FOCUS Vor 150 Jahren begann der Bau des Wasserreservoirs auf dem Bruderholz. «Die beste Wasserleitung auf dem ganzen Kontinent» Vor 150 Jahren begann in Basel eine neue Ära: Die «neuzeitliche HausWasserversorgung» wurde in Betrieb genommen. In seinen Grundzügen blieb das epochale Werk bis heute erhalten. Text: Güvengül Köz Brown; Bild: J.J. Schneider, 1865, StABS Das muss man sich einmal vorstellen: Jeden Liter Wasser, den wir verbrauchen, müssen wir zuvor in die Wohnung tragen. Heute würden wir dafür 10 bis 20 mal am Tag mit zwei Eimern zum Brunnen laufen. Auch wenn das für uns undenkbar ist – für die meisten Bewohnerinnen und Bewohner von Basel funktionierte die Wasserversorgung in der Mitte des 19. Jahrhun- 1866 Die Druckwasserversorgung mit Trinkwasser nimmt den Betrieb auf. 1882 derts genau so. Man kann sich deshalb gut denken, welche Erleichterung es für sie bedeutete, als vom 12. April 1866 an Wasserleitungen direkt in die Wohnung führten. Basel erlebt einen Wachstumsschub Basel war Mitte des 19. Jahrhunderts dank Handel, Seidenbandweberei und seiner Universität >> Das Pumpwerk Lange Erlen wird ins Stadtnetz integriert. 150 Jahre Wasserversorgung 1864 Die private «Gesellschaft für Wasserversorgung der Stadt Basel» wird ins Leben gerufen. 1879 Gründung des Gas- und Wasserwerks Basel. Ein werkeigenes Laboratorium für Wasserqualität nimmt die Arbeit auf. 1913 energie & wasser 1 /16 13 FOCUS >> eine Stadt mit europaweiter Ausstrahlung, doch nach heutigen Massstäben ziemlich klein: 1850 zählte die Stadt gut 27 000 Einwohner, die innerhalb der alten Stadtmauern wohnten. In den Folgejahren erlebte Basel aber einen regelrechten Wachstumsschub. Die aufblühende Industrie zog immer mehr Menschen an und bis 1860 war die Bevölkerung auf fast 38 000 gewachsen. Die Brunnen stossen an ihre Grenzen Seit langer Zeit wurde Grossbasel mit fünf Brunnwerken versorgt, die gutes Quellwasser aus der Umgebung in die Stadt leiteten. Kleinbasel verfügte über das Riehenwerk, das Grundwasser förderte. Hinzu kamen Lochbrunnen mit städtischen Quellen sowie Sodbrunnen, aus denen Grundwasser geschöpft oder gepumpt wurde. Doch ganz so komfortabel war die Lage inzwischen nicht mehr: Das Wasser wurde knapp. Und weil es in Basel noch keine Abwasserentsorgung gab, war das Grundwasser verunreinigt. 1855 wütete die Cholera, 1865 brach eine Typhusepidemie aus. Immer drängender wurde für die Stadt auch das Löschwasserproblem. Private bieten Abhilfe an In dieser Situation waren es vermögende Privatpersonen, die Abhilfe versprachen. Sie kauften neue Quellen, boten an, Leitungen in die Stadt zu bauen, und schlugen Projekte für eine Versorgung mit Fluss- und Grundwasser vor. Auch der Papierfabrikant Niklaus Kaiser und der Fabrikdirektor Joseph Ziegler-Thoma aus Grellingen boten der Stadt 1862 Quellwasser an. Die Stadtbehörden überliessen die anspruchsvolle Aufgabe gern einer privaten Gesellschaft und das Grellinger Projekt machte das Rennen. Der Grosse Rat genehmigte den Vertrag mit der Aktiengesellschaft 1864. Der «tüchtige Oberingenieur» Um das Grellinger Projekt zu verwirklichen, wurde ein technischer Leiter gesucht und in Deutschland gefunden: Der englische Ingenieur John Moore hatte schon für einige Städte eine Wasserversorgung aufgebaut. Kurz nach seinem Amtsantritt 1865 schlug er vor, das Projekt anzupassen. Das Quellwasser sollte nicht einfach in die Stadt geleitet werden, sondern zunächst in ein Reservoir auf dem Bruderholz gelangen. Diese Trennung des Leitungssystems hatte technische Vorteile und John Moore meinte später, Basel habe jetzt «die beste Wasserleitung auf dem ganzen Kontinent». Die Stadt brauchte auch Druckwasser zum Feuerlöschen. John Moore erkannte jedoch, dass frei stehende Hydranten den Verkehr in den ohnehin engen Strassen und Gassen behindert hätten. Deshalb schlug er ein System von 400 Unterflurhydranten vor. Wasser marsch! Nach nur gerade zwei Jahren Bauzeit wurde in Basel am 12. April 1866 der Wasserhahn aufgedreht. Auf dem Aeschenplatz verkündete der neue, 47 Meter hohe Springbrunnen, dass für die Stadt Basel eine neue Zeit angebrochen war. 1867 gab es 392 Abonnenten, 1868 waren es bereits 711. Zunächst bezahlten die Haushalte pauschal nach der Anzahl Zimmer. Da die Leute von den öffentlichen Brunnen daran gewöhnt waren, dass das Wasser immer fliesst, drehte kaum jemand den Hahn zu. So ging anfänglich sehr viel Wasser verloren und man musste die Leute erst dazu erziehen, das Wasser abzustellen, wenn sie es nicht brauchten. Schnell nimmt man eben auch grosse Fortschritte wie fliessendes Trinkwasser als gegeben hin. Bis 1882 wurden deshalb Wassermesser eingeführt. 