2015

Erasmus Erfahrungsbericht
Studiengang: Soziologie
Austauschjahr/Semester: 2015 / 4. Semester
Gastuniversität: Sabanci Universität
Stadt: Istanbul
Land: Türkei
Die Erfahrungsberichte werden von Studierenden verfasst und spiegeln nicht die Meinung der
Universität Mannheim wider. Jeder Bericht wird vor der Veröffentlichung geprüft; die
Universität behält sich das Recht zur Kürzung vor.
Aus Spam- und Datenschutzgründen werden Name und E-Mail-Adresse des Verfassers nicht im
Internet veröffentlicht. Bei Interesse an weiteren Informationen kann das Akademische
Auslandsamt eine Anfrage an den Verfasser des Berichts versenden, in welcher dieser gebeten
wird, sich mit dem Interessenten/der Interessentin in Verbindung zu setzen.
Vorbereitung
Nachdem ich erfahren habe, dass ich für ein Auslandssemester in Istanbul angenommen wurde,
beschloss ich, einen türkischen Sprachkurs zu besuchen. Dieser Sprachkurs war eine gute
Vorbereitung, um sich einerseits schon mal an die Sprache zu gewöhnen und andererseits um mit den
türkischen Einwohnern besser in Kontakt zu kommen, da dort viele über keine ausreichenden
Englischkenntnisse verfügen.
Aufgrund einer Gesetzesänderung wird seit diesem Jahr kein Studentenvisum mehr benötigt, sondern
nur eine Aufenthaltsgenehmigung. Diese wird vor Ort mit Hilfe der Partneruniversität beantragt. Im
Vorfeld sollte man aber eine Auslandskrankenversicherung abschließen und ich empfehle
diesbezüglich die Firma „Dr. Walter“. Seitdem ich des Öfteren im Ausland für einen längeren
Zeitraum verreist war, habe ich eine Visa-Karte bei der DKB. Mit der Kreditkarte kann man kostenlos
bei fast allen Bankautomaten weltweit Geld abheben und auch sonst fallen keine weiteren Kosten an.
Die Karte sollte man jedoch mindestens drei Wochen vor dem Abflug beantragen. Es ist auch sehr
hilfreich, sich schon mal über die Lage der Universität zu informieren, um vielleicht vor der Ankunft
zu wissen, wo man am sinnvollsten wohnen könnte. Ein weiterer Rat wäre auch, sich bei einigen
sozialen Netzwerken anzumelden, wie zum Beispiel auf Facebook. In solchen Gruppen kann man
Kontakte knüpfen, sich umhören, Tipps holen und generelle Fragen posten. Sollte man noch keine
Unterkunft für die ersten Tage haben, ist es lohnenswert, sich bei Couch-Surfing anzumelden. Es gibt
genügend Angebote und des Öfteren sind viele zur Verfügung stehende Schlafplätze zeitlich flexibel.
Im Vordergrund steht dabei Offenheit und kultureller Austausch. Hilfreich für die Zimmersuche ist die
Webseite von Craigslists mit vielen Wg-Anzeigen.
Ankunft
Der günstigste Flug von Frankfurt nach Istanbul war von Onur-Air. Ich kam mit einer Kommilitonin
auf der europäischen Seite im Attatürk Flughafen an, die sich schon im Vorfeld um ein Zimmer
kümmerte. Sollte man schon ein Zimmer haben, empfehle ich, dessen Standpunkt genau in Erfahrung
zu bringen, da es noch einen weiteren Flughafen auf der asiatischen Seite gibt und man so lange,
unnötige Wege und Zeitaufwand umgehen kann. Man kann von dort aus alle öffentlichen Transporte
nutzen, aber am schnellsten und für Neuankömmlinge am einfachsten und bequemsten, ist der
Shuttlebus „Havatas“. Die Endhaltestelle dieser Busse ist der Taksim Platz, Beyoglu.
Während ich auf der Suche nach einem Wg-Zimmer auf facebook in der Gruppe „Erasmus Istanbul
Flats and Flatshares“ und „Craigslists“ war, konnte ich vorerst bei einer Kommilitonin unterkommen.
Sinnvoll und günstig für die Fahrten innerhalb von Istanbul, ist eine Istanbul-Karte für alle
öffentlichen Verkehrsmittel, die nur 7 Lira kostet und in jedem beliebigen Kiosk gekauft und
aufgeladen werden kann.
Ausländische Telefone werden nach der Ankunft innerhalb von 3 Monaten leider gesperrt. Von daher
lohnt es sich, in einem Telefonshop eins auszuleihen und je nach Verhandlungsgeschick, bezahlt man
nur 100 Lira und erhält beim zurückgeben 50-70 Lira zurück. Ansonsten gibt es dafür auch genügend
Märkte bzw. Flohmärkte, um hohe Kosten zu vermeiden. Bei der Beantragung einer Sim-Karte
benötigt man den Reisepass. Dabei begleitete mich ein türkischer Freund, der sehr hilfreich war und
mir die Kommunikationsprobleme ersparte.
