LOG ISTIK-MA NAGEM E NT Weniger Automatisierung – mehr Gestaltungsfreiheit „Lean Logistik“ ein Schritt zu mehr Flexibilität im innerbetrieblichen Materialfluss Stetige und automatisierte Abläufe optimieren die Leistungsfähigkeit logistischer Systeme − so lautet die Theorie. Wenn allerdings die Umschlagsmengen über den Tag stark schwanken, kann ein gut geplanter und strukturierter Prozess mit geringerem Automatisierungsgrad effizienter sein. Auf der Basis dieser Erkenntnis hat Hellmann Worldwide Logistics die Fördertechnik respektive die Materialflussprozesse in seinen Niederlassungen optimiert. 12 f+h 1-2/2016 A utomatisierung – da soll es keinen Zweifel geben – ist der Königsweg zur Optimierung des innerbetrieblichen Materialflusses. Das belegen nicht zuletzt zahlreiche Fachbeiträge und Anwenderbeispiele. Allerdings findet die Automatisierung dort ihre Grenzen, wo ein hohes Maß an Flexibilität verlangt wird. Das gilt u. a. für die Niederlassungen der global tätigen Logistikdienstleister. Hier ist das Aufkommen der ein- und ausgehenden Sendungen sehr ungleichmäßig, und in Zeiten mit Auftragsspitzen müssen große Mengen an heterogenen Packstücken bewältigt werden, ohne dass es zu Fehllieferungen oder zu Verspätungen der Linienverkehre kommt. Hellmann Worldwide Logistics, Osnabrück, ein international führender Logistikdienstleister mit 244 eigenen Niederlassungen weltweit, hat gemeinsam mit der Managementberatung Porsche Consulting die Abläufe in den Niederlassungen genau untersucht und dabei u. a. auch die „Hardware“, d. h. die Fördertechnik, einer Prüfung unterzogen. Die Ergebnisse sind insofern verblüffend, weil sie zu einer Verringerung des Automationsgrads führten. Flurförderzeuge statt Fördertechnik Der Ist-Zustand in den zuerst untersuchten Pilot-Niederlassungen sah folgendermaßen aus: Im Warenausgang gab es drei Entladezonen, die über einen Schleppkettenförderer verbunden waren. In die Kette wurden Hubwagen eingehängt und mannlos transportiert. Das sorgt – so die Theorie – für definierte Wege, transparente Abläufe und effizienten Personaleinsatz. In der Praxis aber führte dieser Prozess zu Engpässen in Zeiten mit Auf- tragsspitzen. Zudem musste immer wieder Ware manuell gegen den Kettenlauf transportiert werden. Nach eingehender Analyse schlugen die Berater die Einführung eines neuen Prinzips vor: die sichere Direktverladung mit einer speziellen Art von Flurförderzeugen (Schnelllifter). Zudem wurde eine vierte Entladezone in Betrieb genommen. Der Verkehr zwischen diesen Entlade zonen fließt auf „Staplerautobahnen“ die jeweils als Einbahnstraße fungieren mit zusätzlichen Abkürzungsmöglichkeiten. Der Materialfluss bleibt also strukturiert, er wird aber flexibler. In der ersten Niederlassung (Bild 01), die nach diesem Prinzip optimiert wurde, erhöhte sich die Produktivität in mehr facher Hinsicht. „Die Nettokapazität der Niederlassung konnte gesteigert werden, zugleich wird weniger Fläche für die Umschlagprozesse benötigt“, so Andreas Baier, Partner bei der Porsche Consulting GmbH. Bei allen Kennzahlen wie Colli-Durchlaufzeit und Rampenbelegung ergaben sich Verbesserungen, und auch bei der Schadenquote und den Sonderfahrten war die Entwicklung positiv. In der Folge wurden weitere Niederlassungen nach diesem Prinzip optimiert. LOG ISTIK-MA NAGEM E NT Mitarbeiter-Know-how richtig einsetzen Die Verbesserungen, die das Personal von Hellmann gemeinsam mit Porsche Consulting erarbeitete und umsetzte, bezogen sich nicht nur auf das Layout der Niederlassungen und die eingesetzte Technik. Auch die Auch die Qualifizierung