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August 2015
VIAVISION
TTIP
VOLKSWAGEN
NACHRICHTEN AUS DER MOBILEN ZUKUNFT
Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann | Detlef Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | Prof. Dr. Hubert
ger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | Dan Mullaney | David Weiner | Kate Kalutkiewicz | I
Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich Grillo | Vytenis A
tis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell | Prof. Dr. Gerhard Prätorius | Mario Ohoven | Barack Obama
Manuel Barroso | Herman van Rompuy | Roxane Feller | Felix Neugart | Tom Jenkins | Pieter de Pou
Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann | Detlef Wetzel | Dr. Eric Schw
zer | Prof. Dr. Hubert Weiger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | Dan Mullaney | David We
ner | Kate Kalutkiewicz | Isabella Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja
Ulrich Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell | Prof. Dr. Gerhard Prätoriu
Ohoven | Barack Obama | José Manuel Barroso | Herman van Rompuy | Roxane Feller | Felix Neuga
Jenkins | Pieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann
Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | Prof. Dr. Hubert Weiger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | Mullaney | David Weiner | Kate Kalutkiewicz | Isabella Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Fro
man | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell
Dr. Gerhard Prätorius | Mario Ohoven | Barack Obama | José Manuel Barroso | Herman van Romp
ane Feller | Felix Neugart | Tom Jenkins | Pieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank
Buch | Matthias Wissmann | Detlef Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | Prof. Dr. Hubert Weiger | Ignaci
Bercero | Hiddo Houben | Dan Mullaney | David Weiner | Kate Kalutkiewicz | Isabella Detwiler | Ce
Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. U
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Dr. Hubert Weiger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | Dan Mullaney | David Weiner | Kate
kiewicz | Isabella Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich
Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell | Prof. Dr. Gerhard Prätorius | Mari
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kins | Pieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann | D
Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | Prof. Dr. Hubert Weiger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | Mullaney | David Weiner | Kate Kalutkiewicz | Isabella Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Fro
man | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell
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Buch | Matthias Wissmann | Detlef Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | Prof. Dr. Hubert Weiger | Ignaci
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WER
WIE
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WAS
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TTIP
I nhalt
Über den Teich
2
Status quo
4
Wer will was?
6
Wer verhandelt TTIP? 10
TTIP – Chancen
und Risiken
14
Dafür oder dagegen?
18
Glossar
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Über den Teich
So kommt ein deutsches Auto nach Amerika*
Die Idee ist so alt wie der Handel selbst: freier Warenverkehr über die Ländergrenzen hingweg. Keine Zölle, die den Export belasten; einheitliche Gesetze, die die freie Verkäuflichkeit der Waren überall möglich machen. Die
Realität? Sieht häufig ganz anders aus.
Hafen von Davisville, Rhode Island, 16. Februar:
Ankunft im Hafen
24 Stunden vor Einlaufen des Schiffs wird die Frachtliste
an die Beamten der Customs and ­Border Protection
übermittelt. Wird ein Fahrzeug-­Barcode beim Verlassen
des Schiffs gescannt, wissen die Beamten, dass das
Fahrzeug im Hafen ist. Kurz darauf erfolgt die Freigabe.
I mpressum
www.viavision.org
Herausgeber
Volkswagen Aktiengesellschaft Konzernkommunikation Brieffach 1971, 38436 Wolfsburg Telefon: 05361/9-87603
Fax: 05361/9-21952
Verantwortlich (V.i.S.d.P.)
Dr. Thomas Steg, Generalbevollmächtigter für Außen- und Regierungsbeziehungen,
Volkswagen Konzern
Redaktion
­Stefanie Huland, Michaela Möller, Kathi Preppner Volkswagen: Michael Scholing-Darby
Kontakt: [email protected]
Verlag
Verlag Rommerskirchen GmbH & Co. KG
Mainzer Straße 16-18, Rolandshof
53424 Remagen, Telefon: 02228/931-0 www.rommerskirchen.com
Druckerei
L.N. Schaffrath GmbH
Marktweg 42-50, 47608 Geldern
Quellen (soweit nicht anders angegeben):
Seite 4-5: Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie, Europäische Kommission; Seite
10-14: Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie, Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion, CDU, CDU/CSU-Fraktion im
Deutschen Bundestag, Corporate Europe
Observatory, Europäische Kommission,
Fraktion Die Linke im Bundestag, SPD-Parteivorstand, U.S. Department of State, United
States Trade Representative
Alle in dieser Ausgabe verwendeten Grafiken
sind unter Angabe der Quelle VIAVISION zum
Abdruck freigegeben.
United
States
4
Davisville
Werkstatthalle, Davisville, Rhode Island, 16. Februar: New York
Der Feinschliff
Ein amerikanischer Dienstleister gibt dem Fahrzeug die
letzten Details, die jenseits des Atlantiks nötig oder
vom Kunden gewünscht sind: eine Gummimatte im
Kofferraum, die das Verrutschen der Einkäufe verhindert, spezielle Heckspoiler oder ein Spritzschutz h
­ inter
den Rädern.
5
North
Atlantic Ocean
New York, 26. Februar:
Bereit für den Verkauf
Nicht alle VW-Modelle nehmen den Weg über den Atlantik. Der Golf beispielsweise wird inzwischen in Puebla, Mexiko gefertigt und von dort in die
USA geliefert. Grund: Mexiko und die Vereinigten Staaten haben bereits ein
Freihandelsabkommen namens NAFTA.
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* Die hier genannten Informationen orientieren sich am Artikel „Follow the VW Golf“, Capital, Mai 2014.
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VW-Werk Wolfsburg, 21. Januar:
Ein NAR-Auto läuft vom Band
NAR steht für Nordamerika. Taucht dieses Kürzel in der Produktionsbeschreibung auf, gilt für die Arbeiter am Fließband besondere Aufmerksamkeit. Nicht alle der verbauten Teile dürfen
diesseits und jenseits des Atlantiks gleich sein. Zum Beispiel
brauchen Autos in den USA einen anderen Airbag. Das liegt an
einer amerikanischen Verordnung, die vorschreibt, dass ein Airbag im Falle eines Unfalls auch für Insassen ausgelegt sein
muss, die nicht angeschnallt sind. Ursache hierfür ist die fehlende Anschnallpflicht in den Vereinigten Staaten.
1
VW-Werk Wolfsburg, Ende Januar:
Verpackt für die Reise
Der NAR-VW läuft im sogenannten
Finish-Bereich in Wolfsburg über
die Prüflinien. Anschließend wird
er in eine Schutzhülle verpackt, die
Windschutzscheibe mit einem
­Barcode und einer kleinen
­US-Fahne versehen. Mit dem
­doppelstöckigen Autozug geht es
dann ­Richtung Nordsee.
Verschiebebahnhof Emden, 4. Februar:
Alle Mann an Bord
Pro Tag werden hier 5.500 Fahrzeuge umgeschlagen. Eins von ihnen ist der VW
auf der Reise nach Amerika. Sein Barcode wird vor dem Verladen eingescannt.
Die Zollanmeldung läuft über ein VW-­eigenes System vollautomatisch im Hintergrund. Im Schiff stehen die Autos dicht an dicht, vorne sind 30 Zentimeter
Platz, an der Seite zehn.
2
3
Emden
Wolfsburg
Germany
Interview
Ein Golf ist ein Golf ist ein Golf? Im Prinzip ja, allerdings gibt es marktspezifische Anforderungen, die
die Entwicklung und Produktion für Autos diesseits
und jenseits des Atlantiks berücksichtigen muss.
Dr. Frank von Buch, Leiter Konzern-Entwicklungs­
steuerung bei Volkswagen, erklärt, wie es läuft.
Wieso darf ein Auto, das für den europäischen Markt
entwickelt und gebaut wurde, nicht in den USA auf der
Straße fahren?
