Branche unter besonderer Beobachtung

52 Lebensmittel Zeitung
MARKETING
Edeka trommelt für
vegane Ernährung
Branche unter besonderer Beobachtung
LZ 6 12. Februar 2016
Hildmann lässt den Sensenmann im
Edeka-Spot „Begegnung der veganen
Art“ ganz schön alt aussehen.
Hamburg. In der neuen crossmedialen Kampagne der Edeka-Gruppe steht vegane Ernährung im Fokus. Beworben wird die vegane
Produktpalette des Handelsunternehmens im TV, in Publikumzeitschriften und mit Aufstellern in
den Märkten. Der Auftritt stammt
von der Edeka-Leadagentur Jung
von Matt. Das Vollsortimentsunternehmen bekommt bei der Aktion einmal mehr Unterstützung
vom WWF-Panda. Online zeigt Vegan-Koch Attila Hildmann mit dem
„Veganizer“, wie auch „klassische
Rezepte“ einfach in vegane Alternativen verwandelt werden können. Ebenfalls zur Kampagne zählen das sportliche Webspecial
„5 x Fit“, ein Gewinnspiel und das
Edeka-Kochstudio.
cvh/lz 06-16
Payback nimmt
Allianz mit ins Boot
München. Der Bonusprogrammanbieter Payback und Allianz
Deutschland haben eine Kooperation über fünf Jahre geschlossen.
Ab sofort können 27,5 Millionen
Kunden auch bei Neuabschlüssen
von
Allianz-Krankenversicherungsprodukten über Payback
Punkte sammeln. Die Partnerschaft startet mit Zahnzusatzversicherungen, die bei einem Direktabschluss online oder per Telefon
zunächst mit jeweils 5 000 Punkten
belohnt werden. Zum bereits angebotenen Kfz-Tarif von AllSecur
rundet eine Reisekrankenversicherung das Paket ab.
lz 06-16
FOTO: ALDI SÜD
Ex von Clooney wirbt
für Aldis Expressi
Witzig: Elisabetta Canalis trotzt der
Nespresso-Kampagne mit Clooney.
Mülheim/Ruhr. Dass Discounter
bisweilen auch humorvoll sein
können, beweist die aktuelle Expressi-Kampagne von Aldi Süd.
Geschickt haben die Mülheimer
für ihr Kapselsystem die Ex von
Nespresso-Langzeit-Testimonial
George Clooney an Land gezogen.
Das italienische Model ist das neue
Werbegesicht und die Markenbotschafterin von Expressi. Während
der einst heiß begehrteste Junggeselle der Welt in den Spots salopp
mit dem Slogan „Nespresso – What
else?“ keinem anderen Kaffee eine
Chance gibt, hält Elisabetta Canalis
mit „Expressi – of course“ lässig
dagegen. Im Fokus sollen die „ausgezeichnete“ Kaffeequalität und
das neue Design der Expressi-Produkte stehen. Auch soll Canalis mit
„of course“ zeigen, wie „selbstverständlich sich qualitativer Kaffeegenuss mit günstigen Discountpreisen kombinieren lässt“, heißt
es bei Aldi Süd.
dr/lz 06-16
Ob Keime in der Wurst, Aluminium im
Essen oder der Preiskrieg ums Brot –
im vergangenen Jahr haben die öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten die Lebensmittelbranche in
über 500 Beiträgen einmal mehr unter
die Lupe genommen. Wie bereits in
den vergangenen Jahren hat die Unternehmensberatung für Kommunikation
Engel & Zimmermann die Aufregerthemen im deutschen Fernsehen für 2015
ausgewertet. Auch wenn QualitätsChecks mit 29 Prozent aller Beiträge
weiterhin an erster Stelle stehen (2014:
17 Prozent), hat sich laut den Gautinger Kommunikationsprofis doch auf
den folgenden Plätzen einiges getan:
Am zweithäufigsten wurden mit 11 Prozent Beiträge über vermeintliche „Werbelügen“ – sei es von den Lebensmittelherstellern oder dem Lebensmitteleinzelhandel – berichtet (2014: 8 Prozent, Rang 3).
