Inhalt: Karlheinz Wenzel: Spiel mit dramatischen Vorlagen ...................................................................35 Schultheater der Länder- zu seiner Entstehung. Zielsetzung, Organisation ............ 2 Frank Herdemerten, Spiel mit dramatischen Vorlagen ............................ ............ .......... ................. 36 PROGRAMM .......................................... ....................3 Christiane Mienert: Spiel mit dramatischen Vorlagen . .................. ......... ........................................37 Ingo Scheller: Schultheater - ein Theater der Schüler? ... ...................... ................................... 39 Erich Unglaub: Literarisches Theater.............. 42 RÜCKBLICKE Reinhold Klinge , Literaturtheater.....................43 Hans Zehetmair, Grußwort ..................................7 Elinor Lippert: Rede beim Empfang .................. 8 Elinor Lippert: "Du gleichst dem Geist..."Rückblick ............................. ................... ..... ... ............9 Christiane Mienert, Theaterarbeit ist Tischarbeit ...................... ........................... ....... ..... .. 44 ARBEITSGRUPPEN DER FACHTAGUNG: Probleme textnaher Produktionen .....:.... ...... 46 WERKSTÄTTEN ....... ...................................... ...............19 Adaption einer epischen Vorlage .................. 47 Ändern. ohne den Text zu ändern ................. 48 Verändern durch szenische Gestaltung .... 50 Politisches Schu lt heater............. ....... ........ „ FACHTAGUNG „ „ .... 51 Gerhard Lippert: Einführung ..... ................... ....26 Günter Erken, Problemaufriß. Meinungen ... 27 Ulrich Hesse, Zwischen Werktreue und Willkür ............................... .........................................33 Videofil m I Broschüren ............. ................. ..... .... 52 Teilnehmer der Fachtagung ............................ 53 Impressum Fotos , Christian Döge. München Herausgeber, Kampchaussee Körber 10. 2050 Stiftung. Hamburg 80 Bundesarbeitsgemeinschaft für das Darstellende Spiel in der Schule e.V. (über, Elinor Lippert. Hauptstraße 51. 8901 Horgau) außer, S. lo. 3u. 5r. Br. 10. llu. 120. 20o. 22m.u. 23. 251. 37. 43. 47 (alle, Günter Frenzel. Oberschleißheim) Collage S. 50/51: Günter Frenzel/ Wulf Schlünzen/ Milo Lohse Satz , Hannelore Bollinger/ Hildegunde Latsch/ Sybille El-Kerk/ Wulf Schlünzen I LAG Hamburg Redaktion, Horst Rödinger. Wulf Schlünzen Druck, Hein &. Co! Hamburg Layout, Nachdruck auch auszugsweise Genehmigung der Herausgeber Günter Frenzel. Milo Lohse. Wulf Schlünzen nur mit 2 Schultheater der Länderzu seiner Entstehung, Zielsetzung und Organisation Das "Schultheater der Länder" ist ein Treffen schulischer Theatergruppen aus allen Bundesländern. offen für alle Schulformen und Schulstufen. Begründet wurde es von der "Bundesarbeitsgemeinschaft für das Darstellende Spiel in der Schule e.V." und der "Körber-Stiflung". Den Anstoß zu einem Erfahrungsaustausch zwischen Schultheatergruppen über die Grenzen der Bundesländer hinweg gab Dr. Kurt A. Körber, Industrieller in Hamburg-Bergedorf und Förderer zahlreicher Initiativen in Wissenschaft, Bildung und Kunst. Das "Schultheater der Länder· soll ein Forum für Spielansätze und Spielstile aus allen Bundesländern sein. Es findet daher in jedem Jahr in einem anderen Bundesland statt. Das "Schultheater der Länder" ist ein Arbeitstreffen . Es bezieht sich ausschließlich auf die Theorie und Praxis des Darstellenden Spiels