Sowohl auf dem europäischen als auch dem amerikanischen
Markt gibt es marktspezifische und gesetzliche Anforderungen, die ein Fahrzeug erfüllen muss. Diese sind in der Regel
gleichwertig, führen aber zu unterschiedlichen Konstruktionen. In der Fahrzeugentwicklung müssen diese Vorgaben
natürlich berücksichtigt werden. Oft sind von diesen parallelen Entwicklungen Scheinwerfer und Rückleuchten, Gurt­systeme und Airbags, Korosseriebauteile und aggregatespezifische Anpassungen betroffen. Auch die Elektronik muss
entsprechend modifiziert werden.
Fortsetzung auf Seite 5
Dr. Frank von Buch, Leiter KonzernEntwicklungssteuerung bei Volkswagen
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Status quo
Freihandel in der Praxis
Bereits seit 7o Jahren versucht die Europäische Kommission mit einer Reihe von Freihandelsabkommen die europäische Wirtschaft international wettbewerbsfähiger zu gestalten. Aus gutem Grund: Schätzungen des Internationalen
Währungsfonds zufolge werden circa 9o Prozent der weltweiten Nachfrage zukünftig außerhalb der EU entstehen. Die
Abkommen an sich sind inhaltlich breit gefächert und gehen heute meist weit über Zollregelungen und Exportsubventionen hinaus.
Bestehende Freihandelsabkommen der EU (Auswahl):
Mexiko
Seit 2000
Das Freihandelsabkommen mit Mexiko ist eins der ältesten
Abkommen der EU mit Staaten aus Lateinamerika, dicht gefolgt
von dem mit Chile. Vor allem der Wegfall von Im- und Export­
zöllen hat die Rahmenbedingun­gen für den Handel zwischen
den Partnerländern verbessert.
Zentralamerika
Seit 2013
Der Freihandelsteil des Assoziierungsabkommens der EU mit
Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und
Panama ist seit zwei Jahren vorläufig in Kraft. Das Abkommen
öffnet die Märkte auf beiden Seiten und hilft dabei, ein stabiles
Geschäfts- und Investitionsumfeld zu etablieren. Gleichzeitig soll
es den Wirtschaftsraum Zentralamerika stärken.
Chile
Seit 2002
Das Assoziierungsabkommen
mit Chile schließt ein Freihandelsabkommen ein, ist aber
weit mehr als das. Es bildet eine
vertragliche Basis für einen
politischen Dialog, Wirtschaftsbeziehungen und wirtschaft­
liche Zusammenarbeit. Das
Abkommen enthält unter
anderem Bestimmungen über
den Warenverkehr, Dienstleistungen, Niederlassung,
Investitionen, Kapitalverkehr,
öffentliche Beschaffung,
geistiges Eigentum, Wettbewerb und Streitbeilegung.
Andengemeinschaft
Seit 2013
Ziel des Freihandelsabkommens ist es, die Wirtschafts­
beziehungen zwischen der EU und den Mitgliedern
der Andenregion, Kolumbien und Peru, durch
verbesserte, transparentere und stabilere Handelsund Investitionsbedingun­gen wie zum Beispiel
erhebliche Zolleinsparungen zu fördern und die
regionale Integration zwischen den Andenländern zu
stärken. Das Abkommen enthält zudem Bestimmungen über den Schutz der Menschenrechte, das
Rechtsstaatsprinzip, Arbeitnehmerrechte und den
Umweltschutz nach internationalen Standards.
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Fortsetzung von Seite 3
Südkorea
Seit 2011
Seit Juli 2o11 findet das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea
Anwendung. Es war das erste einer neuen
Generation von Freihandelsabkommen,
das stärker als bisher nicht-tarifäre
(siehe Glossar, Seite 2o) Handelsbarrieren abbauen soll. Es schafft Zölle
weitgehend ab und soll den Handel mit
Dienstleistungen sowie Investitionen
erleichtern. Außerdem entfallen teure
Prüf- und Zertifizierungs­verfahren zum
Beispiel für Verbraucherelektronik und
Haushaltsgeräte. Weitere Punkte sind der
Schutz des geistigen Eigentums, Wettbewerbspolitik und Nachhaltigkeit.
Südafrika
Seit 2000
Seit 2ooo regelt ein bilaterales Handels-,
Entwicklungs- und Kooperationsabkommen
die Handelsbeziehungen zwischen der EU
und Südafrika, das eine Freihandelszone
zwischen den Partnern geschaffen hat. Das
Abkommen verfolgt das Ziel, den Dialog
zwischen den Parteien zu stärken, Südafrika
in seinen wirtschaftlichen und sozialen
Prozessen zu unterstützen sowie in die
Weltwirtschaft zu integrieren, die regionale
Zusammenarbeit zu fördern und den
Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr
auszuweiten.
Wie viel länger dauert die
paral­lele Entwicklung ver­
glichen mit der Entwicklung
ausschließlich für einen
Markt?
Da das Fahrzeug von Anfang an als
Ganzes, also für alle Zielmärkte
ent­wickelt wird, kostet die Parallel­entwicklung an sich keine Zeit. Die
Einführung in die nachfolgenden
Märkte findet gestaffelt in einem
Zeitkorridor von drei bis sechs
Monaten statt.
Wie viel Mehrkosten entstehen
durch die doppelte Entwicklung im Schnitt?
Das ist je nach Land und Umfang
der Anpassungsentwicklung und
Er­probung unterschiedlich. Bei
früh­zeitiger Parallelentwicklung
können erhebliche Synergien
erschlossen werden.
Welche Maßnahmen würden
die Entwicklungsarbeit er­leich­tern?
Ein großer Vorteil wäre, wenn
Europa und die USA beispielsweise einen einheitlichen Rechts­
raum und eine gegenseitige
Anerkennung von fahrzeugtech­
nischen Vorschrif­ten und
Zulassungs­verfah­ren hätten, die
den Herstellern rechtliche
Sicherheit bieten. Idealer­weise
soll­ten neue Gesetze stets welt­weit
har­monisiert sein – hierzu bie­tet
die UN-ECE bereits heute die
nö­tigen Prozesse.
Mit rund 50 Partnern pflegt die EU zurzeit internationale Handelsbeziehungen.
Dazu kommen über 1.400 Investitionsschutzabkommen, die die Mitgliedstaaten
der EU seit den späten 1950er Jahren unterzeichnet haben. Aktuell verhandelt die
Union an mehreren Stellen über zukünftige Freihandelsabkommen, unter anderem mit Kanada, Indien, Japan sowie mit dem Verband Südostasiatischer Staaten
(ASEAN). Die größte Aufmerksamkeit ziehen zurzeit die Verhandlungen mit den
USA über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft auf sich.
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Wer will was?
Der TTIP-Beirat kommt zu Wort
Ein so weitreichendes Freihandels- und Investitionsschutzabkommen wie TTIP wirkt sich auf viele Bereiche des öffentlichen Lebens aus und bewegt zahlreiche gesellschaftliche Gruppen und Akteure. Einige von deren Vertretern gehören dem TTIP-Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums an. In diesem Gremium diskutieren die Vorsitzenden von
Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie sozialer und kultureller Einrichtungen regelmäßig über mögliche Folgen des Freihandelsabkommens. VIAVISION hat vier von ihnen zu ihren Standpunkten befragt.
Welche Vorteile hat TTIP für die
Automobilindustrie?
Ein gemeinsamer transatlantischer
Markt bietet erhebliches Potenzial:
Die USA und die EU haben zusammen einen Anteil am Weltauto­
mobil­markt von rund 4o Prozent. Im vergangenen Jahr haben die deutschen
Hersteller 62o.ooo Fahrzeuge in die USA exportiert, das sind gut 14 Prozent
aller deutschen Pkw-Exporte. Damit sind die USA nach Großbritannien
das zweitwichtigste Exportland für die deutschen Automobilhersteller. Gemessen am Exportwert liegen die Vereinigten Staaten mit mehr als 2o Milliarden Euro sogar auf Platz eins. Trotzdem haben wir noch immer mit erheblichen Handelsschranken zu kämpfen.
Zu den Zöllen kommen nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie unterschiedliche technische Vorschriften: Reifen, Außenspiegel, Stoßfänger und vieles
mehr müssen beim Export in die USA doppelt gebaut oder getestet werden.