„Von der Mogelpackung über versteckte Preiserhöhungen bis hin zum
Marketing-Gag: Dieses breite Spektrum verdeutlicht einmal mehr, dass
schlagzeilenträchtige Themen auch
2015 die TV-Medienlandschaft dominierten“, resümiert Sybille Geitel, Vorstand Engel & Zimmermann die Auswertungsergebnisse. Diese These belege auch der aktuelle Rang 3. Denn mit
9,5 Prozent aller gezählten Beiträge folge das Themenfeld Produktbelastungen, zum Beispiel durch Keime, Antibiotika und Umweltgifte (2014: 7 Prozent, Rang 5).
Trotz vermeintlicher Aufreger- und
Quoten bringender Themen scheint
sich der deutsche Fernsehzuschauer
am meisten für Qualitäts-Checks zu interessieren. Von Honig über Apfelmus
bis hin zu Trinkwasser wurde 2015 nahezu jedes Lebensmittel getestet. Im
Frühjahr stand der Spargel, im Winter
der Glühwein auf dem Prüfstand. Ferner musste sich der Lebensmitteleinzelhandel mehreren Qualitäts-Checks
stellen, so das 1985 gegründete, inhabergeführte Beratungsunternehmen im
Bereich der Wirtschafts- und Markenkommunikation sowie des strategischen Krisenmanagements, das nach
eigenen Angaben mehr als 60 zumeist
klangvolle mittelständische Beratungskunden betreut, darunter unter anderem Develey, Eckes-Granini, Gerolsteiner, Berentzen, Rügenwalder und
PHW/Wiesenhof.
Zur besten Sendezeit: In der ZDFSendung „Alle
gegen Aldi – Wer
schlägt den Discountriesen?“
fahndet Koch
Nelson Müller nach
der besten Qualität
und der günstigsten Ware.
Verbrauchersendungen wie diese
haben hohe Einschaltquoten.
FOTOS: ZDF/WILLI WEBER
Bio-Alternativen: Vegan-Koch Attila
Gauting. Die Kommunikationsexperten von Engel & Zimmermann
haben über 500 TV-Beiträge aus
dem vergangenen Jahr gesichtet
und ausgewertet. Ihr nicht ganz uneigennütziges Fazit: Die Markenindustrie und der Handel sind immer
für echte und vermeintliche Aufregerthemen gut.
Pranger ... In
die Beiträge
schleichen sich
nicht selten
kritische Untertöne im Hinblick
auf Herkunft
und Herstellung
von Nahrungsmitteln ein.
... oder Prüfstand? Wie gesund sind
unsere Lebensmittel? Im deutschen TV
wird getestet, gecheckt und verglichen
auf Teufel komm raus.
„Auffällig an vielen dieser Beiträge
ist, dass es keine klassischen Verbraucherstücke mehr sind. Oft geht es nicht
nur darum herauszufinden, welches
Produkt das bessere ist. Kritische Untertöne im Hinblick auf die Herkunft
und Herstellung der Lebensmittel
schwingen vermehrt mit. Hier gehen
wir davon aus, dass dies künftig weiter
zunehmen wird“, erklärt Geitel.
