Grenzen der Anpassung

WIDER SPRUCHII
Grenzen der
Anpassung
MÜNCHNER ZEITSCHRIFT FÜR PHILOSOPHIE
60
Konrad Lotter
Utopien der Anpassung
Pravu Mazumdar
Wider den Urteilszwang
Acht Variationen zu Kritik und Anpassung
Fritz Reheis
Wann ist es genug?
Anmerkungen zu den Grenzen der Anpassung
Burkhard Wilk
Die monopluralistische Integrationsidee – ein ethisches Konzept der Multikulturalität
Heiner Keupp
Über neue Typen der Anpassung und Formen des Widerstands
Ein Gespräch
10.--
EUR
Adrian Fritz
Fetisch Antisemitismus?
WIDERSPRUCH 60
Grenzen der Anpassung
„Es wird doch, Entschuldigung, kein
Mensch gezwungen, eine Minderheit zu
sein. Jeder Mensch hat das Recht, sich
einer Mehrheit anzuschließen.“
Gerhard Polt
Zum Thema
Grenzen der Anpassung
9
Artikel
Konrad Lotter
Utopien der Anpassung
13
Pravu Mazumdar
Wider den Urteilszwang
Acht Variationen zu Kritik und Anpassung
28
Fritz Reheis
Wann ist es genug?
Anmerkungen zu den Grenzen der Anpassung
41
Burkhard Wilk
Die monopluralistische Integrationsidee
– ein ethisches Konzept der Multikulturalität
47
Gespräch
Münchner
Philosophie
Heiner Keupp
Über neue Typen der Anpassung
und Formen des Widerstands
63
Ein Gedicht
Geben und Nehmen
Fabian Schmidt
81
Bücher zum
Thema
Michel Foucault
Die Regierung der Lebenden
Ottmar Mareis
83
Max Fuchs
Kultur und Subjekt
Helga Sporer
85
Giorgio Galli
Pasolini – der dissidente Kommunist
Franco Zotta
87
Herbert Marcuse
Der eindimensionale Mensch
Fritz Reheis
89
Bücher zum
Thema
Julian Nida-Rümelin
Der Akademisierungswahn
Sibylle Weicker
92
Julian Nida-Rümelin
Philosophie einer humanen Bildung
Reinhard Meiners
93
Nina Power
Die eindimensionale Frau
Sibylle Weicker
95
Ulrich Sieg
Geist und Gewalt
Konrad Lotter
96
Sonderthema
Adrian Fritz
Fetisch Antisemitismus?
99
Neuerscheinungen
Hans Blumenberg
Beschreibung des Menschen
Ignaz Knips
113
Ulrich von Bülow, Stephan Schlak
Kommissar Lukács
Konrad Lotter
115
Sergeij Bulgakov
Philosophie der Wirtschaft
Konrad Lotter
116
Frank Engster
Das Geld als Maß, Mittel und Methode
Fritz Reheis
118
Daniel Martin Feige
Philosophie des Jazz
Jan-Nicolai Kolorz
123
Neuerscheinungen
Markus Gabriel (Hg)
Der Neue Realismus
Jan-Nicolai Kolorz
124
Wolfgang Heise
Schriften in zwei Bänden
Reinhard Jellen
125
Douglas Hofstadter, Emmanuel Sander
Die Analogie
Percy Turtur
127
Eckhard Jesse /Sebastian Liebold (Hg)
Deutsche Politikwissenschaftler –
Werk und Wirkung
Gideon Botsch
128
Siegfried Kracauer
Totalitäre Propaganda
Ottmar Mareis
131
Angelo Maiolino
Politische Kultur in Zeiten des Neoliberalismus
Christopher Knoll
133
Achille Mbembe
Kritik der schwarzen Vernunft
Jadwiga Adamiak
135
Martha C. Nussbaum
Politische Emotionen
Helga Sporer
137
Jacques Rancière
Die Lektion Althussers
Frank Beiler
139
Smail Rapic (Hg)
Habermas und der historische Materialismus
Alexander von Pechmann
141
Neuerscheinungen
Achim Szepanski
Kapitalisierung Bd. 1 und 2
Paul Stephan
144
Bernhard H. F. Taureck
Überwachungsdemokratie
Jürgen Koller
148
Peter Trawny
Heidegger und der Mythos
der jüdischen Weltverschwörung
Georg Koch
150
Christian Volk, Friederike Kuntz (Hg)
Der Begriff der Souveränität in
der transnationalen Konstellation
Jürgen Koller
152
Tagungsbericht
Emanuel Kapfinger
Philosophie und Politik.