in der Schule. Für jedes Treffen wird ein thematischer Rahmen gesetzt. Die eingeladenen Gruppen stellen ihre Aufführungen vor und diskutieren darüber. die Demonstration von Weiterhin soll Spielansätzen und Arbeitsweisen in eigens dafür eingerichteten Werkstätten die Spielpraxis erweitern und vertiefen. Begleitet wird das "Schultheater der Lände( von einer Fachtagung. Die TeilnehmerlNNEN - spielleitende LehrerlNNEN, DozentlNNen der Lehreraus- und -fortbildung und FachreferentlNNen von Kultusund Bildungseinrichtungenbeobachten die Aufführungen und untersuchen sie unter theoretischen Gesichtspunkten. Geplant, vorbereitet und durchgeführt wird das "Schultheater der Länder" von der "BAG Darstellendes Spiel in der Schule", der "KörberStiftung", der jeweiligen Landes= arbeitsgemeinschaft und von VertreterlNNEn der regionalen oder lokalen Schulverwaltung. Finanziert wird dieses jährliche Schultheatertreffen von der "Körber-Stiftung· und durch einen geringfügigen- Eigenbetrag der TeilnehmerlNNEN. Das erste "Schultheater der Länder" fand 1985 unter dem Rahmenthema "Schultheater und Freies Theater" statt. Am Beispiel der für dieses Treffen ausgewählten Schultheateraufführungen und der Gastspiele des schwedischen Theaterkollektivs "Jordcirkus" sowie an der Arbeit der Werkstätten und an den Ergebnissen der begleitenden Fachtagung ließ sich erkennen, daß in den Spielansätzen„ in der Arbeitsweise und in der Ästhetik des Freien Theaters für das Schultheater Möglichkeiten liegen, die ihm bei der Suche nach eigenen Wegen weiterhelfen können . Das zweite "Schultheater der Länder" - 1986 in Lübeck - rückte das Thema "Schultheater und Musik" als einen wichtigen Bereich der Gestaltung in den Mittelpunkt der Fachdiskussion. Entgegen der Tendenz zum gedankenlosen Einsatz von Musik wurde ihre Wirkung als Ausdrucksträger analysiert und in den begleitenden Werkstätten erprobt. Auch in Lübeck war mit der "Laokoon-Dance-Group" eine professionell arbeitende Freie Gruppe beteiligt. 1987 fand das "Schultheater der Länder" in Braunschweig unter dem Rahmenthema "Körperorientiertes Spiel Impulse für das Schultheater?" statt. In der Fachtagung wurde der körperorientierte Ansatz als dem Schultheater besonders entsprechend herausgearbeitet. Die Mitwirkung der Freien Gruppe "La Otra Orilla" aus Braunschweig bewies einmal mehr. daß das Schultheater sich von der Arbeit professionell arbeitender Freier Gruppen anregen lassen kann . Das vierte "Schultheater der Länder" - 1988 in Tübingen - befaßte sich mit dem Rahmenthema "Stücke selbstgebaut - Eigenproduktionen im Schultheater". Ein Teil der Fachtagung fand im Rahmen der Zentralen Arbeitstagung der "BAG für das Darstellende Spiel in der Schule" - zwei Monate nach dem Treffen in Weilburg/ Hessen statt. Deutlich wurde, welche besonderen Möglichkeiten bei der Themenfindung und in der Spielweise gerade Eigenproduktionen dem Schultheater bieten, aber auch, welche Schwierigkeiten mit der Erarbeitung von Eigenproduktionen verbunden sind. Die Arbeit bei der Umsetzung dramatischer Vorlagen - das Thema des fünften "Schultheaters der Länder" 1989 in Bamberg - steht vor anderen Problemen. Bewußt gegen das 'VomBlatt-Spielen„ war das Thema formuliert: "Spiel mit dramatischen Vorlagen". In den Gesprächen der Fachtagung und den Werkstätten wurden Möglichkeiten des spielerischen Umgangs mit dramatischen Texten erörtert. erprobt und anhand der Schultheateraufführungen überprüft. Die Ergebnisse sind in dieser Broschüre