Information der Landesrechtsstelle

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// Landesrechtsstelle Hessen //
Einleitung von Disziplinarverfahren nach Teilnahme am Beamtenstreik – die mündliche Anhörung
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachdem das Land Hessen auch weiterhin keine Bereitschaft erkennen lässt, das Tarifergebnis 2015
in Hessen auch auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen, und bezüglich der
Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer weiter das Schlusslicht der Bundesländer bildet,
haben rund 6000 Lehrkräfte am 16. Juni 2015 die Chance genutzt, am Beamtenstreik teilzunehmen
um die Verhältnisse zu verbessern. Das Land Hessen geht, statt die Kooperation zu suchen,
inzwischen weiter auf Konfrontationskurs. Nachdem bereits im September per Erlass verkündet
wurde, dass alle Beamtinnen und Beamten, die am Streik teilgenommen haben, mit einem
Disziplinarverfahren überzogen werden sollen, haben die Schulämter in Kassel und Marburg sowie
das Schulamt für den Lahn-Dill-Kreis und den Landkreis Limburg-Weilburg begonnen,
Disziplinarverfahren gegenüber den Beamtinnen und Beamten zu eröffnen, und haben bereits eine
Vielzahl von mündlichen Anhörungen durchgeführt.
Prinzipiell hat eine mündliche Anhörung nur wenige Formvorschriften, so werden beispielsweise Ort
und Tag des Termins festgehalten, es wird aufgenommen, welche Personen erscheinen, der Beamtin
oder dem Beamten muss eröffnet werden, um welche Dienstpflichtverletzung es geht und
selbstverständlich muss sie oder er aufgefordert werden, sich zu äußern. Darüber hinaus ist ein
Protokoll zu erstellen.
Inhaltlich könnte die Anhörung aus drei Teilen bestehen.
Der erste Teil könnte darin bestehen, die konkreten Belastungen der Lehrkräfte durch die
erheblichen zusätzlichen Aufgaben zu schildern, die in den letzten Jahren angewachsen sind, Tendenz
steigend.
Zum Zweiten sollte der Umstand moniert werden, dass die Landesregierung bezogen auf die
Arbeitsbedingungen das Schlusslicht der Bundesländer bildet und sich diese Situation noch dadurch
verschärft, dass das Tarifergebnis 2015 bisher nicht auf die Beamtinnen und Beamten übertragen
wurde.
Schließlich, und dies kann den dritten Teil bilden, können noch Ausführungen zur Rechtslage
vorgenommen werden.
Wir möchten diese Struktur vorschlagen, selbstverständlich ist hier jedoch jede und jeder Einzelne
ganz frei in der Gestaltung, kann Teile hinzufügen oder weglassen. Da es bei dem Beamtenstreik
ausdrücklich auch um die Übertragung der Arbeitszeitregelung im Tarifvertrag auf die Lehrerinnen
und Lehrer und damit um eine Reduzierung der Pflichtstundenzahl ging, können alle
Belastungssituationen im Alltag geschildert werden. Sicher ist es gut, sich die einzelnen
Überlastungssituationen vorher zu überlegen. Auch kann, falls dies zutrifft, eine vor kurzem
eingereichte Überlastungsanzeige aufgegriffen werden. In diesem Sinne: Nur Mut!
Landesrechtsstelle GEW Hessen • PF 1703, 60077 Frankfurt • Tel. 069/97 12 93-23 • E-Mail [email protected]
Verantwortlich: Kathrin Kummer • Annette Loycke
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Häufig gestellte Fragen und Antworten zum formalen Ablauf der Anhörung
Um einginge konkrete Fragen zu den mündlichen Anhörungen zu beantworten haben wir einen
Katalog an Fragen und Antworten zusammengestellt. Wir möchten Euch bitten, Euch bei
Ergänzungsvorschlägen an die Landesrechtsstelle zu wenden.
Müssen meine Anträge/ Muss meine Stellungnahme auf dem Dienstweg eingereicht werden?
Nein. Die Schreiben sind direkt an das Schulamt zu richten. Wer den Dienstweg nutzt, trägt das
Risiko, dass die Schreiben nicht fristgerecht beim Schulamt eingehen. Für die Wahrung der Frist ist
allein das Datum des Eingangs beim Schulamt maßgeblich.
Was darf mein Beistand bei der mündlichen Anhörung?
Der Beistand darf den Beteiligten mit zum Termin der mündlichen Anhörung begleiten. Beide dürfen
sich äußern: „Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit
dieser nicht unverzüglich widerspricht.“ (Rechtsgrundlage: § 14 Abs. 4 HVwVfG)
Ich kann zum angebotenen Termin nicht
Sollte der durch die Behörde vorgeschlagene Termin von der betroffenen Beamtin aus zwingenden
Gründen nicht wahrgenommen werden können, ist ein erneuter Termin anzubieten. Der Behörde
muss „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, mitgeteilt werden, dass der Termin nicht
wahrgenommen werden kann.
Zwingende Gründe können sein: Urlaub, Fortbildung, Unterrichtsverpflichtung, keine
Dienstbefreiung, Kinderbetreuung, Arzttermin.
Mein Beistand kann zum angebotenen Termin nicht
Sollte der durch die Behörde vorgeschlagene Termin von dem Beistand aus zwingenden Gründen
nicht wahrgenommen werden können, ist ein erneuter Termin anzubieten. Der Behörde muss
„unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, mitgeteilt werden, dass der Termin nicht
wahrgenommen werden kann.
Gründe: siehe oben
Muss ich einen Termin in den Ferien wahrnehmen?