Unterkunft
Die Sabanci Universität bietet auf dem Campus Gruppenzimmer an. Da sie sich jedoch eine Stunde
von der Innenstadt entfernt befindet, kann ich aus meiner Erfahrung sprechen und ein Zimmer in
Kadiköy, Moda empfehlen. Der Stadtteil ist der schönste Ort zum Wohnen und auch sehr zentral. Vor
allem für weibliche Studenten, die ängstlich sind und sich unwohl fühlen abends alleine nach Hause zu
gehen. Der Ort ist zu jeder Tagesstunde sehr belebt, aber man findet auch seine Ruhe vor der
Dynamik der Stadt, wenn man auf der Promenade entlang des Wassers spaziert. In der Freizeit kann
man von dort in viele der Bars ganz spontan zu Fuß gehen, sich gemütlich in Cafés setzten oder in den
Einkaufsstraßen, Nahe der Fährstation von Kadiköy, Musikauftritten lauschen.
Ich habe mir ein Zimmer in Moda mit zwei Franzosen und einem Spanier geteilt. Generell ist die
Miete in der Gegend sehr hoch und beträgt zwischen 700 und 1100 Lira. Ich muss gestehen, dass ich
im Nachhinein lieber mit türkischen Mitbewohnern gelebt hätte, um zum einen mein Türkisch zu
verbessern und zum anderen mehr von der Kultur zu erfahren.
Studium an der Sabanci Universität
Im Vergleich zum Bildungssystem von der Universität Mannheim ist die Partneruniversität in Istanbul
verschult und ein amerikanisiertes, privates Bildungsinstitut. Sie befindet sich in der Nähe von dem
Flughafen Sabiha Gökcen, sodass wohnhafte Studenten in Kadiköy mit dem Shuttlebus fahren
müssen. Pro Fahrt bezahlt man um die 7 Lira und je nach Verkehrslage kann sie bis zu 1,5 Stunden
dauern. Eine günstigere und schnellere Alternative gibt es leider nicht.
Der Campus ist groß und die Essensmöglichkeiten sind vielseitig. Am günstigsten ist jedoch das
Essensangebot in der Mensa mit typisch türkischen Gerichte.
Nach den Einführungstagen haben Erasmusstudenten das Privileg, sich vor den türkischen Studenten
für die Kurse anzumelden. Wenn man Schwierigkeiten bei der Registrierung hat, würde ich raten, so
schnell wie möglich sein „Buddy“ zu kontaktieren, um sich den Stress und mögliche Probleme zu
ersparen. Die Webseite dafür ist leider recht unübersichtlich und der Vorgang kompliziert gestaltet.
Ich hatte leider Probleme in die bevorzugten Kurse reinzukommen, aber mit etwas Druck und vielen
Anfragen bin ich glücklicherweise trotz der begrenzten Teilnehmeranzahl reingekommen.
Alle Veranstaltungen sind auf Englisch und dauern drei Stunden. Die Kurse sind sehr leseaufwendig,
die Themen jedoch immer interessant und oft auf aktuelle Situationen bezogen. Der größte
Unterschied der Vorlesungen zwischen der Sabanci Universität und Universität Mannheim ist dessen
Aufbau. Diese basieren hauptsächlich auf Diskussionen, sodass das Lesen von allen Lektüren
verpflichtet ist. Man kann sie somit mit Seminaren in den deutschen Universitäten gleichsetzten. Die
Dozenten sind sehr gut ausgebildet. Ich habe von vielen Freunden gehört, die an anderen Universitäten
in Istanbul ihr Auslandsemester verbracht haben, dass manche ihrer Dozenten schlechte bzw.
gebrochene Englischkenntnisse haben, aber ich kann diesbezüglich nur Gutes erzählen. Je nach Kurs
schreibt man entweder einen Midterm- und Final-Exam oder Hausarbeiten. Obwohl ich Soziologie
studiere, konnte ich meine Kurse von verschiedenen Studiengängen auswählen, wie Psychologie,
Kulturwissenschaft, Anthropologie, International Relations und Ökonomie. Selbstverständlich musste
ich sie mit meinem deutschen Koordinator absprechen, sodass die ausgewählten Kurse dem Learning
Agreement entsprachen. Die Vorlesungen haben unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Diese sind
anhand der Nummer vor dem Namen des Kurses zu erkennen, dessen Schwierigkeit sich mit
aufsteigender Zahl erhöht.
