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Aus Schäden lernen
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Dipl.-Ing. (FH) Werner Stiell
ift Rosenheim
Aus Schäden lernen
Fehler frühzeitig erkennen, um Schäden zu vermeiden
Die neutrale Beurteilung von Schäden an eingebauten Fenstern, Fassaden und Glaskonstruktionen gehört zu den Aufgaben des Sachverständigen, ob im Gerichtsverfahren oder im Privatgutachten. Beim Versuch einer Schadensanalyse
kommt man oft im Nachhinein zu der Erkenntnis,
dass das Problem im Voraus hätte erkannt werden können, so dass der Schaden erst gar nicht
entstanden wäre. Aus dieser Situation trifft die
Feststellung „Aus Schäden lernen“ vollständig zu.
Aus der umfassenden Sachverständigentätigkeit
des Autors werden in diesem Beitrag einige Beispiele vorgestellt, bei denen durch Schäden die
Funktions- und Gebrauchstauglichkeit der Bauteile
verloren gegangen oder erheblich gemindert ist.
1 Durchdringungen
in der Wetterschutzebene
Beispiel 1:
Bild 1 Durchdringungen der Wetterschutzebene bei einer Fassade mit Wartungsbalkonen
 ift Rosenheim – Rosenheimer Fenstertage 2012
Vor einer Großfassade befindet sich ein umlaufender Wartungsbalkon. Die Gitterroste
lagern auf regelmäßig angeordneten Tragschwertern, die
durch Aussparungen in den
vertikalen
Fassadenpfosten
durchgehen und zum Baukörper statisch tragend befestigt
sind. Dabei wird mit der Durchdringung der Schwerter in die
Pfosten die Ebene des Wetterschutzes unterbrochen. Der
Versuch, die Randzonen der
Öffnung in den Pfosten mit
dem durchgehenden Schwert
mit unterschiedlichen Dichtmanschetten oder Dichtstoffschichten abzudichten, bildet
nur eine kurzzeitige Regensperre. Die Auswirkungen sind
Regeneintritt in die Fassadenprofile mit undefiniertem Wasserverlauf, die an den verschie-
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Bild 2 Durchdringung der Wetterschutzebene bei einem Glasdach
densten Schnittstellen zur Raumseite hervortreten. Die Gebrauchstauglichkeit ist hinsichtlich der
Durchdringungen in der Wetterschutzebene nicht
gegeben.
Beispiel 2:
In einem Wintergarten befindet sich ein Kamin, der
durch das Glasdach zwischen zwei Sparren geführt wird. Die Durchdringung der Wetterschutzebene führt zu undefinierten Übergängen zwischen Glasfläche und Tragprofilen. Abdichtungsmaßnahmen sind nur von kurzer Dauer. In der
Folge tritt Wasser zur Raumseite ein.
2 Tauwasser bei Ganzglasecken
Beispiel 3:
Ganzglasecken sind ein beliebtes architektonisches
Gestaltungsmerkmal im Wohnungsbau wie auch
bei Verwaltungsgebäuden. Die Durchsicht von der
Raumseite in die Außenumgebung wird durch die
Zusammenfügung der beiden Isolierglasscheiben
wenig beeinflusst. Bei kalter Außenwitterung kommt
es oft zu Beanstandungen, weil auf der raumseitigen Glasfläche im Bereich der Ganzglasecke große
Mengen Tauwasser auftreten.
Lernansatz:
Lernansatz:
Bei Durchbrüchen in der Wetterschutzebene helfen in der Regel keine üblichen Dichtmaßnahmen, so dass planmäßige Vorgaben nur bedingt
erfolgreich sind. Dies hat oft zur Folge, dass dem
Verarbeiter die praktische Ausführung nach der
Vorgabe „bauseits abzudichten“ überlassen wird,
womit zwangsläufige Beanstandungen an ihn herangetragen werden. Als Fazit ist festzuhalten,
dass Durchdringungen in der Wetterschutzebene
möglichst zu vermeiden sind, da Abdichtungsmaßnahmen nur von kurzer Funktionsdauer sind.