wiedergegeben. Das nächste "Schultheater der Länder" findet im September 1990 in Trier statt. Rahmenthema ist das "Spiel mit Masken·. Wulf Schlünzen 3 PROGRAMM >Die Mädchen aus Viterbo« nach dem Hörspiel von Günter Eich Theater-AG des Albeck-Gymnasiums Sulz/ BadenWürllemberg Mittwoch, 20.9.89 Fachtagung 1 Spielleiterin , Ursula Weber Eröffnung »Schultheater der Länder '89« »Rattenfänger« »Geheime Freunde« Musical frei nach Carl Zuckmayer von Rudolf Herfurtner nach Myron Levoy Gymnasium Chrislianeum. Hamburg Theater-AG am Gymnasium Kronwerk. Rendsburg/ Schleswig-Holstein Spielleiter, Günther Schäfer Spielleiter, Tilmann Ziemke Donnerstag, 21.9.89 Werkstätten »Erinnerungen an Bertoll B.« Brechtabend mit Szenen. Songs und Gedichten »Der goldene Brunnen« Theater-AG an der Integrierten Kaiserslautern/ Rheinland-Pfalz Märchenspiel nach Olfried Preußler AG Schultheater der HauptAuguslfehn/ Niedersachsen und Realschule Leitung: Ingo Zach. Folkerl Frerichs. Detlef Drews. Birgit Kies Gesamtschule Spielleiter, Wolfgang Stepp »Der Neinsager« Schuloper von Bertoll Brecht Gestalten/ Freie Grundkurs Dramatisches Maria-Ward-Gymnasium. Theatergruppe Gymnasium bei St. Stephan. Augsburg/ Bayern »Der Widerspenstigen Zähmung« Komödie von William Shakespeare Theater-AG am Robert-Schuman-Gymnasium Saarlouis/ Saarland Spielleiterin, Ulrike Niederländer Spielleitung, Reinhold Schira und Ludwig Striegel Sonntag, 24.9.89 »Die Launen der Verliebten« Teilnehmertreffen nach J.W. v. Goethe Spielschar am Lelmhollz-Gymnasium Nordrhein-Westfalen Freitag, 22.9.89 Essen/ Spielleiter, Frank Herdemerten Werkstätten Präsentation der Werkstätten Fachtagung II Fachtreff »Wir sind noch einmal davongekommen« »Tasso« von Thornton Wilder nach J.W. v. Goethe- Versuch einer Annäherung Arbeitsgemeinschaft Theater Goetheschule Kassel/ Hessen an der am Schulzenmtrum Theater-AG Bördestraße. Bremen Spielleitung, Lisa Steinmetz. Hedwig Lühmann Spielleiter, Günter Wagner Abschlußfest Sonnabend, 23.9.89 »Faust I« von J.W. v. Goethe Theater-AG an der John-F.-Kennedy-Schule. Berlin Spielleiter, Jochen Pfeifer an der 5 5. Schultheater der Länder Rückblicke ... auf Bamberg '89 - - - - ---- ---- - - 7 Grußwort des Herrn Staatsministers Hans Zehetmair zum #Schultheater der Länder# 1989 am 20. September 1989 in Bamberg Ich freue mich, daß das -schulttieater der Länder# auf seiner Tournee durch die Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr einer bayerischen Stadt ein Gastspiel gibt. Gerne habe ich die Schirmherrschaft über diese repräsentative Veranstaltung des Schulspiels übernommen. und ich begrüße die ausgewählten Spielgruppen und die Teilnehmer der begleitenden Fachtagung sehr herzlich. Mein besonderer Gruß und Dank gilt allen für die Organisation dieser Tage Verantwortlichen, insbesondere den Vertretern der Körber-Stiftung, der Bundesarbeitsgemeinschaft für das Darstellende Spiel in der Schule und der Landesarbeitsgemeinschaft Schulspiel in Bayern. Das Schultheater in Bayern hat eine lange Tradition. Daß es nicht nur Tradition besitzt. sondern auch ein kraftvolles Leben führt. zeigt neben den verschiedenen repräsentativen Spieltagen vor allem die Vielzahl von Spielgruppen und Aufführungen an den Schulen. So gab es z.B. allein an den Oberstufen der bayerischen Gymnasien im vergangenen Schuljahr 124 Grundkurse Dramatisches Gestalten, über 200 Realschulen verfügten über aktive Theatergruppen. Wenn die Schulen in so großem Umfang von diesem Wahlfachangebot Gebrauch