkt behielt das Panorama bis zuletzt im
Angebot, 1893 bewarb das Keroplastikon, ebenfalls eine Art
Panoptikum, auf der Mariahilferstraße ein »Pariser WeltPanorama«.12 Auf den Einzug des Kinematographen nahm
das Geographische Weltpanorama in der Josefstädterstraße Bezug und präsentierte 1897 als zusätzliche Attraktion
bewegte Bilder mittels Edisons Chronophotographen.13
1899 war auch im Dreher-Park von Johann Weigl, einer
Restauration mit Musik und diversen Vergnügungen in der
Schönbrunnerstraße, ein Kaiserpanorama aufgestellt.14 In
unmittelbarer Nähe zu Veltées Panoptikum eröffnete Emil
Gottlieb am Kohlmarkt Nr. 10 das Homes-Fey-Theater, und
auch hier hielt ca. 1902 ein Weltpanorama Einzug.15 Ab
1920 lässt sich im Adressbuch nur noch ein einziges
Panorama, das gleichzeitig das erste, 1885 gegründete,
war, nachweisen: Das Weltpanorama am Stubenring Nr. 12.
35
KINO.PROGRAMM AUS FLEISCH UND BLUT
Alois Beer: S. M. Kaiser Franz Josef eröffnet die Jubiläums-Ausstellung
Stereofotografie, Klagenfurt/Wien 1898
Programm Wien. Strassen, Plätze, Praterleben, um 1898
Bombardements beschädigten kurz vor Ende des Zweiten
Weltkriegs das Gebäude am Stubenring 12 schwer. Nach
kurzer Renovierungspause konnte das hölzerne Bilderkarussell seinen Betrieb wieder aufnehmen.20 Die Besucherfrequenz in den verbliebenen Panoramalokalen hatte sich
nach den großen Absetzbewegungen der 1930er-Jahre
mittlerweile konsolidiert. In Graz etwa wurden für das Jahr
1947 wochentags rund 100 Besucher gezählt, am Wochenende die doppelte Anzahl.21 Die Menschen kamen gerne in
diese altvertrauten Reiseinstitute, verabschiedeten sich
für eine halbe Stunde vom tristen Alltag und ließen sich
in die pastellfarbigen, heilen Gefilde der scheinbar zeitlosen Panoramalandschaften versetzen. Nach dem Tod von
Hedwig Bevk-Wollner 1953 ging es dann mit den drei Unternehmen schnell bergab. Als Erstes schloss 1954 das Welser
Panorama,22 mit Jahresanfang 1955 die zuletzt vom Bruder
der Verstorbenen geleitete Wiener Institution,23 und als
alle Bilderströme versiegt waren, musste letztlich auch das
Grazer Panorama International in der Jungferngasse 2 den
Betrieb aufgeben.24
POSTSCRIPTUM
1952 wurde das Wiener Panorama auf dem Filmzelluloid
verewigt. Der von der Schönbrunn-Film mit Transglobe-Film
New York koproduzierte Film ABENTEUER IN WIEN (nach
einer Vorlage von Alexander Lernet-Holenias Roman Ich
war Jack Mortimer) siedelt die Schlüsselszene des Films,
die Enthüllung der wahren Identität des unschuldig gejagten Helden (gespielt von Gustav Fröhlich) in der dämmerigen Atmosphäre des Panoramalokals am Stubenring an. So
wurde diese bereits längst anachronistische Schaustellung
von der Mediengeschichte endgültig eingeholt und musealisiert, von seinem ehemals größten Konkurrenten um die
Gunst des Publikums in Besitz genommen. Der Holzguckkasten, Medium der gebannten »Augen-Blicke« aus aller
Welt, wurde nun selbst zum bildwürdigen Motiv, zum nostalgischen Schauobjekt der Vergangenheit, für alle Zeiten
festgehalten auf Filmkader, die auf der Kinoleinwand die
alte Bildermaschine noch einmal in Bewegung versetzen.
Wer hätte gedacht, dass es gerade der Film sein würde,
dem das Panorama die Rettung vor der endgültigen Vergessenheit verdanken würde?
oseph Roth, »Weihnachten in Cochinchina«, in: Prager Tagblatt,
J
18.12.1929, zit. nach: Klaus Westermann (Hg.), Joseph Roth.
Werke 3. Das journalistische Werk 1929–1939, Köln 1991, S. 144.
2 V
gl. Doris Rauschgatt, Kaiserpanorama. Die Institutionalisierung
massenmedialer Produktion und Rezeption stereoskopischer Fotografien im 19. Jahrhundert, Diplomarbeit, Wien 1994.
3 D
avid Brewster, Das Stereoskop, seine Geschichte, Theorie und
Construction, Weimar 1862.
4 Z
ur Tätigkeit von Alois Polanecky vgl. Doris Rauschgatt, »Alois
Polanecky (1826–1911). Der Pionier des Kaiserpanoramas und
sein ›Glas-Stereogramm-Salon‹«, in: Fotogeschichte. Beiträge
zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Heft 72, 1999,
S. 15–28.
5 V
gl. Doris Rauschgatt, Kaiserpanorama. Die Institutionalisierung
massenmedialer Produktion und Rezeption stereoskopischer
Fotografien im 19. Jahrhundert, Diplomarbeit, Wien 1994.
6 Wiener Zeitung, Nr.163, 19.7.1885, S. 9.
7 D
ie ambulante Tätigkeit belegt etwa die Produktionslizenz für
1891 (NÖ Statth.Z.1154 ex 1891).
8 V
gl. das Geschäftsbuch aus dem Messter-Nachlass im Bundesarchiv Koblenz, Bestand N 1275, Sign.191, S. 386: Arlet war der
dritte Käufer eines Apparates, Kaufpreis 2000 Mark.
9 Fremdenblatt, Nr. 144, 26.5.1887, S. 19.
10 Ebd., Nr. 5, 6.1.1866, 2. Beilage.
11 Illustriertes Wiener Extrablatt, Nr. 112, 22.4.1888, S. 26.
12 Fremdenblatt, Nr. 264, 24.9.1893, S. 44.
13 Ebd., Nr. 80, 21.3.1897, S. 45.
14 Ebd., Nr. 29, 29.1.1899, S. 34.
15 Ebd., Nr. 53, 23.2.1902, S. 56.
gl. Max Brod, Über die Schönheit hässlicher Bilder, Wien/
16 V
Hamburg 1967 (Erstdruck 1913), S. 64–65.
17 V
gl. Hanns Zischler, Kafka geht ins Kino, Reinbek b. Hamburg
1998, S. 39–40.
18 Vgl. Der Photograph, Nr. 93, 1911, S. 372 und Nr. 95, 1911, S. 380.
ie Hinweise auf die Bildserien von Hedwig Bevk-Wollner und
19 D
Rudolf Maier finden sich in der Steyrer Zeitung, die diese Serien
immer explizit ankündigte.
Osterreise um 40 Groschen«, in: Das kleine Volksblatt, 6.4.1947,
20 »
S. 10.
Für 60 Groschen nach Portugal«, in: Das Steirerblatt, 11.12.1947,
21 »
S. 3.
22 »
Abschied vom alten Panorama«, in: Linzer Tagespost (Morgenblatt), 21.9.1954, S. 4.
Es war einmal ein Weltpanorama«, in: Wiener Zeitung, Nr. 10,
23 »
14.1.1955, S. 4.
So etwas gibt es nur noch in Graz«, in: Südost-Tagespost,
24 »
12.3.1955, S. 6 und »Weltreisen um einen Schilling. Guckkastens
letzte Fahrt ging zum Tischler/ Ein Stück Alt-Graz verschwand«,
in: Kleine Zeitung, Nr. 88, 14.4.1957, S. 11.
1
AUSSTELLUNG KINOMAGIE Was geschah wirklich zwischen
den Bildern? 6.10.2015 – 30.3.2016 | Öffnungszeiten: MO – FR
14:00 – 21:00 | SA, SO, Feiertage 11:00 – 21:00
Zur Ausstellung ist ein reichhaltig illustrierter Katalog mit
16 internationalen Beiträgen erschienen, herausgegeben von
Werner Nekes und Ernst Kieninger.
KINO.MAGAZIN WELTBILDER UND BILDERWELTEN
anderer Leihsysteme aus Polen oder der Tschechoslowakei
bzw. durch den Ankauf von Bilderkontingenten konnte der
Betrieb aufrechterhalten werden. Für die Bildversorgung
der drei österreichischen Panoramen zeichnete vor allem
die Wiener Besitzerin Hedwig Bevk-Wollner verantwortlich.
Schon seit den 1920er-Jahren produzierte die akademische
Malerin etliche Stereobildserien für die Weltpanorama AG,
sie fotografierte in Sizilien, Norwegen, Dänemark, Schweden, Bosnien, Dalmatien etc. 1932 schiffte sich die Wienerin
nach Amerika ein und lieferte fünf »Prachtserien« ab, alle
Aufnahmen kolorierte sie auch selbst. Der Welser Panoramabesitzer Rudolf Maier war ebenfalls als Stereofotograf
aktiv und steuerte Bilder aus Österreich und Deutschland,
aber auch die Industriereportage »Die weltberühmten
Steyr-Auto-Werke« (1928) bei.19
37
KINO.PROGRAMM AUS FLEISCH UND BLUT
R
P
.
O
IN
K
38
LE PROCÈS
KINO.PROGRAMM AUS FLEISCH UND BLUT
O
R
M
M
A
R
G
39
KAFKA GEHT INS KINO
FILMSCHAU
KINO.PROGRAMM AUS FLEISCH UND BLUT
7.12.2015 – 17.1.2016
40
BYT S. 50
DU BIST MEIN MENSCHENGERICHT S. 44
ENTSCHLÜSSE S. 50
FAHRGAST S. 51
GELIEBTE MILENA S. 48
GROSSER LÄRM S. 51
HEIMKEHR S. 50
ICH STELLE MICH NOCH EINMAL VOR S. 47
K S. 44
KAFKA S. 43
KAFKA GEHT INS KINO S. 49
KAFKAS DER BAU S. 51
KAFKAS TRAUM S. 50
K.AF.KA FRAGMENT S. 43
KLASSENVERHÄLTNISSE S. 46
KURZFILME ZUR ERZÄHLUNG DIE VERWANDLUNG S. 45
LICENSED LIBERTY, A S. 49
MENSCHENKÖRPER S. 50
PFERDEKOPF S. 51
PROZESS, DER (1962) S. 42
PROZESS, DER (1993) S. 50
SCHLOSS, DAS (1968) S. 48
SCHLOSS, DAS (1997) S. 46
VERWANDLUNG, DIE S. 49
VOYAGE EN ITALIE, UN S. 50
WAS KAFKA IM KINO SAH S. 41
WER WAR KAFKA? S. 47
WELT DES HERRN K., DIE S. 47
G
N
NU
E
MO 7.12., 19:30 | SO 13.12., 20:30
WAS KAFKA IM KINO SAH
NICK WINTER ET LE VOL DE LA JOCONDE /
NICK WINTER UND DER DIEBSTAHL DER MONA LISA
Paul Garbagni, F 1911
MIT George Vinter | LÄNGE 8 min [18 B/sek] | FORMAT s/w, DCP
DEN HVIDE SLAVEHANDELS SIDSTE OFFER /
DIE WEISSE SKLAVIN 2
August Blom, DK 1911
BUCH Peter Christensen | KAMERA Axel Graatkjær | MIT Clara Wieth, Lauritz Olsen, Thora
Meincke, Otto Lagoni | LÄNGE 47 min | FORMAT s/w, engl. ZT, 35mm
LA BROYEUSE DE COEURS /
DIE HERZENSBRECHERIN
Camille de Morlhon, F 1913
BUCH Camille de Morlhon | MIT Pierre Magnier, Lopez, Léontine Massart, Jeanne Brindeau,
Camille Lincenet, Jean Jacquinet, Louis-Claude Basseuil | LÄNGE 47 min | FORMAT s/w,
frz. ZT, DCP
MIT LIVE-VERTONUNG VON GERHARD GRUBER
In diesem Programm kann man sich anhand einer Detektivgeschichte mit der populären Figur des Nick Winter, eines
Gesellschaftsdramas mit rasanten Verfolgungsjagden und
eines visuell beeindruckenden Melodrams auf die Spuren
von Franz Kafka begeben: der Besuch aller drei Filme wurde
in seinen Tagebüchern notiert. Natürlich wird die Wirkung
von hundert Jahre alten Stummfilmen auf heutige Zuschauer kaum die gleiche sein wie damals, als das gerade
erst geborene Medium Kino die Massen noch in ungläubiges
Staunen versetzte und emotionale Ausbrüche im Kinosaal
eher die Regel als die Ausnahme waren. Und doch sind die
Themen (Mädchenhandel, eine Dreiecksliebesgeschichte)
noch immer aktuell, auch von der filmtechnischen Ausdrucksweise her haben diese frühen Kolportagefilme schon
einiges zu bieten.
Das Lebens- und Filmtempo damals war zweifelsohne ungleich langsamer als heute, aber die Gier des Publikums
nach dem Kick des Spektakels ist die gleiche geblieben, obwohl danach jetzt und einst die Leere folgt, wie schon Kafka
nach dem Kinobesuch notierte: »Bin ganz leer und sinnlos,
die vorüberfahrende Elektrische hat mehr lebendigen
Sinn.« (Günter Pscheider)
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
F
F
RÖ
41
DI 8.12., 21:00 | SA 12.12., 18:30 | SO 10.1., 20:00 | SO 17.1., 18:00
LE PROCÈS / IL PROCESSO /
DER PROZESS
Orson Welles, F/I/BRD 1962
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
BUCH Orson Welles, Pierre Cholot, nach dem gleichnamigen Roman von Franz Kafka |
KAMERA Edmond Richard | MUSIK Jean Ledrut | SCHNITT Fritz H. Mueller | MIT Anthony
Perkins, Romy Schneider, Jeanne Moreau, Orson Welles, Madeleine Robinson, Akim Tamirow |
LÄNGE 118 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
42
In expressionistischen, teils surrealen Schwarzweißbildern
mit nahezu schmerzenden Kontrasten erzählt Orson Welles
die Fabel vom aussichtslosen Kampf des Individuums gegen
ein übermächtiges und ignorantes System: Der kleine Angestellte Josef K. (Anthony Perkins) wird eines Morgens ohne
Angabe von Gründen unter Hausarrest gestellt. Während
eines aufreibenden Prozesses erklärt niemand, welcher Taten
er beschuldigt wird. Er ist in einem Albtraum gefangen, aus
dem es kein Erwachen gibt.
Was Orson Welles’ Film so interessant macht, ist die Tatsache, dass er einen zentralen Punkt des Romans von Kafka
und überhaupt von Kafkas Werk versinnbildlicht: das große
Misstrauen gegen die Möglichkeit einer rationalistischen
Erklärung der Welt. Der Meisterregisseur lässt weg, er erfindet hinzu, er arrangiert neu und kreiert so ein eigenstän­
diges Werk, das dem Geist Kafkas näherkommt als manch
spätere buchstabengetreue filmische Adaption. Klaustrophobisch und labyrinthisch ist dieser Film wie nur wenige
sonst, das macht seinen Horror aus und lässt den Zuschauer an K.s Schicksal, seiner existenziellen Verlassenheit,
Anteil nehmen. (Ulrich Behrens)
DI 8.12., 17:00 | MI 13.1., 21:00
DI 8.12., 19:00 | SA 2.1., 20:00
K.AF.KA FRAGMENT
KAFKA
Christian Frosch, D/A 2003
Steven Soderbergh, US/F 1991
»Die Faszination der Briefe von Kafka an Felice liegt weniger in dem voyeuristischen intimen Einblick in das Private,
das ein anderes Licht auf das Werk werfen könnte, sondern
darin, dass der Briefwechsel selbst ein literarisches Gebilde
darstellt, einen Steinbruch Kafkascher Motive und Versuchsanordnungen, in dem K. und F. selbst mehr und mehr
zu literarischen Figuren werden. Da ich den Briefverkehr
Kafkas als literarische Form begreife, genau wie etwa seine
Tagebücher, war es mir wichtig, aus K. und F. Figuren zu
machen, also weder in Aussehen, Zeit oder Milieu den überlieferten Bildern zu folgen, sondern die Geschichte sowohl
in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart anzusiedeln - in einer pur filmischen Zeit, wenn man so will.«
(Christian Frosch)
Abgründige Themen verlangen nach einer abgründigen
Umsetzung und so ist K.AF.KA FRAGMENT keine geradlinige
Erzählung der Geschichte zwischen Kafka und Felice, sondern eine assoziative Folge von bizarren Traumsequenzen.
Im Versuch einer Adaption der Arbeit Kafkas findet Frosch
zu überraschenden Bildern, zu Super-8-Abstraktionen und
schwankenden Doppelbelichtungen, zur atmosphärischen
Studie einer gepeinigten Figur.
BUCH Lem Dobbs | KAMERA Walt Lloyd | MUSIK Cliff Martinez | SCHNITT Steven Soderbergh |
MIT Jeremy Irons, Theresa Russell, Joel Grey, Alec Guinness, Jeroen Krabbé, Armin MuellerStahl | LÄNGE 98 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm
In Soderberghs Film verschmelzen der Dichter Kafka, die
Figuren aus seinen Büchern, ein Film Noir Plot und expressionistische Stummfilmästhetik zu einem organischen
Ganzen. Alle Film- und Literaturgeschichtlichen Anspielungen, Zitate, Verweise sind aber nicht die Wichtigtuerei eines
von Prag und Kafka Berauschten. Sie sind lediglich der
Spielplatz für ein Abenteuer, für eine Geschichte, die Kafka
hätte erfunden haben können. Denn dieser Film ist zunächst ein ganz simpler Krimi. Menschen verschwinden und
werden ermordet. Und Kafka, alles andere als ein Detektiv,
findet in unschuldiger Anteilnahme ein Terrorsystem, dessen Herren im Schloss sitzen, im Hradschin, der sich wie ein
ferner Gott über den Gassen erhebt. Soderberghs Collage
aus Historie, Realfiktion und Kafkas Personal dient dazu,
diesem Krimi eine Bühne zu verschaffen, wie sie artifizieller
wohl kaum ein Krimi je gehabt hat. Das Wunder dieses wunderlichen Films besteht darin, dass er wie eine Fortsetzung
von Kafkas Visionen wirkt, etwa der Strafkolonie. Eine Fortsetzung aber auch deshalb, weil Kafka, anders als K., wirklich ins Schloss gelangt. (Ulrich Greiner)
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
BUCH Kristina Konrad, Christian Frosch | KAMERA Johannes Hammel | MUSIK Voov |
MIT Ursula Ofner, Lars Rudolph | LÄNGE 86 min | FORMAT Farbe, eOF, 35mm
43
© ORF
MI 9.12., 18:30 | DI 5.1., 20:00
MI 9.12., 20:00 | SA 26.12., 20:00
DU BIST MEIN MENSCHENGERICHT. BRIEFE AN FELICE
VON FRANZ KAFKA
K
Zoltan S. Pataky, A 1976
Beinhart werkgetreue Verfilmung von Franz Kafkas Roman
Das Schloss. Angesiedelt in der Inneren Mongolei und reduktionistisch in der Form erlangt die Parabel vom Land­
vermesser, dessen Legitimation von der Bürokratie nicht
bestätigt wird und dessen gesamte Existenz dadurch in
Frage steht, die im Text immer schon angelegte Allgemeingültigkeit. Aus dieser Entfernung und in dieser Verdichtung
gesehen, meint »das Schloss« nicht lediglich den korrupten
chinesischen Politapparat, es meint die Conditio humana:
den Einzelnen, der sich in einer nicht mehr überschaubaren
hierarchischen Struktur abarbeitet, vergeblich.