Das verursacht hohe Kosten. Handelsbarrieren abzubauen spart Zeit und
Geld, auch das des Kunden. Experten haben errechnet, dass die bestehenden Doppelregulierungen und bürokratischen Hürden zwischen der
EU und den USA einem Zoll von 26 Prozent entsprechen. Diese nicht-tarifären Handelshemmnisse zu beseitigen wäre ein echtes Konjunkturprogramm. Und der gesteigerte Wettbewerb brächte den Verbrauchern mehr
Innovation in moderne Technik und noch bessere Autos.
Foto: VDA
Machen Sie sich Sorgen um sinkende Standards?
Niemand will die hohen Sicherheits- und Umweltstandards verwässern.
Diese sind im Übrigen in den USA auch sehr anspruchsvoll und teilweise
noch höher als in Europa. Bei TTIP geht es nicht darum, Standards aufzuweichen, sondern Doppelregulierungen und Bürokratie abzubauen.
Welche Punkte des Abkommens sind Ihnen besonders wichtig?
„Die Beseitigung der
Handelshemmnisse
wäre ein echtes Konjunkturprogramm.“
Matthias Wissmann, Präsident
des Verbands der Automobilindustrie
Neben der Beseitigung der Zölle setzen wir vor allem auf eine regulatorische
Kooperation. Denn gemeinsame Regeln und Standards nutzen insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen, die sich den bürokratischen
Aufwand und die hohen Verwaltungskosten, die durch unterschiedliche
Vorgaben auf beiden Seiten des Atlantiks bestehen, meist nicht leisten. Außerdem machen wir uns für einen modernen, reformierten Investitionsschutz stark. TTIP bietet die historische Möglichkeit, einen weltweiten
Maßstab für fairen und sicheren Investitionsschutz zu etablieren. Ziel muss
es sein, bis Ende kommenden Jahres die entscheidenden Weichen für dieses Jahrhundertprojekt zu stellen. Sonst besteht die Gefahr, dass der Elan
verpufft.
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„Wir brauchen
einen wirklich
fairen Handel.“
Was kritisieren Sie an den aktuellen TTIP-Verhandlungen?
Grundsätzlich sind wir für Freihandel. Natürlich kann man
über den Abbau von Zöllen und Handelsbarrieren sprechen.
Und natürlich ist es sinnvoll, technische Standards diesseits
und jenseits des Atlantiks zu vereinheitlichen, sei es der berühmte Rückspiegel oder der Blinker in der unterschied­
lichen Farbe. Es besteht jedoch die Gefahr, dass TTIP ein
Geheimabkommen wird, da wir gar nicht genau wissen, was
da tatsächlich stattfindet. Wir befürchten, dass sich in den
Verhandlungen eine rein wirtschaftliche Sicht in den Vordergrund drängt und die soziale Dimension zu kurz kommt.
Das würde bedeuten, dass Standards beim Umwelt- und Verbraucherschutz aufgeweicht und Arbeitnehmer- oder Mitbestimmungsrechte ausgehöhlt werden. Das werden wir
nicht akzeptieren.
Detlef Wetzel, Erster
Vorsitzender der IG Metall
Was sind ihre konkreten Befürchtungen bezüglich der
Arbeits- und Sozialstandards?
Bei uns gelten die sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen, in
denen die Internationale Arbeitsorganisation die Minimalstandards für Arbeitnehmer geregelt hat. Von diesen acht
Normen haben die USA bislang gerade einmal zwei anerkannt, nämlich das Verbot der Kinderarbeit und das Verbot
der Sklaverei. Das ist uns zu wenig. Unserer Meinung nach
müssen diese Normen im Rahmen des TTIP vollständig anerkannt werden. Die deutsche und die europäische Politik
sind aufgefordert, sich gemeinsam mit uns dafür einzusetzen, dass die in Europa selbstverständlichen Arbeitnehmerrechte durch TTIP auch in den USA zur Regel werden. Europas Politik muss deutlich machen, dass die Beteiligung von
Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen an Unternehmens­
entscheidungen ein Wettbewerbsvorteil ist.
Es müsste einen freien und fairen Handel sicherstellen, bei
dem wir uns auf die höchsten Standards aus den USA oder
aus Europa einigen. Wir könnten vereinbaren, die Mitbestimmung auszubauen, und die Vereinigten Staaten unter­
schreiben die ILO-Kernarbeitsnormen für freie Gewerkschaf­
ten. Wir könnten uns auf die besten Um­welt­schutz­standards
einigen. Und wir brauchen einen wirklich fairen Handel,
mit dem Ausschluss des sogenannten Investorenschutzes
und damit dem Ausschluss von Schiedsgerichtsverfahren.
Dann könnten wir ein solches Handelsabkommen auch unterstützen.
Foto: IG Metall
Wie müsste ein Freihandelsabkommen aussehen, das
die IG Metall mitträgt?
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Dr. Eric Schweitzer, Präsident
des Deutschen Industrieund Handelskammertags
Inwiefern können deutsche Unternehmen und insbesondere die Logistikbranche von TTIP profitieren?
Die USA sind der wichtigste Exportmarkt Deutschlands außerhalb Europas. Durch TTIP würde ein überwiegend zollfreier transatlantischer Wirtschaftsraum entstehen, der für
Exporteure besser zugänglich und transparenter wäre. Damit könnten die Exporte deutscher Produkte in die USA weiter steigen. Außerdem würde ein Engagement in der EU und
den USA auch für Investoren aus Drittländern attraktiver –
ein Vorteil für alle Branchen. Abgesehen davon würde ein
erfolgreich verhandeltes TTIP wegweisende Maßstäbe setzen
für andere Abkommen – und so helfen, noch weitere Märkte
für deutsche Exporteure zu öffnen.
Foto: DIHK/Thomas Kierok
Was haben kleine und mittelständische Unternehmen
von dem Freihandelsabkommen?
„Nur ein sorgfältig aus­
gehandeltes Freihandels­
abkommen kann die
­Erwartungen erfüllen.“
Viele innovative Mittelständler haben ein hohes Interesse,
den wachsenden US-amerikanischen Markt zu bedienen,
allerdings sind die Handelsbarrieren derzeit mit hohen Kosten verbunden. Sie würden besonders stark von einer An­
erkennung vergleichbarer Produktzertifizierungen profitieren. Auch eine schnellere Zollabwicklung, transparente
Ur­­sprungs­­regeln und die Erleichterung von kurzen Ge­
schäfts­aufenthalten in den USA würden insbesondere kleine
und mittlere Unternehmen beim Export unterstützen.
Sind Sie mit den aktuellen Verhandlungen zufrieden?
Welche Punkte sollten aus Ihrer Sicht besonders beachtet werden?
Bisher wurde intensive Vorarbeit geleistet, und wir hoffen,
dass es in der zweiten Jahreshälfte in größeren Schritten vorangeht. Allerdings gilt auch angesichts der öffentlichen Diskussion zu TTIP: Gründlichkeit und Transparenz gehen vor
Schnelligkeit. Wir müssen Ängste ernst nehmen, Missverständnisse klären und bewährte europäische Standards bewahren. Nur ein sorgfältig ausgehandeltes Freihandels­
abkommen kann die Erwartungen erfüllen und der Kritik
stand­halten.
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Warum lehnt der BUND TTIP ab? Inwiefern könnte das Freihandelsabkommen für die Umwelt nachteilig sein?
Eine besondere Gefahr sehen wir in der geplanten regulatorischen
Kooperation sowie dem Investitionsschutz. Durch die regulatorische
Kooperation in TTIP soll erreicht werden, dass neue Gesetze in der
EU und den USA gar nicht erst zu einem Handelshemmnis werden.