Untersuchungen zu
Martin Heideggers Schwarzen Heften
155
Anhang
AutorInnen
159
Impressum
160
Zum Thema
Grenzen der Anpassung
Der Begriff der Anpassung hat nicht nur mehrere Bedeutungen, er wird
auch gegensätzlich bewertet. Mit positivem Vorzeichen wird er z.B. in der
Biologie, speziell in der Evolutionstheorie, verwendet: Je besser ein
Lebewesen an seine Umwelt angepasst ist, desto erfolgreicher kann es sich
im Kampf ums Dasein behaupten. Ebenso positiv erscheint er in der
Medizin oder der Psychiatrie. Beide begreifen Anpassungsstörungen als
Krankheit und versuchen, sie durch geeignete Therapien zu heilen. Mit
negativem Vorzeichen ist der Begriff dagegen zumeist in der Politik oder
(Sozial-) Psychologie versehen, wo Anpassung mit Konformismus,
Opportunismus
oder
Mitläufertum
assoziiert
wird.
Manche
Bildungspolitiker warnen inzwischen vor allzu großer Anpassung, die schon
im Kindergarten auf die (Leistungs-) Anforderungen des Gymnasiums und
der (Elite-) Universität vorbereitet: Überanpassung mache steril und
unkreativ und bewirke das Gegenteil dessen, was Schule und Ausbildung
bewirken sollen, die Vorbereitung auf eine gehobene berufliche Karriere.
Dagegen hat die emanzipatorische Pädagogik den Begriff der kritischen
Anpassung geprägt. Ohne Anpassung ist kein soziales Leben möglich; doch
sollten mündige Menschen auch die Fähigkeit besitzen, die Ziele und das
Ausmaß ihrer Anpassung zu reflektieren und selbst bestimmen.
Das philosophische Interesse, das dem vorliegenden Heft zugrunde liegt,
ist allgemeiner: Ausgelotet werden darin die Grenzen der Anpassung an eine
Gesellschaft, die sich im Interesse des ökonomischen Wachstums und des
Profits ständig beschleunigt. Es sind nicht nur die Produktion und die
Zirkulation, die sich infolge fortschreitender Produktivkräfte ständig
8
Zum Thema
beschleunigen und höhere Anforderungen an das Können, die
Verantwortung, die Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer der Menschen
stellen. Es sind auch die Produktions- oder Arbeitsverhältnisse, die ihm
immer mehr Mobilität und Flexibilität abverlangen. Davon ausgehend
findet eine fortwährende Veränderung der Lebenswelt statt, die ein
ständiges Umlernen und Neu-Orientieren erfordert und vielen Menschen
das Gefühl vermittelt, sich auf slippery slopes oder „rutschenden Abhängen“
(Hartmut Rosa) zu bewegen, ohne Aussicht, die eigenen Lebensumstände
noch beherrschen zu können.
Nicht eingestimmt werden soll in die Klage der Kulturpessimisten, die in
der Folge der zunehmenden Beschleunigung eine „neue Barbarei“
(Nietzsche) heraufziehen oder das Leben in der Sphäre der
„Uneigentlichkeit“ (Heidegger) versinken sehen. Zwar ist der Mensch
anpassungsfähig und entwickelt unter dem Einfluss der gesellschaftlichen
Verhältnisse eine „zweite Natur“, die die erste, biologische Natur
überformt. Gleichzeitig aber stellt sich die Frage, wie weit diese
Anpassungsfähigkeit geht und ob, bei fortschreitender Beschleunigung,
nicht Grenzen sichtbar werden, die ihn physisch und psychisch überfordern
und seine menschliche Integrität beschädigen. Vor allem aber stellt sich die
Frage, ob mit dem Offenbar-Werden dieser Grenzen nicht auch die
Bereitschaft der Menschen wächst, sich den entfremdeten Verhältnissen
entgegenzustellen.
Konrad Lotter stellt einleitend eine Reihe von positiven und negativen
„Utopien der Anpassung“ vor. In ihnen werden „neue Menschen“
entworfen, die an die Bedürfnisse der kapitalistischen Produktion und die
Steigerung der Profitrate angepasst sind und dabei zu Maschinen mutieren.
In seinem Beitrag „Wider den Urteilszwang“ kritisiert Pravu Mazumdar den
Normierungswahn der herrschenden Kunstkritik und formuliert Kriterien
für einen produktiven und kreativen Umgang mit Kunstwerken.
Unter dem Titel „Wann ist es genug?“ gibt Fritz Reheis einen Überblick
zum gegenwärtigen Stand der Diskussion über die soziale Beschleunigung.
Mit den zunehmenden Zwängen der Anpassung des Menschen und der
Natur an den technischen Fortschritt und das beschleunigte ökonomische
Wachstum werden zugleich deren Grenzen aufgezeigt. Burkhard Wilk
entwickelt den Gedanken einer „monopluralistische Integration“ als eines
„ethischen Konzepts der Multikulturalität“. Es handelt sich dabei um einen
Grenzen der Anpassung
9
Spezialfall der Anpassung: die Anpassung von Einwanderern an ihre neue
soziale, politische und kulturelle Umwelt.