BUCH Wolfgang H. Fleischer, Zoltan S. Pataky | KAMERA Walter Tschierk, Walter Hendl, Helmut
Sluka | SCHNITT Werner Vogel | MIT Vera Borek, Eugen Stark | LÄNGE 43 min | FORMAT Farbe,
dF, Digibeta
VORFILM
SAG ES MIR DIENSTAG
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
Astrid Ofner, A 2007
BUCH Astrid Ofner, nach einem Text von Franz Kafka | KAMERA Astrid Ofner | SCHNITT
Renate Maragh-Ablinger | MUSIK Anton von Webern | MIT Sylvie Rohrer (Sprecherin) |
LÄNGE 26 min | FORMAT s/w, Farbe, 35mm
44
Anfang Juli 1920 hält sich Franz Kafka für vier Tage in Wien
auf und verbringt den größten Teil seiner Zeit gemeinsam
mit Milena Jesenská. Das Davor und Danach ist in einer Folge von Briefen und Tagebuchaufzeichnungen dokumentiert,
die Tage selbst sind Kafkas und Milenas Geheimnis. Ein Geheimnis, für das die Filmemacherin Astrid Ofner eine Folge
von zugleich konkreten und frei assoziierten Bildern und Bewegungen komponiert, ein filmisches Vorbei jenseits von
Einfühlung und Illustration, strukturiert von den Texten Kafkas und der Musik Anton von Weberns. Wolfgang H. Fleischer hat aus den Briefen Kafkas diese Dialogmontage für
zwei Schauspieler zusammengestellt. Vera Borek und Eugen
Stark beweisen eindrucksvoll, wie sehr es beim Akt des
Schauspielens auch darum geht, den richtigen Ton zu treffen, um nicht nur einen Text sondern auch die Menschen dahinter zum Leben zu erwecken. »In jedem Zueinander- und
Voneinanderwegstreben Liebender ist etwas von dem KafkaFelice-Schicksal, das hier durch die beschwörende Kraft von
Kafkas Sprache, durch seine besondere Ungeduld und Trauer, vor allem durch sein künstlerisches Gewissen eine so ungeheure Steigerung erfährt.« (Marie Luise Kaschnitz)
Emyr ap Richard / Darhad Erdenibulag, CHN/HONGKONG 2015
BUCH Emyr ap Richard | KAMERA Matthieu Laclau | SCHNITT Matthieu Laclau | MIT Bayin, Jula,
Yirgui, Zandaraa, Nomindalai, Ariuna, Urinshaa | LÄNGE 88 min | FORMAT Farbe, OmeU, DCP
»Diese reduzierte, auf diskrete Weise drastische Adaption
von Kafkas Klassiker überträgt die bürokratische Willkür
auf ein räumliches Wirrwarr. Das Schloss ist nie zu sehen,
und doch stets präsent, wie ein vager Traum, eingehüllt in
ein diffuses Dämmerlicht.« (James Lattimer)
FR 11.12., 19:00 | DO 7.1., 20:00
KURZFILME ZUR ERZÄHLUNG
DIE VERWANDLUNG
THE METAMORPHOSIS OF MR. SAMSA
Caroline Leaf, US/GB 1978
BUCH Caroline Leaf, nach der Erzählung Die Verwandlung von Franz Kafka | ANIMATION
Caroline Leaf | TON Normand Roger | LÄNGE 10 min | FORMAT Farbe, OF, 16 mm
THE METAMORPHOSIS OF FRANZ KAFKA /
LA METAMORFOSIS DE FRANZ KAFKA
Carlos Atanes, E 1994
BUCH Gemma Delgado, Joan Lluró, nach der Erzählung Die Verwandlung von Franz Kafka |
SCHNITT Gemma Delgado, Michael Aloy Sudbury | MIT Antonio Vladimir, Manel Solás, Arantxa
Peña, José María Nunes | LÄNGE 30 min | FORMAT Farbe, span. OF, DCP
FRANZ KAFKA’S IT’S A WONDERFUL LIFE
Peter Capaldi, GB 1995
BUCH Peter Capaldi | KAMERA Simon Maggs | SCHNITT Nikki Clemens | MUSIK Philip
Appleby | MIT Richard E. Grant, Crispin Letts, Ken Stott, Phyllis Logan | LÄNGE 23 min |
FORMAT Farbe, OF, Digibeta
FRANZ KAFKA’S IT’S A WONDERFUL LIFE
Die Verwandlung ist nicht nur im Deutschunterricht die
beliebteste Einstiegsdroge in Kafkas Universum, auch für
mittellange Verfilmungen eignet sich die kurze Novelle
bestens.
In einem Trickfilm wie dem technisch bemerkenswerten, in
Sand gezeichneten THE METAMORPHOSIS OF MR. SAMSA
kann man das Insekt, in das sich der Handelsreisende Gregor Samsa eines Morgens verwandelt hat, natürlich ganz
nach seiner eigenen Vorstellung auf die Leinwand bringen.
Der spanische Regisseur Carlos Antanes hat es da in
seinem Realfilm THE METAMORPHOSIS OF FRANZ KAFKA
schon schwerer. Seine durchaus elegante Lösung besteht
darin, Gregor als halb Mensch, halb Insekt zu zeigen, was
stark an das frühe Stadium der Verwandlung von Jeff Goldblum in Cronenbergs DIE FLIEGE (1986) erinnert.
Sicherlich eine der originellsten und auch komischsten
Kafka-Bearbeitungen gelang Peter Capaldi mit dem Oscarprämierten FRANZ KAFKA’S IT’S A WONDERFUL LIFE, der
absurd, aber absolut stimmig die scheinbar völlig gegensätzlichen Welten von Franz Kafka und Frank Capra (auf die
Idee kam er durch eine Namensverwechslung seiner Frau)
in einem Werk vereint. (Günter Pscheider)
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
THE METAMORPHOSIS OF MR. SAMSA
45
FR 11.12., 20:30 | MO 28.12., 20:00
SA 12.12., 21:00 | SO 27.12., 20:00 | FR 15.1., 21:00
KLASSENVERHÄLTNISSE /
RAPPORT DE CLASSES
DAS SCHLOSS / LE CHÂTEAU
Jean-Marie Straub, Danièle Huillet, BRD/F 1984
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
BUCH Jean-Marie Straub, Danièle Huillet, nach dem Romanfragment Amerika oder
Der Verschollene von Franz Kafka | KAMERA William Lubtchansky | SCHNITT Jean-Marie
Straub, Danièle Huillet | MIT Mario Adorf, Christian Heinisch, Laura Betti, Kathrin Bold |
LÄNGE 127 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm
46
Straub betreibt im Kino das Schwerste, was es gibt, die Quadratur des Kreises. Er will vermitteln, dass es mit Filmen
nichts mehr zu vermitteln gibt. Als Kafka-Figur wäre Straub
ein Hungerkünstler, der sich nicht satt hungern kann. Mit
Kafkas frühestem Roman, dem »Verschollenen« (Brod
nannte das Fragment »Amerika«), hat Straub einen geradezu idealen Vorwurf gefunden. Denn obwohl Straub so tut,
als handele Der Verschollene von »Klassenverhältnissen«
(wovon er auch handelt), ist Kafkas Buch von dem anrührend zarten und erstaunlich unzerstörbaren Karl Roßmann,
den seine Eltern nach Amerika schicken, ein Roman von
den fehlschlagenden Vermittlungen und den falschen Vermittlern. Kafkas Amerika war der Traum eines Autors, der
nie in Amerika war, der nie Amerika beschreiben wollte,
sondern nur die größtmögliche Fremde. Straubs Film beschreibt ein befremdliches Deutschland, dessen Uhren
irgendwann stehengeblieben sind. Es ist ein Traumland,
eine Alptraumwelt, der Wirklichkeit ebenso nahe und entrückt wie Kafkas Roman. Kafka kann man nur finden, indem
man ihn (scheinbar) nicht sucht; Kafka kann man nur treffen, indem man ihn (scheinbar) verfehlt. (Hellmuth Karasek)
Michael Haneke, A/BRD/F 1997
BUCH Michael Haneke, nach dem Romanfragment Das Schloss von Franz Kafka | KAMERA
Jiri Stibr | SCHNITT Andreas Prochaska | MIT Ulrich Mühe, Susanne Lothar, Frank Giering,
Nikolaus Paryla, Dörte Lyssewski, Branko Samarovski, Otto Grünmandl, Paulus Manker,
Monica Bleibtreu | LÄNGE 123 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm
Schon der Vorspann dient Michael Haneke als ironische
Exposition – er wird über das Bild eines alten, abgerissenen
Fahrplans geblendet. An- und Fortkommen, das schwant
auch dem Kafka-unkundigen Zuschauer, werden eine vergebliche Anstrengung sein. Den Makel des Fremden, des
Überzähligen wird der Landvermesser K. (Ulrich Mühe) an
diesem Ort nie verlieren. Zusehends wird K. zu einem Irrgänger – ähnlich wie die Ortsansässigen, die teilnahmslos
durch die »hiesige Ordnung der Dinge« treiben, ohne dass
deren Regeln ihnen je durchschaubar wären.
Die Vergletscherung der Gefühle, die Michael Haneke in all
seinen Filmen der 90er-Jahre konstatiert, erschöpft sich
nicht allein in der verharschten, winterlichen Szenerie. Die
Chiffren der Entfremdung, die Kafkas Buchvorlage bietet,
übersetzt der Film in eine mulmige Konkretion. Auch wenn
Haneke diesmal von struktureller Gewalt erzählt, so greift
wiederum seine Erzählstrategie der verweigerten Psycho­
logie und der quälenden Aussparung der Motive. DAS
SCHLOSS ist keine Versuchsanordnung wie FUNNY GAMES,
in der Moral und Sehgewohnheiten miteinander kollidieren.
Doch Michael Hanekes Credo »Zuschauen muss eine Bedrohung sein« gilt auch in diesem Werk unvermindert. Kafka
weiß er dabei ganz auf seiner Seite. (Gerhard Midding)
DI 22.12., 21:00 | DI 12.1., 21:00
MI 23.12., 20:30 | MI 6.1., 20:00
ICH STELLE MICH NOCH EINMAL WER WAR KAFKA? /
VOR: ICH HEISSE FRANZ KAFKA QUI ÉTAIT KAFKA?
Karl Pridun, A 2004
BUCH Peter Zurek | KAMERA Hans Kraxner, Bernhard Pötscher | SCHNITT Sepp Nermuth|
MIT Christian Kainradl, Clemens Aap Lindenberg, Nora Schleicher-Holecek, Max Brod |
LÄNGE 60 min | FORMAT Farbe, dF, Digibeta
Richard Dindo, CH/F 2006
BUCH Richard und Sarah Dindo | KAMERA René Baumann | SCHNITT Anne Lacour, René
Zumbühl | MIT Ekkhard Alexander Wachholz, Michel Dodane, Carl Achleitner, Christian Gonon,
Ulrich Matthes, Sami Frey | LÄNGE 97 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm
DIE WELT DES HERRN K.
Karl Stanzl, A 1965
BUCH Gerhard Fritsch | KAMERA Gustav Peuker | MUSIK Paul Angerer | MIT Ernst Meister
(Sprecher) | LÄNGE 16 min | FORMAT sw, dF, 16mm
Im Haus seines Freundes Max Brod lernt Franz Kafka im
August 1912 dessen Verwandte Felice Bauer kennen, die ihn
tief beeindruckt. Eine Woche später verfasst er einen Brief
an die junge Dame: »Sehr geehrtes Fräulein! Für den leicht
möglichen Fall, dass Sie sich meiner auch im geringsten
nicht mehr erinnern können, stelle ich mich noch einmal
vor. Ich heiße Franz Kafka.« Allein im Verlauf des Jahres
1912 wird Kafka rund 100 Briefe nach Berlin abschicken.
Felices Antwortbriefe wirft er fünf Jahre später am Ende
einer nervenaufreibenden und zuweilen schmerzlichen
Beziehung ins Feuer.
Der Film über Kafkas literarisches und privates Leben
basiert auf seinen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen.
Die Amtlichen Schriften geben Einblick in das Berufsleben
Kafkas, der tagsüber Angestellter der »Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen« war und
nachts schrieb: Von »einem schrecklichen Doppelleben«
(Tagebuch 1911) ist die Rede und vom Irrsinn als einzigem
Ausweg. Neben den Briefen und Tagebuchaufzeichnungen
orientiert sich die Dokumentation an Reiner Stachs Bio­
grafie Kafka. Die Jahre der Entscheidungen.
Fremd auf dieser Welt. Seine Romangestalten sind stets
mit dem Entschlüsseln der Wirklichkeit beschäftigt: Wer
aber war Franz Kafka wirklich? Richard Dindo nähert sich
der Frage über Tagebucheinträge des Schriftstellers und
Aufzeichnungen seiner Zeitgenossen. Ein beklemmendes
Psychogramm eines einsamen und von Ängsten gequälten
Menschen. Ewiger Verlobter, Versicherungsangestellter,
Künstler: Kafkas Welt ist rätselhaft. Die Bildebene verschränkt Stadt- und Hausansichten aus dem gegenwärtigen
Prag mit inszenierten Selbstgesprächen und Berichten der
Weggefährten. Max Brod, Gustav Janouch, Max Pulver,
Milena Jesenská und Dora Diamant erinnern sich. Jeder
gesprochene Satz der Darsteller wurde von den Originalpersonen wirklich geschrieben. Nur bei Felice Bauer war das
nicht möglich, weil sie nie irgendetwas zu ihrer Beziehung
mit Kafka gesagt oder geschrieben hat, sodass der Schauspielerin Sätze aus Kafkas Briefen an Felice in den Mund
gelegt wurden. Die Musik, Maurice Ravels »Chanson hébraique«, ein Psalm, ein Lied, vorgetragen in der Spanischen
Synagoge in Prag – sie verweisen auf Kafkas Judentum.
(Dokumentarfilmfestival München)
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
VORFILM
47
DO 17.12., 19:00 | FR 1.1., 20:00 | MI 13.1., 19:00
DO 17.12., 20:45 | FR 25.12., 20:00 | SA 9.1., 20:00 | SO 17.1., 20:30
DAS SCHLOSS
MILENA / GELIEBTE MILENA /
THE LOVER
Rudolf Noelte, BRD 1968
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
BUCH Rudolf Noelte, nach dem gleichnamigen Romanfragment von Franz Kafka | KAMERA
Wolfgang Treu | BAUTEN Otto und Hertha Pischinger | MUSIK Herbert Trantow | MIT Maximilian Schell, Cordula Trantow, Helmut Qualtinger, Traudik Daniel, Else Ehser, Martha Wallner |
LÄNGE 88 min | FORMAT s/w, dF, 16mm
48
»Dick und mit vollem Magen, kann man den K. nicht spielen.« So speckte der damalige Hollywoodstar Maximilian
Schell 10 Kilo ab für sein Herzensprojekt, eine Verfilmung
von Kafkas Romanfragment Das Schloss. Bleich und stoppelbärtig, in einem alten Mantel, verbeulten Hosen und
klobigen Schuhen spielt Schell den Landvermesser K. im
Schnee der Steiermark, zu Füßen von Schloss Bertholdstein. Alptraumhafte Begebenheiten, sinistre Affären und
eine zwielichtige Bürokratie blockieren K. den Zugang zum
Schloss, seinem Arbeitgeber. Trotz unermüdlicher Anpassungsversuche bleibt er letztlich stets von allem – dem
Schloss wie der Gemeinde – ausgeschlossen, wird er nicht
als einer der Ihren akzeptiert. All seine Kommunikationsversuche, selbst zu der ihm zugetanen Kellnerin Frieda, laufen
letztlich ins Leere. Zermürbt und entkräftet legt er sich
schließlich zum Sterben nieder. »In deinem Eifer warst du
unermüdlich«, lobt ihn der Gemeindevorsteher. Schell versteht die beklemmende Parabel auch als »Psychogramm
einer Sehnsucht – ob nach Erlösung oder nach einem Bier,
steht zunächst dahin«. (Dieter Wenk)
Véra Belmont, F/D/US 1991
BUCH Caroline Link, Véra Belmont | KAMERA Dietrich Lohmann | MUSIK Jean-Marie Senia |
SCHNITT Yves Langlosi | MIT Valérie Kaprisky, Gudrun Langrebe, Stacy Keach, Nick Mancuso,
Yves Jacques | LÄNGE 139 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm
Véra Belmont (GERAUBTE KÜSSE) verfilmte bildgewaltig
die Lebens- und Liebesgeschichte der tschechischen Journalistin Milena Jesenská, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in Prager und Wiener Avantgarde-Kreisen bewegte
und vor allem durch ihre Beziehung zu Franz Kafka, dessen
Werke sie ins Tschechische übersetzte und mit dem sie einen umfangreichen Briefwechsel pflegte, berühmt wurde.
Aber die Begegnung mit Kafka war nur eine, wenn auch
bedeutende, Episode in ihrem erfüllten, kämpferischen
Leben, in dem sie über den Streik der Ruhrarbeiter 1923
berichtete, für eine marxistische Zeitung arbeitete und
sich später gegen den Aufstieg der Nazis wehrte. Sie starb
1944 im KZ Ravensbrück.
Véra Belmont schreibt an Jelena: »Ich wünschte mir, Sie
könnten diesen Film sehen, der Sie lebendig machen soll, so
wie der Brief einer Freundin, wie eine Herausforderung der
Zeit. Ich hoffe, dass Sie sich nicht verraten fühlen werden,
dass die Jugend, die Schönheit und die Empfindsamkeit von
Valérie Kaprisky wie ein Echo Ihrer eigenen Jugend, Schönheit und Sensibilität erscheinen mögen.«
DI 29.12., 20:00 | DO 14.1., 19:00
MI 30.12., 20:00 | FR 8.1., 20:00 | SA 16.1., 19:00
DIE VERWANDLUNG
KAFKA GEHT INS KINO /
KAFKA VA AU CINÉMA
BUCH Jan Němec, nach der gleichnamigen Erzählung von Franz Kafka | KAMERA Thomas
Mauch | MUSIK Eugen Illin | SCHNITT Horst Rossberger | MIT Heinz Bennent, Zdenka
Prohazková, Edwige Pierre, Achim Striezel | LÄNGE 55 min | FORMAT Farbe, dF, Digibeta
VORFILM
A LICENSED LIBERTY
Michael Kreihsl, A/US 1990
KAMERA Oliver Bockelberg | SCHNITT Rainer Standke | MIT Victor Competiello, Elżbieta
Czyżewska, Ulrich Reinthaler, Jessica Sager | LÄNGE 34 min | FORMAT s/w, OF, Digital
Eines Morgens wacht der Handlungsreisende Gregor Samsa
auf und hat sich in einen Riesenkäfer verwandelt. Er ist besorgt, dass er seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachkommen und sich und seine Familie nicht mehr ernähren
kann. Gregor versteht zwar, was die anderen sagen, kann
selbst jedoch nur unartikulierte Laute von sich geben. Anfangs lässt ihm vor allem seine Schwester noch einige Anteilnahme zukommen, doch mit der Zeit verwahrlost Gregor
zunehmend. Am Ende fasst die Familie den Beschluss, dass
Gregor fortgeschafft werden muss...
