Mathematik, nominalistische und finitistische Theorien 1

Philosophie und/als Wissenschaft
Proceedings der GAP.5, Bielefeld 22.–26.09.2003
Mathematik, nominalistische und finitistische Theorien
Karl-Georg Niebergall
1. Einleitung
Die wenigsten werden bezweifeln, daß es Menschen gibt. Es besteht jedoch gerade
unter Philosophen keine Übereinstimmung darin, ob es zudem auch die Menschheit
gibt, oder die Idee des Menschen, oder die Eigenschaft ein Mensch zu sein, oder die
Menge der Menschen. Wenn auch nicht viele solche zusätzlichen Existenzannahmen für
unmittelbar intuitiv plausibel erachten, so gibt es dennoch nur wenige Nominalisten
unter den analytischen Philosophen. Zugunsten der Annahme von abstrakten Objekten1
werden nämlich systematische Überlegungen geltend gemacht. Da gibt es zum einen
indispensability-Argumente: nominalistische Positionen ermöglichten es nicht, das auszudrücken oder zu behaupten, was man ausdrücken oder behaupten möchte, oder was
auszudrücken oder zu behaupten unverzichtbar sei. Solche einer nominalistischen Behandlung unzugänglich erscheinenden Formulierungen kommen vor
(a)
(b)
(c)
in der Mathematik und somit in den exakten Wissenschaften;
in formaler Syntax und Semantik;
bei einer ganzen Reihe von umgangssprachlichen Sätzen.
Zum anderen wird behauptet, daß beim Aufbau nominalistischer Systeme und beim Räsonieren über sie nichtnominalistische Methoden – u.U. notwendigerweise – angewandt
würden. Kurz gesagt ist hier die Kritik:
(d)
der Nominalismus ist inkohärent oder sogar inkonsistent.
In Niebergall 2004b habe ich dafür argumentiert, daß man der Herausforderung aus (a)
begegnen kann, indem man zeigt
(NR)
Die Mathematik ist auf eine nominalistische Theorie reduzierbar,
und daß sich (NR) präzisieren läßt durch2
1
2
Diesem Aufsatz liegt die Konzeption des Nominalismus qua Vermeidung der Annahme von abstrakten Objekten zugrunde. Das ist problematisch: es paßt zu Quines Auffassung, aber nicht zu der Goodmans (vgl. Goodman 1977) oder Armstrongs (vgl. Armstrong 1989), nach denen der Nominalist nur
Individuen bzw. Partikularia anerkennt. Dies sind nicht nur terminologische, sondern auch inhaltliche
Unterschiede; vgl. Niebergall 2004b.
Für ZFC (Zermelo Fraenkel Mengenlehre mit Auswahlaxiom) siehe Kunen 1980; für PA (Peano Arithmetik) siehe Hájek/Pudlák 1993. KTZFC und „relativ interpretierbar“ werden in Abschnitt 2 definiert.
(RedN ZFC) ZFC ist relativ interpretierbar in KTZFC.
Hat man (RedN ZFC), so ergibt sich auch eine Lösung des in (b) angesprochenen
Problems: Da formale Syntax und Semantik in ZFC formalisierbar sind,3 sind mit der
Interpretation von ZFC in KTZFC alle syntaktischen und semantischen Definitionen und
(Meta-) Theoreme in KTZFC – also in einer nominalistischen Theorie – kopierbar.4
Ähnliche Überlegungen sind auch für (d) relevant (siehe Abschnitt 5).
In vorliegendem Text skizziere ich zunächst einen Nachweis von (RedN ZFC). Es
folgt eine Diskussion der Relevanz von (RedN ZFC) für (NR); dabei geht es vor allem
darum, was nominalistische und finitistische Theorien sein und wie sie zusammenhängen
könnten. Der Aufsatz schließt mit Bemerkungen zu (d).
2. Die relative Interpretation von ZFC in KTZFC
(RedN ZFC) ist ein Metatheorem, d.h. ein metamathematisch beweisbarer Satz, dessen
Beweis ich hier nur skizziere (Details finden sich in Niebergall 2003). Dazu gebe ich
zuerst eine Konkatenationstheorie KT5 und eine spezifische relative Interpretation an,
für die sich
(RedN PA)
PA ist relativ interpretierbar in KT
zeigen läßt. (RedN ZFC) folgt hieraus mit einem allgemeinen, auch als Bernays’
Lemma bekannten metamathematischen Resultat.
KT ist in einer Sprache 1.Stufe L[KT] mit klassischer Logik formuliert ist, deren
spezifisches Vokabular umfaßt: die Konstante „str“ („der Strich“); die 1-stelligen Prädikate „St“ („ist ein Strich“), „D“ („ist ein Dreieck“), „K“ („ist ein Kreis“), „R“ („ist ein
Rechteck“); das 2-stellige Prädikat „≡“ („gleich lang“) und das 3-stellige Prädikat „C“;
„xCyz“ ist zu lesen als „x ist das Konkatenat von y mit z“.
3
4
5
Hiermit ist speziell gemeint, daß sich für Strukturen M (welche Mengen als Träger haben), Formeln ϕ
und Belegungen h „M |= ϕ[h]“ (vgl. Ebbinghaus et.al. 1998) in ZFC definieren läßt. Definitionen der
Erfüllungsrelation für echte Klassen oder Nachweise, daß ZFC ein Modell hat, sind in ZFC natürlich
nicht zu erwarten.
Eine solcherart in KTZFC formalisierte Semantik wird erwartungsgemäß kaum als Semantik erkennbar
sein. Für einen natürlicheren und insofern vorzuziehenden Ansatz zu einer nominalistischen Semantik
siehe Martin 1958. Martin verwendet dort allerdings eine der ω-Regel verwandte unendliche Schlußregel.
KT ist inspiriert durch die Konkatenationstheorie für types aus Quine 1946 (vgl. Tarski 1935, Quine
1940, Montague 1961 und Corcoran et.al. 1974 für weitere solche Theorien).
