| Standardisierte und schnelle Prozesse In der industriellen Produktion und der Intralogistik hat sich die Automatisierung weitgehend durchgesetzt. In der Speditionsbranche wird in der Regel halbautomatisiert gearbeitet und die Devise „Informationsfluss vor Materialfluss“ nicht immer befolgt. Hellmann Worldwide Logistics geht einen anderen Weg. GERALD SCHEFFELS G emeinsam mit Porsche Consulting arbeitet Hellmann zielgerichtet daran, die Prozesse in den Niederlassungen noch weiter zu optimieren und zu standardisieren – mit gutem Erfolg. Die Weiterbildung der Mitarbeiter spielt dabei eine zentrale Rolle. 245 Niederlassungen in 56 Ländern, 73.000 Sendungen pro Arbeitstag, rund 11.700 Mitarbeiter, im Netzwerkverbund sogar 19.300 Beschäftigte in 445 Büros in 157 Nationen: Das sind einige Daten von Hellmann Worldwide Logistics mit Hauptsitz in Osnabrück. Das Mission Statement des UnGerald Scheffels ist Fachjournalist in Wuppertal 46 MM Logistik 8 2014 ternehmens, das in vierter Generation von Jost und Klaus Hellmann geführt wird, ist klar und eindeutig: „Wir haben uns dazu verpflichtet, der weltweit führende Logistikanbieter im Hinblick auf Dienstleistung, Qualität, Innovation und Umweltschutz zu sein.“ Staplerautobahn ersetzt die vorhandene Förderkette Diese Verpflichtung lässt sich nur einlösen, wenn die Prozesse kontinuierlich auf den Prüfstand gestellt und Optimierungspotenziale gezielt erschlossen werden. Dieser Aufgabe hat Hellmann sich gestellt und gemein- sam mit Porsche Consulting die Abläufe in den Niederlassungen genau untersucht. Andreas Baier, Geschäftsbereichsleiter bei der Porsche Consulting GmbH: „Wir haben zunächst die Kennzahlen in einzelnen Niederlassungen ermittelt und dann den Warenfluss teilweise neu gestaltet.“ Dabei gingen die Berater nach dem Prinzip der sicheren Direktverladung vor, verdoppelten die Anzahl der Entladezonen von zwei auf vier und legten die vorhandene Förderkette kurzerhand still. Deren „Einbahnstraße“ wurde durch „Autobahnen“ mit zusätzlichen Abkürzungsmöglichkeiten ersetzt. PROZESSOPTIMIERUNG | MANAGEMENT UND IT Für unterwegs Die Porsche-Akademie Unternehmensberatung ganz praxisnah: in der Porsche-Akademie. 09703 einen möglichst effizienten Hotelbetrieb aufzubauen. Marc Zacherl, Leiter der Porsche-Akademie: „Das ist nicht nur für Hotelfachleute eine hervorragende Aufgabe, sondern auch für Anlagenbauer, Instandhalter und Unternehmen mit komplexen Wartungs- und Reparaturprozessen.“ Bild: Hellmann Junge Herren in gut sitzenden Anzügen erfassen Daten, durchleuchten Strukturen und krempeln zu guter Letzt das Unternehmen um: Das ist das Klischee des Consulting-Geschäftes. In der Porsche-Akademie, einem Geschäftsbereich der Porsche Consulting GmbH, werden diese Vorurteile auf den Kopf gestellt. Hier arbeiten Klienten an simulierten Produktionslinien und erproben selbst ganz praxisnah, welche Prozesse und Handgriffe sich effizienter gestalten lassen. Rund 2000 Teilnehmer zählt die PorscheAkademie jedes Jahr, darunter auch Vorstände, Geschäftsführer und Produktionsleiter. Dass sich das Konzept auf (Logistik-)Dienstleistungen übertragen lässt, zeigt neben dem Modell Logistikcenter (MLC) der Hellmann-Academy auch ein Modell-Hotel, das Porsche Consulting aufgebaut hat. Hier haben die Teilnehmer die Aufgabe, Bild: Porsche Consulting Fast spielerisch zum schlanken Unternehmen In einem Modellprojekt hat Hellmann gemeinsam mit Porsche Consulting die Abläufe in den Niederlassungen optimiert und „industrialisiert“. Das ist eine Abkehr von der Automatisierung, die aber – genau wie geplant – zu einem Produktivitätssprung führte. In der ersten Niederlassung, die nach diesem Prinzip optimiert wurde, erhöhte sich die Produktivität sehr deutlich. Zudem konnte die Dauer der Rampenbelegung pro Lkw in der Ent- und Verladung drastisch verkürzt werden. Auch bei der Schadensquote und den Sonderfahrten war die Entwicklung deutlich positiv. Baier ergänzt: „Ähnliche Verbesserungen haben wir bei anderen Niederlassun- gen erreicht, die wir im Anschluss gemeinsam optimiert haben.