Nationales Hafenkonzept - Positionen und Erwartungen der

Nationales Hafenkonzept
- Positionen und Erwartungen der deutschen
Seehäfen
Wesertag 2015
Will man die Frage nach den Erwartungen der deutschen
Seehäfen an das Nationale
Hafenkonzept beantworten, sollte man sich zunächst mit den verfolgten Zielen beschäftigen.
In der ersten Ausgabe des Nationalen Hafenkonzepts sind diese wie folgt definiert worden:
o
Ausbau der hafenrelevanten Verkehrsachsen und -knoten sowie Beseitigung der
Engpässe in den Häfen
o
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Häfen
o
Sicherung und Stärkung von Ausbildung und Beschäftigung
o
Förderung von Umwelt- und Klimaschutz
.
Optimierung der Sicherheit der Lieferketten
Diese Ziele sind von den deutschen Seehäfen aufjeden Fall mitgetragen worden.
Die größten Erwartungen lagen dabei - sicher nicht überraschend
-
auf dem angestrebten
Ausbau der seewärtigen Zufahrten und der Hinterlandinfrastruktur. Seit der Vorlage des
1.
Nationalen Hafenkonzepts sind inzwischen 6 Jahre vergangen. Ich brauche in diesem Kreis
nicht auf die Fahrrinnenanpassungen von Weser und Elbe, die Schleusen am Nord-OstseeKanal und die Y-Trasse der Bahn bzw. den entsprechenden Alternativplanungen für diesen
Korridor hinzuweisen, um von enttäuschten Erwartungen zu sprechen.
Vor diesem Hintergrund arbeitet das Bundesverkehrsministerium derzeit an einer
Fortschreibung des Nationalen Hafenkonzepts. Nachdem zunächst Leitlinien für die
Weiterentwicklung formuliert wurden, soll daraus nun das endgültige Hafenkonzept mit den
entsprechenden Maßnahmen entwickelt werden.
Erlauben Sie mir aus Sicht der deutschen Seehäfen einige Positionen für die Neuauflage des
Nationalen Hafenkonzepts zu definieren. Dabei halte ich mich im Wesentlichen an den vom
BMVI formulierten Leitlinien, die auch die Grundstruktur
des überarbeiteten Hafenkonzepts
bilden werden.
1. Infrastruktur
In den letzten Jahren sind durch Investitionen der Küstenländer und der Hafenwirtschaft in
Infra- und Suprastruktur der Seehäfen in vielen Bereichen zusätzliche Kapazitäten geschaffen
worden. Auch wenn es in einigen Teilbereichen nach wie vor Investitionsbedarf gibt, so sind
die Seehäfen insgesamt damit doch gut gerüstet für das auch in Zukunft zu erwartende
Mengenwachstum.
Leider hat der Ausbau der seewärtigen Zufahrten und der Hinterlandverbindungen mit der
Entwicklung in den Häfen nicht mithalten können. Mehr denn je besteht die Gefahr, dass
fehlende Kapazitäten
im
Hinterland der Häfen zum wachstumsbeschränkenden Faktor
werden.
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass es dem BMVI gelungen ist, zusätzliche Miuel
für Verkehrsinvestitionen zu gewinnen. Hier gilt es, diese auch über die Legislaturperiode
hinaus für den Verkehrshaushalt nachhaltigzl sichern.
In Verbindung mit dem jetzt aufzustellenden Bundesverkehrswegeplan und dem ,Nationalen
Prioritatenkonzept'o kann es damit gelingen, tatsächlich nennenswerte Mittel in den Ausbau
der Hafenhinterlandinfrastruktur fließen zu lassen. Wenn ds dem Bund zusätzlich gelingt, die
derzeit extrem langen Planungszeiten bei Infrastrukturprojekten zu verkürzen, können wir in
diesem Punkt optimistisch in die Zukunft blicken.
Im Interesse einer höheren Planungssicherheit wdre es mehr als wünschenswert, wenn im
Nationalen Hafenkonzept die wichtigsten Maßnahmen
mit
einem konkreten Zeitplan
hinterlegt werden könnten. Damit würde dem gesamten Hafenkonzept auch ein deutlich
höheres Maß an Verbindlichkeit zukommen als dies
in der Vergangenheit der Fall
Politische Willensbekundungen hat es in der Vergangenheit ausreichend gegeben.
war.
2.
