Der Stadt Jahrhunderte treue Dienste erwiesen

Nr. 118 / Sonnabend, 22. Mai 1965
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LOKALES
Mindener Tageblatt / Seite 3
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Familientag der Familie Vogeler in Minden
Der Stadt Jahrhunderte
treue Dienste erwiesen
Viele Mindener Bürgermeister gingen aus der Familie Vogeler hervor
Margarethe Elisabeth Vogeler, geb. Bohn, 1763-1834
Mannesstamm in Minden erloschen
Leider ist der Mannesstamm der alten Mindener Familie Vogeler in Minden selbst erloschen, nachdem der einzige Sohn des Bankiers Walter Vogeler, Dr. med. Günther Vogeler, im letzten Kriege als Stabarzt im Osten
gefallen ist. Aber es leben hier aus der
weiblichen Nachkommenschaft unter anderem
noch die eng versippten Familien Hempell,
Reuter,
Heermann-Poggenmühle,
Thomas,
Siebe, Siebers und Holtmeyer als unsere
Mitbürger.
Anläßlich des Familientages Vogeler im Jahre
1963, über den das „Mindener Tageblatt" ausführlich berichtete, wiesen wir schon auf die
verwandtschaftliche Verbundenheit mit dem
Hause J. C. C. Bruns hin. Die Frau des Gründers des Verlages, also von Johann Christian
Conrad Bruns, war eine geborene Vogeler, sie
ist die Tochter des Buchdruckers Christian Dietrich Vog&ler und Enkelin der Sophie Christine
Vogeler, geb. Enax, einer Tochter des bekannten Mindener Verlegers und Hofbuchdxuckers
Johann Augustin Enax, der noch 1791, 85jährig,
mit seiner Frau in Minden lebte. In seinem
Verlage-erschienen das Mindener Gesangbuch
1771, Bibeln u. a. Schriften. In ihren Verwandtenkreis gehörten die Mindener Buchdruckerfamilien Wundermann, Essmann (ein Onkel
von J. C. C. Bruns), Müller.
Bis 1392 urkundlich nachweisbar
Der Familienname Vogeler ist bis 1392 in
Minden urkundlich nachweisbar, also fast 600
Jahre alt und die heute zum Familientag erschienenen Nachkommen können sich urkundlich in direkter Ahnenreihe in Minden bis 1590,
Die weiblichen und männhdien Nachkommen des alten Mindener
Geschlechtes Vogeler treffen sich am heutigen und morgigen Tage
wiederum in Minden, um ihren Familientag — dieses Mal im „Kaiserhof"
in der Porta — zu begehen. Es werden ca. 70 Familienmitglieder dazu
erwartet. Am heutigen Sonnabend findet die Familientagssitzung statt,
und anschließend um 20 Uhr ist ein gemeinsames Essen. Am Sonntagvormittag wird der Verwalter des Familienarchivs, Dr. Wilfried Vogeler
(Essen), einen Vortrag über die Ergebnisse weiterer genealogischer Forschungen und über besondere Begebenheiten aus der Geschichte der
Familie halten.
Anschließend besuchen die Familienmitglieder den Familienfriedhof
an der Berliner Allee (Simeonstorsche Feldmark). Die Familie hat hier
einen Gedenkstein für den verstorbenen Erforscher der Familiengeschichte
B. A. Vogeler (Essen), der auch der Verfasser des Familienbuches und
der Stammtafeln war, neu errichtet. Der Findling ist von dem Steinmetzmeister Tüting in Minden ausgeführt. Mittags und nachmittags sind
die Familienmitglieder zum familiären Zusammensein und zu Aussprachen nochmal einige Stunden im „Kaiserhof" zusammen.
kommen überwiegend Berufe erstrebten, die
zur Selbständigkeit führten, sind sie in der
Mehrzahl Kaufleute, Überseekaufleute, Ärzte,
selbständige Landwirte, Ingenieure und Architekten, dann Juristen und aktive Offiziere.
Auch bei den angeheirateten Schwiegersöhnen
sind die Berufe ähnlich verteilt. Die Stiftung
Marg*i*tb« Elisabeth Bohn, geb. Schindeler
1740-1806
Aufn.: (41 Familienarchiv Vogeler
des Familienfriedhofes durch Johann Gottlieb
Vogeler hat sich für den Zusammenhalt der
Familie besonders wertvoll «wiesen.