11
In diesem Rahmen wird definiert:
yΠx :↔ y = x ∨ ∃w xCyw ∨ ∃w xCwy ∨ ∃ww′a(xCwa ∧ aCyw′),
At(x) :↔ ∀y(yΠx → y = x),
SF(x) :↔ ∀y(yΠx ∧ At(y) → St(y)),
N(x) :↔ x = str ∨ ∃y(SF(y) ∧ xC(str,y)),
AF(x,y,z) :↔ ∃abc(SF(y) ∧ SF(z) ∧ D(a) ∧ R(b) ∧ K(c) ∧ x = aybzc6),
Q(w,y,z) :↔ ∃x(AF(x,y,z) ∧ xΠw),
V(y,s,x,z,t) :↔ ∃urvw(y≡u ∧ St(r) ∧ sCur ∧ z≡v ∧ x≡w ∧ SF(t) ∧ tCvw),
Sg-(w,x,s,t) :↔ (St(s) ∧ t≡x) ∨ ∃yz(Q(w,y,z) ∧ V(y,s,x,z,t)),
Sq(w,x,y,z) :↔ Q(w,y,z) ∧ ∀st(Q(w,s,t) → Sg-(w,x,s,t)).
Axiome von KT
Die spezifischen Axiome von KT sind:
(Ax1) St(str), ∀x(St(x) ∨ D(x) ∨ R(x) ∨ K(x) → At(x)),
∀x(St(x) → ¬D(x) ∧ ¬R(x) ∧ ¬K(x)),
∀x(D(x) → ¬R(x) ∧ ¬K(x)), ∀x(R(x) → ¬K(x)).
(Ax2) ∀x x≡x, ∀xy (x≡y → y≡x), ∀xyz (x≡y ∧ y≡z → x≡z).
(Ax3) ∀x(St(x) → x≡str),
∀xyz (zCxy → ¬z≡x ∧ ¬z≡y).
(Ax4) Tarski’s Axiom in zwei Fassungen:
∀yzuv (∃x(zCxy ∧ xCuv) ↔ ∃a(zCua ∧ aCvy)),
∀xyzabc [zCxy ∧ cCab → (z = c ↔ (x = a ∧ y = b) ∨
∃w(xCaw ∧ Cwy) ∨ ∃w(aCxw ∧ yCwb))].
(Ax5) Axiome für „C“ und „≡“:
∀abcxyz (x≡a ∧ y≡b ∧ zCxy ∧ cCab → z≡c),
∀xyzu (x≡u ∧ uCyz → ∃y′z′ (y≡y′ ∧ z≡z′ ∧ xCy′z′)).
(Ax6) ∀xyzvy′ (zCxy ∧ vCxy′ → y = y′ ∨ ∃w(yCy′w ∨ y′Cyw)),
∀xyzvy′ (zCyx ∧ vCy′x → y = y′ ∨ ∃w(yCwy′ ∨ y′Cwy)),
(Ax7) Folgenaufbau-Axiome:
∀xy (N(x) ∧ SF(y) → ∃y′v (SF(y′) ∧ y≡y′ ∧ vCx y′)),
∀xy (N(x) → ∃ayz (AF(a,y,z) ∧ St(y) ∧ z≡x)),
∀xy (Sq(w,x,y,z) → ∃abcv (AF(a,b,c) ∧ V(y,b,x,z,c) ∧ vCwa)).
Induktionsschema: Für beliebige Formeln ψ aus L[KT]:
ψ(str) ∧ ∀xyi (N(x) ∧ St(i) ∧ ψ(x) ∧ yCxi → ψ(y)) → ∀x(N(x) → ψ(x)).
Der Wahl der Sprache und der Axiome von KT liegt folgende informelle intendierte
Lesart zugrunde: KT handelt zumindest von atomaren (nichtzusammengesetzten) Objekten – Striche, Rechtecke, Dreiecke, Kreise (vgl. (Ax1), (Ax3)) – und von aus diesen
über Konkatenation gebildeten Sequenzen. Daß diese Objekte als token verstanden werden, zeigt sich darin, daß nicht gefordert wird, daß es zu b, c immer ein Konkatenat gibt
6
Hiermit sei die iterierte Konkatenation von a,y,b,z und c abgekürzt.
12
(vgl. (Ax4)); insbesondere ist b nicht mit b, sondern höchstens mit zu b gleichlangem b′
konkateniert. Die Sequenzen verzweigen nicht und kreuzen sich nicht mit anderen; gilt
aCbc, so liegt kein Objekt zwischen b und c (vgl. (Ax6)). Eine ganz bestimmte Strichfolge – die „n“ heißen möge – vertritt die natürlichen Zahlen; sie beginnt mit dem Objekt str und hat unendliche Länge (vgl. (Ax7)). Die Existenz beliebig langer Strichfolgen muß gefordert werden, um sämtliche natürlichen Zahlen simulieren zu können (vgl.
(Ax7)). „Nachfolger“ sind gebildet durch einen angehängten Strich. Die „Summe“ ist
durch eine Aneinanderreihung von geeignet vielen Strichen, die „Multiplikation“ durch
den Aufbau von Folgen, mit denen die iterierte Addition erfaßt wird, erklärt; Dreiecke,
Kreise und Rechtecke dienen hierbei als Trennzeichen.
Nun zu den relativen Interpretationen (von S in T): Dies sind die quantorenlogische
Form erhaltende Abbildungen von Formeln einer Sprache L in L′, die S-Theoreme in TTheoreme überführen. Für relationale Sprachen L heißt dies genauer:
Definition (vgl. Tarski et.al. 1953, Feferman 1960): Sei L eine 1.-stufige prädikatenlogische Sprache mit Relationszeichen R1, …, Rm und Konstanten c1 , …, cn , L′ eine prädikatenlogische Sprache. Sei jedem k-stelligen Rj injektiv eine k-stellige Formel θ(Rj) aus
L′ zugeordnet; sei δ(x) eine 1-stellige, von den θ(Rj) verschiedene Formel von L′; sei ι
eine injektive Funktion von der Menge der Variablen und Konstanten von L in die
Menge der Terme von L′, die jede Variable von L auf eine Variable von L’ und jede
Konstante von L auf einen geschlossenen Term von L′ abbildet.
I ist eine relative Interpretation von S in T relativ zu ι, δ, θ :⇔
I: Fml[L] → Fml[L′] ist rekursiv, und für alle Terme s, t, s1 , …, sk, Variablen x, k-stelligen Prädikate Rj und Formeln ϕ, ψ aus L
I(s = t)
I(Rjs1 … sk)
I(¬ψ)
I(ϕ → ψ)
I(∀x ϕ)
≡
≡
≡
≡
≡
ι(s) = ι(t)
θ(Rj) (ι(s1), …, ι(sk)),
¬I(ψ),
I(ϕ) → I(ψ),
∀x (δ(x) → I(ϕ)).
S p T :⇔ S ist relativ interpretierbar in T :⇔ es gibt I, ι, δ, θ, so daß I eine relative Interpretation von S in T relativ zu ι, δ, θ ist.