Dass in manchem Beitrag unterschwellig Stimmung gemacht und Vorurteile gepflegt würden, moniert auch
Christoph Minhoff: Schon die verwendete Sprache entspreche „nicht der guten journalistischen Praxis“. Da heißt
es „die Industrie trickst, die Hersteller
führen hinter das Licht“, als stecke ein
böser Wille hinter der Absicht, Produkte zu verkaufen. „Journalisten meinen,
mit dem Mainstream schwimmen zu
müssen, und da sind die NGO für das
Gute Wahre und die Lebensmittelwirtschaft für Täuschung, Tricks und Trug
zuständig“, so der BVE- und BLLHauptgeschäftsführer. Dieses Weltbild
trage aber nicht zur Beschreibung der
Wirklichkeit bei. „Die Zuschauer sind
da längst weiter“, so Minhoff. „Ebenso
wie sie nicht mehr an glückliche Kühe
auf Lebensmittelverpackungen glauben, durchschauen sie diese Art von
Dokumentationen. Deshalb bekommen insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zunehmend ein
Glaubwürdigkeitsproblem.“
Laut Engel & Zimmermann werden
vor allem die Fleischbranche und die
Milchindustrie besonders kritisch beäugt. In den meisten 2015 ausgestrahlten TV-Beiträgen über diese beiden
Branchen ging es um die Themen Tierhaltung und Erzeugung. Aber auch
multiresistente Keime und das Thema
Milchquote standen im Mittelpunkt.
„Auffällig ist, dass es im Vorjahr
auch Beiträge gegeben hat, die sich
speziell auf Tierrechtsorganisationen
fokussiert haben und auch gezeigt haben, wie diese gezielt gegen die Unternehmen vorgehen“, so Geitel. In 88
TV-Beiträgen ging es explizit um die
Fleischbranche. Über die Getränkebranche wurde 36 Mal berichtet, wobei
es in mehr als der Hälfte dieser Beiträge
um Kaffee ging. Auf Rang 3 folgt die
Milchindustrie mit 32 Beiträgen, über
die Backwarenindustrie wurden 20
Beiträge produziert.
Kaffee gilt als eines der beliebtesten
Getränke in Deutschland. Schätzungen
zufolge konsumiert jeder Deutsche
rund 5 Kilogramm Kaffee im Jahr.
Auch im TV rückt der hohe Kaffeekonsum zusehends in den Fokus. In 19
Beiträgen wurde laut Engel & Zimmermann nicht nur untersucht, welche
Kaffeesorten oder Kaffeekapseln am
besten schmecken, sondern auch der
Acrylamid-Gehalt in Kaffee wurde kriFortsetzung auf Seite 53
„Wir müssen Debatten führen ohne Furcht vor der veröffentlichten Meinung“
Herr Becker-Sonnenschein,
wie bewerten Sie die TVBerichterstattung über die
Lebensmittelbranche?
Die TV-Sendungen bilden
einen Kulturwandel ab. Lebensmittel sind heute Ausdruck des
Lebensstils von Verbrauchern.
Die Diskussion um Unter-,
Mittel- und Oberschicht wird
nicht mehr über Einkommen
oder Bildung geführt, sondern
über die Esskultur. Das ist
erschütternd, weil die ,echten’
Themen nicht mehr sachlich,
sondern ideologisiert und
emotionalisiert abgearbeitet
werden. Tenor: Wer günstige
Lebensmittel für die Massen
herstellt, muss irgendwie
schlecht handeln und dann
auch noch profitieren.
F O TO : P H I L I P P V O N B R U C H H A U S E N
F O TO : L Z - S C R E E N S H OT
TV-Berichte über Lebensmittel immer kritischer – Qualitäts-Checks auf Platz 1 – Jeder sechste Beitrag fokussiert die Fleischbranche
Stephan Becker-Sonnenschein, Geschäftsführer Die
Lebensmittelwirtschaft
Heißt das, die Debatte über
Lebensmittel soll die Leistungsfähigkeit und Effizienz
einer Gesellschaft spiegeln?
Ja, und der Disput wird primär
auf dem Rücken der Lebens-
mittelproduzenten geführt.
Die können aber gar nicht
allein gewährleisten, was alles
von ihnen gefordert wird. Es
ist höchste Zeit, dass Multiplikatoren aus allen gesellschaftlichen Bereichen und
Branchen inklusive der Medien, der Politik und der
Food-Industrie darüber debattieren, wie die sich wandelnde
Kultur aussehen soll.
