Bundesministerium für Justiz Museumstraße 7 1070 Wien Wien, am 18. Januar 2016 21/ 15/205 BMJ-Z8.451/0031-I 4/2015 VO zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität von OnlineInhaltediensten im Binnenmarkt Referent: Dr. Egon Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien Sehr geehrte Damen und Herren! Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) ist die gesetzlich eingerichtete Vertretung der Rechtsanwälte in Österreich und als solche zur Wahrung der Rechte und Angelegenheiten sowie zur Vertretung der österreichischen Rechtsanwälte auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene berufen. Als solcher obliegen ihm besonders die Erstattung von Gesetzesvorschlägen und Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen sowie die Anzeige von Mängeln der Rechtspflege und Verwaltung bei der zuständigen Stelle und die Erstattung von Vorschlägen zur Verbesserung von Rechtspflege und Verwaltung. Der ÖRAK erlaubt sich, zu der VO zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt wie folgt Stellung zu nehmen: Hintergrund dieser VO ist die steigende Nutzung des Internets, welches zu einem der wichtigsten Verbreitungskanäle für Musik, Videos oder sonstige Inhalte geworden ist. Diese Art der Internetnutzung wird durch Tablets und Smartphones weiter erleichtert. Daher hat die VO den Zweck, die Nutzung von Online-Inhaltediensten, zu denen Verbraucher rechtmäßig Zugang haben, oder von Inhalten, die sie in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat online erworben oder gemietet haben, zu ermöglichen, auch wenn sie innerhalb der EU unterwegs sind. Reisende in der EU können jedoch häufig eine solche grenzüberschreitende Portabilität nicht oder nur eingeschränkt in Anspruch nehmen. Diese VO hat das Ziel, die Hindernisse für die grenzüberschreitende Portabilität zu beseitigen, um den Bedürfnissen der Nutzer wirksamer gerecht zu werden und um Innovationen zu fördern, die den Verbrauchern, Dienstanbietern und Rechteinhabern zugutekommen. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass das Urheberrecht nur in den teilharmonisierten Bereich des Gemeinschaftsrechts fällt. Zugleich sind umfangreiche internationale Staatsverträge zu beachten. Da sich die Entstehung, Ausübung und Durchsetzung von Urheberrechten im Wesentlichen nach nationalem Recht der Mitgliedstaaten gestaltet, werden Lizenzrechte etwa durch den Filmhersteller an den Fernsehveranstalter noch weitgehend auf territorialer Basis erteilt. Ungeachtet der Entscheidungen EuGH 04.11.2011 C-403/08 und C-429/08 der EuGH beanstandete lediglich gebietsabhängige Exklusivitätslizenzen für einzelne Mitgliedstaaten und Regelungen, die es den Fernsehzusehern untersagt, Sendungen in den anderen Mitgliedstaaten mittels einer Zugangskontrolle anzusehen - richten sich auch die zu bezahlenden Lizenzentgelte für das Sende- oder das Zurverfügungstellungsrecht nach der territorialen Ausbreitung. Folglich würde eine vollständige und zeitlich unbeschränkte Portabilität bei ansonsten unveränderten Rechtsrahmen langfristig für viele Content-Anbieter den Einkauf von Inhalten verteuern, zumal das Nutzerverhalten in Richtung einer verstärkten Verwendung portabler audiovisueller Geräte geht. Diese würde sich aber nachteilig auf den Verbraucher auswirken, weil langfristig bei Bezahldiensten Entgeltsteigerungen an den Nutzer weitergegeben werden müssen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es aus Sicht des ÖRAK notwendig und empfehlenswert, den Begriff „vorübergehend“ zeitlich zu limitieren. Angemessen wäre etwa die durchschnittliche Dauer eines Urlaubs oder einer Dienstreise. Aus grundrechtlicher Perspektive bestehen keine Bedenken, da die Maßnahme im Hinblick auf die Grundfreiheit, grenzüberschreitend Dienstleistungen zu erbringen und zu nutzen, gerechtfertigt ist. Zu den Bestimmungen der VO: Ad Art 1 und Art 2: In Art 1 werden das Ziel und der Anwendungsbereich der VO normiert. Art 