leistet einen Beitrag zur Optimierung der Prozesse in den Niederlassungen. Hellmann legt generell großen Wert auf die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Diese wird von der Hellmann academy verantwortet, die ihre Dienstleistungen auch externen Interessenten zur Verfügung stellt. Mit der Umsetzung eines ganzheitlichen Maßnahmenbündels befindet sich Hellmann auf dem Weg zur „schlanken Spedition“ „soft facts“ und die Arbeitsorganisation wurden optimiert. Baier: „Vorher gab es feste Verantwortlichkeiten für die Entladung und die Verladung. Jetzt organisieren sich die Mit arbeiter in Teams und sind je nach Arbeitsanfall in einem der beiden Bereiche tätig.“ Diese höhere Flexibilität trage ebenfalls zur Verkürzung der Colli-Durchlauf zeiten bei. 01 Zur Vermittlung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) hat die academy gemeinsam mit Porsche Consulting ein umfassendes Weiterbildungsangebot geplant und ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt steht dabei das „Modell Logistikcenter“ (MLC), für das Hellmann den Deutschen Internationalen Trainingspreis in Silber erhalten hat. Die Abläufe in den Niederlassungen wurden in einem Modellprojekt optimiert 14 f+h 1-2/2016 Lernen aus der Praxis Im MLC werden die Abläufe in einem L ogistikzentrum oder in einer der H ellmann-Niederlassungen simuliert (Bild 02). Bärbel Krehenbrink, Leiterin der KVP-Entwicklung: „Nach dem Motto ‚learning by doing‘ werden die Teilnehmer in die logistischen Prozesse eingebunden und erhalten zum Beispiel eine definierte Anzahl an Packstücken mitsamt Sendungsinformationen, die in vorgegebener Zeit auf die Destinationen zu verteilen sind. Der unmittelbare Lerneffekt besteht darin, dass diese Aufgabe nicht einfach zu lösen ist. Im ersten Durchlauf wurden die Planzahlen noch nie erreicht.“ Durch gezielte Optimierung gelinge es aber im Laufe eines Tages, die Durchlaufzeiten deutlich zu verkürzen. Der Lerneffekt sei viel größer, weil die Verbesserungen selbst erarbeitet wurden. Dieses Grundprinzip, das die Hellmann academy nutzt, stammt von Porsche Con- L OG IS T IK -M AN AG E ME N T sulting. Ursprünglich für produzierende Unternehmen entwickelt, die ihre Prozesse optimieren wollen, kommt das Konzept inzwischen auch bei Dienstleistern wie eben Hellmann Worldwide Logistics zum Einsatz. „Wir haben schon mehr als 2 800 Mitarbeiter im ‚Modell Logistikcenter‘ geschult und auch viele Mitarbeiter unserer Kunden. Außerdem bilden wir Mitarbeiter zu KVPManagern aus, die mit Expertenteams kontinuierlich Verbesserungen erarbeiten und umsetzen“, so Krehenbrink. Die „schlanke“ Logistik als Zielsetzung Optimierung des Niederlassungs-Layouts, Abschied von unflexibler Fördertechnik, weltweiter KVP und praxisgerechte Weiterbildung: Hellmann hat – mit Unterstützung von Porsche Consulting – ein ganzes Maßnahmenbündel umgesetzt, um die Prozesse zu optimieren und dem Ziel der „lean logistics“, der „schlanken Spedition“ mit stan- 02 Im „Modell Logistikcenter“ der Hellmann academy wird die Optimierung von Material- und Informationsflussprozessen praxisnah gelehrt dardisierten und schnellen Abläufen näher zu kommen. Krehenbrink: „Trotz hetero gener Sendungsstruktur und Verpackungseinheiten können wir in jeder einzelnen Niederlassung einen durchgängigen und strikt reproduzierbaren Informations- und Materialfluss sicherstellen. Dies verkürzt nicht nur die Durchlaufzeiten, sondern minimiert auch die Fehlerquote und erspart dem Kunden und uns Sonderfahrten.“ Fotos: Hellmann www.hellmann.net
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