machen, ist dies ein Beleg für die nachhaltige Aufgeschlossenheit der Schüler und für den großen Einsatz der Lehrer. Beides erfüllt mich mit Befriedigung. Denn ich sehe beim Schultheater weniger die Selbstdarstellung einer Schule nach außen. so berechtigt dieses Motiv ist. sondern vor allem das wertvolle Instrument musischer Erziehung. Im professionellen Theater ist die Probenarbeit vorwiegend Mittel zum Zweck. Im Unterschied dazu kann beim Theaterspiel in der Schule die gelungene Aufführung zwar krönender Abschluß sein, der Hauptzweck aber liegt in der Probenarbeit selbst. Schulspiel ist ja vor allem ein pädagogisches Angebot. Es zielt ab auf das Wecken und Fördern kreativer Fähigkeiten. auf die Entwicklung der körperlichen und sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten und auf die Erziehung zur Verantwortung in der Gemeinschaft. Damit bietet es günstige Ansatzpunkte, die Persönlichkeit der jungen Menschen zu bilden. Sieht man die Hauptaufgabe des darstellenden Spiels in der Schule so. dann ergeben sich daraus Konsequenzen für die Inhalte. Wichtig ist weniger, ob das Stück bei einem Publikum ankommt. so wenig dieser Aspekt ganz entfallen kann; wesentlich ist. daß es die Spieler anspricht. daß die Spieler sich mit dem Inhalt und den Personen identifizieren oder auseinandersetzen wollen und können - mit anderen Worten. das Stück muß schülerorientiert sein. Wo aber. so scheint es, ist die Schülerorientierung durchschlagender als dort. wo die Schüler nicht eine fertige Vorlage aufgreifen und auf die Bühne bringen. sondern wo sie auch den Inhalt und die sprachliche Gestaltung selbst entwerfen? Daher verwundert es nicht. daß zeitweise der Eindruck erweckt wurde. als sei die Eigenproduktion oder das -selbstgebaute Stück" das Nonplusultra eines schülergerechten. zeitgemäßen Schultheaters. Wenn das "Schultheater der Länder- sein Tübinger Treffen im vergangenen Jahr unter diesem Rahmenthema durchführte. lag es zumindest scheinbar ganz auf dieser Linie. Freilich war das Resümee, das Reinhold Klinge in der Zeitschrift "Spiel und Theater" zog, eher skeptisch. Er meinte, das schöne Phantom. wonach junge Menschen im eigenen Spiel - möglichst ohne jede Beeinflussung Erwachsener ihre Probleme in ästhetisch gelungener Darstellung bewältigten. sei auch hier nicht zum Leben erweckt worden. Es sei wohl nie lebensfähig gewesen oder eine schöne Lüge, wenngleich von unbestrittener Zugkraft. Für d ieses Jahr haben Sie das Motto "Spiel mit dramatischen Vorlagen" gewählt. Als Antithese zum Thema des Vorjahres drängte es sich geradezu auf. Allerdings frage ich mich. ob es sich unter dem Gesichtspunkt der theatralischen Darstellung wirklich um einen Gegensatz handelt; wir sprechen ja immer von Spielgruppen und nicht von Autorenkollektiven. Liegt der Unterschied vielmehr nicht darin, ob die Schauspieler zugleich Produzenten der Spielvorlage sind oder nicht? Wenn man bedenkt. wie wenige, selbst hervorragende Schauspieler und Regisseure sich auch als Autoren betätigt oder gar einen Namen gemacht haben wie z.B. Johann Nestroy, dann braucht das erwähnte Urteil Reinhold Klinges nicht zu überraschen. Der Streit um Eigenproduktion oder Spiel nach literarischer Vorlage ist daher müßig in einem Fach, das sich "Darstellendes Spiel" nennt. Wesentlich ist vielmehr. ob Inhalt und sprachliche Gestaltung etwas taugen und ob sie der konkreten Spielgruppe entsprechen. also dem Verständnis wie dem Darstellungsvermögen adäquat sind. Diese Frage