In der werkgetreuen Verfilmung wird Gregors äußere Verwandlung nicht gezeigt: Ganz im Sinne Kafkas bleibt es der
Fantasie des Zuschauers überlassen, sich das Unfassbare
vorzustellen. Der Film verdeutlicht auf schockierende Weise, wie ein Mensch zum Aussätzigen werden kann und sein
»Verschwinden« als Erlösung erscheint. Die subjektiven
Einstellungen aus dem Blickwinkel Gregors und die virtuosen Großaufnahmen von Kameramann Thomas Mauch
FITZCARRALDO verstärken den Eindruck einer absurd
tragik-komischen Welt ohne Mitleid. (Günter Pscheider)
Hanns Zischler, F 2002
BUCH Hanns Zischler | KAMERA Hanns Zischler, Ute Adamczewski, Miriam Fassbender |
SCHNITT Peter Sabat | STIMMEN Jeanne Balibar, Beate Jensen, Laurent Poitrenaux, Christian
Standtke, Hanns Zischler | LÄNGE 54 min | FORMAT Farbe, s/w, dF, DVD
VORFILM
DIE WELT DES HERRN K.
Karl Stanzl, A 1965
BUCH Gerhard Fritsch | KAMERA Gustav Peuker | MUSIK Paul Angerer | MIT Ernst Meister
(Sprecher) | LÄNGE 16 min | FORMAT sw, dF, 16mm
»Im Kino gewesen. Geweint.« Vier Worte, die Gemeingut
geworden sind, ein wesentlicher Bestandteil der Reflexionen über Film und Emotion, von Identitätsstiftung und
Selbstvergessen vor der Leinwand. Franz Kafka hatte die
Worte notiert, Hanns Zischler hat sie uns in Gedächtnis gebracht, lakonisch, aber mit Nachdruck in seinem Buch Kafka
geht ins Kino, das 1996 erschienen ist. Nun hat Zischler einen Film gemacht über seine Arbeit mit Kafka. Kein Film ist
das geworden, der das Buch illustriert, sondern er öffnet es
zu einer neuen Runde im Spiel der Erinnerungen. Der Autor
Kafka löst sich auf im Geflecht der Städte und Sätze, man
streift mit ihm durch Raum und Zeit. Am Anfang verschwimmt
der durch den Schneidetisch laufende Filmstreifen und
taucht wieder auf als Mittelstreifen einer Straße, als Lampenkette am Straßenrand. Es geht nicht um Kafka bei diesem Flanieren, nicht als singuläre Gestalt. Es geht um einen
erträumten Kafka, um die unerhörte Weise, wie er Leben
und Träumen verband. (Fritz Göttler)
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
Jan Němec, BRD/A 1975
49
BYT
SA 19.12., 18:00 | SO 3.1., 20:00
MO 4.1., 20:00 | FR 15.1., 19:00
DER PROZESS
KURZFILM­PROGRAMM KAFKA
David Jones, GB 1993
BYT / DIE WOHNUNG
BUCH Harold Pinter, nach dem gleichnamigen Roman von Franz Kafka | KAMERA Phil
Meheux | SCHNITT John Stothart | MUSIK Carl Davis | MIT Kyle MacLachlan, Anthony
Hopkins, Jason Robards jr., Juliet Stephenson, Polly Walker | LÄNGE 120 min | FORMAT Farbe,
OmU, 35mm
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
Genau wie in Kafkas Vorlage wird der Bankangestellte Josef
K. eines Morgens von unbekannten Dienstmännern verhaftet und lernt Schritt für Schritt, wie nutzlos es wäre, sich
verteidigen zu wollen. Auf den ersten Blick scheint es, als
hätte der renommierte Dramatiker Harold Pinter das Buch
geradezu buchstabengetreu übersetzt. Und doch verschiebt
er klammheimlich die Akzente, indem er die Betonung von
den inneren Konflikten des Helden, vom Problem der Schuld,
überträgt auf äußere Konflikte von Verführung und Macht.
Dass er Kafka beim Wort nimmt, gibt ihm mehr Freiheit,
als sie jemand hätte, der in seinem Geist zu arbeiten sich
bemühte.
50
Kyle MacLachlan ist ein wunderbarer Darsteller der Außenseite. Man glaubt ihm, dass er weniger von Abgründen als
von Ordnungszwängen geplagt wird, und wie in seinen
Filmen mit David Lynch als Regisseur verkörpert er einen
bizarren, aber durchaus zeitgemäßen Typus: den jungen
Mann, der zugleich von unerschütterlichem Selbstbewusstsein und von wachsendem Wirklichkeitsverlust geprägt ist.
Kurzum, dieser Mann, der noch im grauenvollsten Geschehen merkwürdig unberührt zu bleiben vermag, steht immer
kurz davor, komisch zu werden. (Georg Seeßlen)
Jan Švankmajer, CSSR 1968
BUCH Jan Švankmajer | KAMERA Svatopluk Malý | SCHNITT Hana Valachová | MUSIK Zdenek
Liška | MIT Ivan Kraus, Juraj Herz | LÄNGE 13 min | FORMAT s/w, ohne Dialog, 35mm
KAFKAS TRAUM
Sieglinde Hamacher, DDR 1989
BUCH Sieglinde Hamacher | KAMERA Helmut Krahnert | SCHNITT Anita Uebe | MUSIK HansFriedrich Ihme | LÄNGE 8 min | FORMAT Farbe, dF, 35mm
MENSCHENKÖRPER
Tobias Frühmorgen, D 2004
BUCH Tobias Frühmorgen, nach der Erzählung Ein Landarzt von Franz Kafka | KAMERA
Max Penzel | MUSIK Martin Frühmorgen | MIT Ingo Hülsmann, Christina Geiersberg, Adrian
Ziegert | LÄNGE 17 min | FORMAT Farbe, dF, Digibeta
UN VOYAGE EN ITALIE
Christophe Clavert, F 2007
BUCH Christophe Clavert, nach einem Tagebuchfragment von Franz Kafka | KAMERA JeanMarc Degardin | SCHNITT Christophe Clavert | MIT Thomas Muselier, Camille Boucher, Olivier
Coulon-Jablonka, Sylvain Maestraggi | LÄNGE 22 min | FORMAT Farbe, frz. OF, 35mm
ENTSCHLÜSSE
Mirko Tzotschew, D 2004
BUCH Mirko Tzotschew, nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Franz Kafka | KAMERA/
SCHNITT Mirko Tzotschew | MIT Dana Hübner | LÄNGE 4 min | FORMAT s/w, dF, DCP
HEIMKEHR
Mirko Tzotschew, D 2004
BUCH Mirko Tzotschew, nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Franz Kafka |
KAMERA/SCHNITT MirkoTzotschew | MIT Lena Kremer (Sprecherin) | LÄNGE 8 min |
FORMAT s/w, dF, DCP
© DEFA Stiftung
GROSSER LÄRM
Mirko Tzotschew, D 2006
BUCH Mirko Tzotschew, nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Franz Kafka | KAMERA/
SCHNITT/SOUND Mirko Tzotschew | MIT Dana Hübner, Nadja Hirsch, Anke Hirsch | LÄNGE 10
min | FORMAT s/w, dF, DCP
PFERDEKOPF
Mirko Tzotschew, D 2006
BUCH Mirko Tzotschew, nach der Kurzgeschichte Wunsch, Indianer zu werden von Franz
Kafka | KAMERA/SOUND/SCHNITT Mirko Tzotschew | LÄNGE 4 min | FORMAT Farbe, s/w, dF, DCP
FAHRGAST
Mirko Tzotschew, D 2008
BUCH Mirko Tzotschew, nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Franz Kafka | KAMERA/
SCHNITT Mirko Tzotschew | TON Mirko Tzotschew, Stephan Schmidt | MIT Deacon Dunlop,
Stephan Schmidt, Susanne Seidler | LÄNGE 10 min | FORMAT s/w, dF, DCP
Formal wie inhaltlich äußerst abwechslungsreich gestaltet
sich das Kurzfilmprogramm mit Werken, die den Kosmos
Kafka als Inspirationsquelle nutzten. Vom tschechischen
Großmeister der Animation, Jan Švankmajer, dessen gesamtes Werk vom düsteren Witz und der oft aussicht­losen
Lakonie Kafkas beseelt zu sein scheint, über systemkritische DDR-Animationen bis zum realistischen Drama eines
Landarztes reicht der Reigen der oft schwarzhumorigen
kafkaesken Vignetten. Da verschwören sich die Gegenstände gegen einen in einem Raum gefangenen Mann,
eine ohne böse Absicht in Gang gesetzte, zerstörerische
Maschinerie kann nicht mehr aufgehalten werden und ein
Arzt muss auf schmerzhaftem Weg erkennen, dass er der
eigentliche Patient ist. Der Berliner Fotograf und Filmemacher Mirko Tzotschew widmet gar einen erheblichen Teil
seines Filmschaffens der filmischen Bearbeitung von Kafkas
Kurzgeschichten, fünf dieser skurrilen Miniaturen sind ein
wichtiger Bestandteil dieser Auswahl. (Günter Pscheider)
DI 12.1., 18:45 | SA 16.1., 21:00
KAFKAS DER BAU
Joachim Alexander Freydank, D 2014
BUCH Joachim Alexander Freydank | KAMERA Egon Werdin | SCHNITT Philipp Schmitt |
MUSIK Ingo L. Frenzel | MIT Axel Prahl, Kristina Klebe, Josef Hader, Robert Stadlober,
Devid Striesow, Erwin Leder | LÄNGE 110 min | FORMAT Farbe, dF, DCP
Der Regisseur hat den bislang unverfilmten Kafka-Text Der
Bau als Vorlage für ein filmisch ausgeklügeltes Experiment
genommen: Ein Mann allein in seiner komfortablen Wohnung. Axel Prahl hat nur ein Gegenüber, dem er sich mitteilt: seinen Camcorder, mit dem er sich selbst aufnimmt.
Kafkas Monolog, in einen Apparat gesprochen, der ihn verschluckt und auf dem üppigen Breitwandbildschirm in seiner labyrinthischen Wohnung wieder ausspuckt. Die Kamera
baut diesem Monolog eine Art Bilderkäfig aus Stahl und
Glas. Ist der Feind außen, also draußen vor der Tür – oder
nicht vielmehr innen, also in seinem Kopf? Das ist das
Kafka-Thema: das Unheimliche unserer Existenz, das im
Dunkeln bleibt, so sehr wir es auch mit dem Scheinwerfer
unserer Tagesvernunft auszuleuchten versuchen. Die Festung Europa, bevor sie gestürmt wird, das wäre sicherlich
ein allzu billiges Sujet gewesen. Aber es, wie hier geschehen, paranoid zu brechen, einen Blick ins kollektive Unterbewusstsein des westlichen Wohlstandsbürgers zu werfen
und dabei auf lauter Ängste und Aggressionen zu stoßen,
das ist bemerkenswert – als Gegenwartsdiagnose wie auch
als Kafka-Verfilmung. (Gunnar Decker)
ÖSTERREICH-PREMIERE
KINO.PROGRAMM KAFKA GEHT INS KINO
KAFKAS TRAUM
51
KOMM UND SIEH
ELEM KLIMOV & LARISA ŠEPITKO
10.12.2015 – 3.1.2016
ABENTEUER EINES ZAHNARZTES S. 56
ABSCHIED VON MATJORA S. 55
AGONIE S. 59
AUFSTIEG, DER S. 54
BEGINN EINES UNBEKANNTEN ZEITALTERS, DER S. 57
BÖSE ANEKDOTE S. 59
DU UND ICH S. 56
FLÜGEL, DIE S. 58
HERZLICH WILLKOMMEN S. 53
KOMM UND SIEH S. 57
LARISA S. 53
SCHWÜLE S. 58
SPORT, SPORT, SPORT S. 54
DOBRO POŽALOWAT ILI
POSTORONNIM WCHOD
WOSPREŠČEN / HERZLICH
WILLKOMMEN ODER EINTRITT
FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN
Elem Klimov, SU 1964
BUCH Semjon Lungin, Ilja Nusinov | KAMERA Anatolij Kuznecov | MUSIK Mihaíl Tariwerdijev,
Igor Jakušenko | MIT Jevgenij Jestignejev, Arina Alejnikowa, Lidija Smirnowa, Wiktor Kosych |
LÄNGE 75 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
VORFILM
LARISA
Elem Klimov, SU 1980
BUCH Elem Klimov | MUSIK Alfred Schnittke | MIT Larisa Šepitko, Elem Klimov, Walentin
Rasputin, Stefanija Stanjuta | LÄNGE 25 min | FORMAT Farbe, s/w, OmU, 35mm
Kein Feiertag für Inočkin. In der ersten Einstellung richtet
die Kamera den Blick auf die Inschrift über dem Eingangstor
eines Pionierlagers, die den Betrachter willkommen heißt.
Während im Hintergrund der Titelvorspann abläuft, schwenkt
die Kamera auf ein Loch im Holztor, in dem die Antithese zur
Einladung zunächst den Blick ins Innere verstellt. Der anta­
gonistische Titel markiert treffsicher den Konfliktstoff des
Plots: Genosse Dynin, gespielt vom Hauptdarsteller der Satire BÖSE ANEKDOTE, leitet das Ferien­lager der Jungpioniere
mittels strikter Regeln, da er glaubt, nur so unangenehme
Zwischenfälle vermeiden zu können. Der kleine Inočkin muss
daher das Camp verlassen, weil er das Verbot, allein auf die
Insel jenseits des bewachten Badeareals zu schwimmen,
missachtet hat. Da er befürchtet, seine Oma würde wegen
seines Rauswurfs der Schlag treffen, kehrt er heimlich ins
Lager zurück und versteckt sich im Bretterverschlag unter
dem Podium, auf dem Dynin seine Reden hält. Es mehren
sich Anzeichen, dass das Camp aus den Fugen gerät ...
Die von Kindern und Erwachsenen glänzend gespielte
Parodie wurde nach seiner Kinopremiere am 9. Oktober
1964 in Russland mit 13,4 Millionen Besuchern zum
Publikumshit. Heuer war dieses witzige Juwel des Sowjet­
kinos sogar in Cannes zu sehen. (hp)
KINO.PROGRAMM ELEM KLIMOV & LARISA ŠEPITKO
ERÖFFNUNG: DO 10.12., 19:30 | DI 22.12., 20:00
53
FR 11.12., 20:00 | SA 26.12., 18:45
SA 12.12., 18:00 | MO 28.12., 18:45
WOSKHOŽDENIJE /
DER AUFSTIEG
SPORT, SPORT, SPORT
Larisa Šepitko, SU 1976
KINO.PROGRAMM ELEM KLIMOV & LARISA ŠEPITKO
BUCH Jurij Klepikov, Larisa Šepitko, nach der Novelle Die Schlinge von Wasilij Bykov | KAMERA
Wladimir Čuchnov | MUSIK Alfred Schnittke | MIT Boris Plotnikov, Wladimir Gostjuchin, Ljudmila
Poljakowa, Anatolij Solonicyn, Sergej Jakovlev | LÄNGE 110 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
54
Partisanen fliehen im Winter 1942 mit Frauen, Kindern und
Alten vor den deutschen Besatzern in einen Wald und rekrutieren Sotnikov und Rybak zur Lebensmittelbeschaffung
im nächsten Dorf. Rybak kann den fiebernden Gefährten
nur mit Mühe durch Schnee und Kälte bis zu einem Hof
schleppen, wo sie von der Bäuerin, die dort mit ihren Kindern vegetiert, versteckt werden. Sie werden jedoch entdeckt und dem heimischen Untersuchungsrichter, einem
zynischen Nazi-Kollaborateur (eine erschreckende Paraderolle für Anatolij Solonicyn), ausgeliefert, was ihr Todes­
urteil bedeutet. Der am Leben hängende Rybak sucht der
Folter und dem Galgen durch Verrat zu entgehen …
Die Handlung konzentriert sich zunehmend auf die Kontrastierung der Charaktere von Rybak und Sotnikov, die angesichts des sicheren Todes unterschiedliche Verhaltensweisen entwickeln. Parallel dazu betont Šepitkos Bildsprache
vor dem Hintergrund eisig öder Winterlandschaften wieder
die magischen Hell-Dunkel-Kontraste ihres Spielfilmdebüts.
Die Auseinandersetzung mit Angst, Verrat und innerer
Stärke zieht mit biblischen Motiven direkte Parallelen zur
Passionsgeschichte. Šepitko: »Ich fand den Gedanken
höchst wichtig, dass das Sowjetvolk nicht nur mit den
Waffen, sondern auch mit seiner Geistesstärke, seiner
Moral und Ethik am Ende gesiegt hat.« (hp)
Elem Klimov, SU 1970
BUCH Elem Klimov, Bella Achmadulina | KAMERA Boris Brožovskij, Jurij Skhirtladze, Oleg
Zguridi | MUSIK Alfred Schnittke | MIT Georgij Swetlani, Walerij Brumel, German Klimov,
Nikita Michalkov, Jevgenij Matwejev | LÄNGE 85 min | FORMAT Farbe, OmeU, 35mm
VORFILM
LARISA
Elem Klimov, SU 1980
BUCH Elem Klimov | MUSIK Alfred Schnittke | MIT Larisa Šepitko, Elem Klimov, Walentin
Rasputin, Stefanija Stanjuta | LÄNGE 25 min | FORMAT Farbe, s/w, OmU, 35mm
Elems liebevoll gestalteter Nachruf auf seine Frau, die 1979
bei einem Autounfall ums Leben kam. Die Kurzbiografie enthält Ausschnitte aus allen ihren Filmen und man hört ihre
Stimme über ihr Leben und die Kunst sprechen. Im Archivmaterial erscheint sie ebenso wie ihr Lehrer Dovženko.
Klimov verwebt fiktive Elemente mit historischen Dokumenten aus der Welt des Spitzensports, dessen historische Entwicklung inklusive seiner Verflechtungen mit Politik und
Kultur in einen narrativen Bogen integriert wird, der durch
Pantomime und Ballett eine spirituelle Überhöhung erfährt.
Der Film ist dem Geist der Völkerverständigung verpflichtet.
Als Schauplätze der Sportevents fungieren Moskau, Philadelphia, Stockholm und Mexico City. Das Archivmaterial
enthält auch Aufnahmen von Jesse Owens. Von den 1970
aktuellen Sportlern kommt z.B. der sowjetische Hochspringer Walerij Brumel zu Wort. (hp)
PROŠČANIJE /
ABSCHIED VON MATJORA
Elem Klimov, SU 1979–83
BUCH Larisa Šepitko, Rudolf Tjurin, German Klimov, nach dem Roman Proščanije s Matjory
von Walentin Rasputin | KAMERA Aleksej Rodionov, Jurij Skhirtladze, Sergej Taraskin |
MUSIK Alfred Schnittke, Wjačeslav Artjomov | MIT Stefanija Stanjuta, Aleksej Petrenko,
Lev Durov, Leonid Krjuk | LÄNGE 126 min | FORMAT Farbe, OmU/dF, 35mm
Das Inseldorf Matjora soll wegen eines Staudammbaus
überflutet werden. Einige Alte, die lieber mit ihrer Heimat
sterben wollen, als sie zu verlieren, widersetzen sich der
Evakuierung. Die Jungen realisieren den Verlust erst im
Moment des Untergangs.
