wenn das Wort missbraucht wird

Glauben verstehen | Kurs halten! Timotheus |
Das HauskreisMagazin Nr. 25
Kurs halten …
1 … wenn das Wort
Timotheus
missbraucht wird
Schon in der zweiten und dritten Generation nach
Jesus musste seine Gute Nachricht gegen Missbrauch
verteidigt werden. Eine Herausforderung, die sich
im Laufe der Kirchengeschichte bis heute nicht
verändert hat.
Lesen Sie 1. Timotheus 1,1–11
thinkstockphotos.com; Creatas
Meine spontane Reaktion auf diesen Bibeltext:
Hintergründe
& Erklärungen
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Eine Kampfsituation
Der erste Timotheusbrief bezieht keine Stellung zum richtigen
oder falschen Gebrauch der Bibel,
denn die Bibel in der Form, wie wir
sie heute haben – mit Altem und
Neuem Testament, gab es zu der
Zeit noch gar nicht. Es handelt sich
beim ersten Timotheusbrief auch
um keine systematische Darstellung, nicht um ein Schreiben
„vom Schreibtisch für den Schreibtisch“ (H.-W. Neudorfer), sondern
um eine „Dienstanweisung“ an
Timotheus, den Gemeindeleiter
von Ephesus und vertrauten Mitarbeiter des Paulus.
Timotheus befand sich offensichtlich in einer brenzligen Situation. Seine Gemeinde war durch
Irrlehrer akut bedroht. Darum war
es wichtig, der Gemeinde eine
geistliche Ordnung zu vermitteln.
In diesem Zusammenhang stellt
Paulus „falsche Lehren“ (Vers 3) und
„gesunde Lehre“ (Vers 10) einander
gegenüber. Wie können diese unterschieden werden? Welche Kriterien werden genannt?
Kennzeichen von guter und
falscher Lehre
In der Gemeinde des Timotheus
hatten offensichtlich Menschen
das Wort ergriffen, die sich in
Spekulationen über Mythen und
lange Geschlechtsregister (Vers 4)
verloren.
Von Fabeln und endlosen
Genealogien ist hier die Rede. Was
sich inhaltlich dahinter verbirgt,
war sicher dem Timotheus und der
Gemeinde klar, ist aber für uns
heute nicht leicht zu bestimmen.
Möglicherweise ergingen sich einflussreiche Personen der Gemeinde in Spekulationen über die
Schöpfung der Welt und über die
biblische Urgeschichte. Vielleicht
betrieben sie in einem starken Maße
Ahnenforschung und versuchten
auf diese Weise, ihre eigene Autorität zu stützen. Auf jeden Fall, so
schreibt Paulus, führten diese
Bemühungen zu übertriebenen
Spitzfindigkeiten und zu nutzlosem Gerede und Streit.
Gegenüber diesem ziellosen und
unfruchtbaren Geschwätz kommt
es Paulus darauf an, dass jede
Unterweisung, jedes Lehrgespräch
dazu dienen soll, das Vertrauen zu
Gott zu fördern. Der Glaube soll
echt sein – ohne jede Heuchelei.
Außerdem bewirkt die gute Lehre
immer auch wachsende Liebe, die
sich in geklärten Beziehungen zu
Gott und zum Mitmenschen zeigt.
Gesetzlichkeit ist kein Weg!
Die Irrlehrer treten als „Möchtegern-Gesetzeslehrer“ (H.-W. Neudorfer) auf und wollen, so kann
man das der Argumentation des
Paulus in den Versen 8 bis 10 ent-
Glauben verstehen
nehmen, das jüdische Gesetz als
Weg zum Heil durch die Hintertür
wieder einführen. Das Gesetz sei
doch für Christen da und an der
Befolgung des Gesetzes entscheide
sich die Zugehörigkeit zu Jesus und
seiner Gemeinde, so behaupten es
die Gesetzlichen. Paulus betont
dagegen: Das Gesetz ist für die
Gesetzlosen da, es zeigt deren verwerfliche Taten auf und verurteilt
sie. Christen gehören zu Jesus, weil
sie von Jesus erlöst wurden, und das
nicht wegen ihrer Gesetzestreue.
Aus dieser Erkenntnis entsteht
eine neue Haltung: Weil die Nachfolger Jesu Gott lieben und ihm
vertrauen, richten sie sich freiwillig und gern nach Gottes Willen.
Insofern spielt das Gesetz für sie
eine Orientierungsrolle.
Jemand, der aus einem Muss, aus
einer Pflicht heraus, das Gesetz
beachtet (Gesetzlichkeit), fragt: Was
darf ich? Was darf ich nicht? Wo
sind Schlupflöcher? Wo sind die
Grauzonen? Was darf ich mir noch
erlauben? Es sind die Fragen nach
der Grenze des Verbotenen. Jemand,
der vom Freispruch durch Jesus herkommt, fragt: Herr, was hast du mit
mir vor? Wie kann ich dir am besten
dienen? Wie kann ich dich mit meinem Leben ehren? Wie kann ich
anderen mit meinem Leben bezeugen, dass du mich frei gemacht hast?