Nach einem Vorschlag der Europäischen Kommission soll dafür der
Handelspartner schon frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden. Auch private Akteure wie Un­ternehmen sollen bei
vielen Gesetzesvorhaben konsultiert werden müssen. Schon jetzt
werden Gesetzesvorhaben der EU von den USA als Handelshemmnis eingestuft und hinausgezögert oder abgeschwächt, wie das Beispiel der Kraftstoffqualitätsrichtlinie der EU zeigt. Diese Richtlinie
sollte Kraftstoffe entsprechend ihrer Klimabilanz einstufen. Auf
Druck der kanadischen und US-amerikanischen Regierungen, für
deren Industrie das sehr klimaschädliche Öl aus Teersanden von
hoher Bedeutung ist, wurde die Richtlinie stark verwässert und ist
bis heute nicht in Kraft getreten. Auch die geplanten Sonderklagerechte für ausländische Konzerne werden einen zukünftigen Umwelt- und Verbraucherschutz erschweren. Bestes Beispiel hierfür
ist die aktuelle Vattenfall-Klage gegen den deutschen Atomausstieg.
Derartige Sonderklagerechte ermöglichen es ausländischen Konzernen, eine demokratisch beschlossene Maß­nahme anzuklagen und
gegebenenfalls zu verhindern.
Die Verhandlungen zu TTIP finden trotz der Öffentlichkeitsinitiative der EU-Kommission weiterhin geheim und unter Ausschluss der
Öffentlichkeit statt. Viele politische Entscheidungsträger wie Bun­
des­tags­abgeordnete und Politiker in den Städten und Kommunen
werden nicht in die Verhandlungen eingebunden, obwohl das Abkommen massive Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger
hat. Sogar die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben
keinen uneingeschränkten Zugang zu den Dokumenten. Dies entspricht nicht unserem Verständnis von Demokratie. Vielmehr müssen alle relevanten Volksvertreter so frühzeitig in die Vertragsverhandlungen einbezogen werden, dass sie die Möglichkeit haben, die
Vertragsinhalte zu gestalten.
Wie müsste ein Freihandelsabkommen aussehen, das der
BUND mitträgt?
Wir fordern einen gerechten und sozial und ökologisch verträg­
lichen Handel. Wir brauchen eine Handels- und Investitionsschutzpolitik, die nicht ausschließlich nach einer Profitlogik ausgerichtet
ist, sondern eine soziale und ökologische Entwicklung in allen Ländern fördert. Dafür bedarf es einer Politik, die zu höheren Standards zum Schutz von Mensch und Umwelt führt, die die Souveränität
der Parlamente erhält, den Regulierungsspielraum von Regierungen gewährleistet, die Transparenz in globalen Wertschöpfungsketten erhöht, regionale Wirtschafts- und Energiekreisläufe fördert
und eine Verantwortung und Rechenschaftspflicht von Unternehmen weltweit sanktionierbar macht. All das werden wir mit TTIP
nicht erreichen – im Gegenteil.
Foto: BUND/Julia Puder
Was kritisieren Sie an den aktuellen Verhandlungen zu
TTIP?
„Wir fordern einen
gerechten und ökologisch
verträglichen Handel.“
Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bunds für
Umwelt und Naturschutz Deutschland
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TTIP
Wer verhandelt TTIP?
Diese Experten sitzen in Washington und Brüssel mit am Tisch
Wenn TTIP kommt, betrifft es mehr als 8oo Millionen Menschen. Aber wer handelt das Abkommen eigentlich aus?
Den Startschuss haben US-Präsident Barack Obama, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy im Februar 2o13 gegeben. Vier Monate später erhielt die EU-Kommission das Mandat,
die erste Verhandlungsrunde fand im Juli desselben Jahres in Washington, D.C. statt.
5
31
Ignacio Garcia Bercero
Chefverhandler (siehe Seite 12)
31
36
Die Verhandlungsführer der EU:
Hiddo Houben
stellvertretender Chefverhandler
14
17
Diese Köpfe leiten die Arbeitsgruppen: 36 auf Seiten der EU, 31 für
die USA. Neben den verschiedenen Branchen gibt es auch Arbeitsgruppen für technische Handelshemmnisse, Ursprungsregeln
und Investor-Staat-Streitbeilegung.
Klassische Branchen:
Rohstoffe und Energie
Agrar
Chemie
Maschinenbau, Elektronik
Finanzdienstleistungen, Investitionen
Automobil
Medizin, Kosmetik, Textil
Lebensmittelsicherheit, Pflanzenschutz
Weitere Arbeitsgruppen:
Beschaffungswesen
Marktregulierung
Kleine und mittlere Unternehmen
Streitschlichtung
Geistiges Eigentum, Herkunftsbezeichnungen
Rechtliche Fragen
Zoll- und Handelserleichterungen
Arbeit und Umwelt
Wettbewerbspolitik
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Die Verhandlungsführer der USA:
Dan Mullaney
Chefverhandler (siehe Seite 12)
David Weiner
stellvertretender Chefverhandler
Kate Kalutkiewicz
Assistentin des Chefverhandlers
Isabella Detwiler
Teamkoordinatorin
Klassische Branchen:
Rohstoffe und Energie
Textil
E-Commerce und
Telekommunikation
Finanzdienstleistungen
Dienstleistung
Agrar, Lebensmittelsicherheit, Pflanzenschutz
Weitere Arbeitsgruppen:
Wettbewerb
Zoll- und Handelserleichterungen
Rechtliche und
institutionelle Fragen
Kleine und mittlere
Unternehmen
Arbeit und Umwelt
Ursprungsregeln
Beschaffungswesen
Lokale Handelshemmnisse
Regulierungskooperation
Geistiges Eigentum
Marktzugang, Industriegüterzölle
Staatliche
Unternehmen
Investitionen
Regulierungsfragen,
Transparenz
Technische Handelshemmnisse
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Die Handelsbeauftragten und ihre Chefverhandler:
Cecilia Malmström
Michael Froman
Als EU-Kommissarin für Handel ist Cecilia Malmström für die TTIP-Verhandlungen verantwortlich.
Die Schwedin gehört der Allianz der Liberalen und
Demokraten für Europa an. Sie hat das Amt der Han­
delskommissarin im November 2o14 von Karel De
Gucht übernommen, zuvor war sie Innenkommissa­
rin der EU.
Ignacio Garcia Bercero
Innerhalb der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission ist Ignacio Garcia Bercero
unter anderem für die USA zuständig. Er leitet die
TTIP-Gespräche für die EU. Garcia Bercero koordinierte auch die Arbeit der HLWG (siehe Glossar,
Seite 2o). Er hat bereits Erfahrung mit Freihandelsabkommen: So war er an den Verhandlungen zum
Allgemeinen Zoll- und Han­delsabkommen GATT beteiligt und leitete auch die EU-Verhandlungen mit
Südkorea und Indien.
Von TEC bis TPA – Der Verlauf
der Verhandlungen:
2007
April 2007: TEC
Bevor die TTIP-Verhandlungen
offiziell starten, wird 2007 der
Transatlantic Economic Council
(TEC) ins Leben gerufen. Dieser
Wirtschaftsrat soll die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen
den USA und der EU fördern. Zu
den Interessenvertretern und Beratern des TEC gehören unter anderem der Arbeitgeberverband
Businesseurope, die US-amerikanische Handelskammer und die
BertelsmannStiftung.
Handelsbeauftragter der US-Regierung ist der De­
mokrat Michael Froman, der damit federführend
für das geplante Freihandelsabkommen verantwort­
lich ist. Er folgte im Juni 2o13 auf Ron Kirk. Vorher
beriet Froman Präsident Barack Obama in internationalen Wirtschaftsangelegenheiten.
Dan Mullaney
Chefverhandler der USA ist Dan Mullaney. Er ist
im Büro des Handelsbeauftragten Michael Froman
für Europa und den Mittleren Osten zuständig. Mullaney arbeitete zuvor in Brüssel, wo er die Handelsinteressen der USA in den Institutionen der EU vertrat.
Davor leitete er bereits Verhandlungen zu Freihandels­
abkommen und befasste sich unter anderem mit geis­
tigem Eigentum, technischen Handelshemmnis­sen
sowie Lebensmittelsicherheit und Pflanzenschutz.