Als Larisa Šepitko daran ging, Walentin Rasputins heftig
diskutierten Roman zu verfilmen, ahnte sie nicht, dass es
ihrem Ehemann vorbehalten bleiben sollte, dieses Meisterwerk zu vollenden. Larisas dritte Arbeit über den Gegensatz
von Tradition und Fortschritt entpuppte sich als Plädoyer
für das Primat der Natur. Hatte Dziga Vertov zur Zeit der
ersten Fünfjahrespläne den technischen Fortschritt in
seiner SIMFONIJA DONBASSA (1930) noch enthusiastisch
gefeiert, taucht der Matjora-Film seine Finger tief in dessen
Wunden, macht mit wunderbaren Bildmetaphern viel­
schichtige Zusammenhänge erfahrbar. Hier ist das Neue
inzwischen fragwürdig geworden. Elia Kazans WILD RIVER
(1960), der eine ähnliche Story am Tennessee abhandelt,
begreift den Untergang des Alten noch eher als Folge
notwendigen Wandels, denn die Elektrifizierung war in den
1930er-Jahren ein alle Grenzen überschreitender Motor
der Industrialisierung, vom Staat vorangetrieben im Westen
der Depression wie im Osten der Aufbaujahre. Elem schuf
jedoch im Sinne seiner Larisa den russischen »Öko-Patjomkin«. (hp)
SO, 13.12.: DEUTSCH SYNCHRONISIERTE FASSUNG
MO, 21.12.: ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN
KINO.PROGRAMM ELEM KLIMOV & LARISA ŠEPITKO
SO 13.12., 18:00 | MO 21.12., 20:45
55
SO 13.12., 21:00
MO 14.12., 18:00 | MI 30.12., 19:00
TY I JA / DU UND ICH
POCHOŽDENIJA ZUBNOGO
VRAČA / DIE ABENTEUER
EINES ZAHNARZTES
Larisa Šepitko, SU 1971
KINO.PROGRAMM ELEM KLIMOV & LARISA ŠEPITKO
BUCH Gennadi Špalikov, Larisa Šepitko | KAMERA Aleksandr Knjašinskij | MUSIK Alfred
Schnittke | MIT Leonid Djačkov, Alla Demidowa, Jurij Wizbor, Natalja Bondarčuk |
LÄNGE 97 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm
56
Larisas einziger Farbfilm seziert in elliptischer Form und
in einer nicht chronologischen Struktur die geistige und
seelische Verfassung eines Mediziners, der, vom Leben als
Forscher gelangweilt und durch das Scheitern seiner Ehe
in eine Krise geraten, ins Ausland geht. Zwei Jahre später
kehrt Pjotr zurück, doch die Wiederaufnahme der Beziehung mit seiner Frau gelingt nicht, da diese inzwischen mit
seinem Freund liiert ist. Von Selbstzweifeln geplagt, sucht
er eine neue Herausforderung und fährt nach Sibirien, wo
er sich als Arzt betätigt, um seine Krise zu überwinden. Die
mit vielen Rückblenden versehene Story beschwört keine
überschwänglichen Gefühle, sondern bietet mit detailgenauer Beobachtung eine Atmosphäre von nüchterner Subtilität, die für Larisas Gegenwartsfilme charakteristisch ist
und woran der Drehbuchautor gewiss seinen Anteil hat.
Gennadi Špalikov war selbst auch Regisseur. Sein Film über
die gebildete Mittelschicht in den 1960er-Jahren, DOLGAJA
ŠASTLIWAJA ŽIZN / EIN LANGES GLÜCKLICHES LEBEN
(1967), weist ähnliche Merkmale in Stil und Inhalt auf. Diese
Filme wurden als kritische Bestandsaufnahme vom Zustand
der eigenen Generation, insbesondere der urbanen Intelligenzija, verstanden. (hp)
Elem Klimov, SU 1965
BUCH Aleksandr Wolodin | KAMERA Samuil Rubaškin | MUSIK Alfred Schnittke | MIT Andrej
Mjagkov, Wera Wasilewa, Alisa Frejndlich, Andrej Petrov | LÄNGE 82 min | FORMAT s/w,
OmeU, 35mm
Nachdem die junge Aktrice Alisa Frejndlich, später bekannt
geworden durch ihre Rolle in Tarkovskijs STALKER, ihr einführendes Lied beendet hat, durchstreift ein junger Mann
die Straßen einer Provinzstadt, bis er an das Haus eines
Zahnarztes gelangt, wo man ihn schon erwartet. Er kommt
nicht als Patient, sondern soll dem Zahnarzt zur Seite stehen. Česnokov ist aber kein gewöhnlicher Dentist. Schon
mit der ersten Behandlung verblüfft er nicht nur den Berufskollegen, sondern auch das Kinopublikum, denn er
besitzt die Fähigkeit des schmerzfreien Zähneziehens!
Sobald er die Zange nahe zum offenen Mund des Patienten
führt, hüpft der schadhafte Zahn wie von einem Magnet angezogen von selbst aus dem Gebiss. Der junge Wunderheiler wird zunächst von allen wie ein Messias gefeiert, doch
bald wendet sich das Blatt, denn seine Kollegen müssen nun
um ihre berufliche Existenz bangen ...
Dieses moderne Märchen bietet Klimov nicht nur die Gelegenheit zu einer Bildgestaltung voll origineller Einfälle und
ungewöhnlicher Perspektiven, sondern liefert auch Denkstoff als thematische Variation auf den Antagonismus von
Alt und Neu: Wie viel Veränderung verträgt eine Gesellschaft, ohne aus den Fugen zu geraten? (hp)
MI 16.12., 18:00 | FR 1.1., 21:00
FR 18.12., 20:00 | SO 3.1., 18:30
NAČALO NEWEDOMOGO
WEKA / DER BEGINN EINES
UNBEKANNTEN ZEITALTERS
IDI I SMOTRI / KOMM UND SIEH
EPISODE 1: ANGEL / DER TODESENGEL
REGIE Andrej Smirnov | BUCH Ilja Suslov, Mihaíl Suslov, Boris Jermolajev, nach der gleich­
namigen Novelle von Jurij Oleša | KAMERA Pawel Lebešev | MUSIK Alfred Schnittke |
MIT Leonid Kulagin, Nikolaj Gubenko
EPISODE 2: RODINA ELEKTRIČESTWA / DIE HEIMAT DER ELEKTRIZITÄT
REGIE, BUCH Larisa Šepitko, nach der gleichnamigen Novelle von Andrej Platonov |
KAMERA Dmitrij Koržichin| MUSIK Roman Ledenjov | MIT Sergej Gorbatjuk, Alla Popowa |
GESAMTLÄNGE 74 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
VORFILM
LARISA
Elem Klimov, SU 1980
BUCH Elem Klimov | MUSIK Alfred Schnittke | MIT Larisa Šepitko, Elem Klimov, Walentin
Rasputin, Stefanija Stanjuta | LÄNGE 25 min | FORMAT Farbe, s/w, OmU, 35mm
Smirnovs ANGEL beschreibt eine Episode aus dem Bürgerkrieg 1918 zwischen den Roten und Weißen Garden. Eine versprengte Rotarmistenschar versucht sich auf einem Eisenbahnzug aus dem Gefahrenbereich zu retten und gerät in
den Hinterhalt einer Terrorbande, deren Anführer Angel
wegen seiner sadistischen Mordmethoden berüchtigt ist ...
Der Titel von Larisas Beitrag verweist ironisch darauf, dass
die Modernisierung ihrer Heimat am Beginn der unbekannten Ära, den frühen 1920er-Jahren, noch eine ferne Vision
war. Aber Träume sollten realisiert werden: Ein Elektro­
mechaniker wird in ein abgelegenes Dorf geschickt, um die
Menschen mittels einer abenteuerlich anmutenden Generatorkonstruktion an das Elektrizitätsnetz anzubinden. Mit einem anamorphotischen Objektiv gedreht, wirken die Bilder
fast surreal: Gesichter gleichen in Sand gemeißelten Ikonen,
Hitze und Dürre werden in einer wüstenähnlichen Topografie
spürbar. (hp)
BUCH Elem Klimov, Ales Adamowič, nach dessen gleichnamiger Novelle | KAMERA Aleksej
Rodionov | MUSIK Oleg Jančenko | MIT Aleksej Kravčenko, Olga Mironowa, Ljubomiras
Laucevicius, Jüri Lumiste, Kazimir Rabetskij | LÄNGE 146 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm
Weißrussland anno 1943. Florja, ein Bauernbub, der seine
Familie verloren hat, buddelt ein Gewehr aus dem Sand, das
er erst am Ende des Films benutzen wird, um auf ein Hitlerbild zu schießen, das den Gröfaz im Retourgang zeigt, bis
er zum Baby wird, was keinen Schuss mehr rechtfertigt.
Dazwischen durchläuft Florja eine Hölle auf Erden: Er sucht
und verliert den Anschluss an die Partisanen, findet und
verliert das Mädchen Glaša im Bombenterror, der ihm das
Gehör raubt. Als er in sein Dorf gelangt und Zeuge wird,
wie die fremden Truppen noch lebende Dorfbewohner in
eine Scheune pferchen und darin verbrennen, verliert er
schließlich den Verstand. Florja hat nun das Gesicht eines
Greises ...
Es gibt keinen anderen Antikriegsfilm, der der Aufforderung
aus dem Buch der Offenbarung, Zeuge der Apokalypse zu
werden, eher gleichkommt. Die kompromisslose Wucht, mit
der Klimov seine künstlerischen Mittel einsetzt, um den
Wahnsinn des Krieges erfahrbar zu machen, hat in der Filmgeschichte keine Parallele. Viele User reviews bestätigen
die tiefen Spuren, die der Film hinterlässt. Sie alle begreifen, dass es sich um keine Propaganda handelt, sondern um
schonungsloses Anschauungsmaterial, wozu die faschistische Verhetzung geführt hat, denn alles, das man sieht, ist
historischer Fakt. Man schlage nach im Internet: Go and
read. (hp)
KINO.PROGRAMM ELEM KLIMOV & LARISA ŠEPITKO
Andrej Smirnov / Larisa Šepitko, SU 1967–87
Elem Klimov, SU 1985
57
SO 20.12., 21:00
MO 21.12., 18:00
KRYLJA / DIE FLÜGEL
ZNOJ / SCHWÜLE
Larisa Šepitko, SU 1966
Larisa Šepitko, SU 1963
Die 42-jährige Nadežda war im Krieg eine berühmte Kampfpilotin und arbeitet jetzt als Direktorin einer Schule. Von
der Gesellschaft wird sie geachtet und respektiert, im ört­
lichen Museum hängt ihr Bild als leuchtendes Beispiel einer
Kriegsheldin, doch mit der jungen Generation gerät sie immer wieder in Konflikt. Ihr geradlinig autoritärer Stil wird
von den Schülern als unnötige Härte und Kälte empfunden,
und auch die Beziehung zu ihrer erwachsenen Tochter gestaltet sich schwierig. Um ihren Schwiegersohn kennen­
zulernen, muss sie sich selbst einladen und kaschiert die
peinliche Situation mit gespielter Fröhlichkeit. Sie könne
auch einmal an sich selber denken, anstatt das Leben als
eine Reihe von Verpflichtungen wahrzunehmen, rät ihr die
Tochter. Doch das ist leicht gesagt.
Larisas Spielfilmdebüt entstand unter schwierigsten klimatischen Bedingungen in der kirgisischen Steppe nach Čingis
Aitmatovs Romanvorlage Das Kamelauge. Der junge Kamal,
gespielt vom späteren Regisseur Bolotbek Šamšijev, kommt
in die Steppe, um einer Brigade bei der Gewinnung von
Neuland zu helfen. Sein Idealismus und Glaube an die Machbarkeit des Vorhabens kollidieren jedoch mit der sturen
Haltung des Traktoristen Abakir, der seine Vorrangstellung
durch den Neuling bedroht sieht.
KINO.PROGRAMM ELEM KLIMOV & LARISA ŠEPITKO
BUCH Natalija Rjazanceva, Walentin Ježov | KAMERA Igor Slabnewič | MUSIK Roman
Ledenjov | MIT Maja Bulgakowa, Žanna Bolotowa, Sergej Nikonenko, Pantelejmon Krymov |
LÄNGE 86 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
58
Dem banalen Alltagstrott kann sie nur entfliehen, indem
sie sich an eine als glorreich empfundene Vergangenheit
erinnert. Maja Bulgakowa spielt die Rolle dieser modernen
Frau mit einer Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit: Sie
ist eine Frau, die ihren Platz in der Gesellschaft errungen
hat und dennoch ein wenig verloren wirkt, eine Figur, die
der Regisseurin nahe scheint. (hp)
BUCH Igor Olšanskij, Irina Powolotskaja, Semjon Lungin, Ilja Nusinov, Larisa Šepitko |
KAMERA Jurij Sokol, Wladimir Archangelskij | MUSIK Roman Ledenjov | MIT Bolotbek Šamšijev,
Nurmuchan Šanturin, Klara Jusupžanowa | LÄNGE 84 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Die Regisseurin entwickelt entlang dieser Konfrontation ihr
Thema vom Aufeinanderprallen zweier Lebensauffassungen. Im Duell zwischen dem Bewahrer und dem Erneuerer
liegen hier die Sympathien noch eher bei dem Jungen, der
allerdings seine romantischen Träume revidieren muss, als
bei dem Älteren, der alles »Moderne« ablehnt. Abakir zertrümmert sogar Kamals Radio, bevor er die Gemeinschaft
verlässt. Allerdings modifiziert Larisa auf dem Weg der
Desillusionierung diese Haltung in der Episode DIE HEIMAT
DER ELEKTRIZITÄT und verlagert in ihrem letzten Projekt
ABSCHIED VON MATJORA ihre Sympathien auf jene Menschen, die ihre alte Lebensweise bewahren wollen. Formal
orientiert sich der Film mit seinen irrlichternd magischen
Hell-Dunkel-Effekten in kargen Landschaften am lyrischen
Expressionismus Dovženkos. (hp)
MI 23.12., 18:00 | SO 27.12., 21:00
FR 25.12., 20:30 | SA 2.1., 18:30
SKWERNYJ ANEKDOT /
BÖSE ANEKDOTE
AGONIJA / AGONIE
BUCH Leonid Zorin, Aleksandr Alov, Wladimir Naumov, nach einer Novelle von Fjodor
M. Dostojevskij | KAMERA Anatolij Kuznecov| MUSIK Nikolaj Karetnikov | MIT Jevgenij
Jevstignejev, Wiktor Sergačjov, Aleksandr Gruzinskij, Elena Ponsowa, Maja Bulgakowa |
LÄNGE 101 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Ein Regalfilm, von Klimovs Kommission 1986 befreit:
Russland zur Zarenzeit. Staatsrat Pralinski, genial verkörpert von Jevgenij Jevstignejev, wagt sich, von humanitären
Reformgedanken beseelt, während eines Abendspaziergangs in ein obskures Viertel und gerät in die Hochzeits­
feier seines Untergebenen Pseldonimov. Das ehrfürchtige
Staunen der Gäste nützt er, um seine liberale Gesinnung zur
Schau zu stellen. Als die Feier in ein Trinkgelage ausartet,
zecht er mit und erwacht am nächsten Morgen im Hochzeitsbett aus einem bösen Traum …
Die Autoren stilisieren Dostojevskijs Novelle von 1862 als
satirische Groteske, indem die tragikomische Maskerade
der Hochzeitsfete einer subalternen Beamtenschicht mit
den pseudohumanitären Ideenflügen Pralinskis konfrontiert
wird. Die absurde Komik des Zusammenpralls der beiden
Welten, die sich nur im Suff vereinen können, entlarvt
Pralinskis Auftreten als eitle Selbstdarstellung. Während
er die Hochzeitsnacht des Paares durch seine Präsenz
zerstört, wobei das Verhalten der Kleinbürger ebenso illusionslos seziert wird, sieht er sich im Traum als Reigenführer
einer Zwergenpolonaise und als Bettler. Die ironische Vision
der Umkehr der sozialen Realität und die folgende Ernüchterung beschreiben symbolisch den Weg von Machtstruk­
turen, die sich bedroht wähnen. (hp)
BUCH Semjon Lungin, Ilja Nusinov| KAMERA Leonid Kalašnikov | MUSIK Alfred Schnittke |
MIT Aleksej Petrenko, Anatolij Romašin, Velta Line, Alisa Frejndlich| LÄNGE 148 min | FORMAT
Farbe, OmU, 35mm
Schicksal und Mythos Grigorij Rasputins, des legenden­
umrankten Wundermönchs der letzten Zarenfamilie, sym­
bolisieren den Todeskampf der Monarchie in den Jahren
vor der Revolution. Klimov spiegelt in Rasputins Rolle am
Zarenhof die morbide Gesellschaft der Romanovs, des
Adels, der hohen Militärs und Beamten.
»Ein völlig degenerierter König, kranke und schwächliche
Infanten, Geistesschwache, Krüppel, Zwerge und Irre; und
dazu ein paar monströse Narren als Prinzen verkleidet, die
nur die Aufgabe hatten, über sich selbst zu lachen, um damit ihre gelangweilte Umgebung zu unterhalten. Eingeengt
von der Etikette, umgeben von Falschheit, Komplott und
Intrige lebte das Volk in den Fesseln des Glaubens und der
Sünde, und der eigenen Schwäche, und ständig im Bannkreis der Inquisition – des ewigen Schweigens.« (PIERROT
LE FOU, 1965)
Da Rasputins Einfluss nur Ausdruck, aber nicht Ursache
des Verfalls ist, hält auch seine Ermordung den Untergang
nicht auf. Kontrastierend zu Szenen aus dem Inneren der
zerfallenden Macht sind Dokumentarbilder vom Krieg und
Elend des Volkes einmontiert. Die Geschichte erhält so
einen real historischen Bezug. Die schillernde Figur des
Dämons, Scharlatans und Hofnarren erscheint in ein
fesselndes Gesellschaftsporträt integriert, das satirischburleske Züge aufweist. (hp)
KINO.PROGRAMM ELEM KLIMOV & LARISA ŠEPITKO
Aleksandr Alov / Wladimir Naumov, SU 1966–86
Elem Klimov, SU 1974–81
59
I
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H
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IVE S
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RETR
DI 15.12., 20:00 | FR 1.1., 18:45 | MO 4.1., 21:00
WO ZHE YI BEIZI / MEIN LEBEN
Shi Hui, CHN 1950
BUCH Yang Liuqing, nach dem Roman von Lao She | KAMERA Ge Weiqing, Lin Fa |
MUSIK Huang Yijun | MIT Shi Hui, Wei Heling, Wang Min, Li Wei, Cheng Zhi | LÄNGE 108 min |
FORMAT s/w, OmU, DCP
KINO.PROGRAMM SHI HUI
IN KOOPERATION MIT:
60
Das Leben eines einfachen Pekinger Polizisten im politischen
Wandel der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. – Der Film
beschreibt schonungslos Korruption und Karrierismus im
China nach der Revolution von 1911, enttäuschte Erwartungen
der Bewegung des 4. Mai und die Verwerfungen durch den
sino-japanischen Krieg. Sprache, Kleidung und Verhaltensweisen spiegeln die typische Pekinger Kultur, die humoristischen Einschübe stammen zum Teil aus dem nordchinesischen Xiangsheng-Dialog.