allerdings müssen sich Spielleiter wie Spielgruppe immer wieder von neuem stellen. Hier muß meines Erachtens auch die Kritik einer Schulspielaufführung ansetzen. nicht beim Vergleich mit dem professionellen Theater. Der Vorwurf. eine Schulspielaufführung sei Abklatsch des Stadttheaters. scheint mir so billig wie unbedacht. Wer Profitheater nicht für etwas per se 8 Unanständiges hält. braucht eine solche Kritik auch nicht zu fürchten. Schule heißt weithin "Lernen am Modell". Sie verhilft den Schülern dazu. möglichst gut nachzuahmen. was Erwachsene bereits können . Auch die musische Erziehung ist am Vorbild orientiert. ohne darin etwas Verwerfliches zu sehen. Kein Schulorchester wird es als abträglich empfinden. wenn ihm ein Kritiker bescheinigt. die Schüler spielten beinahe wie Profis; seine Geltung hängt auch nicht davon ab. ob es selbst kompositorische Versuche unternimmt oder tradierte Kompositionen als Material für eigene Experimente benützt. Ich möchte nicht mißverstanden werden, so als ob ich Experimente ablehnte. Aber Schultheater ist nicht'schon deshalb besser. weil es anders ist. Ich zweifle. ob die These richtig ist. Schultheater habe andere Möglichkeiten als professionelles Theater. Korrekter ist es wohl zuzugeben. daß Schultheater manche Möglichkeiten des Profitheaters nicht hat. daß es sich deshalb auf seine Möglichkeiten beschränken und diese verstärkt einsetzen muß. Ich möchte mit diesen persönlichen Anmerkungen den Diskussionen der Fachleute in diesem Kreise nicht vorgreifen. Wichtig ist nur. daß Ihre Gespräche in den nächsten Tagen neue Impulse setzen für das Schultheater in Bayern und darüber hinaus. Ihnen wünsche ich eine fruchtbare Arbeit. das Erlebnis möglichst vieler gelungener. anregender Aufführungen und insgesamt schöne Tage in dieser so gewinnenden Stadt. ELINOR LIPPERT Rede beim Empfang Nach Worten der Begrüßung und des Dankes an die Teilnehmerlnnen, die Organisatorlnnen und die Gäste aus der Politik (Staatsminister Zehetmair, Oberbürgermeister Röhnery führte die RAG-Vorsitzende aus: Wir Schultheaterleute machen Theater in der Schule und für die Schule. Es tut gut zu wissen, daß wir ganz oben in der Liste der höchsten Bildungsziele der Schulen aller Bundesländer rangieren, es tut gut zu wissen. daß das Schultheater gerne zitiert wird. wenn es darum geht. nachzuweisen. daß Phantasie und Kreativität in Denken und Handeln in der modernen Schule gefragt sind. Doch Kreativität gibt es nicht zum Nulltarif. Gefordert ist in jedem Fall Idealismus. Ohne idealistische Mehrarbeit kämen keine Schultheateraufführungen zustande. sei es als "Heimspiel" in der . eigenen Schule oder bei regionalen oder überregionalen Treffen. und erst recht bei einem solchen bundesweiten Treffen. wie wir es hier in Bamberg miterleben werden . Aber dazu brauchen wir - Schüler wie Lehrer - unseren festen Platz im Stundenplan; die Schüler brauchen den sicheren Hort der schulischen Organisation. den institutionellen Rahmen. sie brauchen das Bewußtsein. daß das Darstellende Spiel ebenso zur ästhetischen Erziehung der Jugendlichen gehört wie Musik und Kunsterziehung. Aber dazu brauchen wir Gewißheit. daß mit Lehrplan und Stundendeputat unsere "kulturelle Bildungsarbeit'' in den Schulen gleichberechtigt. d.h. kontinuierlich und konjunkturunabhängig als ein krisenfester Beitrag zum schulischen Leben beachtet und bewertet wird. unabhängig vom Festkalender der Jahreszeiten und bildungspolitischen Wechselbäder. Daß Darstellendes Spiel