Kann die Ernährungswirtschaft skandalisierender
Berichterstattung begegnen?
Die Branche muss lernen, ihre
verantwortungsbewusste Haltung zu demonstrieren und sich
in der emotional aufgeheizten
Diskussion um die kulturelle
Veränderung oder die Globali-
sierung der Prozesskette einzubringen. Sie muss sich ohne
Furcht vor der veröffentlichten
Meinung an Debatten beteiligen. Nur wer mitredet, wird
gehört und hat die Chance,
Veränderungen mitzugestalten.
Wie kann Ihr Verein FoodHerstellern dabei helfen?
Wir weisen auf Trends hin, die
die Haltung der Verbraucher
zu Lebensmitteln beeinflussen.
So wird etwa die Digitalisierung in der Lebensmittelproduktion viel Erklärung und
Aufklärung erfordern. Darauf
bereiten wir die Branche mit
Studien und Veranstaltungen
vor. Dabei ergänzen wir die
politische und sachliche Facharbeit der Verbände.
Was ist noch möglich?
Als „Think Tank“ beziehen wir
bisher nicht involvierte gesellschaftliche Gruppen in die
Debatte ein. Wir verstehen
uns zudem als Plattform für
den Dialog mit Kritikern.
Unsere Studien über Medien
und Verbraucher liefern wichtige Erkenntnisse für die
Branchenkommunikation.
Wie bauen Sie darauf auf?
Wir entwickeln Argumentationsstrategien für alle Mitgliedsverbände und betreiben
mit dem Forum Moderne
Landwirtschaft die MultimediaPlattform Food Culture Net.
Dort zeigen wir crossmedial,
wie die Lebensmittelwirtschaft
be/lz 06-16
arbeitet.
MARKETING
LZ 6 12. Februar 2016
K U R Z N OT I E RT
„Dramatisieren und Moralisieren gehören zum Konzept“
Herr Professor Kepplinger,
im TV laufen immer mehr
Magazine rund um die Themen Ernährung, Food-Marken und Food-Händler. Wie
erklären Sie das?
Es gibt mehrere Ursachen. Alle
Medien setzen seit einigen
Jahren auf Ratgeberbeiträge.
Ernährung ist ein dankbares,
große Reichweiten versprechendes Thema. Derlei Berichte können zwei starke
Emotionen hervorrufen –
Freude und Furcht. Beide
bleiben lange im Gedächtnis
und fördern die Bindung der
Zuschauer an die Sender.
Nachhaltiger: Ab Anfang März erhebt Karstadt für Einwegtragetaschen aus Kunststoff großenabhän-
gige Gebühren von 5, 10, 20 oder 30
Cent. Anfang Mai führt der Warenhausbetreiber in allen Filialen
Mehrwegtragetaschen ein, die aus
Polyethylen mit 70 Prozent Recyclinganteil bestehen.
Spielen dabei auch Konsumtrends eine Rolle?
Ja. Die meisten Deutschen
haben lange Zeit weniger
Wert auf hochwertige Lebensmittel gelegt als etwa die
meisten Franzosen. Das hat
sich geändert, und einhergehend damit hat sich der
Markt gespalten: Ein Teil legt
immer mehr Wert auf hochwertige Lebensmittel, ein
anderer achtet verstärkt auf
Niedrigpreise. Infolgedessen
steigt der Beratungsbedarf.
Negativ-Award: Die Dose, in der
Johnson & Johnson die Bebe-Zartcreme verpackt, wurde von der Verbraucherzentrale Hamburg zur Mogelpackung des Jahres 2015 gekürt.
Mit 32,6 Prozent der Voten von
26 000 Verbrauchern landete die
Metallverpackung im Ranking vor
rund 1000 „Konkurrenten“. Johnson & Johnson hat den Packungsinhalt bei drei Größenvarianten reduziert, ohne die Verpackung entsprechend anzupassen.