Grundsätzlich ja, es sei denn, Sie oder Ihr Beistand sind am Termin verhindert, z.B. verreist. Oder sie
erreichen deswegen einen möglichen Beistand nicht. Sie konnten nicht damit rechnen, dass ein
Termin schon in den Ferien erfolgt und haben einen Anspruch, einen Beistand mitzunehmen.
Unseres Erachtens wäre es zumindest unverhältnismäßig, wenn Schulämter einen „Beweis“ dafür
verlangen, dass Lehrkräfte während der Ferien verreist sind.
Ich bin krankgeschrieben. Muss ich dennoch zum Termin?
Aus unserer Sicht ist in der Regel davon auszugehen, dass eine Person, die arbeitsunfähig ist, aus
gesundheitlichen Gründen auch nicht in der Lage ist, an einem Anhörungstermin im Rahmen eines
Disziplinarverfahrens teilzunehmen.
Beim anberaumten Termin muss ich unterrichten/ habe ich eine andere dienstliche Veranstaltung
Wir empfehlen, bei der Schulleitung eine Befreiung zur Wahrnehmung des Termins zu beantragen
(Unterrichtsbefreiung). Sollte diese verwehrt werden, ist das Schulamt zu informieren. Der Termin
muss dann verlegt oder Rücksprache mit der Schulleitung gehalten werden.
Gibt es eine „äußere Form“ des Protokolls?
Ja. Das Protokoll muss Ort und Tag der Verhandlung sowie die Namen der mitwirkenden und
beteiligten Personen angeben und ersehen lassen, ob die wesentlichen Förmlichkeiten des
Verfahrens beachtet sind. (Rechtsgrundlagen: § 32 HDG in Verbindung mit § 168 a StPO)
Darf das Protokoll vorbereitet sein (fertiger Text)?
Nein. Das Protokoll muss im Verlauf des Termins oder kurz danach erstellt werden. „Der Inhalt des
Protokolls kann in einer gebräuchlichen Kurzschrift, mit einer Kurzschriftmaschine, mit einem
Tonaufnahmegerät oder durch verständliche Abkürzungen vorläufig aufgezeichnet werden. Das
Protokoll ist in diesem Fall unverzüglich nach Beendigung der Verhandlung herzustellen.“
(Rechtsgrundlagen: § 32 HDG sowie § 168 a StPO)
Möglich ist die Variante, dass die Beamtin oder der Beamte ein vorgefertigtes Papier „absegnet“
nachdem sie oder er es gelesen hat und dann im Protokoll der Textbaustein verwendet wird.
Voraussetzung ist selbstverständlich, dass sich die Beamtin oder der Beamte mit dem Inhalt des
Papiers einverstanden erklärt.
Reicht es, dass im Protokoll handschriftliche Stichworte auftauchen. Habe ich Anspruch auf
Protokollierung des Wortlauts?
Nein. Das Protokoll muss „durch verständliche Abkürzungen“ aufgezeichnet werden und muss kurz
nach dem Termin „ausgeschrieben werden“.
Muss ich das Protokoll sofort unterschreiben?
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Protokoll in Stichworten angelegt wird. In dieser Phase
kann eingewendet werden, dass es sich noch nicht um das „ausgeschriebene Protokoll“ handelt, so
dass die Unterschrift unterbleiben kann. „Das Protokoll ist den bei der Verhandlung beteiligten
Personen, soweit es sie betrifft, zur Genehmigung vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Die
Genehmigung ist zu vermerken. Das Protokoll ist von den Beteiligten zu unterschreiben oder es ist
darin anzugeben, weshalb die Unterschrift unterblieben ist. Ist der Inhalt des Protokolls nur
vorläufig aufgezeichnet worden, so genügt es, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder
abgespielt werden. In dem Protokoll ist zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung
erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.“ (Rechtsgrundlagen: § 32 HDG sowie §
168 a StPO)
Was passiert mit dem Protokoll? Wo wird es abgelegt?
Die Unterlagen, die aus Anlass eines gegen sie geführten Disziplinarverfahrens gebildet worden sind,
gelten als Disziplinarakte. So lange das Disziplinarverfahren im Gange ist, wird die Disziplinarakte
formell gesondert geführt. Das Protokoll wird zu dieser Akte genommen.
Habe ich ein Recht auf Akteneinsicht?
Ja. Der Anspruch besteht auf Einsicht in die Unterlagen, die aus Anlass eines gegen sie geführten
Disziplinarverfahrens gebildet werden (Disziplinarakte), solange dieses Verfahren läuft. Während des
Vorermittlungsverfahrens konnte der Beamte Einsicht in die Vorermittlungsakten, nach Einleitung
des förmlichen Disziplinarverfahrens kann er Einsicht in die Akten der Untersuchung nehmen, soweit
dies ohne Gefährdung des Ermittlungs- bzw. Untersuchungszwecks möglich ist. Die Akteneinsicht
erstreckt sich jeweils auf sämtliche Unterlagen, die seit Beginn der disziplinarischen Ermittlungen
angefallen sind.
Bleiben die Dokumente über das Disziplinarverfahren in der Personalakte?
Nein. Ein Verweis darf nach zwei Jahren, eine Geldbuße darf nach drei Jahren nicht mehr
berücksichtigt werden (Verwertungsverbot). Die Frist für das Verwertungsverbot beginnt, sobald die
Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme unanfechtbar ist. Nach Eintritt des Verwertungsverbots
ist der Disziplinarvorgang aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten. (Rechtsgrundlage: §
19 HDG)