Juli 2013:
November 2013:
Dezember 2013:
1. Verhandlungsrunde,
Washington, D.C.
2. Verhandlungsrunde,
Brüssel
3. Verhandlungsrunde,
Washington, D.C.
2011
November 2011: HLWG
Der TEC gründet eine Arbeitsgruppe, um Maßnahmen zu
erarbeiten, die das Handelsund Investitionsaufkommen
zwischen den Vereinigten
Staaten und der EU erhöhen:
die High Level Working Group
on Jobs and Growth (HLWG).
Diese Arbeitsgruppe empfiehlt
im Februar 2013 in ihrem Abschlussbericht den beteiligten
Ländern, ein umfassendes
Freihandels- und Investitionsabkommen auszuhandeln.
2012
2013
Januar 2012 bis April 2013: Lobbykontakte
Im Vorfeld der eigentlichen Verhandlungen
finden zahlreiche Treffen zwischen der Generaldirektion Handel der EU-Kommission und
verschiedenen Interessenvertretern statt. Die
zahlreichsten Lobbykontakte gibt es laut der
NGO Corporate Europe Oberservatory zur Agrarwirtschaft, gefolgt von branchenübergreifenden Lobbyvertretern. Auf Platz drei folgen
Lobbyisten aus den Bereichen Gesundheitstechnologie und Pharmaindustrie, dann
kommt die Chemieindustrie und danach die
Automobilindustrie.
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August 2015
TTIP
Wie stehen die deutschen Parteien zu TTIP?
++
+
Die CDU/CSU-Fraktion ist für das geplante Freihandels­
abkommen. Die Christdemokraten versprechen sich
davon einen wirtschaftlichen Wachstumsschub. Die
CDU stuft TTIP für die Exportnation Deutschland sogar
als „überlebenswichtig“ ein. Die Absenkung von Sozial- und Umweltstandards steht dabei nicht zur Diskussion.
Auch die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die TTIPVerhandlungen, da der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr Arbeitsplätze schaffe und sichere. Sie
betont jedoch, dass Arbeitnehmerrechte, Verbraucher­
schutz-, Sozial- und Umweltstandards nicht gefährdet
werden dürfen.
–
–
Die Linke ist gegen TTIP. Sie sieht Verbraucherschutz-,
Umwelt- und Arbeitsrechtsstandards bedroht. Die Par­
tei kritisiert zudem „die intransparenten und undemo­
kratischen Verhandlungen“, die von Konzerninteressen getrieben seien.
Die Grünen begrüßen grundsätzlich Initiativen zur Ver­
tiefung der Handelsbeziehungen. Sie fordern jedoch
einen Stopp der aktuellen Verhandlungen, da sie befürchten, dass soziale und ökologische Standards zu
kurz kommen. Außerdem fordern sie, dass die Öffentlichkeit und das Europäische Parlament stärker in die
Verhandlungen eingebunden werden.
März 2014:
4. Verhandlungsrunde,
Brüssel
Mai 2014:
5. Verhandlungsrunde,
Arlington, Virginia
Februar 2015:
8. Verhandlungsrunde,
Brüssel
Juli 2014:
6. Verhandlungsrunde,
Brüssel
September/Oktober 2014:
7. Verhandlungsrunde,
Chevy Chase, Maryland
April 2015:
9. Verhandlungsrunde,
New York
2014
Januar 2014: Beratungsgremium der EU
Die Europäische Kommission richtet
ein Expertengremium ein, das die Verhandlungsführer der EU beraten und
dafür sorgen soll, dass Interessenvertreter gehört werden. Der Gruppe
­gehören neben EU-Chefverhandler
­Ignacio Garcia Bercero 16 weitere Mitglieder an, darunter Roxane Feller
vom Lobbyverband der europäischen
Lebensmittelindustrie, FoodDrinkEurope, Felix Neugart vom Deutschen
Industrie- und Handelskammertag,
Tom Jenkins vom Europäischen Gewerkschaftsbund und Pieter de Pous
vom Europäischen Umweltbüro.
2015
Mai 2014: Beirat des BMWi
Bundeswirtschaftsminister Sigmar
Gabriel (SPD) ruft einen TTIP-Beirat
ins Leben. Das Gremium trifft sich
zu regelmäßigen Diskussionen über
Themen wie Verbraucherschutz,
Kultur und Daseinsvorsorge und
trägt damit zur deutschen Positionierung in den Verhandlungen bei.
Dem Beirat gehören 22 Mitglieder
an – von Frank Bsirske, Vorsitzender
der Dienstleistungsgewerkschaft
Verdi, über Prof. Dr. Hubert Weiger,
Vorsitzender des BUND, bis zu Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie.
Dezember 2016:
Präsidentschaftswahl
in den USA
2016
Juni 2015: Fast-Track-Abkommen
Der US-Kongress stimmt der
­sogenannten Trade Promotion
Authority (TPA) zu, die Präsident
Barack Obama größeren Spielraum beim Verhandeln von
Freihandelsabkommen einräumt. Den Abkommen muss
der Kongress nun nur noch zustimmen, er kann aber nachträglich keine Details mehr daran ändern. Darum wird TPA auch Fast
Track („Überholspur“) genannt.
Ende 2016:
Frühestmög­
licher Abschluss
eines um­
fassenden Abkommens
Juli 2015:
10. Verhandlungsrunde, Brüssel
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VIAVISION
TTIP
TTIP
Die Chancen
Wirtschaftswachstum, mehr Arbeitsplätze, Innovationsschub – die Europäische Kommission bemüht sich um ein
Freihandelsabkommen mit den USA, das durch Zollabbau, leichteren Warentausch und eine gegenseitige Anerkennung technischer Standards Zeit und Geld sparen soll. Ihre Argumentation stützt sie unter anderem auf Studienergebnisse, die für TTIP eine Reihe realistischer Annahmen treffen. Diese zeigen für beide Seiten des Atlantiks klare Vorteile. Was steckt dahinter?
Schafft TTIP
neue Arbeitsplätze
Foto: DGB/Simone M. Neumann
Durch TTIP könnten sowohl in den EU-Mitgliedstaaten als
auch in den USA neue Jobs entstehen. Eine Studie des Münchner ifo Instituts im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hält bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze in der EU für
möglich, davon 110.000 allein in Deutschland. Eine Analyse im
Auftrag der BertelsmannStiftung prognostiziert sogar 181.000
neue Jobs in einem Zeitraum von zehn bis 15 Jahren.
?
4oo.ooo neue Arbeitsplätze
können laut ifo Institut durch TTIP
in der EU entstehen, die BertelsmannStiftung prognostiziert sogar
181.ooo neue Stellen allein in
Deutschland.
Stefan Körzell, Bundesvorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes:
„Ob, wie viel und wo TTIP Arbeitsplätze schaffen könnte, ist unklar. Bisherige Studien, angefangen von
der EU-Kommission bis zu den Expertisen des ifo Instituts, schwanken zwischen Optimismus und sehr
niedrigen Erwartungen. Selbst die optimistische Prognose geht von nur etwa 12.000 Jobs mehr pro Jahr
für Deutschland aus, bei denen aber nicht mal Jobverluste gegengerechnet sind. Klar ist, dass sich der
Handel in einzelnen Branchen vereinfachen kann, wenn Standards anerkannt und Zölle gesenkt werden.
