Einsätze von Sozialinspektoren sind bei

2 l Fokus
Region
ZO/AvU
Freitag, 6. November 2015
Einsätze von Sozialinspektoren
sind bei Gemeinden umstritten
REGION Vielerorts im
Zürcher Oberland sind
Sozialinspektoren im Einsatz.
Aber noch längst nicht alle
Gemeinden sind von dieser
Massnahme zur Bekämpfung
des Sozialhilfemissbrauchs
überzeugt.
Die Meldung schaffte es vor rund
einem Jahr auf die Titelseite die­
ser Zeitung. Sozialinspektoren
hatten in Bauma drei Fälle von
Sozialhilfemissbrauch
aufge­
deckt, die Gemeinde reichte
Strafanzeige ein. Ein Jahr später
ist die Bilanz ernüchternd: In
einem Fall gab es eine Busse,
die anderen zwei Fälle wurden
wegen Geringfügigkeit einge­
stellt. «Es ist tatsächlich ernüch­
ternd», sagt Yves Garessus,
Sekretär der Sozialbehörde von
Bauma. «Die Staatsanwaltschaf­
ten haben derart viel zu tun;
Sozialhilfebetrug ist nur ein
Straftatbestand von vielen.»
Trotzdem lohnt sich laut Ga­
ressus für die Gemeinde Bauma
der Einsatz von Sozialinspekto­
ren, die nur dann gerufen wer­
den, wenn ein konkreter Ver­
dacht auf Sozialhilfemissbrauch
besteht – der sich in der Regel
bestätige. Eine Familie, die rund
5000 Franken Sozialhilfe mo­
natlich bezog, flüchtete nach der
Inspektion ins Ausland. «Auch
wenn diese Leute nicht bestraft
wurden, sparten wir ab sofort
diesen Betrag. Nur schon des­
halb hat es sich ausbezahlt.»
Vorwiegend private Firmen
Auch andere Gemeinden im Zür­
cher Oberland setzen regelmäs­
sig Sozialinspektoren ein. Diese
werden über private Firmen en­
gagiert – mit sehr unterschied­
lichem Erfolg. Illnau-Effretikon
deckt nach eigenen Angaben
pro Jahr sieben bis zehn Miss­
brauchsfälle auf. In Dübendorf
wurden seit 2011 zwölf Ermitt­
lungen durchgeführt, bei zehn
erhärtete sich der Verdacht auf
Sozialhilfemissbrauch. In Wila,
wo Sozialinspektoren erst seit
diesem Jahr im Einsatz sind,
wurden bereits zwei Personen
des
Sozialhilfemissbrauchs
überführt. In Fehraltorf wird
in Kürze ein Auftrag vergeben.
Der Zweckverband Soziale
Dienste Bezirk Uster, zu dem die
Gemeinden Fällanden, Greifen­
see, Maur, Mönchaltorf, Schwer­
zenbach, Volketswil und Wan­
gen-Brüttisellen gehören, hat ge­
rade erst einen Vertrag mit einer
privaten Firma zum Einsatz von
Sozialinspektoren abgeschlos­
sen. Einen solchen hat auch die
Stadt Wetzikon seit 2011. Zum
Einsatz kamen sie allerdings
noch nie. Im Rahmen von eige­
nen, einem Einsatz von Sozial­
detektiven vorgelagerten Ab­
klärungen wurden hingegen in
Einzelfällen Missbräuche fest­
gestellt und auch sanktioniert.
REGION Ein heute knapp
29-Jähriger hatte 2011
mitten in Rapperswil-Jona
zwei Personen mit einem
Messer verletzt. Nun wurde
für den Mann eine stationäre
Behandlung angeordnet.
Im April 2012 hatte das Kreis­
gericht See-Gaster in Uznach
einen
damals
25-jährigen
Schweizer, der in Rapperswil ein
Jahr zuvor zwei Menschen mit
einem Messer verletzte, wegen
mehrfacher versuchter schwerer
Körperverletzung zu 30 Mona­
ten Gefängnis verurteilt. Das
Kantonsgericht St. Gallen wies
eine Berufung des Verurteilten
sowie die Anschlussberufung
der Staatsanwaltschaft ab. Vom
April 2013 bis zum vergangenen
15. Oktober verbüsste der Ver­
urteilte seine Strafe sowie diver­
se kleinere Ersatzfreiheitsstra­
fen, wie das Kreisgericht SeeGaster dieser Tage mitteilte.
Aufwendige Überwachung von potenziellen Sozialhilfebetrügern: Viele Gemeinden setzen bei Verdachtsfällen Sozialinspektoren von privaten
Firmen ein, was allerdings mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden ist.
Symbolbild Fotolia
«Ob ein Missbrauch
nachgewiesen
werden kann, ist
keinesfalls sicher.
Straf­anzeigen enden
zudem nicht selten
mit milden
Urteilen.»