Eine relational formulierte Variante PA1 von PA wird in L[PA1], einer Sprache mit
der Konstanten „1“ statt „0“ (entsprechend der Vermeidung der Annahme eines „Nullobjekts“ durch KT), dem 2-stelligen Prädikat „S“ („Nachfolger“) und den 3-stelligen
Prädikaten „Σ“ („Summe“) und „Π“ („Produkt“), wie folgt axiomatisiert:
∀x∃y Sxy,
∀x ¬Sx1,
∀xy∃z Σxyz,
∀xyz (Sxy ∧ Sxz → y = z),
∀xyz (Sxz ∧ Syz → x = y),
∀xyzz′ (Σxyz ∧ Σxyz′ → z = z′),
13
∀xy (Σx1y ↔ Sxy),
∀xyzuv (Σxyu ∧ Syv → (Suz ↔ Σxvz)),
∀xy∃z Πxyz,
∀xyzz′ (Πxyz ∧ Πxyz′ → z = z′),
∀x Πx1x,
∀xyz (Πxyz → ∃uv (Syu ∧ Σzxv ∧ Πxuv)),
ψ(1) ∧ ∀xy (ψ(x) ∧ Sxy → ψ(y)) → ∀xψ(x) (ψ aus L[PA1] beliebig)
PA1 kann dann wie folgt in KT interpretiert werden:
Die Interpretationsfunktion I
ι(1) = str,
I(Sxy)
I(Σxyz)
I(Πxyz)
=
=
=
(relativ zu ι, δ, θ)
ι(x) = x für jede Variable x von L[PA1],
∃u (St(u) ∧ yCxu),
∃y′ (SF(y′) ∧ y≡y′ ∧ zCxy′),
∃wy′z′ (Sq(w,x,y′,z′) ∧ y≡y′ ∧ z≡z′).
δ(x) = N(x);
Metatheorem: I ist eine relative Interpretation von PA1 in KT.7
Da eine in Quine 1946 angegebene Übersetzung G von L[PA] in L[PA1] sich als relative Interpretation G von PA in PA1 umdeuten läßt, ergibt sich
Korollar (RedN PA): PA ist relativ interpretierbar in KT.
Sei nun KTZFC := KT + (IoG)(Conzfc). Hier ist „zfc(x)“ eine Σ00-Formel, die im Standardmodell der Arithmetik eine Axiomenmenge von ZFC definiert; und für Σ00-Formeln
τ(x) seien die L[PA]-Formeln „Proofτ(x,y)“ als Arithmetisierung von „x ist ein Beweis
für y in T“ und „Conτ“ als Abkürzung von „∀x¬Proofτ(x, “⊥”)“ wie üblich erklärt.8
Metatheorem (RedN ZFC): ZFC p KTZFC.
Beweis: Aufgrund der Definition von KTZFC und der Wahl von G und I gilt
(i)
IoG ist eine relative Interpretation von PA + Conzfc in KTZFC.
Aus Theorem 6.2, Feferman 1960, folgt: es gibt eine Interpretationsfunktion F (von
L[ZF] in L[PA]), so daß:
7
8
Ein Beweis findet sich in Niebergall 2003.
Ich schreibe „“A”“ für das Gödelnumeral des Ausdrucks „A“; für den metamathematischen Hintergrund siehe Hájek/Pudlák 1993. „o“ steht für die Verkettung von Funktionen.
14
(ii)
F ist eine relative Interpretation von ZFC in PA + Conzfc.9
Mit (i) und (ii) ist IoGoF eine relative Interpretation von ZFC in KTZFC.
3. Diskussion der Metatheoreme
Man mag gegen die These, (RedN ZFC) würde (NR) begründen, einwenden, daß relative Interpretierbarkeit als Reduzierbarkeitsrelation inadäquat oder daß sie ontologisch
irrelevant ist. Mit diesen Kritikpunkten habe ich mich an anderer Stelle befaßt;10 hier
soll es gehen um mögliche Zweifel an der Behauptung
(Nom KTZFC) KTZFC ist eine nominalistische Theorie.
Aber was genau bedeutet „T ist eine nominalistische Theorie“?
Erstens: Hier ist zunächst ein Problem zu konstatieren: eine gleichermaßen präzise
wie allgemeine und unserem Vorverständnis von „ist eine nominalistische Theorie“
angemessene Explikation dieses Prädikats liegt nicht vor und ist nicht leicht zu finden.11
Zweitens: Das heißt jedoch keineswegs, daß wir „ist eine nominalistische Theorie“
nicht verstehen. Die gleichen Schwierigkeiten wie bei der Explikation dieses Prädikats
hat man auch bei derjenigen von „ist eine Zahlentheorie“ und „ist eine Mengentheorie“.
Und auch hier gehen wir, ohne allgemeine Definitionen zu haben, davon aus, daß wir
diese Prädikate verstehen. Wichtig ist dabei vielmehr, daß der Gebrauch dieser Ausdrücke ausreichend einheitlich geregelt ist. Im allgemeinen geschieht dies sowohl durch
(a) paradigmatische Beispiele als auch durch (b) „stereotype“ Verwendungsweisen.
(a) und (b) seien für das Beispiel „T ist eine nominalistische Theorie“ erläutert. (a)
Als paradigmatische nominalistischen Theorien wären zunächst Individuenkalküle12 zu
nennen, aber auch Token-Konkatenationstheorien (vgl. Goodman/Quine 1947). Dabei
stellt sich die Frage, ob diese Theorien zu Recht allgemein als Beispiele für nominalistische Theorien anerkannt sind, eigentlich nicht. Vielmehr wird durch sie – sozusagen per
Wahl oder Beschluß – erst partiell festgelegt, was die Bedeutung von „T ist eine
nominalistische Theorie“ ist. So dienen sie als Kriterium zum Austesten der Adäquatheit von Explikationsvorschlägen für „ist eine nominalistische Theorie“: Würde eine
9
10
11
12
Die Voraussetzung der Konsistenz von ZFC aus Niebergall 2004b ist hier überflüssig: wenn ZFC
inkonsistent ist, ist ¬Conzfc PA-beweisbar; d.h. PA + Conzfc ist inkonsistent.
Der erste wird in Niebergall 2000 und Niebergall 2002 zurückgewiesen; und die (berechtigten) Zweifel
an der Verwendbarkeit von relativen Interpretationen als ontologische Reduktionen sind in Niebergall
2004b behandelt.
Auch bei Goodman (1977), der den wohl elaboriertesten Ansatz enthält, nicht; siehe Niebergall
2004b.