Dabei wird aber zu oft unterschlagen, welche negativen Folgen Handelsabkommen haben können,
wenn Umweltschutz- oder Arbeitsstandards ignoriert werden. So haben die USA sechs von acht ILOKern­arbeitsnormen (siehe unten) nicht ratifiziert.“
Die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO:
• Abschaffung aller Formen der Zwangs- oder Pflichtarbeit, also jeder Form unfreiwilliger Arbeit, zu der
ein Mensch unter Androhung von Strafe oder anderen Sanktionen gezwungen wird (Übereinkommen
Nr. 29 und Nr. 105)
• Abschaffung der Kinderarbeit; beinhaltet unter anderem die Einführung eines Mindestalters für die
Beschäftigung von Kindern sowie das Verbot besonders schädlicher Formen der Kinderarbeit wie Sklaverei, Prostitution, Drogenhandel und -herstellung
(Übereinkommen Nr. 138 und Nr. 182)
•B
eseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung
und Beruf aus ethnischen, politischen, religiösen, geschlechtlichen und anderen Gründen (Übereinkommen Nr. 100 und Nr. 111)
• Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen (Übereinkommen Nr. 87 und Nr. 98)
Acht Übereinkommen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen beinhalten die ILO-Kernarbeitsnormen, die zwischen 1930 und
1999 von der Internationalen Arbeitsorganisation beschlossen wurden. Bisher haben die USA nur zwei dieser acht Normen ratifiziert: das Verbot der Kinderarbeit und das Verbot der Sklaverei.
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August 2015
TTIP
Beflügelt TTIP
n
Forschung und Innovatio
Durch den Wegfall der Zölle könnten laut Verband der Automobilindustrie allein die deutschen A
­ utomobilhersteller insgesamt mehr als eine Milliarde Euro einsparen. Diese Mittel
könnte die Industrie vor allem in die Forschung und Entwicklung investieren.
?
1.ooo.ooo.ooo Euro
könnten laut VDA durch
TTIP eingespart werden und
vor allem Forschung und
Entwicklung zugute kommen.
Prof. Dr. Gerhard Prätorius, Leiter Nachhaltigkeit und Politische Kommunikation, Konzern Außen- und
­Regierungsbeziehungen, Volkswagen AG:
„Forschung und Wissenschaft leben von einem intensiven internationalen Austausch. Je besser es
­gelingt, diesen offen, fair und diskriminierungsfrei zu organisieren, desto höher sind die Chancen für
bessere ­Lösungen, für Innovationen, von denen alle profitieren – nicht zuletzt auch die Umwelt.“
?
Wächst die Wirtschaft
dank TTIP
Nach einer Studie des Londoner Forschungsinstituts Centre
for Economic Policy Research (CEPR) könnten die Exporte der
europäischen Automobilindustrie in die USA bis zu 150 Prozent steigen, geht man von einem ambitionierten Szenario
(100 Prozent Zollabbau, 25-prozentiger Abbau von nicht­
tarifären Handelshemmnissen) aus. Gleichzeitig könnte das
EU-weite Bruttoinlands­produkt um 119 Milliarden Euro im
Jahr wachsen.
Um 15o Prozent
könnten laut CEPR-Institut
die Exporte der europäischen
Automobilindustrie in die
USA wachsen.
Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständischer Wirtschaft und des europäischen
Mittel­standsdachverbands European Entrepreneurs:
„Der deutsche Mittelstand steht hinter dem Freihandelsabkommen TTIP – ­allerdings nicht um jeden
Preis. Unsere Klein- und Mittelbetriebe sind auf den freien Handel angewiesen. Rund 98 Prozent der
350.000 Exporteure sind mittelständische Unternehmen. Am Schluss bringt TTIP u
­ nserer Wirtschaft Gewinn, wenn auch nicht den Zuwachs, den sich einige Politiker erträumen. B
­ ürokratische Hürden fallen
weg, und Mittelständler können Märkte erschließen, die ihnen bislang versperrt sind. Nachgebessert wer­
den muss TTIP insbesondere bei den Punkten Verbraucherschutz und Regulationsrat, vor allem aber bei
den Investor-Staat-Schiedsverfahren. Ein solches Verfahren kostet fünf bis sechs Millionen Euro. Ein Kon­
zern kann das verschmerzen, ein Mittelständler zumeist nicht. Die Reformvorschläge von Handelskommis­
sarin Cecilia Malmström laufen auf einen Internationalen Handelsgerichtshof hinaus, auch das EU-Parla­
ment fordert öffentlich bestellte, unabhängige Berufsrichter. Damit könnte der deutsche Mittelstand leben.“
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TTIP
TTIP
Die Risiken
Welche Schutzrechte werden Investoren eingeräumt? Dürfen die USA ihre Hühnchen nach Europa exportieren? Und
müssen alle EU-Staaten dem Abkommen zustimmen? Noch steht nicht fest, wie TTIP aussehen und welche neuen Standards und Regulierungen das Abkommen mit sich bringen wird. Neben den Hoffnungen auf positive Effekte durch
den freien Handel gibt es auch viele Befürchtungen.
?
Foto: Europäische Kommission
Haben wir sinkende Standards
fürchten
be
zu
ch
ei
er
lb
te
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sm
n
be
im Le
Zu den berühmtesten Beispielen zählen das Chlorhühnchen, das zur Desinfektion nach der Schlachtung in ein Chlorbad getaucht wird, Fleisch von hormonbehandelten Rindern und genmanipulierte
Lebensmittel. All das ist in den USA erlaubt – und könnte mit TTIP auch in den Supermarktregalen
der EU landen, so die Befürchtung. Knackpunkt sind dabei die unterschiedlichen Systeme in Sachen
Verbraucherschutz. In der EU gilt das Vorsorgeprinzip. Das heißt: Steht ein Produkt unter Verdacht,
gesundheitsschädlich zu sein, wird es gleich verboten. In den USA spricht man vom Nachsorgeprinzip: Der Verdacht reicht nicht aus. Es muss bewiesen sein, dass ein Lebensmittel schädlich ist, andernfalls ist es erst einmal erlaubt.
Vytenis Andriukaitis, EU-Gesundheitskommissar:
„Die hohen europäischen Lebensmittelstandards sind nicht Gegenstand der TTIP-Verhandlungen und
werden es auch nicht sein. Europa hat unserer Meinung nach die besten Lebensmittelsicherheitsstandards weltweit, im Mittelpunkt steht die Gesundheit der europäischen Bürger. Die EU hat auch gegenüber anderen Ländern immer wieder hohe Standards für die Lebensmittelsicherheit vorgegeben. Ich
sehe TTIP als Möglichkeit für Handels- und Wirtschaftswachstum, aber auch um im Ausland für unsere
Lebensmittelstandards zu werben.“
Sind die TTIP-Verhandlungen
okratisch
intransparent und undem
?
Nachdem die TTIP-Verhandlungen lange als Geheimverhandlungen kritisiert worden waren, hat die EUKommission einige Vorschläge für Gesetzestexte und Positionspapiere auf ihre Website gestellt. In der
Kritik steht aber auch das Abstimmungsverfahren der EU: TTIP würde heimlich, still und leise verhandelt
und dann schnell durchgewunken, ohne dass die nationalen Parlamente großen Einfluss darauf hätten.
Tatsächlich müssen einem reinen Handelsabkommen nur die Mehrheit der EU-Regierungen und das EUParlament zustimmen. Sollte TTIP ein gemischtes Abkommen werden, müssen es hingegen alle Mitgliedstaaten ratifizieren.
Prof. Dr. Tanja Börzel, Inhaberin des Lehrstuhls für Europäische Integration an der Freien Universität Berlin:
„TTIP ist nicht mehr oder weniger demokratisch als jedes andere internationale Handelsabkommen.
­Solche völkerrechtlichen Verträge werden normalerweise von Staaten abgeschlossen, aber wir sind eben
ein Binnenmarkt, da verhandelt die Kommission für die EU auf der Basis eines Mandats der Mitgliedstaaten. Natürlich lässt sich ganz grundsätzlich fragen, inwiefern internationale Verträge einer stärkeren demokratischen Legitimation bedürfen. Aber TTIP muss wie jedes internationale Abkommen vom
­Europäischen Parlament und höchstwahrscheinlich auch von allen Parlamenten der 28 Mitgliedstaaten
ratifiziert werden. Die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten müssen also darauf
achten, dass sie ein ­Ergebnis ­verhandeln, das am Ende parlamentarische Mehrheiten findet.“
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August 2015
TTIP
Könnten Investoren über Schiedsgerichte
die nationale Gesetzgebung aushebeln?