Ein Meisterwerk der chinesischen Filmkunst, beeindruckend,
humorvoll, berührend und weise. Shi Hui ist hier in seiner
Lebensrolle als Regisseur, Hauptdarsteller und einfacher
Bürger zu sehen. Trotz seines ungeheuren Erfolges im Kino
wurde dieser Film aufgrund des zu schwachen politischen
Bekenntnisses zur neuen kommunistischen Regierung
wiederholt kritisiert. (iw)
FR 18.12., 18:00 | MO 28.12., 21:00
SA 19.12., 20:15 | MO 4.1., 19:00
YE DIAN / NACHTASYL
MUQIN / MUTTER
Huang Zuolin, CHN 1947
Shi Hui, CHN 1949
Verschiedene arme Gestalten fristen eingepfercht im
Nachtasyl ihr Dasein, nur der junge Yang Qi, angefacht von
seiner Liebe zur hübschen Xiaomei (Zhou Xuan), fasst den
Mut, sein Schicksal zu ändern – bis die Tragödie durch die
Bosheit und Gier der Besitzer des Nachtasyls (Shi Hui und
Tong Zhenglin) ihren Lauf nimmt. Bereits während der japanischen Besetzung zählte das nach Maxim Gorki bearbeitete Theaterstück zu den erfolgreichsten seiner Zeit. Das
Publikum identifizierte sich mit den tragischen Figuren
und Schicksalen. Das harte, naturalistische Original wurde
dann im Jahr 1947 zu einem Trost spendenden Melodram,
in dem die guten und bösen Kräfte deutlich erkennbar sind.
NACHTASYL, der Klassiker des linken Kinos der Nachkriegszeit, gehört zu den zahlreichen Verarbeitungen und Sini­
sierungen russischer und sowjetischer Literatur in der
chine­sischen Filmgeschichte. (iw)
BUCH Shi Hui | KAMERA Ge Weiqing | MUSIK Wang Yunjie | MIT Qin Yi, Wei Shuping, Cheng Zhi,
Yu Zhong-ying, Tong Baoling | LÄNGE 100 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
Nachdem das Geschäft ihres Mannes aufgrund seines
verantwortungslosen Lebenswandels bankrott geht und
er sich das Leben nimmt, muss Chen Suzhen Tochter und
Sohn alleine aufziehen. Als auch die Tochter infolge der
Armut stirbt, bleibt der Mutter nur mehr ihr Sohn Niu Niu,
für dessen Ausbildung sie alle Mühen auf sich nimmt.
MUTTER beschreibt in einem optimistischen, leichten Ton
die Probleme der chinesischen Gesellschaft zu der Zeit, als
die revolutionären Kräfte der kommunistischen Partei
schon bereitstanden, die Macht zu übernehmen. Es ist das
Regiedebüt von Shi Hui, er zeichnet auch für das Buch verantwortlich. Stilistische Merkmale all seiner Filme kommen
bereits hier zur Geltung, etwa die gegenüberstellende Montage oder humoristische Detailgestaltung. Sein spezielles
Verständnis für Schauspieler zeigt sich an der Wahl der
Hauptdarstellerin: die junge Qin Yi ist hier in ihrer ersten
Filmrolle zu sehen, in der es ihr gelingt, eine Altersspanne
von 30 Jahren überzeugend darzustellen. Die Nebenrolle
der jungen Freundin des Sohnes spielt die zukünftige Frau
Shi Huis, Tong Baoling. (iw)
KINO.PROGRAMM SHI HUI
BUCH Ke Ling, nach dem gleichnamigen Stück von Maxim Gorkij | KAMERA Xu Qi |
MUSIK Wu Renzhi | MIT Shi Hui, Tong Zhenglin, Zhang Fa, Zhou Xuan, Shi Yu, Wei Wei |
LÄNGE 108 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
61
SO 20.12., 19:00 | MI 30.12., 21:00
MO 21.12., 20:00 | DI 29.12., 18:45
QING CHANG YI SHEN /
ECHTE FREUNDSCHAFT
GUAN LIANZHANG /
KOMPANIEFÜHRER GUAN
Xu Changlin, CHN 1957
Shi Hui, CHN 1951
Letzter Auftritt von Shi Hui in einer Nebenrolle als wissenschaftlicher Assistent, der langsam erblindet. Der in der
von Shi Hui mitbegründeten Fünf-Blumen-Werkstatt produzierte Film erzählt vom akademischen Streit zwischen zwei
befreundeten Wissenschaftlern des mikrobiologischen
Forschungsinstituts, der vielen Patienten beinahe das
Leben kostet. Der wissenschaftliche Streit steht dabei
stellvertretend für den Wettkampf zwischen einer konservativen und einer fortschrittlichen Ideologie. ECHTE FREUNDSCHAFT ist einer der seltenen Filme dieser Zeit, in denen
es um die Lebens- und Denkweise von Intellektuellen geht.
Er ist ein sichtbares Produkt der Offenheit der »HundertBlumen-Kampagne«, die innovative Sicht- und Darstellungsweisen erlaubte. Dass die Bedeutung der Freundschaft
zwischen Akademikern hervorgehoben wurde, wo es nur
Freundschaft innerhalb der gesellschaftlichen Klassen oder
zwischen Kriegskameraden geben sollte, war Anlass für
die nachfolgende »Anti-Rechts-Kampagne«, dieses Werk
scharf zu kritisieren. (iw)
Unter Anleitung eines »Kulturausbilders« soll die Kompanie
von Führer Guan (Shi Hui) ihr Bildungsniveau erhöhen.
Lebenserfahrung und angelerntes Wissen stehen jedoch
im Widerspruch zueinander. Schließlich kommt der Angriffsbefehl: die Kommandozentrale der Feinde muss innerhalb
von drei Stunden vernichtet werden. Die Zentrale befindet
sich allerdings in einem überfüllten Waisenheim.
KINO.PROGRAMM SHI HUI
BUCH Xu Changlin | KAMERA Yao Shiquan | MUSIK Chen Gexin | MIT Shu Shi, Xiang Kun,
Shangguan Yunzhu, Shi Hui, Zhang Ziliang | LÄNGE 99 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
62
BUCH Yang Liuqing nach einem Roman von Zhu Ding | KAMERA Ge Weiqing | MIT Shi Hui, Yu
Zhongying, Yu Ding, Cheng Zhi, Cao Zhaoming | LÄNGE 108 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
Um eine möglichst realistische Darstellung gewährleisten
zu können, verbrachte Shi Hui mit seinem Team zwei Monate in einer Kompanie der Volksbefreiungsarmee, deren Soldaten auch als Filmkomparsen wirkten. Da sich die filmische
Inszenierung nicht mit der geschönten Version der offiziellen Kriegspropaganda deckte, wurde Regisseur Shi Hui für
seinen »bürgerlichen Humanismus, der das Bild des Befreiungssoldaten verzerrt«, schärfstens kritisiert. (iw)
DI 22.12., 18:00 | SA 2.1., 21:15
MI 23.12., 20:00 | SO 3.1., 21:15
MEIGUO ZHICHUANG /
AMERIKA IM VISIER
JI MAO XIN / BRIEF MIT FEDER
BUCH Huang Zuolin, nach einem Stück von Vladimir Dichovicnij und Moris Slobodskoj |
KAMERA Huang Shaofen, Zhang Xiling, Xu Yi | MIT Shi Hui, Lin Zhen, Chen Shu, Hong Xia,
Yu Zhongying | LÄNGE 62 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
Eine Farce nach einem sowjetischen Theaterstück von
Vladimir Dichovicnij und dem bekannten Drehbuchautor
Moris Slobodskoj: Mr. Butler (Shi Hui), Aktienmakler in New
York, wittert durch den Fensterputzer, der seinen Selbstmord vorbereitet, eine neue Einnahmequelle, indem er
dessen Tod medial zu vermarkten versucht. AMERIKA IM
VISIER ist eine herrliche Karikatur der amerikanischen kapitalistischen Gesellschaft, die zur Gänze in Shanghai gedreht
wurde und in der die »Amerikaner« ausschließlich mit Chinesen besetzt sind. Nach dem großem Erfolg der Bühnenaufführung entstand dieser letzte Streifen der privaten
Filmproduktion Wen Hua vor der Verstaatlichung und Eingliederung in das Shanghai Film Studio Ende 1952. Er markiert auch für längere Zeit das Ende der Filmkomödie in
China. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Thematik gelangte dieser Film kaum zur Vorführung und wurde eigens
für diese Retrospektive restauriert. (iw)
BUCH Zhang Junxiang | KAMERA Luo Congzhou | MUSIK Huang Yijun | MIT Cai Yuanyuan,
Shu Shi, Jiang Rui, Tian Long, Zhou Boxun | LÄNGE 68 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
Im Norden Chinas, während des Krieges mit Japan: Dem
zwölfjährigen Hai Wa gelingt es mit List, Mut und seiner
Schafherde, den Widerstandskämpfern der Achten RouteArmee rechtzeitig wichtige Informationen zu überbringen
und noch dazu die japanische Armee in die Falle zu locken.
Dieser charmante Streifen war der erste Kinderfilm nach
Gründung der Volksrepublik. Entgegen des damals vorherrschenden, belehrenden Filmstils versuchte Regisseur Shi
Hui bewusst, die Geschichte aus der Warte des Kindes zu
entwickeln und den Film so leicht und lebendig zu halten.
Mit seiner Darstellung schuf er die mittlerweile klassische
Karikatur des japanischen Soldaten mit dem kleinen Oberlippenbart. BRIEF MIT FEDER ist bis heute sehr populär und
wurde auch außerhalb Chinas gespielt. Er ist einer der wenigen Filme, die auch während der Kulturrevolution noch
gezeigt wurden. Im Jahr 1955 erhielt er beim Edinburgh
International Film Festival den Preis als »Bester Film«. (iw)
KINO.PROGRAMM SHI HUI
Huang Zuolin / Shi Hui, CHN 1952
Shi Hui, CHN 1954
63
FR 25.12., 18:30 | DI 29.12., 21:00
SA 26.12., 21:00 | DI 5.1., 19:00
TIAN XIANPEI /
HIMMLISCHE HOCHZEIT
TAITAI WAN SUI /
DIE EHEFRAU LEBE HOCH
Shi Hui, CHN 1955
Sang Hu, CHN 1947
BUCH Sang Hu | KAMERA Luo Congzhou | MUSIK Shi Bailin | MIT Yan Fengying, Wang
Shaofang, Zhang Yunfeng, Hu Lulin, Ding Zichen | LÄNGE 100 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
KINO.PROGRAMM SHI HUI
Eine Verfilmung des Märchens der siebten Tochter des
Jade-Kaisers, dem Herrscher des Himmels, im Stil der
Huangmei-Oper: sie verliebt sich in den armen Dong Yang,
und entscheidet sich gegen das Verbot des Jade-Kaisers
und mit der Hilfe ihrer Schwestern auf die Erde zu steigen
und bei ihm zu bleiben. Als der Kaiser davon erfährt, wird
er wütend und verlangt, dass sie sofort in den Himmel
zurückkehrt.
64
Das Märchen von der Liebe zwischen Himmelswesen und
Mensch ist in vielen Formen Teil der chinesischen Tradition.
Für diese Fassung befreite Shi Hui die Erzählung von den
abergläubischen Teilen und vereinfachte die Texte, um sie
so zugänglicher zu machen. Aufgrund seiner besonderen
Ästhetik, der damals innovativen Kameraführung und der
animierten Szenen (fliegende Feen, ein sprechender Baum)
löste dieser Film nach dem großen Publikumserfolg in
Hong Kong eine regelrechte Welle an Huangmei-Opern­
verfilmungen aus. (iw)
BUCH Zhang Ailing (Eileen Chang) | KAMERA Huang Shaofen, Xu Qi, Ge Weiqing |
MUSIK Zhang Zhengfan | MIT Zhang Tianliu, Zhang Fa, Shi Hui, Shangguan Yunzhu, Lin Zhen |
LÄNGE 107 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
Die glückliche Ehe der jungen Sizhen, schön, klug und all­
gemein beliebt, gerät ins Wanken, als ihr Ehemann, dessen
Geschäft durch ihre geheime Intervention unerwartet
floriert, einer schönen Trickbetrügerin verfällt, die immer
höhere Anforderungen stellt. Stilistisch angelehnt an die
Hollywood-Komödien jener Tage, lebt dieser Film von geistreichen Dialogen, überraschenden Wendungen und schauspielerischen Glanzleistungen, insbesondere Shi Hui brilliert
als geiziger Schwiegervater. Es ist eine der sehr erfolgreichen Kooperationen des jungen Regisseurs Sang Hu mit der
modernen, in England ausgebildeten Schriftstellerin Eileen
Chang, die mit Witz und Raffinesse das Leben der Mittelklasse in Shanghai aufs Korn nimmt. Eileen Chang (1920–
1995) schrieb im Laufe ihres Lebens an die 20 Drehbücher,
ihr Werk als Romanautorin ist weit umfassender. Wie in ihren anderen Schriften liegt ihr Hauptaugenmerk auch hier
auf der Gefühlsebene der Frau, auf den »Höhen und Tiefen
eines fließenden Lebens«. (iw)
SHIJIE ERNV /
KINDER DER WELT
Louise und Jakob Fleck / Fei Mu, CHN 1941
BUCH Louise und Jakob Fleck / Fei Mu | KAMERA Fei Junxiang, Zhou Lianming | MIT Ying Yin,
Zhang Yi, Lan Lan, Shi Hui, Si Ma Yingcai | LÄNGE 90 min | FORMAT s/w, OmU, DCP
Lee und Chen wachsen wie Brüder auf. Als Erwachsene
verlieben sich beide in das frühere Nachbarsmädchen Lian,
die von ihrem Stiefvater (Shi Hui) in die Prostitution geschickt werden soll. Da entscheidet sich Lee in den Krieg
zu ziehen. Als gemeinsames Werk der österreichischen
Filmpioniere Jakob und Louise Fleck und des chinesischen
Regisseurs Fei Mu (1906–1951) entstand KINDER DER WELT
während der japanischen Besetzung Shanghais in der
fran­zösischen Konzession: nach Jay Leyda in seinem
Buch Electric Shadows eine Quelle des Stolzes für die
Shanghaier Filmindustrie.
Ein guter, menschlicher Film, der nichts von dem an sich
hat, was die zur selben Zeit entstandenen Kostümfilme an
Sensation und gekünsteltem Gehabe vermitteln. Er behandelt die politisch sensiblen Jahre zwischen 1927 und 1937
und endet mit der Ansicht eines noch vor­handenen Monuments in Shanghai. (iw)
KINO.PROGRAMM SHI HUI
SO 27.12., 19:00 | DI 5.1., 21:00
65
LAUREL & HARDY
WEIHNACHTSSPECIAL
19.12.2015 – 10.1.2016
BOHEMIAN GIRL, THE S. 69
LAUREL & HARDY HABEN ÄRGER OHNE ENDE S. 73
LAUGHING GRAVY | THE LIFE GHOST | ONE GOOD TURN | HOG WILD
LAUREL & HARDY IN ANARCHIE UND CHAOS S. 72
ANOTHER FINE MESS | THE FIXER-UPPERS | COUNTRY HOSPITAL | THICKER THAN WATER
LAUREL & HARDY UND DIE KUNST DER ZERSTÖRUNG S. 71
BIG BUSINESS | THEM THAR HILLS | TIT FOR TAT | TOWED IN A HOLE
LAUREL & HARDY UND IHRE LIEBSTEN FEINDE S. 67
ANY OLD PORT | ME AND MY PAL | GOING BYE-BYE | THE MIDNIGHT PATROL
LAUREL & HARDY UNTERM EHEJOCH S. 74
BE BIG | CHICKENS COME HOME | COME CLEAN | WE FAW DOWN
PARDON US S. 70
SAPS AT SEA S. 69
SONS OF THE DESERT S. 68
WAY OUT WEST S. 68
ME AND MY PAL
LAUREL & HARDY UND IHRE
LIEBSTEN FEINDE
ANY OLD PORT
James W. Horne, US 1932
BUCH H. M. Walker | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Walter Long | LÄNGE 20 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Laurel & Hardy retten eine junge Frau vor einem brutalen
Hotelbesitzer, wobei sie ihr Hab und Gut verlieren. Um wieder
zu Geld zu kommen, folgen sie dem Rat eines Boxmanagers.
Stan soll in den Ring steigen und Ollie das noch vorhandene
Geld auf dessen Sieg setzen. Stans Gegner ist jedoch der
Hotelbesitzer und schon wird die erste Runde eingeläutet.
Eine Parodie auf den Griffith-Film BROKEN BLOSSOM.
ME AND MY PAL
Lloyd French, Charles Rogers, US 1933
BUCH Stan Laurel | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, James Finlayson | LÄNGE 20 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Ollie will die Tochter seines Chefs heiraten. Sein zukünftiger
Schwiegervater wartet mit der Braut bereits in der Kirche
auf ihn, doch das Taxi, welches Ollie zur Kirche fahren soll,
lässt auf sich warten. Um die Zeit zu überbrücken, überreicht Trauzeuge Stan sein Hochzeitsgeschenk: ein Riesenpuzzle. Ob Ollie es noch rechtzeitig zur Trauung schafft?
GOING BYE-BYE!
Charles Rogers, US 1934
BUCH Stan Laurel, Charles Rogers | KAMERA Francis Corby | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield |
MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Mae Busch, Walter Long | LÄNGE 21 min | FORMAT s/w, OmU, 35 mm
Durch Stan und Ollies Zeugenaussage wird ein Schwerverbrecher hinter Gitter gebracht. Dieser schwört noch im
Gerichtssaal, dass er dafür an ihnen Rache nehmen wird.
Kurze Zeit später treffen die drei aufeinander ...
THE MIDNIGHT PATROL
Lloyd French, US 1933
BUCH Stan Laurel, Sidney Rauh | KAMERA Art Lloyd | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Charlie
Hall, Frank Brownlee | LÄNGE 20 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Es ist Abend und Laurel & Hardy sind als Streifenpolizisten
unterwegs. Sie sollen einen Einbrecher stellen, der in ein
Haus eingedrungen ist. Dabei handelt es sich aber um den
Polizeipräsidenten, der seine Schlüssel vergessen hat. Die
gelungene Wiederaufnahme einer Idee, die schon bei NIGHT
OWLS verwendet worden war.
KINO.PROGRAMM LAUREL & HARDY
SA 19.12., 16:00 | MI 30.12., 16:00 | DI 5.1., 18:00 | SO 10.1., 16:00
67
SO 20.12., 16:00 | SA 26.12., 18:00 | FR 1.1., 16:00 | MI 6.1., 18:00
MO 21.12., 19:00 | SO 27.12., 16:00 | SA 2.1., 18:00 | SO 10.1., 18:00
SONS OF THE DESERT
WAY OUT WEST
William A. Seiter, US 1933
James W. Horne, US 1937
Für den gleichnamigen internationalen Laurel & Hardy
Fanclub zählt dieser Langspielfilm zu den besten der beiden
Komiker. Ohne Wissen ihrer Ehefrauen nehmen Stan und
Ollie am Jahrestreffen des Männerclubs der »Wüstensöhne« teil. Das Manöver bleibt nicht unbemerkt und führt zu
einigen sehenswerten häuslichen Scharmützeln.