Ein Beispiel dafür ist die Theorie ACI. Diese ist in der 1.stufigen Sprache L[o], mit dem 2-stelligen
Prädikat „o“ („überlappt“), formuliert und hat als Axiome „∀xy (∃z (zΠx ∧ zΠy) ↔ x o y)“, „∀xy∃z∀u
(z o u ↔ x o u ∨ y o u)“, „∀x (∃y∀u (uΠy ↔ ¬u o x) ↔ ¬∀w w o x)“ und „∀y∃x xAΠy“ (mit „zΠx
:↔ ∀y (z o y → x o y)“ und „xAΠy :↔ xΠy ∧ ∀z (zΠx → z = x)“).
15
Definition dieses Prädikats implizieren, daß ACI keine nominalistische Theorie ist, so
wäre sie als Explikation abzulehnen.13
(b) Bei paradigmatischen Beispielen allein sollte man nicht stehen bleiben: zum einen liefert ihre Auflistung keine allgemeine Definition von „T ist eine nominalistische
Theorie“; zum anderen sollte man Beliebigkeiten bei ihrer Wahl vorbeugen und allgemeine Kriterien angeben können, nach denen sie tatsächlich Beispiele (für nominalistische Theorien) sind. Von einer nominalistischen Theorie wäre danach u.a. zu erwarten,
daß sie korrekt ist, wenn man sie als von konkreten Objekten handelnd deutet oder paraphrasiert. Oder man wird „Prinzipien“ wie „Nominalistische Theorien handeln nur
von konkreten Objekten“ und „Mengen sind keine konkreten Objekte“ anerkennen.
(a) und (b) zusammen schließen einige Theorien von den nominalistischen aus. Aber
sie lassen sich nicht leicht zu Explikationen von „T ist eine nominalistische Theorie“
umschreiben. Ich belasse es hier dabei, diese skeptische Einschätzung anhand des speziellen Explikationsvorschlags „T ist eine nominalistische Theorie :⇔ T handelt nur von
konkreten Objekten“ zu illustrieren (für weitere Probleme siehe Niebergall 2004b).
Mit einer ersten Präzisierung von „handelt nur von konkreten Objekten“ erhält man
(für konsistentes T):
T ist eine nominalistische Theorie :⇔ ∀M∀x(x∈M ∧ M |= T ⇒ x ist konkret).
Wie ist nun „x ist konkret“ erklärt? Eine Definition dieser Formel führt nur dazu, deren Definiens explizieren zu müssen. Stattdessen kann man (i) Axiome angeben, d.h.
eine (konsistente) Theorie Ψ konkreter Objekte formulieren. Oder (ii) man legt „x ist
konkret“ unter Verwendung einer geeignet zu wählenden (konsistenten) Theorie S durch
„∃M (M |= S ∧ x∈M)“,14 vielleicht auch durch „∀M (M |= S ⇒ x∈M)“, fest.
Unter (ii) erhält man als Definiens für „T ist eine nominalistische Theorie“ aber (*)
„∀M∀x(x∈M ∧ M |= T ⇒ ∃M (M′ |= S ∧ x∈M′))“ bzw. (**) „∀M∀x(x∈M ∧ M |= T ⇒
∀M′ (M′ |= S ⇒ x∈M′))”; und dies ist gänzlich inakzeptabel. Ist S konsistent, so gilt (*)
immer und (**) nie (vgl. Niebergall 2004b für mehr zu solchen Argumenten und den
Schwierigkeiten, ihnen zu entgehen). Unter (i) ist das Definiens von „T ist eine nominalistische Theorie“ von der Form (***) „∀M∀x(x∈M ∧ M |= T ⇒ Ψ(x, M))“ (wobei Ψ
in einer Metasprache von L[T] formuliert ist). Wenn Ψ erfaßt werden kann durch das
Auswerten einer (in L[T] formulierten, konsistenten) Satzmenge Σ in M, wird (***) zu
„∀M∀x (x∈M ∧ M |= T ⇒ M |= Σ)“. (***) kann zwar nicht wie (*) und (**) trivialisiert
werden; es tritt hier aber ein anderes Problem auf: „T ist eine nominalistische Theorie“
stellt sich als äquivalent heraus zu „Σ ⊆ T “ für die gewählte Theorie Σ. Damit hat man
die Aufgabe einer allgemeinen Explikation von „T ist eine nominalistische Theorie“ auf
diejenige verschoben, eine solche Minimaltheorie Σ zu finden. Wie diese (allgemeiner
gesagt: Ψ) aussehen sollte, dafür gibt es aber nach meinem Dafürhalten nicht den ge13
14
Ebenso würde man einen Explikationsversuch von „T ist eine Zahltentheorie“ zurückweisen, demzufolge PA keine Zahlentheorie wäre.
Das erinnert an den Zugang in Goodman 1977.
16
ringsten Anhaltspunkt. Ist beispielsweise Σ vollständig, so gibt es nur eine nominalistische Theorie: nämlich Σ. Und ist Σ unvollständig, so gibt es miteinander unverträgliche nominalistische Theorien. Vor allem aber ist Σ in einer fixierten Sprache formuliert;
die Forderung, alle nominalistischen Theorien müßten in einer Sprache formuliert sein,
ist unplausibel, und überschätzt notationelle Gegebenheiten oder beruht auf einer kaum
zu explizierenden Konzeption von „Sprache“.
Zurück zu (Nom KTZFC), und zu „KT ist eine nominalistische Theorie“ (d.h., (Nom
KT)). Wegen erstens können (Nom KTZFC) und (Nom KT) nicht im Sinn einer allgemeinen präzisen Explikation von „T ist eine nominalistische Theorie“ gelten. Im Lichte
von (a) sowie (b) ist KT aber wohl eine nominalistische Theorie: insbesondere ihre
„Konkretes-Objekt“-Paraphrase habe ich schon in Abschnitt 1 angegeben.15 Hier ist
jedoch zu beachten, daß in Goodman/Quine 1947 keine konkatenationstheoretischen
Axiome angegeben werden; es ist daher nicht ausgemacht, daß die Autoren (Nom KT)
anerkannt hätten.16 Und man mag folgenden Einwand gegen (Nom KT) vorbringen:
(α)
KT hat keine endlichen Modelle; nominalistische Theorien dürfen aber keine Unendlichkeitsannahmen machen.