Foto: Christian Kruppa
Es geht um das I in TTIP, um den Teil des Abkommens, der Direktinvestitionen im Ausland schützen soll.
Diese Hilfe soll den Investoren durch die sogenannte Investor-Staat-Streitbeilegung (siehe Glossar, Seite 20)
gewährleistet werden. Die Befürchtung: Durch die Androhung von Schadensersatzforderungen könnten
Investoren indirekt Regierungen erpressen. Es könnte eine Paralleljustiz entstehen, die sich der öffent­
lichen Kontrolle entzieht. Aufgrund der massiven Kritik an diesem System hat Handelskommissarin Cecilia
Malmström im Mai Reformvorschläge unterbreitet. Anfang Juli hat das EU-Parlament gefordert, Streit­fälle
zwischen Investoren und Staaten „in öffentlichen Verfahren transparent von öffentlich bestellten, unabhängigen Berufsrichtern“ verhandeln zu lassen und eine Berufungsinstanz einzurichten. Den Parlamentariern ist wichtig, dass „Ziele des Gemeinwohls nicht durch private Interessen untergraben werden können“.
?
Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie:
„Im Gegensatz zum nationalen Rechtsweg bieten Investor-Staat-Schiedsverfahren nicht die Möglichkeit, inländische Gerichtsurteile und sogar nationale Gesetze zu kippen. Investor-Staat-Schiedsverfahren sind unabkömmlich, um Investitionen im Ausland angemessen gegenüber politischen Risiken zu schützen. Anstatt sie
kategorisch abzulehnen, fordert der BDI, bestehende Verfahren zu verbessern und einen modernen Investi­
tionsschutz zu etablieren. Dazu gehören unter anderem die Verbesserung der Transparenz, die Präzisierung
von Konzepten wie der indirekten Enteignung oder auch der fairen und gerechten Behandlung, die Einführung eines Schutzmechanismus gegen unseriöse Klagen sowie die Etablierung eines Berufungsverfahrens.“
Würde TTIP die weltweite Kluft
zwischen Arm und Reich vergrössern
?
Foto: Fotostudio Clemens
Ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA würde nicht nur die Menschen von San Francisco bis Sofia betreffen – es hätte auch Auswirkungen auf Entwicklungsländer, für die die beiden
mächtigen Handelspartner wichtige Märkte sind. Die Befürchtung: TTIP könnte den globalen Süden
benachteiligen. Da die TTIP-Partner durch ihre geringeren Handelskosten wettbewerbsfähiger wären, könnte es sein, dass EU-Staaten künftig bestimmte Produkte lieber aus den USA importieren als
aus ärmeren Ländern.
Uli Schoof, Co-Autor einer TTIP-Studie der BertelsmannStiftung:
„Grundsätzlich ist nicht davon auszugehen, dass TTIP allein zu einer deutlichen Vergrößerung der Kluft
zwischen armen und reichen Ländern führen wird. Zwar wirken sich die Handelsumlenkungseffekte
durch TTIP tendenziell negativ für Drittländer aus. Gleichzeitig kann es aber mittel- bis langfristig zu einer flexiblen Anpassung und Übertragung von Produktregelungen zwischen EU und USA einerseits und
Drittländern andererseits kommen, welche wiederum positive Handels- und Wohlfahrtseffekte auch für
Entwicklungsländer haben könnten. Selbst wenn man von einem tiefgreifenden Abkommen und einer
ausbleibenden Übertragung ausgeht, scheinen die negativen Wohlfahrtseffekte für Drittländer nach
neuesten Berechnungen eher gering zu sein. Sollte es zudem gelingen, dass Abkommen offen auszugestalten, zum Beispiel durch Öffnungsklauseln für andere Länder, könnten auch Dritt- und Entwicklungsländer von TTIP langfristig profitieren und würden keine Benachteiligung erfahren.“
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VIAVISION
TTIP
Dafür oder dagegen?
So denkt Europa über TTIP
Schon lange diskutieren die Politiker der EU und USA über ein mögliches Handelsabkommen, das seit 2o13 konkret als
TTIP verhandelt wird. Begleitet werden die Gespräche von der kritischen Berichterstattung deutscher Medien, die die
Sorgen und Befürchtungen der Bundesbürger spiegeln. Vor allem die Debatten um Lebensmittelstandards und
Schiedsgerichte lassen die Kritik in Deutschland immer wieder aufflammen. EU-weit jedoch fällt das Stimmungsbild
eher positiv aus: Umfragewerte aus den einzelnen EU-Mitgliedstaaten weisen auf einen mehrheitlichen Zuspruch zu
TTIP hin.
Belgien
Frankreich
Kroatien
66%
67%
50%
26%
Griechenland
71%
Portugal
Litauen
23%
9%
Polen
Luxemburg
Irland
71%
16%
17%
Italien
Finnland
11%
43%
14%
17%
73%
40%
15%
11%
17%
12%
16%
72%
Republik Zypern
Malta
62%
58%
22%
20%
60%
79%
65%
19%
Estland
8%
16%
Grossbritannien
12%
53%
18%
7%
17%
39%
66%
61%
22%
17%
Österreich
32%
Dänemark
8%
Lettland
64%
14%
18%
10%
18%
Bulgarien
74%
23%
32%
8%
21%
Niederlande
59%
75%
11%
14%
25%
16%
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TTIP
EU
58%
Eine Mehrheit der Europäer unterstützt ein Freihandelsund Investitions­abkommen zwischen der EU und den USA,
knapp ein Viertel ist dagegen. In 25 von 28 Mitgliedstaaten
der EU spricht sich eine Mehrheit für eine solche Handelsvereinbarung aus. In 20 Staaten liegt der Zuspruch sogar
bei mindestens 60 Prozent, angeführt von Dänemark, Irland, den Niederlanden, Estland, Litauen, Malta, Polen und
Rumänien mit einer großen Mehrheit von über 70 Prozent.
Abweichler von diesem Stimmungsbild sind Deutschland,
Luxemburg und Österreich.
25%
17%
USA
Deutschland
50%
39%
41%
21%
20%
Rumänien
29%
Slowenien
Spanien
75%
14%
31%
19%
12%
18%
Slowakei
62%
26%
26%
dafür dagegen 12%
weiß nicht
Quelle Umfrage-Grafiken EU: Copyright European Union,
Eurobarometer; Stand: November 2014; http://tinyurl.com/
o3sjf8t; The European Union does not endorse changes, if any, made to the original data and, in general terms to the
original survey and such changes are the sole responsibility of the author and not the European Union.
Quelle Umfrage-Grafik USA: 2015 Pew Research Center survey
(Q5); Stand: Mai 2015
28%
10%
Tschechische Republik
59%
15%
62%
63%
57%
11%
Schweden
Ungarn
62%
25%
13%
Verlässliche Partner: Deutschland und die USA
Trotz unterschiedlicher Positionen in politischen Einzelfragen, wie zum Beispiel zum Umgang mit Russland, zum Freihandel und zu Deutschlands
­globaler militärischer Rolle, sehen Deutsche und Amerikaner ineinander
ver­läss­liche Verbündete: Laut einer Umfrage des Pew Research Center aus
dem Frühjahr 2015 gelten für 62 Prozent der Deutschen die USA als verläss­
licher Partner, 72 Prozent der Amerikaner vertrauen der Bundesrepublik.