2 enthält Begriffsbestimmungen, welche EU-weit einheitlich auszulegen sind. Da die VO die grenzüberschreitende Portabilität in der EU während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem Mitgliedstaat gewährleisten soll, ist im Besonderen die Definition von „vorübergehender Aufenthalt“ von Bedeutung. Der „vorübergehende Aufenthalt“ wird in Art 2 lit d) der VO als „Aufenthalt des Abonnenten in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat“, definiert. Der ÖRAK bemängelt die Formulierung der Definition, da nicht erkenntlich ist, welcher Zeitraum noch unter „vorübergehend“ fällt. Nach Ansicht des ÖRAK sollten einige Tage, beispielsweise während des Urlaubs oder auf Dienstreisen, jedenfalls noch unter den Begriff „vorübergehend“ fallen. Wie die Rechtslage jedoch bei einigen Wochen und gar Monate zu beurteilen ist, ist fraglich. Daher sollte eine legistische Klarstellung dahingehend erfolgen, dass unter „vorübergehend“ eine 2 ununterbrochene Dauer von nicht mehr als sieben Tagen zu verstehen ist, somit die durchschnittliche Dauer eines Urlaubs oder einer Dienstreise. Die VO geht vom Regelfall aus, dass der Abonnent eines Online-Inhaltedienstes sich nur in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnsitzmitgliedstaat vorübergehend aufhält. Es ist jedoch auch möglich, dass sich Abonnenten während eines längeren Zeitraums in mehreren unterschiedlichen Mitgliedstaaten aufhalten, ohne wieder in ihren Wohnsitzmitgliedstaat zurückzukehren. So kann sich ein Abonnent 10 Tage in Mitgliedstaat A aufhalten, danach 3 Wochen in Mitgliedstaat B und anschließend 6 Wochen in Mitgliedstaat C. Selbst wenn man davon ausgeht, dass jeder einzelne Aufenthalt die Voraussetzung eines „vorübergehenden Aufenthalts“ erfüllt, ist es unklar, ob nicht die Summe der Aufenthalte den Rahmen eines „vorübergehenden Aufenthalts“ sprengt. Ad Art 3: Art 3 der VO verpflichtet den Anbieter, dem Abonnenten die Nutzung des OnlineInhaltedienstes zu gestatten, wenn der Abonnent sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat aufhält. Die Bestimmung erfasst aber nicht die Qualitätsanforderungen an die Erbringung der Dienste. Die Erläuterungen in den Gesetzesmaterialien erklären diese Bestimmung damit, dass im Rahmen der grenzüberschreitenden Portabilität der Anbieter nicht haftbar gemacht werden sollte, wenn die Qualität der Bereitstellung des Dienstes, beispielsweise aufgrund einer schlechteren Internetverbindung, niedriger sein sollte. Es ist zu begrüßen, dass Anbieter nicht für Umstände zur Verantwortung gezogen werden können, die nicht in ihrem Verschulden liegen (zB schlechte Internetverbindung). Für die Qualität der Übertragungsdienstleistung ist der Diensteanbieter eines bestimmten Contents jedenfalls aus urheberrechtlicher Perspektive keinesfalls verantwortlich. Ad Art 4: Diese Bestimmung stellt fest, dass die Bereitstellung eines Dienstes für einen Abonnenten, der Zugriff auf diesen Dienst und dessen Nutzung durch einen Abonnenten als ausschließlich im Wohnsitzmitgliedstaat erfolgt gelten, wenn sich der Abonnent vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat aufhält. Diese legistische Klarstellung ist äußerst begrüßenswert. Ad Art 7: Nach Art 7 gilt diese VO auch für Verträge und Rechte, die vor dem Geltungsbeginn der VO geschlossen bzw erworben wurden, sofern sie für die Bereitstellung eines Online-Inhaltedienstes, den Zugriff auf diesen Dienst und seine Nutzung relevant sind. Auch diese Klarstellung ist begrüßenswert. 3 Summa summarum handelt es sich bei dieser VO um eine Maßnahme zur Verringerung der Hindernisse eines grenzüberschreitenden Online-Zugangs in Europa. Es handelt sich um einen wichtigen Schritt in Richtung eines digitalen Binnenmarkts, welcher jedoch geringfügige legistische Klarstellungen benötigt, um eventuelle Unklarheiten im Voraus zu vermeiden. Mit freundlichen Grüßen Dr. Rupert Wolff 4
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