“ Ab sofort finden Sie MM Logistik auch auf dem Smartphone oder Tablet-PC. News aus der Logistikbranche, Produktinformationen und Bildergalerien – immer aktuell, 24/7 verfügbar. Deutliche Verbesserung der Kennzahlen Die Verbesserungen, die die Hellmann-Mitarbeiter gemeinsam mit Porsche Consulting erarbeiteten und umsetzten, bezogen sich aber nicht nur auf das Layout der Niederlassungen und die eingesetzte Technik. Auch die „Softfacts“ und die Arbeitsorganisation wurden optimiert. „Vorher gab es feste Ver- ---> mobil.mm-logistik.de 47 MM Logistik 8 2014 Bild: Hellmann MANAGEMENT UND IT | PROZESSOPTIMIERUNG „Learning by doing“: Im Modell Logistikcenter (MLC) der Hellmann-Academy optimieren Mitarbeiter und Kunden den Material- und Informationsfluss. nie erreicht." Durch gezielte Optimierung gelingt es aber im Laufe eines Tages, die Durchlaufzeiten deutlich zu verkürzen: „Der Lerneffekt ist sehr viel größer, weil die Verbesserungen selbst erarbeitet werden.“ Dieses Grundprinzip, das die HellmannAcademy nutzt, stammt von Porsche Consulting. Ursprünglich für produzierende Unternehmen entwickelt, die ihre Prozesse optimieren wollen, kommt das Konzept der Porsche-Akademie inzwischen auch bei Dienstleistern wie eben Hellmann Worldwide Logistics zum Einsatz. Bärbel Krehenbrink: „Wir haben schon rund 2000 Mitarbeiter im Modell Logistikcenter geschult. Außerdem bilden wir in der Academy Mitarbeiter zu KVP-Managern aus, die den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung nach außen tragen.“ Das MLC kommt nicht nur bei den eigenen Mitarbeitern gut an. Häufig nehmen auch Mitarbeiter von Kunden an den Schulungen teil. Und bei den Experten der beruflichen Weiterbildung ist das Konzept ebenfalls hoch angesehen: Im Jahr 2013 wurde die Hellmann-Academy mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis in Silber ausgezeichnet. Bild: Hellmann Auf dem Weg zur „schlanken“ Spedition Die Produktivität in den Niederlassungen stieg erheblich, die Verweildauer der Lkw an der Rampe sank. antwortlichkeiten für die Entladung und die Verladung. Jetzt organisieren sich die Mitarbeiter in Teams und sind je nach Arbeitsanfall in einem der beiden Bereiche tätig“, erklärt Baier. Das trägt maßgeblich zur Verkürzung der Kolli-Durchlaufzeiten bei. Von Anfang an war klar, dass Hellmann die Verbesserung der Prozesse auch nach der Beratung durch Porsche Consulting weiter vorantreiben wollte. Deshalb wurde ein KVP-System (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) mit intensiver Einbindung der Mitarbeiter implementiert, das in der Folge schon zu vielen Optimierungen geführt hat. Ein zentraler Bestandteil – quasi der „Inkubator“ – des KVP ist die regelmäßige Weiterbildung der Mitarbeiter in der HellmannAcademy. Bärbel Krehenbrink, Leiterin der Academy: „Wir haben ein interdisziplinäres 48 MM Logistik 8 2014 Projektteam gebildet, das gemeinsam mit Porsche Consulting ein umfassendes Weiterbildungsangebot geplant hat. Im Mittelpunkt steht dabei unser Modell Logistikcenter (MLC).“ „Learning by doing“: die Hellmann-Academy Wer an einer Veranstaltung im MLC teilnimmt, muss nicht nur mitdenken, sondern auch mitarbeiten. Genau wie in einem „richtigen“ Logistikcenter erhalten die Teilnehmer eine definierte Anzahl an Packstücken mitsamt Sendungsinformationen, die in vorgegebener Zeit auf die Destinationen zu verteilen sind. Das klingt einfach, aber der erste Eindruck täuscht. Bärbel Krehenbrink: „Im ersten Durchlauf wurden die Planzahlen noch Optimierung des Niederlassungs-Layouts, Abschied von unflexibler Fördertechnik, weltweiter kontinuierlicher Verbesserungsprozess und praxisgerechte Weiterbildung in der Hellmann Academy: Hellmann hat – mit Unterstützung von Porsche Consulting – ein ganzes Maßnahmenbündel umgesetzt, um die Prozesse zu optimieren und dem Ziel der „lean logistics“ oder, auf Deutsch, der „schlanken Spedition“ mit standardisierten und schnellen Abläufen ein Stück weit näherzukommen. Bärbel Krehenbrink: „Trotz heterogener Sendungsstruktur und Verpackungseinheiten können wir in jeder einzelnen Niederlassung einen durchgängigen und strikt reproduzierbaren Informations- und Materialfluss sicherstellen. Das verkürzt nicht nur die Durchlaufzeiten, es minimiert auch die Fehlerquote und erspart dem Kunden und uns Sonderfahrten.“ Ungewöhnlich ist es, dass diese Verbesserungen auch durch eine Reduzierung des Automatisierunsgrades erreicht wurden. Offenbar gilt in der Logistik auch das, was die Produktioner schon vor Jahren festgestellt haben: Automatisierung ist nur dort sinnvoll, wo sie ausreichend Flexibilität zulässt. Ein Widerspruch zur fortschreitenden Industrialisierung der Logistik ist das nicht. ■
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