Laurel & Hardy im Wilden Westen. Der Tochter eines verstorbenen Freundes überbringen sie die Besitzurkunde
einer Goldmine. Doch ein Saloon-Besitzer und dessen
Lebensgefährtin kommen ihnen dabei in die Quere. Einer
der besten Langfilme des Komiker-Paares und gleichzeitig
ein absolutes Meisterwerk, das zurecht einen fixen Platz
im Pantheon der Filmgeschichte einnimmt.
KINO.PROGRAMM LAUREL & HARDY
BUCH Byron Morgan | KAMERA Kenneth Peach | MUSIK Marvin Hatley | CHOREOGRAFIE
Dave Bennett | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Charley Chase, Mae Busch, Dorothy Christy |
LÄNGE 68 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
68
Obwohl SONS OF THE DESERT lediglich eine um einige
Szenen erweiterte Kompilation ihrer 1928 bzw. 1931 entstandenen Kurzfilme WE FAW DOWN und BE BIG! darstellt, zählt
dieser Streifen zu den absoluten Klassikern des Duos. Auch
an der Kinokassa reüssierte SONS OF THE DESERT – 1934
findet sich der Titel in der Top-Ten-Liste der US-Statistik.
Zuzuschreiben ist dies sicher auch dem von Produzent Hal
Roach verpflichteten Regisseur William A. Seiter, der einerseits die bekannten Handlungselemente in eine flüssige
Dramaturgie einzubetten vermochte und andererseits den
beiden Stars genügend Freiräume für ihr Improvisations­
talent ließ.
BUCH Charles Rogers, Felix Adler, James Parrott | KAMERA Art Lloyd, Walter Lundin | MUSIK
Marvin Hatley | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Sharon Lynn, Stanley Fields, James Finleyson |
LÄNGE 65 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Wilde Slapstick-Einlagen und geniale Running Gags sowie
Gesangseinlagen, die im Unterschied zu den OperettenFilmen von Laurel & Hardy selbst vorgetragen wurden,
machen WAY OUT WEST zu einem Kult-Film, dessen Faszination noch Jahrzehnte nachwirkt. So erreichte der Song
»The Trail of the Lonesome Pine« 1975 (!), fast 40 Jahre
nach dessen Premiere im Film, in England den zweiten
Platz der Verkaufscharts.
DI 22.12., 19:00 | DI 29.12., 16:00 | MO 4.1., 18:00 | SA 9.1., 18:00
MI 23.12., 19:00 | MI 30.12., 18:00 | DI 5.1., 16:00
THE BOHEMIAN GIRL
SAPS AT SEA
James W. Horne / Charley Rogers, US 1936
Gordon Douglas, US 1940
In diesem Film nach der gleichnamigen Operette von
Michael W. Balfe von 1843, machen Stan und Ollie (mit
historischer Prinz-Eisenherz-Perücke) als fahrendes Volk
in Böhmen unter anderem auch in einer Folterkammer
noch – relativ – gute Figur. Eine Opern-Parodie, witzig und
charmant, mit der berühmten Alkoholszene, die Stans
tapferen Kampf gegen überlaufende Weinfässer genüsslich
zelebriert.
Stan und Ollie arbeiten in einer Hupenfabrik. Die lärmintensive Tätigkeit führt bei Ollie zu einem Nervenzusammenbruch, worauf ihm der Hausarzt frische Seeluft verschreibt.
Sie mieten einen Kutter, auf dem sich ein Schwerverbrecher
versteckt. Am offenen Meer kommt es zur Konfrontation.
Der letzte Film, den Laurel & Hardy für den Produzenten
Hal Roach drehten.
Während BOHEMIAN GIRL in fast allen europäischen
Ländern überwältigende Erfolge verbuchen konnte, wurde
er von den Nationalsozialisten verboten. Laut Urteil vom
13.6.1936 stellte die Filmoberprüfstelle fest, »dass sie bei
Verlogenheit des Films, der im wesentlichen ein falsches
Bild eines abzulehnenden Zigeunerlebens in kitschiger
Form gibt, weit davon entfernt ist, ein Kunstwerk in ihm
zu sehen. Der Film erschöpft sich in der Darstellung, die –
wie die Filmprüfstelle zutreffend ausführt – vom Beschauer
nicht als Parodie gewertet wird, und in ihrer inneren
Gesamthaltung nach in unserem Staat keinen Platz hat.«
BUCH Felix Adler, Charles Rogers, Gil Prat, Harry Langdon | KAMERA Art Lloyd |
MUSIK Marvin Hatley, Le Roy Shield | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, James Finlayson,
Ben Turpin | LÄNGE 57 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
SAPS AT SEA mutet fast wie eine Hommage an die Kurz­
filmära von Laurel & Hardy an. Immer wieder nimmt der
Streifen Bezug auf bekannte Gags, vor allem aus den Filmen
HELPMATES, THEM THAR HILLS und COUNTY HOSPITAL,
und verbindet diese Motive gekonnt zu einem kurzweiligen
Sechs-Akter. SAPS AT SEA gilt als der letzte klassische
Laurel & Hardy Film, bei dem die beiden noch einmal alle
Register ihres Humors zu ziehen vermochten.
KINO.PROGRAMM LAUREL & HARDY
BUCH Frank Butler, nach der Operette The Bohemian Girl von Michael W. Balfe/Alfred Bunn |
KAMERA Francis Corby, Art Lloyd | MUSIK Nathaniel Shilkret | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy,
Thelma Todd, Antonio Moreno, Mae Busch | LÄNGE 70 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
69
„PeScHel (...) Hat famoS
inSzeniert.“ - der Standard
HannaH
und
iHre
ScHWeStern
KINO.PROGRAMM LAUREL & HARDY
Werk
X
Werk-X.at
von Wo ody allen
inSzenierung: mil an PeScHel
Wieder aufnaHme: 17.12.2015
Weitere vorStellungen: 18.12.2015
SoWie 21. und 22.01.2016
70
filmarcHiv-clubmitglieder erHalten im Werk X 10 % ermäSSigung
[email protected]
DO 24.12., 10:00 | MO 28.12., 18:00 | SO 3.1., 16:00
PARDON US
James Parrott, US 1931
BUCH H. M. Walker | KAMERA Jack Stevens | MUSIK Leroy Shield | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy,
June Marlowe, Wilfred Lucas, James Finlayson, Walter Long | LÄNGE 65 min | FORMAT s/w, OmU,
35mm
Laurel & Hardy brechen aus dem Gefängnis aus und finden,
als Schwarze verkleidet, Arbeit auf den Baumwollplantagen
im Süden. Wieder inhaftiert, beenden sie eine Gefängnisrevolte und werden freigelassen. Als Kurzfilm geplant, wurde
PARDON US schließlich zum ersten Langfilm des Duos ausgebaut, vor allem, weil man die Kosten für die Gefängnisbauten wieder amortisieren wollte. Bei der Premiere wurde
der Film um 14 Minuten gekürzt, die rekonstruierte Version
zeigt nun auch jene Szenen, die seinerzeit der Schere zum
Opfer fielen.
Von PARDON US wurden neben der amerikanischen noch
vier weitere Fassungen gedreht, nämlich eine deutsche,
italienische, spanische und französische. In Letzteren wurde
Walter Long übrigens durch Boris Karloff ersetzt.
BIG BUSINESS
LAUREL & HARDY UND DIE
KUNST DER ZERSTÖRUNG
BIG BUSINESS
James W. Horne, US 1929
BUCH H.M. Walker | KAMERA George Stephens | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, James Finlayson | LÄNGE 19 Minuten | FORMAT 35mm, s/w, OF mit dt. ZT
Laurel und Hardy versuchen – im Juli – Weihnachtsbäume
per Vorbestellung zu verkaufen. Als sie dabei mit einem
Kunden in Streit geraten, wird sowohl dessen Haus als auch
Laurel und Hardys Auto – mit unglaublicher Liebe zum
Detail – devastiert. Slow-burn-Stil in höchster Vollendung –
ein absoluter Komödien-Klassiker.
THEM THAR HILLS
Kurze Zeit später sind die zwei Kurgäste betrunken und
das Camping-Idyll wird alsbald zu einem Schlachtfeld.
TIT FOR TAT
Charles Rogers, USA 1935
BUCH Frank Tashlin, Stan Laurel | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Haltey | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Mae Busch, Charles Hall | LÄNGE 19 Minuten | FORMAT 35mm, s/w, OF mit dt. UT
Die Fortsetzung von THEM THAR HILLS. Laurel und Hardy
eröffnen ein Elektrofachgeschäft. Ihr Nachbar führt einen
Gemischtwarenladen, dem sie einen Höflichkeitsbesuch
abstatten. Als sie dem Besitzerpaar gegenüberstehen,
kommen die alten unliebsamen Erinnerungen vom Campingurlaub hoch und die Rachegelüste nehmen ihren Lauf.
Der Film erhielt eine Oscar-Nominierung.
TOWED IN A HOLE
Charles Rogers, USA 1934
BUCH H.M. Walker, Stan Laurel | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Halten | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Mae Busch, Charles Hall | LÄNGE 19 Minuten | FORMAT 35mm, sw, OF mit dt. UT
George Marshall, USA 1932
BUCH George Marshall, Stan Laurel, Charley Rogers | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin
Halten | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Billy Gilbert | LÄNGE 21 Minuten | FORMAT 35mm, s/w,
OF mit dt. UT
Ein Kuraufenthalt führt Laurel und Hardy zu einer Farm,
wo sie ihren Camping-Trailer neben eine Quelle parken, in
die eine Bande von Schwarzbrennern ihre Produkte kippt.
Laurel und Hardy erwerben einen Fischkutter, der noch
»renoviert« werden muss. Den Versuch, das Schiff wieder
seetüchtig zu machen, gestalten die beiden zu einem
Musterkurs in selbstzerstörerischer Handwerkskunst.
KINO.PROGRAMM LAUREL & HARDY
DO 24.12., 11:30 | SO 27.12., 18:00 | MO 4.1., 16:00 | FR 8.1., 18:00
71
ANOTHER FINE MESS
DO 24.12., 13:00 | SA 26.12., 16:00 | SO 3.1., 18:00 | MI 6.1., 16:00
LAUREL & HARDY IN
ANARCHIE UND CHAOS
ANOTHER FINE MESS
KINO.PROGRAMM LAUREL & HARDY
James Parrott, US 1930
BUCH H. M. Walker, Arthur J. Jefferson | KAMERA Georges Stevens | MUSIK Marvin Hatley,
Leroy Shield | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Thelma Todd | LÄNGE 28 min | FORMAT s/w,
OmU, 35mm
72
Auf der Flucht vor der Polizei verstecken sich Laurel & Hardy
in einer luxuriösen Villa und geben vor, Hausherr und Butler
zu sein. Alles geht gut, bis der richtige Hausherr von einer
Safari aus Afrika zurückkommt.
THE FIXER-UPPERS
James W. Horne / Charles Rogers, US 1935
BUCH Frank Tashlin | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Charles Middleton, Mae Busch | LÄNGE 20 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Stan und Ollie helfen einer Dame. Diese bezweifelt, dass ihr
Mann sie noch liebt. Um dies zu testen, gibt sich Ollie als ihr
Liebhaber aus. Als der Ehemann dies sieht, fordert er Ollie
zum Pistolenduell. Remake von SLIPPING WIVES.
COUNTRY HOSPITAL / IM KRANKENHAUS
James Parrott, US 1932
BUCH H. M. Walker | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Billy Gilbert, May Wallace | LÄNGE 19 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Stan besucht Ollie, der mit einem gebrochenen Bein im
Krankenhaus liegt. Doch aus der Wiedersehensfreude wird
ein Alptraum, denn Stan »zerlegt« das Krankenzimmer und
bringt den Chefarzt in Todesgefahr. Ollie bekommt daraufhin
Hospitalverbot. Er wird von Stan nach Hause chauffiert, der
vorher versehentlich ein Schlafmittel eingenommen hat ....
THICKER THAN WATER
James W. Horne, US 1935
BUCH Stan Laurel | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Daphne Pollard, James Finlayson | LÄNGE 21 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Nach einem Ehekrach überredet Stan seinen Freund Ollie,
die familiären Geldangelegenheiten doch selbst in die Hand
zu nehmen. Gesagt, getan und schon ist Ollie stolzer Besitzer einer Standuhr. Seine Ehefrau rastet aus, weshalb Ollie
ins Krankenhaus eingeliefert wird, wo Stan seinem Freund
Blut spendet. Doch plötzlich trägt Mr. Hardy deutliche Züge
von Mr. Laurel – und vice versa. Der letzte Zweiakter des
Komiker-Paares.
THE LIVE GHOST
LAUREL & HARDY HABEN
ÄRGER OHNE ENDE
LAUGHING GRAVY
James W. Horne, US 1931
BUCH H. M. Walker, Stan Laurel | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield |
MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Charlie Hall | LÄNGE 31 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Laurel & Hardy verbringen eine kalte Winternacht mit dem
Hündchen »Laughing Gravy« auf ihrem Zimmer. Wegen
Stans Schluckauf beginnt der Hund zu bellen, worauf der
Pensionswirt eine Etage unter ihnen hellhörig wird, denn
Haustiere sind nicht erlaubt. Einer der genussvollsten Laurel
& Hardy-Kurzfilme mit wunderbarer Slapstick-Choreografie.
die Mannschaft schwört Rache, sobald das Duo Land betreten soll. Die beste Grusel-Komödie des Komiker-Paares.
ONE GOOD TURN
James W. Horne, US 1931
BUCH H. M. Walker | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Mary Carr, Snub Pollard, Gordon Douglas | LÄNGE 20 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
In der Depressionszeit beklagen Stan und Ollie ihr Schicksal, seit drei Tagen nichts gegessen zu haben (»Yesterday,
today and tomorrow!«), und beweisen in der Folge durch
diverse Aktionen, dass das Gegenteil von »gut« nicht immer
»schlecht« ist, sondern oft auch »gut gemeint«.
HOG WILD
THE LIVE GHOST
James Parrott, US 1930
BUCH H. M. Walker, Leo McCarey | KAMERA Jack Stevens | MUSIK William Axt, Marvin
Hatley | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Charles McMurphy, Fay Holderness | LÄNGE 19 min |
FORMAT s/w, OmU, 35mm
Der Kapitän eines Schiffes mit schlechtem Ruf findet keine
Mannschaft und beauftragt Stan und Ollie mit dem Anheuern der Matrosen. Mit einem Trick gelingt ihnen das, doch
Stan und Ollie versuchen diesmal, eine Dachantenne zu
montieren, wobei sie das darunter befindliche Haus in
eine Ruine verwandeln. »Der letzte Sturz war nur ein Fluggeräusch und ein gewaltiges Platschen. Sogar Eisenstein
wäre stolz darauf gewesen«. (Basil Wright)
Charles Rogers, US 1934
BUCH H. M. Walker | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Irving Berlin, Marvin Hatley | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Mae Busch, Walter Long | LÄNGE 20 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
KINO.PROGRAMM LAUREL & HARDY
FR 25.12., 16:00 | DI 29.12., 18:00 | SA 2.1., 16:00 | DO 7.1., 18:00
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CHICKENS COME HOME
FR 25.12., 18:00 | MO 28.12., 16:00 | FR 1.1., 18:00 | SA 9.1., 16:00
LAUREL & HARDY UNTERM
EHEJOCH
BE BIG!
KINO.PROGRAMM LAUREL & HARDY
James Parrott, US 1931
BUCH H. M. Walker | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Anita Garvin, Anita Garvin, Isabelle Keith | LÄNGE 30 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
74
In Abwesenheit ihrer Frauen wollen Laurel & Hardy an
einer Konvention in Atlantic City teilnehmen. Sie schaffen
es aber nur bis zur eigenen Haustür, da sie mit den Reise­
vorbereitungen nicht vorankommen.
CHICKENS COME HOME
James W. Horne, US 1931
BUCH H. M. Walker, Hal Roach | KAMERA Art Lloyd, Jack Stevens | MUSIK Marvin Hatley, Leroy
Shield | MIT Stan Laurel, Oliver Hardy, Mae Bush, Thelma Todd, Norma Drew | LÄNGE 30 min |
FORMAT s/w, OmU, 35mm
Ollie kandidiert für das Amt des Bürgermeisters. In seinem
Büro erhält er einen überraschenden Besuch einer alten
Flamme, die ihn mit kompromittierenden Fotos aus der Vergangenheit erpresst …
COME CLEAN
James W. Horne, US 1931
BUCH Stan Laurel, H. M. Walker | KAMERA Art Lloyd | MUSIK Marvin Hatley, Leroy Shield | MIT
Stan Laurel, Oliver Hardy, Mae Bush, Gertrude Astor, Linda Loredo | LÄNGE 20 min | FORMAT s/w,
OmU, 35mm
Auf dem Weg zu einem Eissalon retten Laurel & Hardy eine
Selbstmörderin, die sich schließlich nicht mehr abweisen
lässt. Aufgrund ihres chronischen vorauseilenden schlechten Gewissens verbergen die beiden den ungebetenen Gast
vor ihren Frauen, natürlich vergebens.
WE FAW DOWN
Leo McCarey, US 1928
BUCH H. M. Walker | KAMERA George Stevens | MUSIK William Axt, Sol Levy | MIT Stan Laurel,
Oliver Hardy, Vivian Oakland, Bess Flowers | LÄNGE 20 min | FORMAT s/w, OmU, 35mm
Vorgeblich um ins Theater zu gehen, entkommen Laurel &
Hardy ihren Ehefrauen, nehmen aber stattdessen an einem
Pokerabend teil. Wieder zu Hause, schildert Ollie begeistert
den Theaterabend. Was er im Gegensatz zu den Ehefrauen
nicht weiß, ist, dass das Theater inzwischen abgebrannt ist.
Der Film enthält einige der besten Gags des Duos, was Jahre
später ein Remake zur Folge hatte: SONS OF THE DESERT.
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D.O.A. / OPFER DER UNTERWELT
Rudolph Maté, US 1950
BUCH Russell Rouse, Clarence Greene | KAMERA Ernest Laszlo | MUSIK Dimitri Tiomkin |
MIT Edmond OʼBrien, Pamela Britton, Luther Adler, Beverly Garland | LÄNGE 83 min |
FORMAT s/w, eOF, 16mm
Die jahrelange Kameraerfahrung Rudolph Matés lässt
auf Anhieb seine Regiearbeit D.O.A. zu einem erfolgreichen
B-noir-Krimi werden. Der in Krakau geborene Rudolph Maté
studierte noch in Budapest bei Alexander Korda, wurde für
die Kamera in Dreyers LA PASSION DE JEANNE D’ARC
(1928) beauftragt und widmete sich schließlich nach der
unterstützenden Kameraarbeit für Orson Welles’ THE
LADY FROM SHANGHAI selbst der Filmregie. Der russische
Komponist Dimitri Tiomkin war für die Filmmusik in D.O.A.
zuständig, der gebürtige Rudolstädter Paul Marquardt
assistierte ihm dabei, und Ernest Laszlo aus Budapest übernahm die Kamera.