nicht fest in allen Stun= denplänen der Länder in allen Jahrgangsstufen verankert ist. bleibt eine bildungspolitische Panne. die höchst notwendig zu reparieren ist. Es fehlt unseren Schülerinnen und Schülern aller Schulformen und Jahrgangsstufen damit die Chance. Theaterspielen an sich selbst zu erproben und zu erfahren. Fehlt also Darstellendes Spiel im Fächerkanon der Schulen. so fehlt es erkennbar an einer stetigen Aufbauarbeit, an einer Qualitätssicherung. Es fehlt an einer pädagogischen Langzeitbetreuung durchgehend in den Sekundarstufen 1 und II gerade in einem Fach. das die Schülerorientierung zum Prinzip hat und davon lebt. Und wenn Darstellendes Spiel als Fach vorhanden ist. warum wird es dann so rasch an den Rand des Schulalltags gedrängt. sobald die Erstversorgung der harten Kernfächer ins Wanken gerät? Und warum müssen wir in Einzelgefechten erkämpfen. was für Musik. Kunsterziehung. Handarbeiten. Sport und Computerunterricht selbstverständlich einge= plant wird , den Fachraum und die finanzielle Ausstattung? Warum gibt es für Theater an der Schule kein Studienangebot. keinen Studiengang wie für Bildende Kunst und Musik? Das "Schultheater der Länder" wird auch in diesem Jahr wieder zeigen. daß Schultheater sich sehen lassen kann, daß Theaterspielen an den Schulen sich lohnt. 9 ELINOR LIPPERT Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir... Rückblick auf Bamberg Literaturtheater- anerkannt und verfemt zugleich im Schultheater. Ist es für viele -vor allem Außenstehende- die einzige Legitimation für das Theaterspielen an den Schulen. kommt es für andere -vor allem für manche Spielleiterlnnnengleich, verkopfles und einer Horrorvision verschultes Bildungstheater. M it dem diesjährigen Rahmenthema #Spiel m it dramatischen Vorlagen# hat sich die "Bundesarbeitsgemeinschaft für das Darstellende Spiel in der Schule# einen Schwerpunkt der selbstkritischen Standortbestimmung gesetzt, Das Spielen nach dramatischen Vorlagen gehört unübersehbar zum üblichen Schultheater= repertoire. das Spielen mit dramatischen Vorlagen geht dagegen weiter , Es fordert zu einem mutigen und selbstgewissen Umgang mit Textvorlagen aufentgegen der landläufigen Tradition nach einer -werktreueH-. lebendiges Schultheater also. kein Bildungsmuseum. Das Rahmenthema wirft Fragen auf. die geklärt werden müssen , Wie behauptet sich jugendliches Lebensgefühl gegenüber der Übermacht eines großen Textes? Was geht in den Herzen und Köpfen der Schülerinnen vor. wenn sie sich der großen Inhalte und Formen der Dramatiker aus Vergangenheit und Gegenwart bedienen? Führt d ie Erfahrung einer ihnen fremden Welt zu einer produktiven Auseinandersetzung mit einem Gegenbild oder nur zu einer Flucht aus dem Alltag in den schönen Schein anerkannter Kunst? Reichert das jugendliche Spielen den Text an? Wird die Vorlage zum Steinbruch für jugendlichunbekümmerte Selbstdarstellung? Entziehen sich die Jugendlichen spielerisch einer ehrlichen Wahrnehmung der kulturellen Tradition? Sind sie ü~rhaupt in der Lage. die Rollen der großen Texte glaubwürdig zu spielen? die Im Verlaufe des Auswahlverfahrens Landesarbeitsgemeinschaften der Bundesländer treffen eine Vorauswahl und melden bis zu drei Produktionen - bestätigte sich eine Vermutung, Spielen nach literarischen Vorlagen dominiert vor allem im gymnasialen Bereich. Dabei zeigte sich. daß der rasche Griff zu den sogenannten Lehrplandramen zwar häufig. aber keine Garantie dafür ist. daß die dramatische Vorlage zu einem Medium der Selbst-Darstellung Jugendlicher wird und die Arbeit zu einer eigenständigen Auseinandersetzung mit einem literarischen Werk führt. beides wichtige Kriterien. die laut Ausschreibungstext die für Bamberg gemeldeten Produktionen zumindest in deutlichen Ansätzen erfüllen sollten. x Im Programm für Bamberg standen, Shakespeare. 