Hermagor

Straßenbenennungen:
ein Spiegel lokaler Gendersensibilität
Erstmalige Benennung eines Verkehrsweges in Hermagor nach einer
verdienstvollen Frau
Seminar zur Fachdidaktik: Die Straße – der Straßenname
Sommersemester 2015
Autorinnen:
Simone Huber: [email protected]
Ann-Kristin Huber: [email protected]
Leitung:
Prof. Mag. Dr. Friedrich Palencsar
Patricia Katharina Schober
Im Zuge der Lehrveranstaltung „Seminar zur Fachdidaktik: Die Straße – Der Straßennamen“,
geleitet von Herrn Mag. Dr. Friedrich Palencsar und Patricia Katharina Schober, ist die
vorliegende Pressemappe entstanden.
Im Fokus dieser Arbeit steht die nähere Betrachtung der personenbezogenen Straßennamen
der einzelnen Bezirkshauptstädte in Kärnten. Die Bearbeiterinnen dieser Pressemappe,
Simone Huber und Ann-Kristin Huber, nahmen sich der Bezirkshauptstadt Hermagor an.
In Hermagor gibt es insgesamt zehn Verkehrswege, die einen Personennamen tragen. Jeder
dieser wurde nach einem Mann bzw. einer Familie benannt. Deshalb haben wir uns mit
Gesprächen und Recherchen sehr darum bemüht, auch nach berühmten, verdienstvollen
weiblichen Persönlichkeiten zu suchen. Wir finden, es wäre für die Stadt Hermagor eine
Bereicherung und vor allem eine Ehre, sich um die Einführung einer nach einer weiblichen
Persönlichkeit benannten Straße, zu bemühen. Die Vorschläge in unserer Pressemappe
dienen als kleine Inspiration und vielleicht als Denkanstoß, dass es auch wundervolle Frauen
gegeben hat, die außergewöhnliches geleistet haben und nicht in Vergessenheit geraten
sollen.
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Karten
Diese Karte erfasst alle Straßen, die in Hermagor nach Personen benannt wurden, und sollte
eigentlich durch eine rote oder blaue Markierung auf das Geschlecht dieser Personen
hinweisen. Wie die Karte zeigt, wurden jedoch alle Straßen nach Männern benannt.
Durch unsere Recherche, haben wir erfahren, dass der Großteil dieser nach Männern
benannter Straßen auf Namen von Handelsfamilien zurückzuführen ist. Ein Beispiel hierfür
ist die Riedergasse, welche ihren Namen der, in Hermagor weit bekannten, Familie Rieder,
die eine Fleischerei und ein Gasthaus besitzt, zu verdanken hat.
Zu erwähnen ist auch, dass nicht einmal ein Fünftel der gesamten Straßennamen nach
Personen benannt worden ist (nur 18%). Der Großteil dieser Personenstraßennamen findet
sich im Zentrum Hermagors. Lediglich drei davon sind außerhalb des Stadtkerns.
Diese Karte beschäftigt sich mit der Benennungsgrundlage der einzelnen Verkehrswege. Hier
fällt auf, dass die meisten Wege nach verdienstvollen, lokalen Persönlichkeiten benannt
wurden. Nach diesen Kriterien, wäre auch die Benennung eines Verkehrsweges nach einer
weiblichen Persönlichkeit durchaus plausibel, wie die untenstehenden Vorschläge
verdeutlichen sollen.
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Verdienstvolle Frauen
Karoline Zehrer – Verdienstvolle Bürgerin
Karoline Zehrer (gestorben 1958) war die Obfrau bei der Gründung des
Vereines der „Bürgerfrauen Hermagor“ im Jahre 1931. Anlass für die
Gründung war, dass im Jahre 1930 der Markt Hermagor zur Stadt
erhoben wurde. Ihr Anliegen war es, in der Tracht an öffentlichen und
kirchlichen Veranstaltungen teilzunehmen und karikative Arbeit zu
leisten.
Das
Traditionsbewusstsein
und
das
gemeinschaftliche
Beisammensein zu fördern, lag Frau Zehrer sehr am Herzen. Dem Verein
wurde 2008 das Recht zur Führung des Gemeindewappens, aufgrund der jahrzehntelangen
kulturellen Aktivitäten von Frau Zehrer, verliehen1.