1964 Die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft gründen gemeinsam die Hardwasser AG. 14 energie & wasser 1/16 1955 Im Gebiet Lange Erlen geht eine Schnellfilteranlage in Betrieb, das Grundwasser wird erstmals mit Wasser aus dem Rhein angereichert. Der Wasserverbrauch erreicht mit fünfzig Millionen Kubikmetern seinen Höchststand. 1976 «Das war ein mutiges Projekt» Bild: IWB Thomas Meier, der Leiter Produktion Wasser bei IWB, kennt die Geschichte der Basler Wasserversorgung und weiss sie zu würdigen. Wie beurteilen Sie die damalige Leistung? Bis 1866 erschloss man in nur zwei Jahren Bauzeit die Quellen im Laufental, erstellte die 21 Kilometer lange Leitung zum Bruderholz, das Reservoir sowie sechzehn Kilometer Leitungen in der Stadt und baute ein System von Unterflurhydranten auf. So etwas wäre heute trotz des technischen Fortschritts kaum mehr möglich. Damit wurde der Grundstein gelegt für ein System, von dem wir 150 Jahre später immer noch profitieren. Das war ein mutiges Projekt – wobei damals die Stadt fast am wenigsten Mut bewies und die Initiative zunächst Privaten überliess. Was war für das Jahrhundertprojekt erfolgsentscheidend? Man hatte das grosse Glück, mit John Moore an die richtige Person zu gelangen. Zu Beginn sah das Projekt etwas anders aus, doch er wollte das Quellwasser nicht einfach fassen und in die Stadt leiten, sondern schlug ein Reservoir beim Bruderholz auf 340 m ü. M. vor. Damit erreichte er einen Druck von 4.5 Bar in der Stadt, entkoppelte Zuleitung und Verteilung und konnte damit verhindern, dass Druckschwankungen und mögliche Lufteinschlüsse in den Leitungen Rohrbrüche verursachen können. Und wie hat sich die Wasserversorgung seither verändert? Viele weitere Entwicklungen waren getrieben von der Suche nach weiteren Wasservorkommen. Als Ergänzung zum Quellwasser wurde ab 1882 Grundwasser in den Langen Erlen gefördert. 2003 1999 Das IWB Wasserlabor wird als Prüflabor und Inspektionsstelle akkreditiert. Wichtig war auch die künstliche Grundwasseranreicherung mit dem Flusswasser aus der Wiese und später aus dem Rhein. Damit war das Mengenproblem behoben. Ein entscheidender Schritt war auch die Gründung der Hardwasser AG, des zweiten grossen Wasserwerks für Basel. Bis 1976 ging man verschwenderisch mit dem Wasser um und auch die Industrie brauchte grosse Mengen. Seither hat sich der Wasserverbrauch auf 28 Millionen Kubikmeter fast halbiert. Und natürlich hat sich seit der Einführung des ersten werkeigenen Laboratoriums 1913 die Qualitätssicherung deutlich weiterentwickelt. So steht heute auch nicht mehr die Quantität, sondern die Qualität im Fokus der Trinkwasserproduktion. Buchtipp Möchten Sie mehr darüber erfahren, wie die Wasserversorgung von Basel-Stadt entstanden ist und sich seither entwickelt hat? Werner Aschwanden, der im vergangenen Oktober verstorbene ehemalige Leiter der Trinkwasserproduktion von IWB, hat dazu ein faszinierendes Buch geschrieben, das Technik- und Sozialgeschichte verbindet und mit vielen Zeitdokumenten schön illustriert ist: Die Wasserversorgung von Basel-Stadt 1866 bis 2016 Weitere Informationen zum ab Mitte April 2016 erhältlichen Buch finden Sie auf der folgenden Seite. Das Wasser aus den Laufentalquellen wird nicht mehr in das Basler Leitungsnetz eingespeist. 2008 Ein Prozessleitsystem erlaubt den vollautomatischen Betrieb der Wasserversorgung. energie & wasser 1 /16 15
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