Ein Grund für (α) ist: Wenn es nur endliche viele konkrete Objekte gibt, dann sind unter
ihrer üblichen Lesart die Theorien KT und KTZFC falsch. Und daß es nur endlich viele
konkrete Objekte gibt, sagen uns die Naturwissenschaften. – Ob uns dies die Naturwissenschaften wirklich sagen, ist mir nicht klar. Und auch wenn es die akzeptierten naturwissenschaftlichen Theorien tun – sie selbst könnten falsch sein. – Das führt zu einem
anderen Grund für (α): wenn wir es schon nicht wissen, ob es nur endlich viele konkrete
Objekte gibt, dann sollten wir die Existenz unendlich vieler konkreter Objekte nicht
einfach annehmen oder fordern; aber dies geschieht mit der Akzeptanz von KT. Ich
komme auf diesen berechtigten Einwand im nächsten Abschnitt zurück.
Bei all dem ist aber festzustellen, daß nach weit verbreiteter Auffassung der Finitismus kein notwendiger Bestandteil des Nominalismus ist. So schreibt Goodman (1972,
S.154) „… finitism, although a friendly companion of nominalism, is neither identical
with nor necessary to it“.17 Ähnlich wird in Goodman/Quine 1947 zwar eine Fusion von
Nominalismus und Finitismus propagiert, nicht aber ihr Zusammenfallen. In neueren
Beiträgen (wie Field 1980 und Lewis 1991) spielt schließlich ein Vermeiden von Unendlichkeitsannahmen gar keine Rolle. Beispielsweise nimmt Field überabzählbar viele
15
16
17
Das Zusammenfügen von konkreten Objekten a, b durch z.B. Nebeneinanderstellen führt sicherlich zu
einem konkreten Objekt (zumindest wenn a und b sich berühren oder eine Lücke zwischen ihnen von
einem anderen konkreten Objekt geschlossen wird); und es ist ein empirisch relevanter und
nachvollziehbarer Unterschied, ob sich a links von b oder b links von a befindet.
Die Token-Konkatenationstheorie aus Martin 1958, eine „Ausarbeitung“ von Goodman/Quine 1947,
ist verschieden von KT.
Es sei aber daran erinnert, daß Goodman (1977) nicht die Annahme von unendlich vielen konkreten
Objekten, sondern von unendlich vielen Individuen für nominalistisch unbedenklich erachtet. Sofern
er sein nominalistisches System aus Goodman 1977 phänomenalistisch deutet, neigt er zum Finitismus.
17
Objekte – nämlich Raum-Zeit-Punkte – als nominalistisch zulässig an. So gesehen kann,
wenn es um (Nom KT) geht, Einwand (α) ignoriert werden.
Jedenfalls akzeptiere ich für den Rest dieses Abschnitts (Nom KT) und wende mich
vor diesem Hintergrund (Nom KTZFC) zu. KTZFC ist sicherlich keine paradigmatische
nominalistische Theorie. Darüber hinaus wird man auch ohne eine, im allgemeinen
schwer zu fixierende, exakte Unterscheidung zwischen wahren und notwendigen Sätzen
das KTZFC-spezifische Axiom IoG (Conzfc) nicht für notwendig oder konzeptuell wahr
halten. Das schließt aber nicht aus, daß IoG (Conzfc) unter der bevorzugten informellen
Lesart (als von konkreten Objekten handelnd) wahr ist; und mehr als dies – daß KTZFC
„nominalistisch akzeptabel“ ist – möchte ich für die These (Nom KTZFC) auch nicht
beanspruchen. Da ich zudem von (Nom KT) ausgehe, ist unter der Annahme der Konsistenz von ZFC demnach zu zeigen:
(KT > KTZFC)
Wenn (Nom KT), dann ist KTZFC nominalistisch akzeptabel.
Gelte also (Nom KT); für (Nom KTZFC) reicht es dann, daß „IoG (Conzfc)“ nominalistisch akzeptabel ist. Da „IoG (Conzfc)“ mit „∀x(N(x) → IoG (¬Proofzfc(x,“⊥”)))“ logisch
äquivalent ist, ist somit zu zeigen:
(*)
Für beliebige Objekte a: erfüllt a die bevorzugte Paraphrase von „N(x)“, so erfüllt
a die bevorzugte Paraphrase von „IoG (¬Proofzfc(x, “⊥”))“.
Gelte nun für a die Prämisse von (*). Dann ist a eine Strichfolge der Länge k (mit k >
0), die mit dem (die 1 vertretenden) Strich beginnt. Sei (für k > 0) k das Numeral für k;
d.h. k = S…S0 (mit k Vorkommnissen von „S“); dann erfüllt a „x = ι(k)“. Es folgt:
(**)
a erfüllt die bevorzugte Paraphrase von „N(x)“ und von „IoG (x = k)“.
Falls ZFC konsistent ist, gilt für jedes n∈IN, daß
PA |− ∀x(x = n → ¬Proofzfc(x, “⊥”));18
und da IoG eine relative Interpretation von PA in KT ist, folgt für jedes n∈IN
KT |− IoG (∀x(x = n → ¬Proofzfc(x, “⊥”))),
also
(***)
KT |− ∀x(N(x) ∧ IoG (x = n) → IoG (¬Proofzfc(x, “⊥”))).
KT ist nominalistisch attraktiv; daher gilt mit (***) für jedes n∈IN
18
Siehe Hájek/Pudlák 1993.
18
(****) Für beliebige Objekte b: erfüllt b die bevorzugte Paraphrase von „N(x)“ und
von „IoG (x = n)“, so erfüllt b die bevorzugte Paraphrase von
„IoG (¬Proofzfc(x, “⊥”))“.
Da a beliebig war, folgt (*) aus (**) und (****).19
4. Nominalismus und Finitismus
Auch wenn man (Nom KTZFC) akzeptiert und zugesteht, daß der Nominalismus nicht
den Finitismus notwendig mit sich bringt, mag man wegen ihrer Unendlichkeitsannahmen KTZFC, aber auch schon KT, für fragwürdige Theorien halten – und ein Ausführen
von (NR) mit diesen Theorien für ein wenig relevantes Ergebnis.
Diese Überlegung kann zum einen als Kritik an jeder Theorie, die nur unendliche
Modelle hat, verstanden werden.
Ein Vermeiden jeglicher Art von Unendlichkeitsannahmen finde ich eigentlich überzeugend; entsprechend scheint mir (ähnlich wie Goodman/Quine 1947, Henkin 1953
und Wang 1953) eine finitistische Version des Nominalismus interessant und erstrebenswert. Hier besteht allerdings das Problem, daß unser wissenschaftliches Räsonieren
– so, wie es de facto vorliegt – voll von Unendlichkeitsannahmen ist. Das trifft nicht nur
auf die akzeptierten mathematischen Theorien zu, sondern auch auf die formale
Semantik und die formale Syntax. So wird z.B. schon in der Syntax-Theorie der Aussagenlogik angenommen, daß es zu beliebigen Paaren von Formeln auch ein von ihnen
verschiedenes Konkatenat gibt (was zu unendlich vielen Formeln führt).