Personalisiert: Der Lebensmittelproduzent Mars Food setzt bis Mitte April seine auf das Nudelgericht
Mirácoli fokussierte Aktion „Hol’
dir deinen Namensteller“ fort. Wöchentlich können Verbraucher nach
dem Kauf von vier Mirácoli-Produkten online einen mit ihrem Namen versehenen Pastateller ordern.
Außerdem launcht Mars für kleinere Haushalte die Produktneuheit
„Mirácoli Klassiker 2 Portionen“.
Am POS wirbt Mars mit Displays
und Lamasäulen.
Insbesondere ARD und ZDF
locken mit Themen wie dem
täglichen Einkauf oder Produktqualität Millionen vor
die Bildschirme. Handel und
Industrie kritisieren so manches davon. Zu Recht?
Die Hersteller und der Handel
ärgern sich natürlich über
kritische Berichte. Bisweilen
ist die Kritik angemessen,
bisweilen übertrieben und
manchmal – mit Blick auf
traditionelle Kriterien – auch
abwegig. Etwa die Kritik an
niedrigen Verbraucherpreisen
für Milch, über die zumindest
der Handel nicht froh sein
kann, weil er mit niedrigen
Preisen wirbt.
Image-Verjüngung: Der Mineralwasserhersteller Gerolsteiner trom-
melt seit Kurzem für eine TV-Kampagne mit 20-Sekündern und erstmals auch für einen 60-sekündigen
Spot. Themen wie Longboarden,
Surfen und Joggen sollen neben
FOTO: GEROL STEINER
Formate wie Wiso, Plusminus, Hart aber fair, Mex,
ZDF-Zeit oder die ,Check‘Riege thematisieren gern
Gesundheitsrisiken, Verkaufstricks oder Verbraucherfallen. Die Stoßrichtung
zeigen oft schon die Titel der
Beiträge an. Wie ergebnisoffen sind die Recherchen?
Ein großer Teil solcher Be-
Bunte Vielfalt: Der Getränkehersteller Klosterquell-Hofer hat die
Erklärungen und Argumente
viel zu kurz kommen, Belastendes zugespitzt und Entlastendes ausgeblendet
wird. Ist dem so?
Von derlei Erfahrungen berichten die meisten Großunternehmen und Verbände,
über die negativ berichtet
wurde. Diese Klagen sind, wie
systematische Medienanalysen
zeigen, berechtigt. Allerdings
kennen viele der Betroffenen
gang mit Journalisten
beachten.
Häufig wird zudem moniert,
die vorgeführte Marktforschung sei alles andere als
repräsentativ. Was halten Sie
von Qualitätsurteilen, die
auf Geschmackseinstufungen von einer Handvoll
Verbrauchern basieren?
In weiten Bereichen der quantitativen Umfrageforschung ist
Und eine offenbar erfolgversprechende Option ...
… sind medienwirksame Kampagnen gegen tatsächliche
oder vermeintliche Missstände, Gefahren, Tricks oder
Fallen. Kampagnen von NGOs
sind potenziell aussichtsreich,
weil sie gleich drei Interessen
bedienen: die der Verbraucher,
die der Medien und nicht
zuletzt auch Eigeninteressen.
Beiträge werden mitunter
durch Schlagworten wie
Profitgier, Etikettenschwindel oder Essen als Massenware angekündigt. Wird zu
oft und zu sehr moralisiert?
Einige Medien zählen das
Dramatisieren mehr oder
weniger großer Missstände
und das Moralisieren von
Ursachen zu ihrem Erfolgskonzept. Zugrunde liegt ein
einfaches Schema. Zunächst
wird die sachliche Einordnung
von Missständen ausgeblendet.
Etwa unbedeutende gesundheitliche Folgen des Verzehrs
der Eier von Hühnern, in deren
Futter Spuren von Dioxin
waren. Anschließend werden
derart isolierte Missstände als
Folge von Eigennutz und
Gewissenlosigkeit dargestellt
und mutmaßlich Verantwortliche mit drastischen Begriffen
angeprangert.