Nicht nur die kreative Story, die in selbstanklagenden
Flash backs erzählt wird, macht D.O.A. zu einer exemplarischen Arbeit des Film noir. Auch die Visualisierung kulturhistorisch relevanter Strömungen, die sowohl die »Zweite
Reihe« des europäischen Filmexils zeigt, als auch eine der
ersten filmischen Darstellung des US-amerikanischen beat
movement erlaubt, streichen die Besonderheit von Matés
Regiewerk hervor. Ein lange unterschätzter Film, in dem die
Arbeit der Filmexilanten mit den Thriller-Traditionen der
Filmstudios in Hollywood und der neueren Musikentwicklung verschmilzt. (cw)
MO, 14.12, PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DER PSYCHOANALYTIKERIN
JEANNE WOLFF BERNSTEIN
FILM NOIR RELOADED ist eine Kooperation zwischen dem Film­
archiv Austria und dem Schwerpunkt Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte des Instituts für Zeitgeschichte sowie des Instituts für
Judaistik der Universität Wien. KINO.PROGRAMM FILM NOIR RELOADED
MO 14.12., 19:00 | DO 17.12., 20:00
75
KINO.PROGRAMM FILM NOIR RELOADED
76
DI 15.12., 19:00
MO 11.1., 19:00 | DO 14.1., 21:00
FILM NOIR – THE NEXT
GENERATION
MURDER IS MY BEAT /
MORD IST MEIN GESCHÄFT
THE NEXT GENERATION des Film noir sind Studierende
des Schwerpunkts Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte des
Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien, deren
Noir-Kurzfilmproduktionen nun erstmals im Kino gezeigt
werden. Ästhetische Merkmale des Film noir wurden auf­
genommen, im modernen Filmschaffen eingebettet und für
ein Kurzfilm-Format adaptiert. Nicht nur dekonstruierende
Darstellungen der Femme fatale als Femme moderne und
ironisierende Inszenierungen von exzentrischer Männlichkeit zeigen die Filme der Jungregisseure. Auch homoerotischen Bezügen und queeren Identitäten nähern sie sich in
der verruchten Atmosphäre des Film noir und in Verbindung mit modernen Settings cineastisch an. Unheimliche
und verlorene Gestalten ziehen in den Arbeiten der Studierenden durch die Gassen der nächtlichen Stadt, verüben
perfide Verbrechen und lassen das heutige Wien im düstereren Licht des DRITTEN MANNES erscheinen. Die Kurzfilme sind ohne aufwendiges Budget entstanden, zeugen von
kollegialer Teamarbeit und einer Wiener Annäherung an
die Traditionen des Film noir in seiner klassischen Periode
der 1940er- und 50er-Jahre in Hollywood. (cw)
Edgar G. Ulmer, US 1955
BUCH Aubrey Wisberg, Martin Field | KAMERA Harold E. Wellmann | MUSIK Albert Glasser |
MIT Paul Langton, Barbara Payton, Robert Shayne, Selena Royle | LÄNGE 77 min | FORMAT s/w,
OF, 16mm
Obgleich Edgar G. Ulmer neben den Siodmak-Brüdern, Fred
Zinnemann und Billy Wilder noch 1930 an MENSCHEN AM
SONNTAG mitwirkte, schaffte er es im Gegensatz zu den anderen Beteiligten nicht, dauerhaft in Hollywood seinen Platz
in der »Ersten Reihe« zu verteidigen. Nach DETOUR und
THE STRANGE WOMAN mit Hedy Lamarr folgten einige weniger namhafte Regiearbeiten. Doch durch die Hilfe der aus
Wien stammenden Exilantin Ilse Lahn sollte Ulmer MURDER
IS MY BEAT als Lowest-Budget-Produktion dennoch in ein
Meisterwerk verwandeln. Lahn half ihm nicht nur, überhaupt an das Projekt zu kommen, sie wirkte auch als CoProduzentin mit. Inkohärent und minimalistisch scheint der
narrative Aufbau in MURDER IS MY BEAT, doch viel mehr
als die Frage, wer den Mord begangen hat, wird die visuelle
Darstellung dieser Ungewissheit relevant. Durch die sinn­
liche Atmosphäre des Films nähert sich Ulmer trotz loser
narrativer Zusammenhänge den emotionalen Verstrickungen der undurchschaubaren Charaktere an und spielt mit
der scheinbaren Dichotomie von Gut und Böse.
STUDIERENDEN-KURZFILMABEND
FREIER EINTRITT – KLEIDUNG IN DEN NOIR-FARBEN ERWÜNSCHT!
MO, 11.1, PUBLIKUMSGESPRÄCH MIT DER PSYCHOANALYTIKERIN
JEANNE WOLFF BERNSTEIN
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VARVILLA
Valerio Gnesini, I 2015
BUCH Valerio Gnesini | KAMERA Alessio Valori | SCHNITT Diego Berré | MIT Albaro Torri |
LÄNGE 75 min | FORMAT Farbe, OmU, DCP
Der Dokumentarfilm VARVILLA versteht sich als Antwort
auf die ökonomische Krise und die Landflucht, die Italien in besonderer Weise erfasst hat. In Succisso, in der
italienischen Provinz Reggio Emilia haben sich die DorfbewohnerInnen vor 20 Jahren zusammengetan und eine
Cooperative gegründet, um so ihr Dorf vor dem Aussterben
zu bewahren. Heute betreibt »Das Tal der Ritter«, wie die
Cooperative genannt wird, eine Bar, einen Bauernhof, eine
Greißlerei und ist im Tourismus, in der Schafzucht und
Käseproduktion, in der Nahversorgung der Region und in
der Betreuung des Besucherzentrums des Nationalparks
aktiv. Ein einzigartiges Modell in Italien, das der Depopulation in kleineren Regionen des Landes entgegenwirkt und
das es in vergleichbarer Art nur in Australien gibt.
»Fast überall am Land basieren viele Infrastrukturen wie
Transport auf Freiwilligkeit. Hier funktioniert das alles halt
sehr gut und ohne materialistische Beweggründe. Man
kümmert sich umeinander, das ist auf jeden Fall ein Modell
für alle Menschen, egal, ob in einem Bergdorf oder in einer
Millionenstadt.« (Günther Pscheider)
KINO.PROGRAMM VARVILLA
SO 6.12., 13:00 | FR 11.12., 18:00 | SA 12.12., 20:15 | SO 13.12.,
19:00 | MO 14.12., 20:00 | DI 15.12., 18:00 | MI 16.12., 20:00 |
DO 17.12., 18:00
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MI 6.1., 19:00 | DO 7.1., 21:00 | FR 8.1., 19:00 | SA 9.1., 21:00 |
SO 10.1., 19:00 | MO 11.1., 20:00 | DI 12.1., 18:00 | MI 13.1., 20:00 |
DO 14.1., 18:00
COMRADES IN DREAMS
Uli Gaulke, D 2006
KINO.PROGRAMM OCOMRADES IN DREAMS
BUCH Uli Gaulke, Jeannette Eggert | KAMERA Axel Schneppat | SCHNITT Andrew Bird |
MUSIK Mark Orton | LÄNGE 100 min | FORMAT Farbe, OmU, 35mm
78
»35mm-Film stirbt zwar gerade, aber er ist noch nicht tot, deshalb
sollte man als Filmliebhaber jede Möglichkeit nutzen, Filme so zu sehen, wie es die Filmemacher die letzten 100 Jahre intendiert haben«,
sagt einer der Protagonisten in OUT OF PRINT, einer von zwei Österreich-Premieren, die das Filmarchiv im Dezember zum Thema »Das
Verschwinden einer Kultur« zeigt. 35mm-Kopien können nur mehr in
Filmarchiven und in Nachspielkinos gezeigt werden, umso schützenswerter erscheint vielen Regisseuren und Cineasten dieses Material,
das abgesehen von seinen ästhetischen Qualitäten auch dauerhafter
ist als das Digitale, das bei einem Systemwechsel nicht so einfach
kopiert werden kann. Mit dem Ende der 35mm-Projektion in den
meisten Kinos hat sich auch der Beruf des Filmvorführers radikal verändert. Diesem Handwerk, in der Regel von Filmfreaks gepflegt, wurde, und dem ebenfalls im Rückgang befindlichen Beruf des Wander­
kino bzw. Einsaalkinobetreibers wird in COMRADES IN DREAMS ein
melancholisch vergnügliches Denkmal gesetzt. (Günter Pscheider).
Der ehemalige Filmvorführer Uli Gaulke porträtiert filmbegeisterte Einzelkämpfer, die der Faszination des Kinos erlegen sind und es zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht haben, ohne sie jemals bloßzustellen. Man lacht und amüsiert
sich, dennoch ist man sich immer der großen Kraft und
Energie der Porträtierten bewusst, die es braucht, ein Wanderkino in der indischen Provinz, ein Kino ohne Dach in den
Slums von Ouagadougou in Burkina Faso, ein Dorfkino in
Nordkorea oder eine Mischung aus Kino und Stammkneipe
in einer Scheune in einem Nest in Wyoming aufzubauen und
zu betreiben. Er verbindet diese disparaten Orte und Menschen erzählerisch und visuell elegant zu einer überaus unterhaltsamen Dokumentation. Allen Schauplätzen ist die
Funktion des Kinos nicht als Ort einer Kunstform, sondern
als Gemeinschaft stiftendes soziales Ereignis eigen. Doch
ganz gleich, ob es um koreanisches Propaganda-Kino, kitschige Bollywoodmusicals oder Blockbuster wie TITANIC
geht, Penny und Anup, Han Yong-Sil sowie Lassane, Luc und
Zakaria sprechen die gleiche Sprache – die Weltsprache des
Kinos. (Günter Pscheider)
ÖSTERREICH-PREMIERE
MI 6.1., 21:00 | DO 7.1., 19:00 | FR 8.1., 21:00 | SA 9.1., 19:00 |
SO 10.1., 21:00 | MO 11.1., 18:00 | DI 12.1., 20:00 | MI 13.1., 18:00 |
DO 14.1., 20:00
OUT OF PRINT
Julia Marchese, US 2014
KAMERA Alex Simon | SCHNITT John Quinn | MUSIK Peter Marchese | MIT Kevin Smith,
Seth Green, Edgar Wright, Patron Oswalt, Rian Johnson u.v.a. | LÄNGE 86 min | FORMAT Farbe,
OF, 35mm
ÖSTERREICH-PREMIERE
»This ain’t no Multiplex« ist der Schlachtruf dieser wunderbaren Liebeserklärung an den Film – natürlich 35mm –,
das Kino im Allgemeinen und das New Beverly in L. A. im
Besonderen, das sich entgegen seines Namens seit 1978
auf die Wiederaufführung von Filmklassikern oder bemerkenswerten älteren Spielfilmen spezialisiert hat. Neben
Kultregisseuren wie John Landis, Joe Dante oder Stuart
Gordon kommen vor allem auch die wichtigsten Protagonisten dieses Cineastentreffpunkts ausgiebig zu Wort: die Fans,
von denen sich viele fast täglich im New Bev treffen, um
sich zusammen die zerkratzten 35mm-Kopien anzuschauen
und die Menschen hinter den Kulissen, die einen großen
Teil ihres Lebens in die schwierige Aufrechterhaltung des
Betriebs stecken. Nachspielkinos sind weltweit eine aus­
sterbende Spezies, der Film erzählt aber nicht nur von den
Problemen beim Auftreiben der 35mm-Kopien und von
der Wichtigkeit ihrer Erhaltung, sondern vor allem vom
Zusammenhalt der Filmenthusiasten-Community, von den
Filmvorführern bis zu Hollywoodlegenden wie Quentin
Tarantino, die sich vehement dafür einsetzen, dass auch
ältere Filme auf einer großen Leinwand gesehen werden
können. (Günter Pscheider)
KINO.PROGRAMM OUT OF PRINT
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ETRO EES
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KO
FOR
MUSIC
Özlem Bulut
FR 18.12., 20:30
KINO.PROGRAMM MUSIC FOR REFUGEES
LIVE-MÄRCHENHÖRSPIEL MIT DAVID KLEINL
UND BERNHARD EDER
80
lässt zur Abwechslung mal ihre Funk-Band zu Hause und
betritt solo, aber keineswegs leise, die Bühne. Berührend,
ausdrucksstark, ansteckend, unplugged.
Ex-Tanz-Baby!-Sänger David Kleinl beschäftigt sich seit
einigen Jahren mit der Nachstellung von Kinderhörspielen
im Live-Kontext. Für diesen Abend haut sich der »Märchenonkel« nun mit Musiker Bernhard Eder auf ein Packerl, um
den düster-romantischen Märchenklassiker Jorinde und
Joringel der Gebrüder Grimm nach einer Hörspielversion
aus den 1970er-Jahren zum Besten zu geben.
CHRISTIAN WIRLITSCH
WILLI LANDL
SA 19.12., 20:30
Willi Landl liebt es, mit den Worten zu spielen, mit ihnen
zu jonglieren und sie in Texte zu fassen, die doch einigen
Interpretationsspielraum offen lassen. Der Sänger und
Komponist beherrscht aber nicht nur den kunstvollen
Umgang mit Worten, auch gesanglich gelingt es ihm, ganz
eigene Akzente zu setzen. Im Piano-Gesangs-Duo gemeinsam mit Michael Hornek.
MARY BROADCAST
Ballast über Bord geworfen – check. Die Tanks mit neuem
Album gefüllt – check. Stimmung der Crew in der Kapsel?
Ausgezeichnet. Zeit, die nächste Antriebsstufe zu zünden.
Die Mary Broadcast Band beeinflusst mit ihrer Musik die
Soul-Pop-Landschaft Österreichs maßgeblich. Frontfrau
Mary Lamaro, eine DER Blues- und Soulstimmen Wiens,
Sein Motto: die Gitarre als Hoffnungsschimmer unserer
düsteren Existenz. Ein Lagerfeuerabend mit Freunden aus
30 Jahren wilden Künstlerlebens ... Guitar Glitter – so heißt
das neue Programm des charismatischen Oberösterreichers,
der einst mit der Band Lassiter eine der coolsten WüstenRock-Combos des Landes hatte.
LEYYA
Leyya waren auf einmal da. Ohne Vorwarnung oder Ankündigungen oder große Ambitionen ging ihre EP Drowning in
Youth durch die Decke: Soundparkband des Monats auf
FM4, Platz 4 in den Austrian Indie Charts. Die experimen­
telle Kombination aus Melancholie und Elektronikbeats
lässt zwei Welten kollidieren und tritt hier mit einem ex­
klusiven Akustik-Set auf.
BEN MARTIN
Berührende Songs, eine weiche, ausdrucksstarke Stimme,
seine ihm eigene, in 30 Jahren gereifte Art Akustikgitarre
zu spielen, ein altes Verzerrerpedal und ein Fender-Verstärker – das ist Ben Martin live 2015. Diesmal wieder begleitet
David Kleinl und Bernhard Eder
Leyya
Ben Martin
Mira Lu Kovacs
Lukas Lauermann
Das Trojanische Pferd
vom syrischen Perkussionisten Mohammad Shukri. Abschalten, runterkommen, zurücklehnen, leise sein. Und Einblick
nehmen – in den ganz eigenen Kern.
beiden Ausnahmemusiker bringen hier zum ersten Mal
exklusiv ihren gemeinsamen Beitrag Remember me (Dido’s
Lament) vom Sampler Melodies for Refugees.
BERNHARD EDER
DAS TROJANISCHE PFERD
Gut zwei Jahre sang sich Bernhard Eder bei unzähligen
Live-Auftritten den auf und durch Post Breakup Coffee
verarbeiteten Trennungsschmerz von der Seele. Genug
Zeit, um sich wieder neu zu (er)finden – menschlich wie
auch musikalisch. Nonsleeper, sein jüngstes Album, ist die
konsequente Entfaltung und Entwicklung von einem, der
auszog, nicht stillzustehen – was auch aktuell sein Beitrag
Es is zum rean auf der (von ihm zusammengestellten)
Compilation Melodies for Refugees beweist.
Keine großen Posen, kein platter Mainstream, stattdessen
ein eigenwilliger, authentischer »Chanson-Punk«, der seine
Wirkung nicht verfehlt. »Ich würde ums Verrecken keinen
belanglosen Scheiß singen«, erklärt Hubert Weinheimer.
Hinter beißenden Texten können sich richtiggehende Ohrwürmer verstecken. Wichtig ist nur: Lauwarm gilt nicht. Das
Trojanische Pferd brennt an beiden Enden.« (Der Falter)
MIRA LU KOVACS & LUKAS LAUERMANN
ÖZLEM BULUT
Mira Lu Kovacs, Frontfrau von Schmieds Puls, ist eine der
großen Entdeckungen unter den österreichischen Singer/
SongwriterInnen der letzten Jahre. Ihre gesungenen Blicke
auf sich und die Vergangenheit changieren irgendwo zwischen zart und zerbrechlich und kratzig und rau. »Endlose
Schönheit« (Davidek, FM4). Cellist und Klanggestalter
Lukas Lauermann ist bekannt für sein sensibel-melancho­
lisches Spiel und werkt genreübergreifend sowohl mit internationalen KünstlerInnen als auch heimischenAlternativeGrößen wie A Life, A Song, A Cigarette oder Soap & Skin.
Sein Solo-Projekt verbindet das Cello mit Elektronik und
erfindet eine ganz eigene, atmosphärische Sprache. Die
Özlem Bulut ist eine echte Kosmopolitin. In Anatolien geboren, sprengt sie nicht nur musikalisch die Grenzen und fand
den nicht gerade kürzesten Weg von der Straße an die
Wiener Staatsoper. Auf sinnliche, spannende und sehr persönliche Weise bringt sie die Klangwelten Anatoliens und
des Orients mit Jazz, Pop und Soul zusammen, man kann
gar nicht anders, als sich von dieser Mischung entführen zu
lassen und tanzend mit auf die Reise zu gehen.
EINTRITT: FREIWILLIGE SPENDE
KINO.PROGRAMM MUSIC FOR REFUGEES
SO 20.12., 20:30
Fotos: Özlem Bulut: © Marko Mestrovic | © David Kleinl | Cornelia Reidinger; Mira Lu Kovacs:
© Baldinger, ORF; © Lukas Lauermann
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AKT
DAS FILMARCHIV-AUSTRIA REFUGEES-PROJEKT
Deutschkurs für Flüchtlinge im Filmarchiv Austria
Open Archive –
Der erste Monat
»Complaining is silly, either act or
forget.« Dieser jüngst in der Ausstellung The Happy Show von Stefan
Sagmeister wieder aufgerufene
Satz beschreibt wunderbar auch das
Engagement der österreichischen
Zivilgesellschaft, die in Sachen Flüchtlingspolitik längst das Heft in die Hand
genommen hat.
Einigen dieser ehrenamtlichen Helfern
ist es auch zu verdanken, dass das
Filmarchiv Austria sein im Oktober
gestartetes Projekt Open Archive in
erfreulicher Form weiterentwickeln
konnte. Mittlerweile gibt es nicht nur
ein kleines Flüchtlingshilfe-Netzwerk
im Augarten, das die Gäste des Filmarchivs im praktischen Leben unterstützt, entstanden ist auch eine direkte
Verbindung mit der kulturellen Arbeit
des Hauses.