Ganz allgemein halte ich ein Theoretisieren ohne Unendlichkeitsannahmen für
schwerer zu verwirklichen als ein nominalistisches. Insbesondere scheint mir eine wie
auch immer geartete Rekonstruktion bestehender Mathematik nicht ohne Unendlichkeitsannahmen auskommen zu können. Damit meine ich nicht nur, daß die als Medium
mathematischen Beweisens akzeptierten Theorien (wie PA und ZF) keine endlichen
Modelle haben. Zudem soll darunter verstanden werden:
(NonFin)
Es gibt keine finitistische Theorie, auf die die Mathematik reduzierbar ist.
Um eine möglichst starke metalogische Präzisierung dieser These zu erhalten, sollte in
ihr „die Mathematik“ als eine möglichst schwache der o.g. Theorien und „Reduzierbarkeit“ als eine möglichst weite Relation bestimmt werden. Dem kann man nachkommen,
indem man Q20 als „Mathematik“ nimmt und von der Reduzierbarkeitsfunktion lediglich fordert, sie solle rekursiv sein und mit den Junktoren kommutieren.
19
20
Für ein kürzeres, aber problematischeres Argument siehe Niebergall 2004b.
Q ist PA ohne Induktionsschema, plus „∀x (x ≠ 0 → ∃y(x = Sy))“; siehe Tarski et.al. 1953.
19
Seien entsprechend L[S] und L[T], die Sprachen von S und T, prädikatenlogische
Sprachen 1. Stufe mit klassischer Logik (o.B.d.A. mit disjunktem Vokabular).21
Definition: f ist eine ¬-∧-Übersetzung von S in T :⇔ f : L[S] –> L[T] ist berechenbar ∧
∀ϕψ aus L[S] [ f(¬ϕ) = ¬f(ϕ) ∧ f(ϕ∧ψ) = f(ϕ)∧f(ψ) ∧ (S |− ϕ ⇒ T |− f(ϕ)) ].
S ist in T ¬-∧-übersetzbar :⇔ ∃f (f ist eine ¬-∧-Übersetzung von S in T).
Tatsächlich ist ¬-∨-Übersetzbarkeit eine sehr weite Relation: so ist sogar ZF in Q ¬-∧übersetzbar (siehe Pour-El/Kripke1967).
Das eigentliche Problem bei der Präzisierung von (NonFin) ist aber, eine gelungene
Explikation von „T ist eine finitistische Theorie“ zu finden (vgl. Niebergall 2004a für
das folgende). Das sieht zunächst recht einfach aus: man wird erklären „T ist finitistisch
⇔ T macht keine Unendlichkeitsannahmen“, und letzteres modelltheoretisch präzisieren durch „es gibt ein endliches Modell von T“.22 Entsprechend definiere ich
T ist strikt finit :⇔ T hat ein endliches Modell.
Von Beweistheoretikern wird jedoch die Primitiv Rekursive Arithmetik (PRA) als paradigmatisches Beispiel für eine finitistische Theorie anerkannt – und PRA ist nicht strikt
finit. Immerhin hat jeder in PRA herleitbare Satz ein endliches Modell: PRA ist, in der
Terminologie von Mycielski 1986, „lokal finit“. Allgemein formuliert:
T ist lokal finit :⇔ jeder in T beweisbare Satz hat ein endliches Modell.
Ein plausibler Ansatz scheint mir nun, jede strikt finite Theorie für finitistisch und jede
finitistische Theorie für lokal finit zu erklären; aber nicht umgekehrt. Damit ist „T ist
eine finitistische Theorie“ zwar nach wie vor weit von einer Explikation entfernt; aber
(NonFin) kann in diesem Rahmen trotzdem in verschiedener Weise präzisiert werden.
Die hier von mir untersuchte, strenge Fassung dieser These ist:
Hat L[T] endliches relationales Vokabular und ist T strikt finitistisch, dann ist Q nicht in
T ¬-∧-übersetzbar. 23
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22
23
Die Prädikatenlogik sei jeweils so aufgebaut, daß nur Sätze herleitbar sein können.
Definientia von „T ist finitistisch“ wie „Alle Modelle von T sind endlich“, „Es gibt ein Modell von T
welches ein endliches Element enthält“ und „Alle Modelle von T enthalten ein endliches Element“
sind unbrauchbar. Im ersten Fall wäre weder die Menge der prädikatenlogischen Wahrheiten eine
finitistische Theorie, noch wären Teiltheorien einer finitistischen Theorie immer finitistisch. Im zweiten Fall wären alle konsistenten (1.stufigen) Theorien finitistisch, im dritten Fall keine.
Es sei bemerkt, daß sogar ZFC in eine lokal finite Theorie ¬-∨-übersetzbar ist. Diese ist allerdings
nicht in einer Sprache mit endlichem Vokabular formuliert.
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Dies kann man beweisen. – Sei dazu gesetzt:
∆[S, M, M′, f] :⇔ ∀ϕ aus L[S] (M′ |= ϕ ⇔ M |= f(ϕ)),
σ[f, S, T] :⇔ ∀M (M |= T ⇒ ∃M′ (M′ |= S ∧ ∆[S, M, M′, f]))
Theorem: (i)24 ∀ST f (f ist eine ¬-∧-Übersetzung von S in T ⇒ σ[f, S, T]).
(ii) ∀STf (f ist eine ¬-∧-Übersetzung von S in T ∧ T ist vollständig ∧ T ist
entscheidbar ⇒ ∃S* (L[S*] = L[S] ∧ S ⊆ S* ∧ S* ist entscheidbar)).
(iii) Hat L[T] endliches relationales Vokabular und hat T ein endliches Modell, dann ist Q nicht in T ¬-∧-übersetzbar.
Beweis: (i) Sei f eine ¬-∧-Übersetzung von S in T, und gelte M |= T; dann folgt
{ϕ | M |= f(ϕ)} ∪ S ist konsistent.
(*)
Denn sonst gibt es ϕ1, …, ϕk mit
(+)
M |= f(ϕ1) ∧ … ∧ f(ϕk) und (++) S |− ¬(ϕ1 ∧ … ∧ ϕk).