Professor Hans Mathias Kepplinger, Kommunikationswissenschaftler, Mainz
eine wichtige Ursache der
einseitigen Berichterstattung
nicht.
Und die wäre ...?
Akteure erklären eigene
Schwächen und Fehler überwiegend mit den Umständen
ihres Handelns. Beobachter
führen die gleichen Unzulänglichkeiten auf den
Charakter und die Motive der
Akteure zurück. Journalisten
sind professionelle Beobachter. Sie berichten kaum über
Umstände und vermitteln
Akteuren mitunter den Eindruck, von Medien absichtlich
ins Unrecht gesetzt zu werden. Das geschieht gelegentlich durchaus, jedoch nicht
immer. Akteure sollten dies
wissen und bei ihrem Um-
Was soll das?
Empörung entfachen, Konsumverzicht auslösen und
Dankbarkeit gegenüber jenen
wecken, die Leser, Hörer und
Zuschauer, so das Kalkül, vor
Schlimmem bewahren.
Viele Hersteller von FoodMarken klagen, dass Ihre
Fortsetzung von Seite 52
tisch hinterfragt. Bier, Softdrinks und
Mineralwasser spielten hingegen 2015
im TV eine untergeordnete Rolle.
Ein Trendthema in den Print- und
Online-Medien war im vergangenen
Jahr ganz klar der Vegetarismus. Immer
wieder belegen Studien aufs Neue, dass
die Zahl der Veganer und Vegetarier
steigt. So haben viele Lebensmittelhersteller das Segment für fleischfreie Produkte für sich erkannt und eine Vielzahl an Veggie-Produkten auf den
leider ein Niedergang des
Methodenbewusstseins zu
beobachten. Zu den Treibern
zählen auch die Auftraggeber.
Alles muss schnell und möglichst billig gemacht werden –
auch um den Preis, dass Ergebnisse nicht mehr repräsentativ sind. Ein besonderes
Problem sind in der Tat Interviews mit vermeintlichen
Sachkennern. Deren Auswahl
bleibt oft obskur und kann in
jede Richtung verzerrt sein.
Sind derlei Mankos nur
Auftraggebern oder Magazinmachern anzukreiden?
Teilweise auch den Zuschauern
und Lesern. Bei nicht wenigen
fallen die Resultate solcher
Kleinstumfragen oft mehr ins
Gewicht als solide statistische
Markt gebracht. Auch im TV wurde in
14 Beiträgen über den Vegetarismus berichtet und unter anderem der Frage
nachgegangen, wie gesund eine Ernährung ohne tierische Bestandteile ist.
Das Thema Gesundheit von Lebensmitteln genießt weiterhin eine ho-
Ergebnisse seriöser repräsentativer Erhebungen. Mitunter
selbst dann, wenn diese im
gleichen Bericht genannt
werden.
Sehr beliebt im TV sind
Star-Köche, die Produkte
aus dem LEH zubereiten. Das
hat oft ein Geschmäckle.
Wie werden Akteure wie Tim
Mälzer, Léa Linster oder
Sarah Wiener quasi zu moralischen Instanzen?
Solche Vertragspartner sind
für TV-Sender wichtig, weil
Prominente Interesse wecken,
und ein Teil des Publikums
sich mit ihnen identifiziert.
Und zwar umso intensiver, je
mehr Defizite Zuschauer in
einem Bereich wie etwa dem
Kochen haben oder zu haben
glauben.
Demnach sind wir dafür fast
alle anfällig?
Zumindest diejenigen, die dazu
neigen, Leitbilder überhöht
positiv wahrzunehmen, sozusagen als strahlende Helden.