Sophie Marehart - Wiederstandskämpferin
Sophie Marehart ist 1900 in Wien geboren und 1961 gestorben. Sie war die Pfarrersgattin
von Hans Marehart und lebt mit ihren vier Kindern in Hermagor, während ihr Mann den
Wehrmachtdienst in Italien leistete. Nachdem Sophie Marehart im Alter von 23 Jahren
zunächst eine Stellung als Schwester in dem Diakonissenhaus in Gall-Neukirchen bei Linz
fand, lernte sie 1935 den evangelischen Pfarrer Hans Marehart kennen, heiratete ihn und
hielt
sich
seitdem
ständig
in
Hermagor
auf.
Sie
wurde
1944
aufgrund
wehrmachtszersetzender Aussagen vor Bekannten von denselbigen angezeigt und
schließlich angeklagt und mit mehrjähriger Haft bestraft2. Es erfolgte eine Untersuchung
nach dem Heimtückengesetz. Da sie schon seit längerer Zeit beobachtet wurde, weil sie
unter anderem auf den Hitlergruß nicht reagierte, und aufgrund ihrer Äußerungen über den
längst verlorenen Krieg, der endlich zu Ende gehen möge und dass der Führer am Krieg
schuld sei, als staatsfeindlich kriminalisiert wurde, bestand die Polizei trotz vier
minderjähriger Kinder auf ihre Inhaftierung in Villach3. Sophie Marehart bekam eine Strafe
1
ROGY, HEIDI (Hrsg.)(2010): Stadtgemeinde Hermagor-Pressegger See. Geschichtsverein für Kärnten, Klagenfurt,
(= Aus Forschung und Kunst, Band 38), S. 306
2
JAMRITSCH DANIEL UND BERNHARD GITSCHTALER (2014): Das Gailtal unterm Hakenkreuz. Kitab Verlag, KlagenfurtWien, S 32.
3
ROGY, HEIDI (Hrsg.)(2010): Stadtgemeinde Hermagor-Pressegger See. Geschichtsverein für Kärnten, Klagenfurt,
(= Aus Forschung und Kunst, Band 38), S. 196.
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von fünf Jahren Zuchthaus und Ehrverlust von weiteren fünf Jahren. Sie hatte aber Glück, ihr
wurde bis zum Mai 1945 Haftaufschub gewährt, sodass sie die Haftstrafe nicht mehr
antreten musste4
Stefanie Ranner – Opfer des NS-Regimes
Stefanie Ranner wurde am 18.12.1923 in Watschig Nr. 4 in der
Gemeinde Rattendorf im Gailtal geboren und besuchte dort die
Volksschule. Die junge Frau war noch nicht einmal 20 Jahre alt, als sie
zum Ziel des nationalsozialistischen Terrors wurde. Ihr „Vergehen“
bestand darin, dass sich die 19-Jährige in den damals 28-jährigen
polnischen Kriegsgefangenen Johann Pietschk verliebte. Nach einigen
Monaten wurde die junge Frau von Pietschk schwanger. Es schien so, als ob dem jungen
Glück nichts im Wege stand, doch eine anonyme Anzeige bei der örtlichen Nazi-Parteileitung
wurde dem Paar zum Verhängnis. Die beiden wurden daraufhin der NS-Justiz ausgeliefert.
Johann Pietschk wurde ins Konzentrationslager Dachau gebracht und wurde dort vermutlich
ermordet. Stefanie Ranner wurde trotz ihrer Schwangerschaft in Klagenfurt inhaftiert und
erlitt aufgrund der katastrophalen Haftbedingungen eine Frühgeburt. Ihre Tochter Annelies
Maria Ranner kam im Februar 1943 zur Welt. Die junge Mutter wurde dann ins FrauenKonzentrationslager Ravensbrück gebracht, wo sie nach einem „schrecklichen Martyrium“ zu
Tode kam. In ihren Einlieferungsakten fand man die Buschstaben „RU – Rückkehr
unerwünscht“. Stefanie Ranner ist ein Beispiel einer jungen Frau im Gailtal, die Opfer der NSJustiz wurde, nachdem sie sich in einen Kriegsgefangenen verliebt hatte, von mehreren
Personen im Dorf angezeigt wurde und zeigt auf, wie unmenschlich die Republik Österreich
mit solchen Opfern umging 5
4
JAMRITSCH DANIEL UND BERNHARD GITSCHTALER (2014): Das Gailtal unterm Hakenkreuz. Kitab Verlag, KlagenfurtWien, S 32.