Andreas Sprenger,
Gemeindeschreiber Rüti
Leute, die schwarz arbeiten
und ihre Einnahmen nicht de­
klarieren; Liegenschaften oder
Konten besitzen, die sie nicht an­
geben; das Geld, das eigentlich
für die Miete der Wohnung ge­
ERSTMALS 2007 INSPEKTOREN EINGESETZT
Stadt Zürich als Vorreiterin
Sozialinspektoren überprüfen,
ob die von einer Sozialhilfe bean­
tragenden oder bereits beziehen­
den Person gemachten Angaben
zutreffend sind. Sozialdetektive
werden von den zuständigen So­
zialämtern der Gemeinden ein­
gesetzt, wenn ein Verdacht auf
Missbrauch von Sozialhilfe­
geldern besteht.
Zürich war die erste Stadt, die
2007 Sozialinspektoren einsetz­
te. Vorausgegangen waren heftige
politische Auseinandersetzun­
«Kleine
Verwahrung»
für Messerstecher
gen um das Ausmass des Sozial­
hilfemissbrauchs und die Art sei­
ner Bekämpfung. Andere Schwei­
zer Städte zogen nach. Die Stadt
Zürich lieh ihre Sozialinspekto­
ren gegen Bezahlung jahrelang
an andere Zürcher Gemeinden
und den Kanton Glarus aus. 2014
erwuchs dagegen Opposition im
Zürcher Gemeinderat, woraufhin
die Zusammenarbeit gestrichen
wurde. Mittlerweile setzen die
meisten Gemeinden auf private
Firmen. ahu
dacht wäre, anderweitig ausge­
ben: Die Möglichkeiten zum
Missbrauch sind vielfältig. «Es
wird schamlos betrogen, wenn
es um Sozialhilfe geht», sagt Pat­
rizia Burkhard, Leiterin Sozial­
hilfe der Gemeinde Dübendorf.
«Und die Dunkelziffer dürfte
hoch sein. Gerade wenn Liegen­
schaften im Ausland nicht ange­
geben werden, ist es sehr schwie­
rig, dies aufzudecken.»
Skeptisch gegenüber Einsatz
Es gibt auch Gemeinden, welche
gar keine Inspektoren einsetzen.
Die Stadt Uster beispielsweise
zieht zur Abklärung von «unkla­
ren Wohnverhältnissen» die
Stadtpolizei bei. In Fischenthal
würde man eine Zusammen­
arbeit bei Verdachtsmomenten
nicht grundsätzlich ausschlies­
sen. Aber bisher habe sich die
Frage nicht konkret aufge­
drängt. «Wir sind eine kleine
Gemeinde, wo man sich noch
kennt», sagt Gemeindeschreiber
Roger Winter. «Kommt hinzu,
dass wir fachlich über ein sehr
gut besetztes Sozialamt verfü­
gen, welches die Anspruchsbe­
rechtigungen von Sozialfällen
erfahrungsgemäss sehr gut
durchleuchtet, weshalb wir die
Gefahr von Missbräuchen zurzeit als relativ gering einschät­
zen.»
In Rüti ist man skeptisch, was
den Einsatz von Sozialinspekto­
ren betrifft. «Es ist eine sehr
teure Massnahme, welche nur
ergriffen werden sollte, wenn es
deutliche Hinweise auf einen
möglichen Missbrauch gibt»,
sagt Andreas Sprenger, Gemein­
deschreiber von Rüti. «Ob ein
Missbrauch tatsächlich auch
nachgewiesen werden kann, ist
dabei keinesfalls sicher. Ferner
ist es leider so, dass dies­
bezügliche Strafanzeigen nicht
selten mit einem milden Urteil
ohne abschreckende Wirkung
enden.»
«Wir setzen damit
ein Zeichen, dass
man aufpassen
muss und sich nicht
mit unwahren
Angaben Sozialhilfe
erschleichen kann.»
Yves Garessus,
Sozialbehörde Bauma
Viel wichtiger seien deshalb
eine hoch professionelle Fall­
führung, eine enge Betreuung,
gezielte Auflagen und der Auf­
bau eines Vertrauensverhältnis­
ses zwischen Sozialberatenden
und Klienten. Dadurch könne
allfälligen Missbräuchen prä­
ventiv begegnet werden, ist
Sprenger überzeugt.
Professionelle Distanz
«Das würde ja heissen, dass Ge­
meinden, die Sozialinspektoren
beschäftigen, unprofessionell
arbeiten würden», sagt dagegen
Yves Garessus. «Dies weise ich
weit von mir.» Es fehle vielmehr
an personellen Ressourcen, zu­
dem garantiere eine externe Per­
son eine professionelle Distanz.
Diesen Aspekt betont auch
Oliver Wilden von SoWatch.