Das Gespräch mit Heiner Keupp, das zugleich die Rubrik „Münchner
Philosophie“ repräsentiert, problematisiert die Grenzen der Anpassung
anhand konkreter Beispiele. Es zeigt die psychischen Mechanismen und
schichtenspezifischen Formen der Anpassung auf, versucht die Grenzen
zwischen notwendiger Anpassung bei der Ausbildung der Persönlichkeit
und der Überanpassung an „falsche“ gesellschaftliche Normen und
Ideologien zu ziehen und diagnostiziert die Grenzen der Anpassung als
Erkrankung.
Die Liste der Rezensionen zum Thema ist in diesem Heft verhältnismäßig
kurz, was daran liegt, dass das Thema „Anpassung“ trotz gesteigerten
Drucks durch neue Techniken, soziale Medien, Mode, Überwachung
derzeit nur wenig diskutiert wird.
Das Sonderthema des Hefts behandelt das Verhältnis von Fetischismus
und Antisemitismus. Adrian Fritz geht dem Fetischbegriff nach und stellt
Theorien vor, die den Antisemitismus als Projektionsform des Marxschen
‚Kapitalfetischs‘ erklären.
Lang fällt dagegen dieses Mal die Liste der Rezensionen von
Neuerscheinungen aus. Ein Tagungsbericht zum Antisemitismus in
Heideggers Schwarzen Heften von Emanuel Kapfinger schließt das Heft ab.
AutorInnen
WIDERSPRUCH 60
Grenzen der Anpassung
JADWIGA ADAMIAK, Dipl.-Volksw.,
Journalistin, München
FRANK BEILER, Doktorand,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Lehrstuhl für Systematische
Erziehungswissenschaft, TU Dresden
GIDEON BOTSCH, Dr. phil. habil.,
Mitarbeiter am Moses-MendelsohnZentrum für europäisch-jüdische
Studien an der Universität Potsdam
ADRIAN FRITZ,
Student der Philosophie, München
REINHARD JELLEN, M.A.,
Publizist, München
EMANUEL KAPFINGER, M.A.,
Fellow in Residence des
Kolleg Friedrich Nietzsche, Weimar
HEINER KEUPP, Dr. phil. habil.,
Prof. i. R. für Sozialpsychologie
LMU München
IGNAZ KNIPS, Lehrbeauftragter der
Uni Köln, Abt. Internationale
Beziehungen, Köln
CHRISTOPHER KNOLL, M.A.,
Dozent für Deutsch als Fremdsprache,
VHS Bremen
GEORG KOCH, M.A.,
freier Autor, München
JÜRGEN KOLLER, Dr. phil.,
freier Autor, Philosoph, Innsbruck
JAN-NICOLAI KOLORZ, Doktorand
der Philosophie, Frankfurt/Main
KONRAD LOTTER, Dr. phil.,
Privatgelehrter, München
OTTMAR MAREIS, Dr. phil.,
Sozialpsychologe und Écrivain,
München
PRAVU MAZUMDAR, Dr. phil.,
Autor und Dozent, München
Grenzen der Anpassung
REINHARD MEINERS, Dr. phil., Lehrbeauftragter für Technikphilosophie,
Universität Oldenburg
ALEXANDER VON PECHMANN,
Dr. phil. habil., Privatdozent für
Philosophie, LMU München
FRITZ REHEIS, Prof. Dr. phil. habil.,
Lehrstuhl für politische Theorie,
Universität Bamberg
FABIAN SCHMIDT, M.A.,
freier Autor, Haag
HELGA SPORER, Dr. phil.,
freie Journalistin, Geretsried/München
PAUL STEPHAN, Magistrand der
Philosophie, Publizist, Frankfurt/Main
PERCY TURTUR, M.A.,
freier Autor, München
SIBYLLE WEICKER, M.A.,
freie Autorin, München
BURKHARD WILK, Dr. jur.,
Rechtsanwalt und Mediator, Kassel
FRANCO ZOTTA, Dr. phil.,
freier Autor, Voerde/Niederrhein
11
Impressum
Widerspruch
Münchner Zeitschrift für Philosophie
34. Jahrgang 2015
Herausgeber
Münchner Gesellschaft für
dialektische Philosophie,
Tengstr. 14, 80798 München
Redaktion:
Jadwiga Adamiak,
Miriam Gil (Anzeigen),
Georg Koch (Rezensionen),
Konrad Lotter (verantwortlich),
Ottmar Mareis,
Alexander von Pechmann,
Franz Piwonka,
Fabian Schmidt (Internet),
Helga Sporer,
Percy Turtur (Layout),
Sibylle Weicker
Widerspruch Verlag,
Tengstr. 14, 80798 München.
Tel & Fax: (089) 2 72 04 37;
e-mail: [email protected]
Erscheinungsweise
halbjährlich / Auflage: 500
Druck: TOPP KOPIE, München
ISSN 0722-8104
Preis
Einzelheft: 10,-- EUR
Abonnement: 9,-- EUR (zzgl. Versand)
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Redaktion wieder. – Für unaufgefordert
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