Koordinierung der Hafenpolitik
Der Bund vertritt die Auffassung, dass die eigenen Aufgaben
in
Bezug auf See- und
Binnenhäfen in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben. Auf der anderen Seite wird
die mangelnde Informationsbereitschaft der Länder z\ Fragen der
bemängelt. Daher möchte der
Hafenentwicklung
Bund zu neuen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in
der Hafenpolitik kommen. Als Basis für die Gespräche mit den Ländern ist vom BMVI ein
Gutachten
in Auftrag
gegeben worden, welches
die
bestehenden Strukturen der
Zusammenarbeit bel euchten soll.
Die Unternehmen der Seehafenwirtschaft haben seit jeher sowohl mit dem Bund als auch den
Ländern gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Daher begrüßen
wir es auch,
wenn
in einem
werden. Ob eine Aufrrahme dieses Themenfeldes in ein
gegebenenfalls bestehende Meinungsunterschiede zwischen Bund und Ländern
konstruktiven Dialog beseitigt
Nationales Hafenkonzept notwendig ist, möchte ich an dieser Stelle aber nicht bewerten.
3.
Sicherheit und Gefahrenabwehr
Ziel ist es, die Regelungen znr Sicherheit und Gefahrenabwehr weiter zu entwickeln. Dabei
erkennt der Bund an, dass die See- und Binnenhäfen schon heute zu den am besten
geschützten Gliedern der Transportkette gehören.
ist es entscheidend, dass die geplante Weiterentwicklung der
Sicherheitsbestimmungen in einem vernünftigen Verhältnis zum zv erwartenden
Für die
Seehäfen
Sicherheitsgewinn steht. Aufgrund des internationalen Wettbewerbs
im
Seeverkehr sollten
neue Regelungen einheitlich und zeitgleich international eingeführt
werden.
Wettbewerbsverzerungen durch ein unterschiedliches Sicherheitsdenken sind zu vermeiden.
4.
Vernetzung von See- und Binnenhäfen
In den Leitlinien zur Fortschreibung
des Hafenkonzepts heißt es hierzu: ,,Ifl
der
Gesamtnetzplanung müssen die trimodalen Binnenhäfen als zentrale Güterverteilzentren und
J
Hinterland
-
Hubs der deutschen und europäischen Seehäfen stärker als bisher berücksichtigt
werden. Um diese Funktionen auszufüllen, müssen sich See- und Binnenhäfen enger
vernetzen."
Auch wenn der Begriff ,,Vernetzung" positiv besetzt ist, kann es sich hier meiner Meinung
nach nicht um eine Vernetzung um jeden Preis handeln. Ohne Frage sind See- und
Binnenhäfen in vielen Fällen hervorragend zusammenarbeitende Partner. So hat sich die BLG
beispielsweise
in
den Binnenhäfen Duisburg, Neuss-Düsseldorf und Kelheim engagiert.
Selbstverständlich ist hier auch eine enge Vernetnrng gegeben. Es gibt auf der anderen Seite
aber auch Häfen, mit denen zumindest derzeit keine Kontakte bestehen.
Mit
anderen Worten: eine Vemetzung
wird immer dort aufgebaut und ständig weiter
entwickelt, wo dies wirtschaftlich sinnvoll ist. Politisch zu verordnen ist sie allerdings nicht.
Die deutschen Binnenhäfen sind aufgrund der geographischen Gegebenheiten zu BO%
Richtung Westhäfen ausgerichtet. Damit stehen sie vielfach in einem natürlichen
Wettbewerbsverhältnis zu den deutschen Seehäfen. Gleichgelagerte Interessen sind zwar
vorhanden, aber nicht besonders stark ausgeprägt.
5.
Europäische Hafenpolitik
In
diesem Punkt besteht weitgehende Einigkeit zwischen Bund, Küstenländern und
Hafenwirtschaft. Eine gemeinsame Vertretung der Interessen der deutschen Seehäfen in
Brüssel erfolgte bereits in der Vergangenheit und muss auch l«inftig fortgesetzt werden. Eine
Verbesserung der Abstimmung ist an der ein oder anderen Stelle sicher noch möglich.
Einheitliche Wettbewerbsbedingungen werden von allen Beteiligten begrüßt. Gemeinsam
muss erreicht werden, dass die geplante EU-Verordnung zum Zugang zu Hafendiensten so
gestaltet wird, dass Wertschöpfung, effiziente Abläufe und Arbeitsplätze in den Häfen nicht
gefährdet werden.
Die
Umschlagdienste sind daher
Europäischen Kommission geplant
-
- wie inzwischen
auch von der
aus den Marktzugangsregeln auszunehmen.
4
6.
Umwelt- und Klimaschutz, Offshore
-
Windenergie
Die deutschen Seehäfen sind bereit, die Anstrengungen im Bereich Klima- und Umweltschutz
zu intensivieren. Bund und Länder müssen die notwendigen Rahmenbedingungen hierfür
schaffen.