Alltag und Freizeit
Die Sabanci Universität bietet viele Freizeitangebote an. Jede Woche wurden Veranstaltungen für
Erasmusstudenten organisiert, sodass die Integration und der Aufbau von Freundschaften relativ
schnell erfolgten. Studentenorganisationen planen Reisen durch die Türkei, Partys und
Stadtführungen. Es gibt vor allem genügend Sportangebote auf dem Campus und der Fitnessraum ist
für jeden beliebigen Studenten kostenlos nutzbar.
Nach meinen Vorlesungen ging ich für den mentalen Ausgleich mehrmals die Woche zum Sport oder
besuchte einen Töpferkurs.
Als einer der bedeutendsten Metropolen in Europa, verfügt Istanbul über Unmengen an
Freizeitangeboten. Neben den klassischen Touristenattraktionen kann ich bestens empfehlen, die
Prince‘s-Islands zu besuchen. Es gibt vier Inseln, von denen ich die zweite, wegen ihrer ruhigen und
natürlichen Lage, bevorzuge und man dort vor allem Fahrrad fahren kann. In Istanbul selbst wird
einem leider durch die vielen Hügel und aufgrund der chaotischen Verkehrslage der Spaß daran
genommen. Wer es mag auf Märkte zu gehen, sollte den Sali Pazari in Kadiköy, der jeden Dienstag
und Freitag stattfindet, nicht verpassen. Der Markt ist riesig und vor allem sehr günstig zum
Einkaufen. Neben Obst und Gemüse, werden auch Kleidungsstücke verkauft und die Krönung des
Marktes, war sowohl der angrenzende Flohmarkt als auch die vor Ort zubereiteten Gözleme.
Ansonsten gibt es auf der europäischen Seite auch jeden Sonntag einen Markt, den Talabace Markt.
An einem schönen warmen Tag, sollte man sich den Spaziergang am Sea-Side in Kadiköy nicht
entgehen lassen. Die Türken sind sehr nachtaktiv und dort genießen sehr viele bis zur späten
Abendstunde ihre freien Stunden, in denen gesungen, getanzt und musiziert wird.
Jeden Donnerstag ist der Eintritt im Museum „Istanbul Modern“ für alle türkischen Bewohner
kostenlos und dementsprechend auch für alle mit einer Aufenthaltsgenehmigung. Man sollte jedoch
seine Studentenkarte als auch sein Residence-Permit mitbringen.
Fazit
Es war eine wunderbare Erfahrung für mich, mein Auslandsemester in solch einer einzigartigen Stadt
zu verbringen. Sie ist absolut empfehlenswert, vor allem aufgrund ihrer Dynamik und ihrer
offensichtlichen Paradoxe bezüglich der Mischung zwischen dem Modernen und dem Alten. Von
außen betrachtet wirkt die Stadt verloren in ihrem Chaos und vor allem in sich selbst, aber nach einer
Weile habe ich mich daran gewöhnt und mich heimisch gefühlt. Ein Freund besitzt einen T-Shirt
Laden mit der Aufschrift „You call it chaos – We call it home.“ –passend und knackig auf dem Punkt
gebracht!
Als Mädchen hat man es in Istanbul leider nicht leicht. Ich habe genügend negative Geschichten über
sexuelle Vorfälle erzählt bekommen, sodass ich jedem Mädchen rate, sich niemals alleine nachts in
verlassenen Gegenden aufzuhalten oder sie zu durchqueren. Leider habe ich als Mädchen die
Erfahrung gemacht, dass Gespräche mit einer männlichen Person des Öfteren auf der sexuellen
Schiene endeten und leider nicht, wie erhofft, nur auf ihre Offenheit oder das Interesse an kulturellem
Austausch zurück zu führen waren. Von daher sollte man alleine als Frau auch niemals beim
Taxifahren sich vorne neben dem Fahrer hinsetzen.
Ich kann jedem nur raten: Macht, unternehmt oder besucht so viele Sachen wie möglich und versucht
Unternehmungen nicht zu verschieben! Am Anfang denkt man leider oft, dass man ja noch genügend
Zeit dafür hat, aber der Aufenthalt vergeht schneller als er sollte.
An der ausländischen Partnerhochschule besuchte Kurse:
Kurs
SWS/
Credits
Anerkennung an der
Universität Mannheim
Mind and Behaviour (Psych) 3
AM Sozialpsychologie:
ÜK Sozialpsychologie II
Human Rights in World
Affairs (IR)
3
AM Europäische
Gesellschaften: ÜK
Aktuelle
Forschungsthemen
Education Economics and
Policy (Econ.)
3
AM Allgemeine und
Spezielle Soziologie: ÜK
Spezielle Soziologie
Local Cultures, Global
Forces (Anth.)
6
AM Europäische
Gesellschaften: VL
Europäische
Gesellschaften
Cultures of Migration (Cult.) 6
SWS = Semesterwochenstunde
AM Allgemeine und
Spezielle Soziologie: VL
Allgemeine Soziologie
Bemerkungen