Dabei handelt es sich um eine
seit den 1940er-Jahren erforschte Form des Eskapismus:
Die Betroffenen fliehen vor
ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Problemen in eine
problemlose Scheinwelt, in der
alles zu gelingen scheint.
kon/lz 06-16
Prof. Hans Mathias Kepplinger leitete von 1982 bis zu
seiner Emeritierung 2011 das
Institut für Publizistik an der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz . Der Spezialist für
empirische Kommunikationsforschung hat zahlreiche
Analysen der Medienberichterstattung durchgeführt. Er
hält Vorträge unter anderem
zur Entstehung, zu den Mechanismen und zum Umgang
mit Krisen, Konflikten und
Skandalen, etwa im Bereich
der Lebensmittel- und Pharmabranche. Außerdem befasst
er sich mit dem Selbstverständnis und der Arbeitsweise
von Journalisten, dem Verhältnis von Medien und Politik
sowie der Darstellung und
Wahrnehmung von Technikfolgen und Risiken.
he Popularität und belegt Rang 4 in der
Gesamtauswertung der Top 5-TV-Themen 2015. Denn ob Zucker, Fertigprodukte oder Energy-Drinks – sie alle
wurden auf ihre möglichen Gesundheitsgefahren für den deutschen Verbraucher untersucht.
kon/lz 06-16
Q UALITÄ T S V E RGLE ICH E S IND BE LIE BT
Die Top 5 TV-Themen im Überblick – Angaben in Prozent
29
Verpackungen seines Kinderprodukts Dreh und Trink überarbeitet.
Jede der 20 Geschmacksrichtungen
ist in eine Kunststoffflasche mit individueller Färbung abgefüllt. Für
jede Farbvariante gibt es zusätzlich
vier Etikettenmotive, die verschiedene Persönlichkeiten darstellen.
Längere Spots: Das populäre Fotosharing-Netzwerk Instagram verlängert seine Video-Ads auf eine
Minute. Das soll den Bilderdienst
für TV-Werbekunden interessanter
machen. Für Nutzer gibt es weiterhin nur 15 Sekunden Bewegtbild.
richte wird von außen angestoßen. Bei Lebensmitteln
denkt man sofort an die Hersteller und den Handel, aber
nicht an Organisationen wie
Foodwatch, Greenpeace, oder
BUND. Die verstehen sich
zwar als Sachwalter der Konsumenten, handeln allerdings
nicht selbstlos, sondern auch
im Eigeninteresse. Sie müssen
Mitarbeiter bezahlen und
Projekte finanzieren. Auf
Spenden angewiesen, erhalten
sie umso mehr Geld, je mehr
sie medial beachtet werden.
F O T O : P R I VAT
Während der
neuen Kampagne für Oreo stattet
Hersteller Mondelez die Kekse bis
April mit verschiedenen Gravuren
aus, packt eine Geschenkhülle gratis dazu und veranstaltet ein Gewinnspiel. Für die POS-Werbung
stehen verschiedene Display-Elemente zur Verfügung, unter anderem Sampling-Schütten. Begleitende Werbung läuft im TV und in Sozialen Medien.
Keks-Kampagne:
den traditionellen Zielgruppen
jetzt auch Jugendliche und junge
Erwachsene ansprechen. Mitentwickelt hat den Auftritt die Agentur
Deepblue. Seit 2009 laufen die TVClips unter dem Claim „Das Wasser
mit Stern“.
Lebensmittel Zeitung 53
17
11
8
QualitätsChecks
2014
Verbrauchertäuschung
9.5
7
belastete
Lebensmittel
9.5
8
Gesundheit
8
7
Tierhaltung
2015
QUELLE: ENGEL & ZIMMERMANN, 2016
LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIK
Vorwurf „Dauerwerbesendung“: Der Chefredakteur von „Ökotest“ wird in den TVVerbrauchersendungen gerne als Kritiker herangezogen. Der Öko-Test-Verlag ist privatwirtschaftlich organisiert. Er lebt vom Verkauf der Zeitschrift und von Anzeigen.