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Mit dem Isothermenverlauf kann man die Gefahr
der Tauwasserbildung bei Annahme einer Außentemperatur von -5 °C und einem Raumklima
von 20 °C/50 % Luftfeuchte vorausplanen. Bei
Ganzglasecken aus 2fach-Isolierglas ist eine Tauwasserbildung auf der Raumseite auch beim Einsatz von thermisch verbesserten Abstandhaltern
nicht zu vermeiden, wie aus dem Isothermenverlauf 1 zu erkennen ist. Bei Ganzglasecken mit
3fach-Isolierglas kommt man bei dem Einsatz von
thermisch verbesserten Abstandhaltern in einen
grenznahen Bereich der Tauwasserbildung, wie
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Aus Schäden lernen
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Bild 3a
Tauwasser bei
Ganzglasecken
Bild 3b
Isothermenverlauf Ganzglasecke
der Isothermenverlauf 2 zeigt (Bild 3b). Mit dieser
Erkenntnis ist es eine erforderliche Pflicht, den
Nutzer auf die Gefahr einer Tauwasserbildung
hinzuweisen.
3 Verglasungen mit Fußversiegelung
Beispiel 4:
Raumseitige Verglasungen müssen dicht sein.
Dies ist keine neue Anforderung und lässt sich
auch indirekt aus der EnEV ableiten, da wärmeübertragende Umfassungsflächen einschließlich
der Fugen dauerhaft luftundurchlässig entspre-
 ift Rosenheim – Rosenheimer Fenstertage 2012
chend dem Stand der Technik abzudichten sind.
Bei der raumseitigen Glasabdichtung wird vielfach eine zusätzliche Fußversiegelung angewendet, bei der der Freiraum zwischen der raumseitigen Glaskante und dem Glasfalzgrund mit einer
Dichtstoffraupe mit einem geeigneten Dichtstoff
geschlossen wird. Bei der Applizierung des Dichtstoffes ist ein möglichst geringer Kontakt zum Sekundärdichtstoff der Isolierglas-Randabdichtung
erforderlich. Bei Verwendung eines ungeeigneten
Dichtstoffes entstehen Verträglichkeitsstörungen,
die zum Auflösen der Primärdichtung des Isolierglases führen, womit die Gebrauchstauglichkeit
des Isolierglases verloren geht, wie im Bild 4 zu
erkennen ist.
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Bild 4 Verträglichkeitsstörungen bei raumseitiger „Fußversiegelung“
Lernansatz:
Die fachgerechte Ausführung einer Fußversiegelung ist eine Möglichkeit, die Dichtheit der Verglasung zu verbessern. Hierzu darf nur ein Dichtstoff verwendet werden, von dem die Verträglichkeit mit der Isolierglas-Randabdichtung gegeben
ist. Der Nachweis kann nach der ift-Richtlinie DI01/1 „Verwendbarkeit von Dichtstoffen – Teil 1:
Prüfung von Materialien im Kontakt mit dem Isolierglas-Randverbund“ durchgeführt werden.
4 Glasbrüche bei TVG
Beispiel 5:
Bei einem großen Verwaltungsbau sind die Gebäudeseiten mit einer vorgesetzten punktgehaltenen Glasfassade verkleidet. Es wurde Verbundsicherheitsglas (VSG) aus zweimal teilvorgespanntem Glas (TVG) mit einer vierlagigen
PVB-Folie mit unterschiedlicher Einfärbung verwendet, womit die grüne Farbgestaltung entsteht.
Schon nach kurzer Nutzungsdauer entstand eine
Vielzahl von Glasbrüchen mit unterschiedlichem
Bruchverlauf. Externe Untersuchungen an der
Unterkonstruktion und den Punkhaltern hinsichtlich vermuteter unzulässiger Bewegungen und
Langzeit-Temperaturaufzeichnungen
ergaben
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keine Merkmale für eine Glasbruchgefahr. Erst
bei qualifizierter Glasbruchanalyse konnte an allen glasbruchgeschädigten TVG-Scheiben die
Ursache durch Nickelsulfideinschlüsse (NiS) eindeutig nachgewiesen werden. Bei NiS-Kristallen
entsteht bei Erwärmung eine Volumenzunahme,
die den Glasbruch auslöst.