Der Friedhof ist eine Art Fideikommiss, ein
unveräußerliches und unteilbares Erbgut. Jeder
der Nachkommen des Stifters besitzt das Recht,
sich dort beerdigen zu lassen. Familiengeschichtlich gesehen ist dies für eine bürgerliche
Familie eine Besonderheit. So finden sich auf
dem Friedhof Namen von verschiedenen alten
Mindener Bürgergeschlechtern.
Unter den Vorfahren mit Namen Vogeler
befinden sich auch mehrfach Bürgermeister der
Stadt Minden, die aus dem Rate heraus gewählt wurden, also nicht beamtete Bürgermeister, wie es auch jetzt, nach 1945, wieder neu
eingeführt ist. Auch in denAnnalen der Fischerstadt, die früher durch eine Stadtmauer von
Minden getrennt war und eine eigene Verwaltung besaß, finden sich ebenfalls mehrfach
Bürgermeister mit Namen Vogeler. Bis zum
Weltkriege 1914 gehörten Nachkommen der
Mindener Stadtverordnetenversammlung an.
Besatzungen und Plünderungen
Sladt-KämmM*i-Sdu*iber Otto Christian Bohn
1725-1800
Die o<ben erwähnte Familiengeschichte, verfaßt von B. A. Voseler (Essen) erzählt uns
auch manches Interessante aus der Geschichte
der Stadt Minden. Der abgebildete Chirurgus
Johann Gottlieb Vogeler erlebte, vor 150-200
Jahren, auch schon zweimal die Schrecken des
Krieges, sowohl in der Jugend, als auch im
Alter. In seiner Jugendzeit fielen der Siebenjährige Krieg und besonders die Schrecknisse,
die der zwischen Frankreich und England-Preußen geführte Krieg mit sich brachte. Vor allem
waren es die Jahre 1757 und 1759 (1. August
1759 Schlacht hei Minden), die mit ihren wechselnden Besatzungen und Plünderungen viel
Ungemach über die Stadt brachten. Wochenlang
nährte sich die Familie von Suppe, in die gelegentlich ein Ei von dem einzigen Huhn, das
sie noch hatte, abgerührt wurde.
Schon als 16jähriger hat Johann Gottlieb
bei dem Sturm der Franzosen auf Minden den
Verletzten wundärztliche Hilfe geleistet. So
ergriff auch er, nachdem er seine Ausbildung
auf der Charite in Berlin erhalten hatte, den
Beruf des Vaters.
schreiben Friedrich des Großen
Am 24. Februar 1780, Johann Gottlieb war
damals 37 Jahre alt und in der Bevölkerung
von Minden sehr beliebt und beruflich angesehen, sandte ihm Friedrich der Große ein
Dank- und Anerkennungsschreiben, in dem
er seinen Fleiß und seine Geschicklichkeit
als Chirurgus belobte und seinen Beifall
bezeigte und wünschte, „daß Ihr zum Besten
des menschlichen Geschlechts darin fortfahren und Unserem Obercollegio Medico von
Zeit zu Zeit die Euch in Eurer praxi chirurgico vorkommende besondere Fälle communicieren möget." Besonders seine sehr umfangreiche geburtshilfliche Praxis erstreckte sich
weit in die umliegenden Orte und Dörfer Mindens.
norddeutschen Räume verzweigt. Da die Nach-
Er selbst ging sonntags, morgens und nachmittags in die Kirche, und wenn täglich abends
die Betglocke schlug, mußten seine Kinder auf
einer Bank im Zimmer sitzen, wurden von ihm
der Reihe nach aufgerufen und mußten beten.
Um die Festung Minden
In die Lebenszeit von Johann Gottlieb 1743
bis 1817 fielen auch besondere Begebenheiten
mit der „Festung Minden". Im Juni 1763, also
4 Jahre nach der Schlacht bei Minden, hatte
Friedrich der Große bei einem Besuche in
Minden die Niederlegung der Festungswerke
befohlen. 1816, also 50 Jahre später, wurden
sie aufs Neue wieder ausgebaut, und die vor
der Stadtmauer entstandenen Häuser und
Gärten mußten wieder verschwinden. Die Bürgerschaft von Minden hat also in einem relativ
kurzen Zeitabschnitt viel durchmachen müssen.
Mit größter Freude wurde auch in Minden
die Nachricht von der Schlacht bei Leipzig, die
Kunde von dem Sieg über die französischen
Peiniger, begrüßt. Am 3. November 1813 ver-
Johann Gottlieb Vogeler erlebte nun 1806
bis 1813, als alter Mensch, zum zweiten Male
die Drangsale der Fremdherrschaft, aber auch
noch die Befreiung davon, das Jahr 1813. Auch
aus dieser Zeit besitzt die Familie Briefe und
Aufzeichnungen von ihm über die Verhältnisse
in Minden, die auch von allgemeinem Interesse
sind. Die Mindener Bürger mußten enorme
Kontributionsgelder bezahlen, die von den
Franzosen rücksichtslos eingetrieben wurden
und sich bis 1813 stetig steigerten. Jeder Besitzwurde bis zum Äußersten belastet. Zwangsanleihen wurden erhoben, aber die dafür von
der Besarzungsmacht versprochenen Schuldscheine nicht ausgehändigt.