5
JAMRITSCH DANIEL UND BERNHARD GITSCHTALER (2014): Das Gailtal unterm Hakenkreuz. Kitab Verlag, KlagenfurtWien, S 176-178.
Seite 6
Ingeborg Bachmann - Dichterin
„Ich habe meine Jugend in Kärnten verbracht, im Süden,
an der Grenze, in einem Tal, das zwei Namen hat – einen
deutschen und einen slowenischen. Und das Haus, in dem
seit
Generationen
meine
Vorfahren
wohnten
–
Österreicher und Windische - , trägt noch heute einen
fremdklingenden Namen. So ist nahe der Grenze noch
einmal eine Grenze: die Grenze der Sprache – und ich war hüben und
drüben zu Hause, mit den Geschichten von guten und bösen Geistern
zweier und dreier Länder; denn über den Bergen, eine Wegstunde
weit, liegt schon Italien. Ich glaube, daß die Enge dieses Tals und das
Bewusstsein der Grenze mir das Fernweh eingetragen haben.“
Ingeborg Bachmann ist am 25.06.1926 in Klagenfurt geboren. Neben der Landeshauptstadt
Klagenfurt ist der Ort Obervellach sowie das Gailtal zur zweiten wichtigen Heimat für ihre
Jugend in Kärnten geworden. Ihr Vater, Matthias Bachmann, war der jüngste Sohn einer
Gailtaler Bauernfamilie aus Obervellach bei Hermagor. Die Familie verbrachte dort häufig die
Ferien und Wochenenden im Haus der Großeltern (Obervellach Nr. 21). Ingeborg Bachmann
und ihre beiden Geschwister, Isolde (geb. 1928) und Heinz (geb. 1939) genossen in
Obervellach größere Freiheiten als in der Stadt.
Ihre enge Beziehung zum geliebten Gailtal fand man unter anderem in ihrer 1943 verfassten
Erzählung „Das Honditschkreuz“ wider. Darin lässt sie die Zeit des Aufstandes gegen die
napoleonischen Truppen im Gailtal im Jahre 1813 wiedererstehen. Die historischen
Ereignisse, die den Hintergrund von Ingeborg Bachmanns Jugenderzählungen bilden, waren
in Hermagor gut bekannt.
In Obervellach erlebte Ingeborg Bachmann das Ende des Zweiten Weltkrieges und die
unmittelbare Nachkriegszeit.
Im Herbst 1945 begab sich Ingeborg Bachmann zum Studium nach Innsbruck. Auch trotz der
großen Distanz zum Gailtal, blieb ihr die Gegend dennoch sehr verbunden. Dies erkennt man
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darin, dass einige Frauengestalten in ihren Werken wie zum Beispiel „Todesarten“, „Malina“
und „Der Fall Franza“ dieser Gegend entstammten6.
Mögliche Vorschläge für künftige Weg bzw. Stegbenennungen nach
Frauen
a
b
c
a. Brücke in der Stützenparkgasse über die Gössering
b. Unter- bzw. Überführung vom Schulgebäude in Richtung Kreisverkehr
c. Brücke nach dem Kreisverkehr Richtung Kötschach-Mauthen
6
ROGY, HEIDI (Hrsg.)(2010): Stadtgemeinde Hermagor-Pressegger See. Geschichtsverein für Kärnten, Klagenfurt,
(= Aus Forschung und Kunst, Band 38), S. 285-286.
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Anliegen
Viel zu lange wurde die Möglichkeit nicht wahrgenommen, Verkehrswege in Hermagor nach
verdienstvollen Frauen zu benennen. Da es in Hermagor außerdem keine Gebäude, Schulen
oder Einrichtungen gibt, die nach einer Frau benannt sind, besteht somit ein großer Bedarf
für eine Straßenbenennung. Es existieren offensichtlich benennbare Flächen und es gab auch
Frauen, die es durchaus verdient hätten, Namensgeberin eines Verkehrsweges zu werden.
Nun ist es an der Zeit, dies auch in die Tat umzusetzen!
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