Dabei
gilt Ahnliches wie bei der Weiterentwicklung der Sicherheitsbestimmungen. Zur
Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen sollten alle Regelungen soweit als möglich
international abgestimmt beschlossen werden. Nationale Alleingänge führen zu
unterschiedlichen Kostenbelastungen, die am Markt nicht weiter gegeben werden können.
Ztdemsind im Interesse der Planbarkeit realistische Übergangsregelungen notwendig.
Um einen verstärkten Einsatz von LNG in der Seeschifffahrt zu gewährleisten, ist von der
Politik ein Strategierahmen zu entwickeln. Ein rein nationales Konzept ist hier mit Sicherheit
nicht ausreichend. Eine Abstimmung auf EU- besser noch IMO-Ebene muss
angestrebt
werden.
Ein stärkerer Einsatz von Landstrom bzw. die Stromversorgung über Power Barges lässt sich
derzeit wirtschaftlich nicht darstellen. Eine Befreiung von der EEG-Umlage ist daher nicht
nur wirtschaftlich erforderlich, sondern auch ökologisch sinnvoll. Entscheidungen können
hier vergl
ei
chswei se schnel I getro ffen werd en.
Mit dem Ausbau der Offshore - Windenergie wird ein großer Beitrag zur geplanten
Energiewende geleistet. Voraussetzung sind langfristig gültige, verlässliche
Rahmenbedingungen
für den Ausbau. Damit ergeben sich auch klare Vorgaben für
die
Berechnung der erforderlichen Hafenkapazitäten. Bund und Länder müssen auch klären, ob
und in welcher Form der Bund die Ldnder beim notwendigen Ausbau der Hafeninfrastruktur
für die Offshore
7.
-
Windenergie unterstützen kann.
Ausbildung und Beschäftigung
Das
erwartete künftige Wachstum
in den
Seehäfen erfordert
trotz
aller
Rationalisierungsanstrengungen auch den Einsatz von mehr Personal. Angesichts der bereits
5
angesprochenen Demografie bedingten Engpässe auf dem Arbeitsmarkt ist die Qualifizierung
bisher nicht oder unzureichend genutzter Potentiale des Arbeitsmarktes dringend geboten.
Die Seehäfen sind daher auch bereit, das gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeit
entwickelte Programm zur Einstellung von Langzeitarbeitslosen weiter zu führen. In den
letzten Jahren konnten über dieses Programm rund 5.000 Langzeitarbeitslose wieder in ein
reguläres Beschäftigungsverhältnis gebracht werden. Eine Weiterführung dieses Programms
wäre daher aufjeden Fall zu begrüßen.
8.
Förderung innovativer Seehafentechnologien
Ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfühigkeit der deutschen Häfen
wäre auch
eine
Intensivierung der maritimen Forschung.
erfolgreich über die Programme ISETEC
I und II
In der Vergangenheit ist
geschehen. Insbesondere die durch diese
Programme initiierte unternehmensübergreifende Forschung
geführt. Die Neuauflage eines ISETEC
III
dies
hat zrt spürbaren
Programms
mit den
Erfolgen
Schwerpunkten
Datenaustausch entlang der maritimen Transportkette, Automatisierung der Güterbehandlung
und Verlagerungsmöglichkeiten von der Straße auf Schiene und Binnenwasserstraße könnte
di e bi sheri gen Forschungstäti
gkeiten sinnvol I er gänzen.
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, die Positionen der
deutschen
Seehafenwirtschaft bei der Fortschreibung des nationalen Hafenkonzepts deutlich zu machen.
Wir würden uns
darüber hinaus wünschen, dass die Formulierung der erforderlichen
Maßnahmen so konkret wie eben möglich erfolgt. Größter Wunsch ist es, dass das Nationale
Hafenkonzept nicht eine gut gemeinte Absichtserklärung der Politik bleibt, sondern eine
solide Grundlage für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen darstellt.
Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen, abschließend noch einmal darauf hinzuweisen, dass
insbesondere
flir
den Infrastrukturbereich die Voraussetzungen für eine Umsetzung der
Projekte selten so günstig waren wie zurzeit. Eine verbesserte finanzielle Ausstattung des
Verkehrshaushalts,
in Verbindung mit der Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans,
des ,.Nationalen Prioritätenkonzepts" und der Neuauflage des Nationalen Hafenkonzepts
6
bieten beste voraussetzungen
für den Ausbau der seewärtigen zufahrten und der
Hinterlandanbindungen. Diese chancen gilt es zu nutzen
7
- wenn nicht jetzt, wann dann?