Johann Gottlieb hatte zur Zeit der Napoleonischen Besatzung jahrelang eine ständige Einquartierung von 20 Mann in seinem Hause.
Am Mindener Gymnasium befand sich nur ein
Lehrer, auch sonst gab es kaum einen Lehrer.
Johann Gottlieb unterrichtete seine Kinder
selbst, denn er hatte erst spät geheiratet. Er
Erforscher der Familiengeschichte dieser
war ein sehr willensstarker Mann und hat Dem
Mindener Familie wurde jetzt ein
seine fünf Kinder streng und fromm erzogen. bekannten
Gedenkstein gesetzt.
Aufn. (2): MT/—jumließ die französische Besatzung, nach Sprengung
der Weserbrücke, Minden. Die Franzosen hatten sich in Minden überall häuslich eingerichtet
und mußten nun überstürzt Minden verlassen.
Tönnies Vogeler (1590-1632), zurückzuführen.
Aber auch Nachkommen aus den Brüder-Stämmen des Tönnies V. haben ihr Erscheinen zugesagt, da es ein Anliegen des Familientages
ist, alle Stämme zusammenzuführen. Während
mehrerer Generationen hindurch übten sie
von Vater auf Sohn den Beruf eines Chirurgus
aus.
Der Bedeutendste von ihnen war der Stadtchirurgus Johann Gottlieb Vogeler 1743-1817
Seine Frau war Margarethe Elisabeth Bohn, die
Tochter des damaligen Kämmereischreibers
Christian Otto Bohn. Die Schattenrisse geben
wir wieder. Der Chirurgus Vogeler war auch
der Stifter des Vogelerschen Familienfriedhofs
an der Berliner Allee (früher Simeonstorsche
Feldmark), der heute im Besitz der Gesamtfamilie ist und unter Denkmals- und Naturschutz steht. Nach den Sturmverwüstungen im
letzten Herbst, bei denen die 150jährige große
Linde umbrach und etliche Grabsteine und
Gitter stark beschädigt wurden, hat die Familie,
durch gemeinsame Spenden, den Friedhof wieder würdig gestaltet. Heute ist in der Umgebung des Friedhofes ein neuer Stadtteil von
Minden entstanden, dort wo sich die früheren
dem Chirurgus Vogeler gehörenden Wiesen
und Gärten erstreckten.
Die Familie Vogeler hat sich vornehmlich im
Chirurgus Johann Gottlieb Vogeler 1743-1817
Blick auf den Familienfriedhof der Familie Vogeler an der Berliner Allee in der Nähe des
Erlengrundes. Dieses stille Plätzchen werden gewiß nur wenige Mindener kennen.
Familienmitglieder nahmen an vielen Kriegen teil. Schon bei der Belagerung Mindens
im 30jährigen Kriege wurde ein Sohn des
Stammvaters Tönnies Vogeter erschossen. In
den Einigungskriegen zeichnete sich 1870/71
der Enkel von Johann Gottlieb, der spätere
Königl. Sanitätsrat Dr. Carl Gottlieb Vogeler,
besonders aus. Er erwarb sich als „Einjähriger",
knapp 20 Jahre alt, das Eiserne Kreuz und
andere Tapferkeitsauszeichnungen. Sehr viele
Familienmitglieder nahmen am 1. und 2. Weltkriege teil. Im Ersten Weltkriege fielen 6 Familienmitglieder, im Zweiten Weltkriege fielen
14 Familienmitglieder. Den Gefallenen aus
allen Kriegen wird die Familie einen Gedenkstein auf dem Familienfriedhofe errichten.
Neben den Briefen, Aufzeichnungen und Urkunden, welche die Familie Vogeler in einem
umfangreichen Archiv besitzt, ist das Stadtarchiv der Stadt Minden mit seinem reichen
Material für die Familienforschung Vogeler
•^ine Fundgrube von unschätzbarem Werte. Die
"amilie Vogeler ist der Stadt Minden und
ihrem Stadtarchivrat besonders dankbar für
die hilfreiche Unterstützung und Anerkennung,
die sie in allen Zeitepochen erhalten hat.