19
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G
lossar
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TTIP
Dr. Frank
von Buch | Matthias Wissmann | Detlef Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | P
rof. Dr. Hubert W
TTIP
VIAVISION
ger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | Dan Mullaney | David Weiner | Kate Kalutkiewicz | Isa
Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich Grillo | Vytenis An
kaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell | Prof. Dr. Gerhard Prätorius | Mario Ohoven | Barack Obam
Manuel Barroso | Herman van Rompuy | Roxane Feller | Felix Neugart | Tom Jenkins | Pieter de Pous
mar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann | Detlef Wetzel | Dr. Eric Sch
zer | Prof. Dr. Hubert Weiger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | Dan Mullaney | David WeiDie High Level Working Group on Jobs and Growth (HLWG)
ner | Kate
Kalutkiewicz
| Isabella
| Czuecilia Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja B
wurde
im November 2011
gegründet, D
umetwiler
Maßnahmen
erarbeiten,
die
das
Handelsund
Investitionsaufkommen
Ulrich Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell | Prof. Dr. Gerhard Prätorius |
den Vereinigten Staaten und der EU erhöhen. Die
Ohovenzwischen
| Barack
Overfasste
bamaeinen
| José
Manuel Bder
arroso
Arbeitsgruppe
Abschlussbericht,
der EU | Herman van Rompuy | Roxane Feller | Felix Neugar
und
den
USA
empfiehlt,
ein
umfassendes
Freihandelsund Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann |
Jenkins | P
ieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank
Investitionsschutzabkommen auszuhandeln.
Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | PQuelle:
rof.Europäische
Dr. HKommission
ubert Weiger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | D
Mullaney | David Weiner | Kate Kalutkiewicz | Isabella Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Froman | Prof
Dr. Tanja Börzel | Uauf
lrich
Grillo
Die .Investor-Staat-Streitbeilegung,
Englisch
Inves- | Vytenis Andriukaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell |
tor-State Dispute Settlement (ISDS), ist ein internationales
Dr. Gerhard
Prätorius | Mario Ohoven | Barack Obama | José Manuel Barroso | Herman van Rompu
Schiedsverfahren. Es wird zur Schlichtung von Streitigkeiten
zwischen
einem
und einem
xane Feller
| Felix
Nausländischen
eugart | TInvestor
om Jenkins
| PStaat
ieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank
anstelle eines nationalen Gerichts eingesetzt. Es gibt einige
Buch | MIdeen
atthias
Wissmann
| Detlef W
etzel
| Dr. Eric Schweitzer | Prof. Dr. Hubert Weiger | Ignacio
zur Reform
solcher Schiedsverfahren,
wie
zum Beispiel
die
Einrichtung
eines
ständigen
internationalen
Bercero | Hiddo Houben | Dan Mullaney | DInvesavid Weiner | Kate Kalutkiewicz | Isabella Detwiler | Cec
titionsgerichtshofs sowie einer Revisionsinstanz.
Malmström
| M
Froman | PWirtschaft,
rof. D
r. Tanja Börzel | Ulrich Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. Ul
Quellen:
ZBWichael
– Leibniz-Informationszentrum
Wirtschaftsdienst;
United Nations Conference on Trade and Development
Schoof | Stefan Körzell | Prof. Dr. Gerhard Prätorius | Mario Ohoven | Barack Obama | José Manu
roso | Herman van Rompuy | Roxane Feller | Felix Neugart | Tom Jenkins | Pieter de Pous | Sigmar Gab
Zu den tarifären Handelshemmnissen zählen in erster Linie
riel | Frank
Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann | Detlef Wetzel | Dr. Eric Schweitzer Zölle. Man spricht auch von tarifärer Protektion, weil es sich
um eine
Maßnahme
handelt,
die der | H
in- iddo Houben | Dan Mullaney | David Weiner | Kate K
Dr. Hubert
Wprotektionistische
eiger | Ignacio
Garcia
Bercero
ländischen Wirtschaft Vorteile verschafft. Dieses Ziel haben
kiewicz | I
sabella
Detwiler
| Cecilia
Malmströmzu | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich
auch
die zahlreichen
nicht-tarifären
Handelshemmnisse,
denen
zum
Beispiel
technische
Standards,
Importquoten
Grillo | V
ytenis Andriukaitis | Dr. Uli
Schoof | Stefan Körzell | Prof. Dr. Gerhard Prätorius | Mario
sowie Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften zählen.
ven | Barack Obama | José Manuel
Barroso
| Herman van Rompuy | Roxane Feller | Felix Neugart | To
Quelle: Gabler
Wirtschaftslexikon
kins | Pieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann | De
Wetzel | D
. Eric Schweitzer
| Prof
. Dr. H
ubert Weiger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | D
Der r
transatlantische
Wirtschaftsrat,
auf Englisch
Transatlantic
Economic
Council
(TEC),
wurde
während
eines
EU-USMullaney
| David Weiner | Kate Kalutkiewicz
| Isabella Detwiler | Cecilia Malmström | Michael FroGipfels im April 2007 vom damaligen US-Präsidenten
man | Prof
. DW.
r.Bush,
Tanja
Börzel | U
lrich G
rillo
| Vytenis Andriukaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell |
­George
der damaligen
Vorsitzenden
des
Europä­
ischen Rats, Angela Merkel, und dem damaligen EU-KomDr. Gerhard
Prätorius | Mario Ohoven | Barack Obama | José Manuel Barroso | Herman van Rompu
missionspräsidenten José Manuel Barroso ins Leben gerufen. Er
soll
die wirtschaftliche
Zusammenarbeit
xane Feller
| F
elix
Neugart | T
om Jenkinszwischen
| Pieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank
den USA und der EU fördern. Im November 2011 gründete
Buch | Mderatthias
Wissmann
| Detlef
Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | Prof. Dr. Hubert Weiger | Ignacio
Wirtschaftsrat
die Arbeitsgruppe
HLWG.
Quelle:
Europäische | D
Kommission
Bercero | Hiddo Houben | Dan M
ullaney
avid Weiner | Kate Kalutkiewicz | Isabella Detwiler | Cec
Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. Ul
Ursprungsregeln
sollen | P
die Herkunft
bestim-Prätorius | Mario Ohoven | Barack Obama | José Manu
Schoof | S
tefan Körzell
rof. Deiner
r. GWare
erhard
men. Das ist oft schwierig, da viele Waren aus den Erzeugroso | Hnissen
erman
van R
ompuy
| Roxane
Feller
| Felix Neugart | Tom Jenkins | Pieter de Pous | Sigmar Gab
mehrerer
Länder
bestehen.
Darum gibt
es in diesem
Bereich
eine
Vielzahl
von
Bestimmungen
und
Regelungen.
riel | Frank Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann | Detlef Wetzel | Dr. Eric Schweitzer Die sogenannten präferenziellen Ursprungsregeln ziehen
Dr. Hubert
Weiger
| Ignacio
Garcia
Bercero
geringere
Zollabgaben
oder sogar
Zollfreiheit
nach sich. | H
Die iddo Houben | Dan Mullaney | David Weiner | Kate K
nicht-präferenziellen Ursprungsregeln bilden die Grundlage
kiewicz | I
sabella Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja Börzel, Ulrich
für handelspolitische Maßnahmen wie zum Beispiel Anti-­
Dumping-Abgaben
oder andere | D
Schutzmaßnahmen
für | S
die tefan Körzell | Prof. Dr. Gerhard Prätorius | Mario
Grillo | V
ytenis Andriukaitis
r. Uli Schoof
inländische Industrie. Sie werden außerdem für statistische
ven | Barack
bama | J
osé
Manuel
Barroso
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verwendet.
Da
in einer
Freihandelszone
jedes | H
Landerman van Rompuy | Roxane Feller | Felix Neugart | To
sein
eigenes
Zollregime
hat,
müssen
spezifische
Ursprungskins | Pieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank von Buch | Matthias Wissmann | De
regeln erarbeitet werden.
Wetzel | Dr. Eric Schweitzer | PQuelle:
rof.Europäische
Dr. HKommission
ubert Weiger | Ignacio Garcia Bercero | Hiddo Houben | D
Mullaney | David Weiner | Kate Kalutkiewicz | Isabella Detwiler | Cecilia Malmström | Michael Froman | Prof. Dr. Tanja Börzel | Ulrich Grillo | Vytenis Andriukaitis | Dr. Uli Schoof | Stefan Körzell |
20
Dr. Gerhard Prätorius | Mario Ohoven | Barack Obama | José Manuel Barroso | Herman van Rompu
xane Feller | Felix Neugart | Tom Jenkins | Pieter de Pous | Sigmar Gabriel | Frank Bsirske | Dr. Frank
17.07.15 11:49