(++) impliziert aufgrund der Voraussetzung T |− f(¬(ϕ1 ∧ … ∧ ϕk)), und somit
T |− ¬(f(ϕ1) ∧ … ∧ f(ϕk)). Dies widerspricht (+) und M |= T.
Wegen (*) gibt es daher ein Modell M′ von S, für das ∆[S, M, M′, f] der Fall ist.
(ii) Sei f eine ¬-∧-Übersetzung von S in T, und gelte M |= T; dann gibt es mit Teil (i)
ein Modell M′ von S mit ∆[S, M, M′, f]. Sei
S* := Th(M′) (:= {ϕ Satz aus L[S] | M′ |= ϕ}).
„S ⊆ S*“ und „L[S*] = L[S]“ sind dann klar. Außerdem gilt nach Definition von S*
(+)
∀ϕ aus L[S] (M′ |= ϕ ⇔ S* |− ϕ).
Wegen der Vollständigkeit von T gilt auch
(++) ∀ϕ aus L[S] (M |= f(ϕ) ⇔ T |− f(ϕ)).
(+), (++) und ∆[S, M, M′, f] implizieren ∀ϕ aus L[S] (S* |− ϕ ⇔ T |− f(ϕ)).
Da nach Voraussetzung f berechenbar und T entscheidbar ist, folgt mit einem rekursionstheoretischen Argument die Entscheidbarkeit von S*.
24
Dies ist eine Variante eines Resultats aus Eberle 1971 und Gajda et.al. 1987.
21
(iii) Sei f eine ¬-∧-Übersetzung von Q in T, und sei M ein endliches Modell von T. Da
L[T] ein endliches relationales Vokabular hat, gibt es einen Satz ψM in L[T] (den „ScottSatz von M“; siehe Ebbinghaus et.al. 1998, Kap. 12.3) so daß {ϕ aus L[T] | ψM |− ϕ} =
Th(M) und T ⊆ Th(M). Th(M) ist damit eine vollständige und axiomatisierbare, also
entscheidbare Theorie (in L[T]), in die Q ¬-∧-übersetzbar ist.
Nach Teil (ii) des Lemmas gibt es dann eine entscheidbare Erweiterung von Q in
L[Q]. Dies widerspricht einer allgemeinen Fassung des 1. Gödelschen Unvollständigkeitssatzes (siehe z.B. Tarski et.al. 1953).
Das Theorem ist unabhängig davon, ob man die reduzierende Theorie T als nominalistische wählt oder nicht. Deshalb kann es u.a. auch zu einer Widerlegung verschiedenster Formen des Logizismus verwendet werden. Denn auch bei weitreichender Liberalisierung sollte die vom Logizismus beanspruchte Reduktion der Mathematik auf Logik eine ¬-∧-Übersetzung induzieren; und man wird zustimmen, daß „Es gibt unendlich
viele Objekte“ zumindest keine logische Wahrheit ist.
Das Theorem basiert aber in hohem Maße darauf, daß es die bestehende Mathematik
ist, die finitistisch reduziert werden soll. Als „Ausweg“ könnte man an eine Änderung
der Mathematik, selbst hin zu einer finitistischen, denken. Wie diese (vernünftigerweise) aussehen könnte und was an vertrauter Mathematik gerettet werden kann, weiß
wohl niemand. Ich möchte hierzu nur drei Hinweise geben: (i) Mycielski hat lokal finite
Theorien angegeben (siehe Mycielski 1986), die er für ähnlich adäquat einschätzt wie
Theorien wie PA oder ZFC, wenn es um die formale Entwicklung der Mathematik geht;
(ii) jene Theorien sind nicht ¬-∧-übersetzbar in strikt finitistische Theorien; (iii) es gibt
strikt finitistische Abschwächungen von PA, die sich für „hinreichend kleine Zahlen“
ähnlich verhalten wie PA (siehe z.B. Stern 1993).
Nach diesen Überlegungen zum Finitismus im allgemeinen komme ich zu der den
Abschnitt beginnenden Stellungnahme zurück. Diese mag man nämlich auch als spezifische Kritik am infinitistischen Nominalismus verstehen: nicht Unendlichkeitsannahmen im allgemeinen seien danach fragwürdig, sondern die Annahme von unendlich
vielen konkreten Objekten. Die Idee ist hier wohl, daß wir bei diesen entdecken könnten, daß es nur endlich viele gibt. Bei abstrakten Objekten wie Zahlen oder Mengen
besteht diese Gefahr nicht; wir sind frei im Postulieren von unendlich vielen von ihnen.
Wenn man bzgl. abstrakter Objekte wirklich ohne weitere Begründung Unendlichkeitsannahmen machen darf, sollte das schon Grund genug zum Zweifel an ihrer Existenz sein. Wie andererseits eine Begründung für die Existenz von z.B. unendlich vielen
Mengen aussehen sollte, ist mir nicht bekannt. Wohlgemerkt: ich rede hier nicht über
eine Begründung für die Akzeptierbarkeit eines gewissen Formalismus (wie ZFC), in
dem ein Unendlichkeitsaxiom herleitbar ist, sondern über die Begründung der Existenz
von gewissen Objekten.
Für den Nominalisten zumindest wird die Annahme von unendlich vielen nominalistisch akzeptablen Objekten – auch wenn sie falsch ist – erträglicher sein als die An-
22
nahme auch nur eines einzigen nominalistisch inakzeptablen Objektes – die falsch sein
muß (so der Nominalist).
Es verbleibt aber noch ein weiteres Problem für KT (und KTZFC).25 Nicht nur hat KT
keine endlichen Modelle; es gibt zudem in jedem Modell M von KT ein Element, welches ein unendliches Objekt ist: die Sequenz n (in M). Zwar muß n (in M) nicht für jedes M ein – intuitiv verstanden – unendlich großes Objekt sein: von den zu M gehörenden Strichen, aus denen n besteht, könnte der jeweils nächste halb so groß sein wie der
vorhergehende; ist der Strich strM ein endliches Objekt, so ist dies dann auch n. Aber n
(in M) ist in jedem Fall ein unendliches Objekt in folgendem Sinn: es hat unendlich
viele Teile, und diese Teile sind Elemente von M.
Es mag Varianten KT* von KT geben, die PA interpretieren und frei sind von dieser
zusätzlichen Unendlichkeitsannahme; mir ist keine bekannt. Ein solches KT* kann jedenfalls keine endlichen Modelle haben. Für ein Modell M* von KT* ist dann aber die
(mereologische) Fusion r der in M* die natürlichen Zahlen vertretenden Objekte, sowie
auch die Fusion u aller Objekte von M*, ein im gleichen Sinn wie n unendliches Objekt.