Für die im November veranstaltete
große Filmreihe LAND IN SICHT stellten die syrischen Gäste direkte Verbin-
KINO.PANORAMA
FÖRDERER & SPONSOREN
84
MEDIENPARTNER
dungen zu FilmemacherInnen in ihrem
Heimatland her – damit wurden etwa
brandaktuelle Smartphone-Aufnahmen
aus Damaskus oder auch unmittelbare
Dokumente der Flucht nach Europa
verfügbar. Open Archive versteht
sich ganz generell als Statement der
Inklusion, der Stiftung neuer Gemein-
schaften und einer gesellschaftlichen
Praxis, die Kunst und Leben zusammen
denkt – im Kino und darüber hinaus.
Wir freuen uns sehr über das rege
Interesse und die vielen kulturellen
Brückenschläge, die dieses Projekt
bereits ausgelöst hat.
VIENNALE 2015: BILANZ
FILMARCHIV AUSTRIA CLUB
»Aus Fleisch und Blut«
erfolgreichstes Special
bei der Viennale 2015
Vorteile für Mitglieder
Die Filmarchiv-Austria-Retrospektive
»AUS FLEISCH UND BLUT – Austrian
Pulp: Genrekino aus Wien und Anderswo« ist offiziell die erfolgreichste Filmschau der diesjährigen Viennale! Die
Filmreihe zum bisher wenig beachteten
Schund- und Schmutzkino sowie zum
wiederentdeckten Genrekino innerhalb
und außerhalb des Mainstreams lief
von 9.10. bis 8.11. im METRO Kinokulturhaus des Filmarchiv Austria. Im Namen
des Kurators Paul Poet sowie des gesamten Filmarchiv-Austria-Teams danken wir allen Partnern und Besucher­
Innen unseres Kinokultur­hauses!
TIPP
FÜHRUNGEN im
METRO Kinokulturhaus
Die Vermittlungsarbeit des Filmarchiv
Austria richtet sich seit der Eröffnung
der Ausstellung KINOMAGIE (9.10.2015–
30.3.2016) gezielt auch an Schüler jeden
Alters. Mit drei Grundlage-Konzepten für
Volksschule, Unterstufe und Oberstufe,
die in Zusammenarbeit mit »Die Bibliothekare – Verein für Kunstvermittlung
und Medienkunst« ausgearbeitet wurden, werden dialogische Führungen sowie ein abschließender alters- und gruppengerechter Workshop angeboten.
Weitere Informationen sowie Anfragen
zum Vermittlungsangebot erhalten Sie
unter [email protected]
NEUERSCHEINUNG
KINOMAGIE
Was geschah wirklich
zwischen den Bildern?
KATALOG ZUR AUSSTELLUNG
450 S. MIT CA. 400 ABBILDUNGEN
34,90
Die jahrhundertealte Kulturgeschichte
der optischen Medien und der bewegten Bilder ist das Thema der programmatischen ersten Ausstellung des
METRO Kinokulturhauses in Wien.
Unter dem Titel KINOMAGIE präsentiert das Filmarchiv Austria Highlights
aus der renommierten Sammlung
Werner Nekes und aus eigenen Beständen.
Der Katalog zu dieser Erlebnisaus­
stellung ist nun im Verlag Filmarchiv
Austria erhältlich.
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Kinoeintritt 6,– statt 8,50
Ausstellungsticket 4,50
statt 6,–
Kombiticket (Kino + Ausstellung) 9,50 statt 11,–
Mitglieder-Abo für 10 Karten
um 50,Einladungen zu Eröffnungsund Sonderveranstaltungen
(eine Karte gilt für 2 Personen)
Gratis-Zusendung der
Programmzeitschrift
Erweitertes Benutzerservice
im Studienzentrum Augarten
10% Rabatt auf alle Produkte
des Verlags Filmarchiv Austria
Ermäßigungen und Vergüns-­
tigungen bei FilmarchivKooperationspartnern *
Mitglieder-Aktion
Jetzt dem Filmarchiv Austria Club beitreten und alle Vorteile ab sofort bis
Ende 2016 genießen! Als Begrüßungsgeschenk erhalten Sie zusätzlich eine Austria-Wochenschau-DVD nach Wahl, abzuholen im METRO Kinokulturhaus. Ihre
persönliche Clubkarte erhalten Sie per
Post, bis dahin gilt der Zahlungsnachweis als Mitglieds-Ausweis. Sie können
Ihre Mitgliedschaft entweder im METRO
Kinokulturhaus lösen oder per E-Mail
mit Ihrem Namen und Postanschrift
unter [email protected] beantragen.
ERÖFFNUNGSAKTION GÜLTIG FÜR NEUE MITGLIEDER
BIS 31.12.2015
* KOOPERATIONSPARTNER
KINO.PANORAMA
VERANSTALTUNGSPARTNER
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PROGRAMMÜBERSICHT DEZEMBER 2015 | JÄNNER 2016
SA 05.12.
FR 11.12.
M0 14.12.
FR 18.12.
HISTORISCHER SAAL
17:30 POETRY-FILMFESTIVAL (S. 28)
HISTORISCHER SAAL
19:00 KAFKA GEHT INS KINO
KURZFILMPROGRAMM
DIE VEWANDLUNG (S. 45)
HISTORISCHER SAAL
19:00 FILM NOIR
D.O.A. + GESPRÄCH (S. 75)
HISTORISCHER SAAL
20:30 KONZERT
DAVID KLEIN/BERNHARD EDER,
WILLI LANDL, MARY BROADCAST,
CHRISTIAN WIRLITSCH (S. 81)
SO 06.12.
HISTORISCHER SAAL
13:00 VARVILLA + GESPRÄCH (S. 77)
17:00 POETRY-FILMFESTIVAL (S. 28)
MO 07.12.
HISTORISCHER SAAL
19:30 ERÖFFNUNG KAFKA GEHT INS KINO
WAS KAFKA IM KINO SAH
(MIT LIVE-MUSIK) (S. 41)
DI 08.12.
HISTORISCHER SAAL
17:00 KAFKA GEHT INS KINO
K.AF.KA FRAGMENT (S. 43)
19:00 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKA (S. 43)
21:00 KAFKA GEHT INS KINO
DER PROZESS (1962) (S. 42)
20:30 KAFKA GEHT INS KINO
KLASSENVERHÄLTNISSE (S. 46)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 VARVILLA (S. 77)
20:00
KLIMOV / ŠEPITKO
DER AUFSTIEG (S. 54)
SA 12.12.
HISTORISCHER SAAL
18:30 KAFKA GEHT INS KINO
DER PROZESS (1962) (S. 42)
21:00 KAFKA GEHT INS KINO
DAS SCHLOSS (1997) (S. 46)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 KLIMOV / ŠEPITKO
SPORT, SPORT, SPORT + LARISA (S. 54)
20:15 VARVILLA (S. 77)
MI 09.12.
S0 13.12.
HISTORISCHER SAAL
18:30 KAFKA GEHT INS KINO
DU BIST MEIN MENSCHENGERICHT
+ SAG ES MIR DIENSTAG (S. 44)
HISTORISCHER SAAL
18:00 KLIMOV / ŠEPITKO
ABSCHIED VON MATJORA (DF) (S. 55)
ERIC PLESKOW SAAL
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
K (S. 44)
DO 10.12.
HISTORISCHER SAAL
19:30 ERÖFFNUNG KLIMOV / ŠEPITKO
HERZLICH WILLKOMMEN
+ LARISA (S. 53)
20:30 KAFKA GEHT INS KINO
WAS KAFKA IM KINO SAH
(MIT LIVE-MUSIK) (S. 41)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 VARVILLA (S. 77)
21:00 KLIMOV / ŠEPITKO
DU UND ICH (S. 56)
KAFKA GEHT INS KINO
07.12.2015 – 17.01.2016
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 KLIMOV / ŠEPITKO
ABENTEUER EINES ZAHNARZTES (S. 56)
20:00 VARVILLA (S. 77)
DI 15.12.
HISTORISCHER SAAL
19:00 FILM NOIR
ABEND MIT STUDENTEN (S. 76)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 VARVILLA (S. 77)
20:00 SHI HUI
MEIN LEBEN (S. 60)
MI 16.12.
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 KLIMOV / ŠEPITKO
DER BEGINN EINES UNBEKANNTEN
ZEITALTERS + LARISA (S. 57)
20:00 VARVILLA (S. 77)
DO 17.12.
HISTORISCHER SAAL
19:00 KAFKA GEHT INS KINO
DAS SCHLOSS (1968) (S. 48)
20:45 KAFKA GEHT INS KINO
GELIEBTE MILENA (S. 48)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 VARVILLA (S. 77)
20:00 FILM NOIR
D.O.A. (S. 75)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 SHI HUI
NACHTASYL (S. 61)
20:00 KLIMOV / ŠEPITKO
KOMM UND SIEH (S. 57)
SA 19.12.
HISTORISCHER SAAL
20:30 KONZERT
LEYYA, BEN MARTIN, BERNHARD EDER,
MIRA, LUKOVACS, & LUKAS LAUERMANN,
DAS TROJANISCHE PFERD (S. 81)
ERIC PLESKOW SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY UND
IHRE LIEBSTEN FEINDE (S. 67)
18:00 KAFKA GEHT INS KINO
DER PROZESS (1993) (S. 50)
20:15 SHI HUI
MUTTER (S. 61)
S0 20.12.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
SONS OF THE DESERT (S. 68)
20:30 KONZERT
ÖZLEM BULUT (S. 80)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 SHI HUI
ECHTE FREUNDSCHAFT (S. 62)
21:00 KLIMOV / ŠEPITKO
DIE FLÜGEL (S. 58)
KLIMOV / ŠEPITKO
10.12.2015 – 03.01.2016
M0 21.12.
DO 24.12.
SO 27.12.
DI 29.12.
HISTORISCHER SAAL
19:00 LAUREL & HARDY
WAY OUT WEST (S. 68)
HISTORISCHER SAAL
10:00 LAUREL & HARDY
PARDON US (S. 70)
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
WAY OUT WEST (S. 68)
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
THE BOHEMIAN GIRL (S. 69)
20:45 KLIMOV / ŠEPITKO
ABSCHIED VON MATJORA (OmU) (S. 55)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 KLIMOV / ŠEPITKO
SCHWÜLE (S. 58)
20:00 SHI HUI
KOMPANIEFÜHRER GUAN (S. 62)
DI 22.12.
HISTORISCHER SAAL
19:00 LAUREL & HARDY
THE BOHEMIAN GIRL (S. 69)
21:00 KAFKA GEHT INS KINO
ICH STELLE MICH NOCH EINMAL VOR
+ DIE WELT DES HERRN K (S. 47)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 SHI HUI
AMERIKA IM VISIER (S. 63)
20:00 KLIMOV / ŠEPITKO
HERZLICH WILLKOMMEN + LARISA
(S. 53)
11:30 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY UND DIE
KUNST DER ZERSTÖRUNG (S. 71)
18:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY UND DIE
KUNST DER ZERSTÖRUNG (S. 71)
18:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY HABEN
ÄRGER OHNE ENDE (S. 73)
13:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY IN
ANARCHIE UND CHAOS (S. 72)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
DAS SCHLOSS (1997) (S. 46)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
DIE VERWANDLUNG
+ A LICENSED LIBERTY (S. 49)
FR 25.12.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY HABEN
ÄRGER OHNE ENDE (S. 73)
18:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY
UNTERM EHEJOCH (S. 74)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
GELIEBTE MILENA (S. 48)
ERIC PLESKOW SAAL
18:30 SHI HUI
HIMMLISCHE HOCHZEIT (S. 64)
20:30 KLIMOV / ŠEPITKO
AGONIE (S. 59)
MI 23.12.
SA 26.12.
HISTORISCHER SAAL
19:00 LAUREL & HARDY
SAPS AT SEA (S. 69)
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY IN
ANARCHIE UND CHAOS (S. 72)
20:30 KAFKA GEHT INS KINO
WER WAR KAFKA? (S. 47)
18:00 LAUREL & HARDY
SONS OF THE DESERT (S. 68)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 KLIMOV / ŠEPITKO
BÖSE ANEKDOTE (S. 59)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
K (S. 44)
20:00 SHI HUI
BRIEF MIT FEDER (S. 63)
ERIC PLESKOW SAAL
18:45 KLIMOV / ŠEPITKO
DER AUFSTIEG (S. 54)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 SHI HUI
KINDER DER WELT (S. 65)
21:00 KLIMOV / ŠEPITKO
BÖSE ANEKDOTE (S. 59)
MO 28.12.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY
UNTERM EHEJOCH (S. 74)
18:00 LAUREL & HARDY
PARDON US (S. 70)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
KLASSENVERHÄLTNISSE (S. 46)
ERIC PLESKOW SAAL
18:45 KLIMOV / ŠEPITKO
SPORT, SPORT, SPORT + LARISA (S. 54)
21:00 SHI HUI
NACHTASYL (S. 61)
ERIC PLESKOW SAAL
18:45 SHI HUI
KOMPANIEFÜHRER GUAN (S. 62)
21:00 SHI HUI
HIMMLISCHE HOCHZEIT (S. 64)
MI 30.12.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY UND
IHRE LIEBSTEN FEINDE (S. 67)
18:00 LAUREL & HARDY
SAPS AT SEA (S. 69)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKA GEHT INS KINO
+ DIE WELT DES HERRN K (S. 49)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 KLIMOV / ŠEPITKO
ABENTEUER EINES ZAHNARZTES (S. 56)
21:00 SHI HUI
ECHTE FREUNDSCHAFT (S. 62)
21:00 SHI HUI
DIE EHEFRAU LEBE HOCH (S. 64)
SHI HUI
15.12.2015 – 05.01.2016
LAUREL & HARDY
19.12.2015 – 10.01.2016
PROGRAMMÜBERSICHT DEZEMBER 2015 | JÄNNER 2016
FR 01.01.
SO 03.01.
DI 05.01.
DO 07.01.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
SONS OF THE DESERT (S. 68)
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
PADRON US (S. 70)
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
SAPS AND SEA (S. 69)
HISTORISCHER SAAL
18:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY HABEN
ÄRGER OHNE ENDE (S. 73)
18:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY
UNTERM EHEJOCH (S. 74)
18:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY IN
ANARCHIE UND CHAOS (S. 72)
18:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY UND
IHRE LIEBSTEN FEINDE (S. 67)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
DAS SCHLOSS (1968) (S. 48)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
DER PROZESS (1993) (S. 50)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
DU BIST MEIN MENSCHENGERICHT
+ SAG ES MIR DIENSTAG (S. 44)
ERIC PLESKOW SAAL
18:45 SHI HUI
MEIN LEBEN (S. 60)
21:00 KLIMOV / ŠEPITKO
DER BEGINN EINES UNBEKANNTEN
ZEITALTERS + LARISA (S. 57)
SA 02.01.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY HABEN
ÄRGER OHNE ENDE (S. 73)
18:00 LAUREL & HARDY
WAY OUT WEST (S. 68)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKA (S. 43)
ERIC PLESKOW SAAL
18:30 KLIMOV / ŠEPITKO
AGONIE (S. 59)
21:15 SHI HUI
AMERIKA IM VISIER (S. 63)
ERIC PLESKOW SAAL
18:30 KLIMOV / ŠEPITKO
KOMM UND SIEH (S. 57)
21:15 SHI HUI
BRIEF MIT FEDER (S. 63)
MO 04.01.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY UND DIE
KUNST DER ZERSTÖRUNG (S. 71)
18:00 LAUREL & HARDY
BOHEMIAN GIRL (S. 69)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKA-KURZFILME (S. 50)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 SHI HUI
MUTTER (S. 61)
21:00 SHI HUI
MEIN LEBEN (S. 60)
6.10.2015 BIS 30.3.2016
AUSSTELLUNG KINOMAGIE
WAS GESCHAH WIRKLICH
ZWISCHEN DEN BILDERN?
Unter dem Titel KINOMAGIE präsentiert das Filmarchiv Austria
Highlights zur jahrundertealten Kulturgeschichte der optischen
Medien und der bewegten Bilder.
Eine einzigartige Ausstellung!
ÖFFNUNSZEITEN:
MO – FR 14:00 – 21:00 UHR
SA, SO, FEIERTAGE 11:00 – 21:00 UHR
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 SHI HUI
DIE EHEFRAU LEBE HOCH (S. 64)
21:00 SHI HUI
KINDER DER WELT (S. 65)
MI 06.01.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY IN
ANARCHIE UND CHAOS (S. 72)
18:00 LAUREL & HARDY
SONS OF THE DESERT (S. 68)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
WER WAR KAFKA? (S. 47)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
21:00 OUT OF PRINT (S. 79)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
KURZFILMPROGRAMM
DIE VEWANDLUNG (S. 45)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 OUT OF PRINT (S. 79)
21:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
FR 08.01.
HISTORISCHER SAAL
18:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY UND DIE
KUNST DER ZERSTÖRUNG (S. 71)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKA GEHT INS KINO
+ DIE WELT DES HERRN K (S. 49)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
21:00 OUT OF PRINT (S. 79)
SA 09.01.
MO 11.01.
MI 13.01.
SA 16.01.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY
UNTERM EHEJOCH (S. 74)
HISTORISCHER SAAL
19:00 FILM NOIR
MURDER IS MY BEAT (S. 76)
+ GESPRÄCH
HISTORISCHER SAAL
19:00 KAFKA GEHT INS KINO
DAS SCHLOSS (1968) (S. 48)
HISTORISCHER SAAL
19:00 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKA GEHT INS KINO
+ DIE WELT DES HERRN K (S. 49)
18:00 LAUREL & HARDY
THE BOHEMIAN GIRL (S. 69)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
GELIEBTE MILENA (S. 48)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 OUT OF PRINT (S. 79)
21:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
SO 10.01.
HISTORISCHER SAAL
16:00 LAUREL & HARDY
LAUREL & HARDY UND
IHRE LIEBSTEN FEINDE (S. 67)
18:00 LAUREL & HARDY
WAY OUT WEST (S. 68)
20:00 KAFKA GEHT INS KINO
DER PROZESS (1962) (S. 42)
ERIC PLESKOW SAAL
19:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
21:00 OUT OF PRINT (S. 79)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 OUT OF PRINT (S. 79)
20:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
DI 12.01.
HISTORISCHER SAAL
18:45 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKAS DER BAU (S. 51)
19:00 KAFKA GEHT INS KINO
ICH STELLE MICH NOCH EINMAL VOR
+ DIE WELT DES HERRN K (S. 47)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
20:00 OUT OF PRINT (S. 79)
21:00 KAFKA GEHT INS KINO
K.AF.KA FRAGMENT (S. 43)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 OUT OF PRINTS (S. 79)
20:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
DO 14.01.
HISTORISCHER SAAL
19:00 KAFKA GEHT INS KINO
DIE VERWANDLUNG (1975)
+ A LICENSED LIBERTY (S. 49)
FILM NOIR
MURDER IS MY BEAT (S. 76)
ERIC PLESKOW SAAL
18:00 COMRADES IN DREAMS (S. 78)
20:00 OUT OF PRINT (S. 79)
FR 15.01.
HISTORISCHER SAAL
19:00 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKA-KURZFILME (S. 50)
21:00 KAFKA GEHT INS KINO
DAS SCHLOSS (1997) (S. 46)
21:00 KAFKA GEHT INS KINO
KAFKAS DER BAU (S. 51)
SO 17.01.
HISTORISCHER SAAL
18:00 KAFKA GEHT INS KINO
DER PROZESS (1962) (S. 42)
20:30 KAFKA GEHT INS KINO
GELIEBTE MILENA (S. 48)
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