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Fragen &
a) Paulus stellt in seinen Briefen gesunde Lehre und
ungesunde Lehre einander gegenüber (zum Beispiel
im Epheserbrief): Das Evangelium macht heil,
Irrlehre macht krank. Welche Erfahrungen mit
heil- oder krankmachender Verkündigung haben Sie
gemacht?
b) Worauf zielt gesunde Lehre?
c) Was ist das Gute am Gesetz?
d) Was ist ein schlechter Umgang mit dem Gesetz?
e) Auch Gemeinden und Hauskreise leiden manchmal unter „Spezialthemen“, „Spezialistenfragen“
oder aufgeblasenen Randthemen. Welche Themen
dieser Art fallen Ihnen ein?
f) „Die Theologie muss wieder das werden, was sie
einst war, eine positive Wissenschaft, eine Wissenschaft, die der Förderung des Glaubens dient, nicht
seiner Dekonstruktion“, schreibt der Theologe
Sebastian Moll. Stimmt diese Forderung mit der
Haltung des Paulus überein? Wie denken Sie darüber?
g) Gibt es nur jeweils eine gültige Auslegung der Bibel
und muss man so lange kämpfen, bis man dorthin
gekommen ist oder kann man auch mehrere Auffassungen nebeneinander stehen lassen? Wie vermeidet
man dann Beliebigkeit und Unverbindlichkeit?
h) Wenn es im Hauskreis Streitgespräche, etwa über
biblische Auslegung, gibt: Wann kann man einem
Streit etwas Positives abgewinnen? Worin liegen
Chancen? Wann wirkt er zerstörerisch? Und wie
kann man einer sinnlosen oder gar sich negativ auswirkenden Auseinandersetzung Einhalt gebieten?
i) Woran liegt es, dass im Hauskreis manchmal nur
die „Lieblingsthemen“ einzelner besprochen werden,
egal, welches Thema dran ist oder welcher Bibeltext
dem Gespräch zugrunde liegt, und wie lässt sich
dem entgegenwirken?
j) „Wenn unsre Liebe nicht mehr ist als ein Gefühl …“,
heißt es in einem Lied von Hartmut Birkelbach.
Wie macht Paulus klar, dass es bei der Liebe um
mehr geht als um ein schönes Gefühl?
k) Welche der folgenden Fragen empfinden Sie als
gesetzlich und welche als von der Liebe zu Jesus
„durchsetzt“ (evangeliumsgemäß)?
Wer ist mein Nächster? Wie oft muss ich vergeben?
Und wo bleibe ich? Kannst du mich gebrauchen,
Herr? Was ist erlaubt? Wem kann ich der Nächste
sein? Darf ich das? Was dient der Sache Gottes? Wie
kann ich dir dienen? Jesus, kannst du mir helfen,
einem anderen Menschen zu vergeben?
Gesprächsideen
Impuls
„Die Bibel ist in ihrer langen Geschichte von vielen
Ideologien konfisziert und zu Propagandazwecken
missbraucht worden.“
Sebastian Moll (Jesus war kein Vegetarier, Seite 11)
„Es gibt Menschen, die die Bibel nicht brauchen.
Ich gehöre nicht zu ihnen. Ich habe die Bibel nötig.
Ich brauche sie, um zu verstehen, woher ich komme.
Ich brauche sie, um in dieser Welt einen festen
Boden unter den Füßen und einen Halt zu haben.
Ich brauche sie, um zu wissen, dass einer über mir
ist und mir etwas zu sagen hat. Ich brauche sie,
weil ich gemerkt habe, dass wir Menschen in den
entscheidenden Augenblicken füreinander keinen
Trost haben und dass auch mein eigenes Herz nur
dort Trost findet. Ich brauche sie, um zu wissen,
wohin die Reise mit mir gehen soll.“
Wichtig für mich:
Jörg Zink
Welche Situationen haben die Autoren vermutlich vor Augen gehabt, als sie die Sätze niederschrieben?
Bausteine & Gestaltungsideen
Singen Sie miteinander das Lied „Wenn unser
Glaube nicht mehr als ein Standpunkt ist“ (Feiern
und Loben Nr. 376).
Beschäftigen Sie sich mit der Biografie von Timotheus (siehe zum Beispiel www.heiligenlexikon.de/
BiographienT/Timotheus.htm#).
Besorgen Sie sich einige Informationen zur
Gemeinde in Ephesus (etwa unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Ephesos).
Lesen Sie Scott Borens Artikel zum Thema
Schriftverständnis auf S. 54. Schützen seine Tipps
vor dem Missbrauch des Wortes?
Hans-Werner Kube
arbeitet in Witten als
Verwaltungsangestellter und Redakteur.
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