Sie ist eine dieser Firmen, die
Sozialinspektionen durchfüh­
ren. «Wir entlasten vor allem die
Sozialarbeiter, sodass sie sich
auf die Beratung und Arbeitsin­
tegration konzentrieren können
und nicht in Rollenkonflikte
kommen», erklärt er. Dass der
finanzielle Aufwand hoch sei, sei
richtig. Aber man müsse mögli­
che Einsparungen auf mehrere
Jahre hochrechnen. Vor allem
Hausbesuche würden oft und
kostengünstig ihre Wirkung
erzielen.
«Das Geld, das wir für die So­
zialinspektoren ausgaben, war
nie umsonst», sagt Yves Gares­
sus. Strafen könne man die fehl­
bare Person mit Sanktionen wie
Kürzung der Sozialhilfe bis hin
zur Einstellung der Zahlungen.
Strafanzeige mache man nur,
wenn es sich um grössere Be­
träge handle.
Dass in kleinen Gemeinden
kein Missbrauch geschehe, sei
naiv zu glauben, findet man in
Wila. «Jeder kennt jeden – das
ist so eine Sache. Betrügen kann
man trotzdem», sagt Sozialvor­
stand Daniel Lerch. «Nachbarn
und Bekannte sollen ja nicht wis­
sen, wer im Dorf Sozialhilfe be­
zieht. Wenn doch, will man nicht
gerne als Denunziant gelten.»
Heikles Thema
Nicht alle Gemeinden sind gleich
auskunftsfreudig, wenn es um
dieses Thema geht. «Wir emp­
finden die Anfrage als ziemlich
heikel, da die SozialinspektorenEinsätze doch eher ‹geheim›
bleiben sollten», heisst es etwa
bei der Gemeinde Hinwil. «Wel­
che Gemeinden Inspektoren
beschäftigen und welche nicht,
sollte nicht an die Öffentlichkeit
gelangen.»
Yves Garessus aus Bauma
sieht das anders: «Wir setzen mit
dem Einsatz von Sozialinspekto­
ren ein Zeichen, dass man auf­
passen muss und sich nicht mit
unwahren Angaben Sozialhilfe
erschleichen kann.»
Annette Saloma-Huber
Psychiatrische Behandlung
Im April dieses Jahrs gelangte
das Sicherheits- und Justizde­
partement des Kantons St. Gal­
len mit dem Antrag an das Kreis­
gericht, es sei die nachträgliche
Anordnung einer stationären
Behandlung zu prüfen. Am
28. Oktober nun wurde der An­
trag vor dem Kreisgericht ver­
handelt. Das Gericht kam, unter
anderem gestützt auf ein neues
Gutachten, zum Schluss, dass die
Voraussetzungen für die nach­
trägliche Anordnung einer sta­
tionären Massnahme im Sinn
von Art. 59 Abs. 1 des Strafge­
setzbuchs erfüllt seien.
Diese sogenannte kleine Ver­
wahrung wird in einer geeigne­
ten psychiatrischen Einrichtung
oder einer Massnahmevollzugs­
einrichtung zu erfolgen haben
und dauert in der Regel höchs­
tens fünf Jahre. Falls die Voraus­
setzungen für eine bedingte Ent­
lassung nach fünf Jahren noch
nicht gegeben sind und zu erwar­
ten ist, durch die Fortführung
der Massnahme lasse sich der
Gefahr weiterer mit der psychi­
schen Störung des Manns in Zu­
sammenhang stehender Taten
begegnen, kann das Gericht die
Verlängerung der Massnahme
anordnen. zo
Quadfahrer
schwer verletzt
GOSSAU Der Fahrer eines Quads
– eine Art Motorrad mit vier
Rädern – ist gestern in Gossau
schwer verletzt worden. Der
Mann fuhr um 16.15 Uhr auf der
leicht ansteigenden Altrütistras­
se hinter einem Auto her Rich­
tung Dorfzentrum. Als auf der
anderen Fahrbahnhälfte ein
Kleinwagen eine langsam fah­
rende baggerähnliche Bauma­
schine überholte, musste das vor
dem Quad fahrende Auto laut
Kantonspolizei «abrupt abbrem­
sen», um einen Zusammenstoss
zu verhindern.
Der Lenker des Quads verlor
darauf aus noch unbekannten
Gründen die Herrschaft über
sein Gefährt, das in eine Wiese
rollte und sich vermutlich noch
überschlug. Der 35-jährige Fah­
rer wurde beim Unfall gemäss
ersten Angaben der Polizei «mit­
telschwer bis schwer verletzt».
Die Polizei sucht Zeugen des
Unfalls. Besonders wertvoll
wäre es, wenn sich der Lenker
des überholenden roten oder
weinroten Kleinwagens melden
würde, der nach dem Ereignis
weiterfuhr. Hinweise unter Tele­
fon 044 938 30 10. ehi