Zwar müssen weder r noch u Elemente von M* sein: denn M* braucht kein Modell des
Fusionsschemas zu sein. Dieses Schema wird aber häufig als eines der Kern- oder Minimalaxiome nominalistischer Theoriebildung betrachtet. So wäre der Nominalist doch
zur Annahme von r und u „verpflichtet“. Und sollte KT* das Fusionsschema beweisen,
so würde auch diese Theorie unendliche Objekte annehmen.
5. Metanominalismus
Wenn die Position des Nominalisten als eine philosophisch umfassende ernst genommen werden soll, so sollte auch sein metatheoretisches Räsonieren nominalistischen
Ansprüchen genügen.
So korrekt mir diese Forderung nach Metanominalismus – nach einer nominalistischen Metatheorie nominalistischer Theorien – zu sein scheint: sie wird von Nominalisten oft ignoriert (zwei wichtige Beispiele sind Eberle 1970 und Field 1980). Einige
Kritiker des Nominalismus vertreten darüber hinaus die Ansicht, daß sie nicht erfüllt
werden kann. Man liest hier, daß Theorien, Sprachen (allgemein Ausdrücke) selbst
schon types, und damit nominalistisch inakzeptabel seien; daß man, um Prädikation zu
verstehen oder zu erklären, Universalien oder abstrakte Objekte voraussetzen müsse
(siehe Armstrong 1989); und daß eine wie üblich verstandene konkret-abstrakt Unterscheidung zum Widerspruch führe (Lewis 1986).
Als prinzipielle Probleme finde ich diese Einwände nicht überzeugend: Erstens lassen sich Ausdrücke auch als token auffassen (will man das Wort „Ausdruck“ für diese
nicht verwenden, so mag man sie „Quasi-Ausdruck“ nennen); Sprachen oder Theorien
wären dann als Fusionen oder Sequenzen (im Sinn von KT verstanden) von token erklärt. Daß es genügend viele dieser token gibt, ist kein Problem für den Nominalisten,
sondern für den Finitisten. Zweitens wurde der Prädikations-Einwand schon von anderer
25
– für welches ich nicht beanspruche, eine „gute“ Lösung zu haben.
23
Seite, namentlich von Quine, zurückgewiesen. Und drittens zeigt das Beispiel ACI, daß
zumindest ein konsistenter Aufbau nominalistischer Theorien möglich ist.26
Nach dem hier vorgelegten Ansatz bleibt allerdings ein Problem:
(RedN PA) und (RedN ZFC) werden nicht mit nominalistischen Mitteln gezeigt.
In der Tat wird (RedN PA) mengentheoretisch formuliert und nachgewiesen. Damit ist
zunächst die Forderung nach der Verwendung einer nominalistischen Metatheorie verletzt. Da der Nominalist keinen Grund hat, mengentheoretische Theoreme für wahr zu
halten, wird er aber zudem auch nicht wissen, ob (RedN PA) überhaupt gilt.
Hierauf kann er auf zwei Weisen reagieren: (i) er zeigt (RedN PA) nicht in einer formalen – wenn auch informell notierten – Mengentheorie, sondern durch informelles
Räsonieren. De facto geschieht das sowieso; und die Überzeugung, daß (RedN PA)
wahr ist, entstammt auch dieser Quelle. Informelles Räsonieren ist jedoch nicht wirklich
zuverlässig. Die Alternative zu ihm ist: (ii) (RedN PA) wird arithmetisiert und in PA
bewiesen. Hier macht es sich bezahlt, daß relative Interpretationen rein syntaktisch erklärt sind. So lassen sich Interpretationsfunktionen, die ja rekursiv sind, zahlentheoretisch codieren; eine arithmetische Formalisierung von (RedN PA) sollte deshalb in PA
beweisbar sein. Unter Verwendung von IoG, der Interpretation von PA in KT, wäre
dann eine in L[KT] vorgenommene Formalisierung von (RedN PA) auch in KT – also
nominalistisch – beweisbar.
Allerdings hat diese Überlegung derzeit noch (mindestens) zwei Schönheitsfehler.
Erstens habe ich den angesprochenen Beweis in PA nicht ausgeführt; dieses sollte aber
keine großen Schwierigkeiten bereiten. Zweitens reicht für den Nominalisten auch ein
Beweis in PA nicht; eine Formalisierung von (RedN PA) muß schon in KT bewiesen
werden. Dies soll durch die relative Interpretation von PA in KT ermöglicht werden:
aber daß PA in KT relativ interpretierbar ist – gerade das weiß der Nominalist an dieser
Stelle nicht; denn das ist erst mit nominalistischen Methoden zu zeigen.
So bleibt zum Abschluß dieses Textes eine Aufgabe: man formuliere eine nominalistische Theorie der Beweise (die nicht KT zu sein braucht) und beweise in ihr Formalisierungen von (RedN PA) und (RedN ZFC).27
26
27
Lewis (1986) fügt von verschiedenen Philosophen vertretene Konzeptionen der abstrakt-konkret
Unterscheidung zusammen; daß dies zum Widerspruch führt ist kein Wunder.
Ich danke den Teilnehmern der Logik-Sektion bei der Konferenz GAP5 und Sebastian Paasch für
Kommentare.
24
Literatur
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Corcoran, J./Frank, W./Maloney, M.: “String theory”, in: The Journal of Symbolic
Logic 39, 1974, S. 625–637.
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Auflage. Heidelberg Berlin: Spektrum Akademischer Verlag 1998.
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Field, H.: Science without Numbers: A Defence of Nominalism. Oxford: Blackwell
1980.
Gajda, A./Krynicki, M./Szczerba, L.: “A note on syntactical and semantical functions”,
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Goodman, N.: The Structure of Appearance (1951), Third Edition. Dordrecht: Reidel
1977.
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Hájek, P./Pudlák, P.: Metamathematics of First-Order Arithmetic. Berlin: Springer
1979.
Henkin, L.: “Some notes on nominalism”, in: The Journal of Symbolic Logic 18, 1953,
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― Parts of Classes. Oxford: Blackwell 1991.
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Mycielski, J.: “Locally finite theories”, in: The Journal of Symbolic Logic 51, 1986, S.
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― “Structuralism, model theory and reduction”, in: Synthese 130, 2002, S. 135–162.
― „PA ist interpretierbar in KT“, München 2003 (Manuskript).
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Russell’s Paradox. Berlin, New York: de Gruyter 2004a (im Erscheinen), S. 153–
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25
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26