Lernansatz:
Wenn man bisher davon ausgegangen ist, dass
NiS bei TVG zu keiner Schädigung führt, zeigt
vorliegender Schadensfall mit über 35 % glasbruchgeschädigter Scheiben in der Fassade eine
neue Erkenntnis: Bei VSG mit TVG, die durch die
Folieneinfärbung eine hohe Energieabsorption
aufweisen, kann ein NiS-Einschluss aktiv werden
und den Glasbruch auslösen.
5 Fazit
Die durch europäische Normen vorgegebene
Leistungsbeschreibung von Eigenschaften (Performance-Prinzip) ist eine völlig neue Denkweise,
da Vorgaben für „Bauanleitungen“ nicht mehr gegeben sind. Hierdurch entsteht eine neue Freiheit
für den Planer und Entwickler in der Ausgestaltung von Fenstern und Fassaden. Schon aus
denwenigen Beispielen erkennt man, dass eine
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Bild 5
Glasbrüche bei
VSG mit TVG
Grobplanung nicht ausreicht und eine Feinplanung benötigt wird, bei der die konstruktiven Details in der Tiefe zu berücksichtigen sind. Ergänzend hierzu ist handwerkliches Geschick erforderlich, um eine fachgerechte Ausführung zu erhalten. Aus Schäden lernen ist deshalb eine Art
der Wissensgewinnung für die Sicherstellung einer gebrauchstauglichen Konstruktion.
 ift Rosenheim – Rosenheimer Fenstertage 2012
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Wissenswertes in Kürze
Aus Schäden lernen
Im Nachhinein kommt man oft zu der Erkenntnis, dass man den
Mangel oder in der Folge den Schaden im Voraus hätte erkennen
können. Aus den Beispielen ergeben sich folgende Hinweise:
 Durchdringungen in der Wetterschutzebene möglichst vermeiden oder eine Konstruktion wählen, die eine fachgerechte
Abdichtung ermöglicht,
 bei Ganzglasecken den Nutzer auf mögliche unvermeidbare
Tauwasserbildung hinweisen,
 bei Verglasungen mit Fußversiegelungen ist die Verträglichkeit
zwischen den Materialien sicherzustellen,
 bei teilvorgespanntem Glas (TVG) können Nickel-Sulfid-Einschlüsse (NiS) zu Glasbrüchen führen.
Darum gelten die Grundregeln:
...falls man bei der Planung spart, dann rächt sich das bitter in
der Ausführung...
und
…der Ausführende muss in der Lage sein, eine fachgerechte Konstruktion nach den handwerklichen Grundregeln herzustellen
und
…Informationsaustausch ist Pflicht!
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 ift Rosenheim – Rosenheimer Fenstertage 2012
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Dipl.-Ing. (FH)
Werner Stiell
Geboren am 8. Juli 1949 in Köln
1971 – 1975
Studium an der Fachhochschule Rosenheim,
Studiengang Holztechnik, Abschluss: Dipl.-Ing. (FH)
seit 1975
Mitarbeiter des ift Rosenheim, Bereich Forschung
1985 – 2005
Mitarbeiter Normenausschuss „Fugendichtstoffe“
1985 – 2003
Mitarbeiter im Normenausschuss „Holzklebung“
1986 – 2002
Mitarbeiter im Normenausschuss „Isolierglas“
1978 – 2001
Lehrbeauftragter im Fach Konstruktionslehre an der
Fachhochschule Rosenheim, Fachbereich Holztechnik
1985 – 2001
Leiter Bereich Materialprüfung am ift Rosenheim;
Koordination von Prüffeldern und Prüflabor
1990 – 2001
Laborleiter am ift Rosenheim
seit 2001
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger
der Industrie- und Handelskammer München und
Oberbayern für Konstruktion und Schäden an Verglasungen, Glaskonstruktionen, Fugenabdichtungen an
Fenstern, Fassaden und Wintergärten
seit 2001
Mitarbeiter im Technischen Beirat des Bundesinnungsverbandes des Glaserhandwerks, Hadamar
seit 2004
Geschäftsfeldleiter ift Sachverständigenzentrum
seit 2007
Mitarbeiter im Arbeitskreis Süddeutscher Sachverständiger
seit 2008
Mitarbeiter im Fachgremium „Fenster, Türen, Tore
und vorgehängte Fassaden“ der IHK München
 ift Rosenheim – Rosenheimer Fenstertage 2012
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