3 x Goethe. 2 x Brecht. jeweils l x Zuckmayer. Eich und Wilder und nur zwei Autoren aus dem Kinder- und Jugendtheaterrepertoire, Olfried Preußler und Levoy/Herfurtner. Wohl -wie ein Blick auf die Ländertreffen zeigt- nicht nur ein Zufallsergebnis. Fast scheint es, Je klassischer ein Stück. desto sicherer fühlen sich Schülerinnen und Lehrerinnen in der Anerkennung ihrer SchultheaterArbeit. Selbst wenn der professionelle Standard nicht erreicht werden kann. nützlich scheint es allemal. sich so lange und intensiv mit einem bedeutenden Autoren abgemüht zu haben. Insofern erscheint der Klassiker-Bonus die risikoärmere Voraussetzung auch für einen souveränen Umgang mit zeitlosen Fragen oder Lösungen. Die AUFFÜHRUNGEN in Bamberg zeigten. wie unbelastet und selbstgewiß. Schülerinnen die Überlast großer Texte von Shakespeare bis Zuckmayer angehen. Ob textnah gespielt oder szenisch wie inhaltlich adaptiert. erkennbar war bei allen Gruppen der Versuch. die literarische Vorlage zum Sprachrohr der eigenen JetztSituation zu machen. Die Mittel dazu waren verschieden. ob durch äußere Veränderungen (Bühnenraum. Licht. Musik) oder durch Eingriffe in die Struktur und Botschaft des Textes, allemal wollten - und müssen- die Spielerinnen die Texte zu sich herholen. PRÜFSTEIN GOETHE Goethes "DIE LAUNEN DER VERLIEBTEN". "die erste Jugendsünde des Dichters". bietet an. was die SPIELSCHAR AM HELMHOLTZ-GYMNASIUM (Essen/ Nordrhrein-Weslfalen) wollte, die Zeitlosigkeit von Themen wie Liebe und Eifersucht. "Und wenn sie nicht gestorben sind. dann lieben sie noch heute". ist mehrfach im Programmheft nachzulesen. Doch ist es nicht ein langer Weg von der Schäferei von 1767 bis zur Anmache der Unangepaßten von 1989? Wir sahen , zwei Doppelpaare, die Schäfer in feiner Gewandung. grell aufgemotzt die Punker. beide Doppelpaare in ihrem verliebten Tun kommentiert von Clowns. die sich nicht nur wie die Verliebten die Leitern hinauf und hinunter kämpften. sondern kräftig mitmischten. Das wohlvertraute Spiel von Liebe und Eifersucht. Begehren und Schmollen offenbarte in mehrfacher 10 Verschränkung von gestern und heute und in immer neuen Konstellationen, wie schwierig das doch mit der großen und kleinen Liebe ist, die Tändeleien des Schäferspiels konfrontiert mit Punker-Feeling, doch bei beiden von den Clowns ach! dieselben ironisch zur Schau gestellt Beziehungskisten. Es war ein Feuerwerk an Variationen zu einem Thema, das nicht nur junge Herzen bewegt. Und am Schluß die Botschaft von der Bühne, Die Probleme der Liebesleute sind zeitlos und nur spielerisch zu packen. Wenn das nicht dem Altmeister Goethe Vergnügen bereitet hätte! Was hat nun die Spielschar der Großstadt Essen am Text so verändert, daß sie uns erreichte mit ihrer Botschaft, nicht gänzlich neu, ober prickelnd sie so zu hören und zu sehen? "Launen der Verliebten„ - Essen Sie beherzigte die Grundregel für jedes Unternehmen dieser Art sie ging von sich aus, von den Gegebenheiten der Gruppe: „Das Drama hat vier Figuren, und unsere Spielgruppe bestand damals aus 11 Leuten.- Dies hätte schlimm ausgehen können, wenn nicht die Spielgruppe mit ihrem erfahrenen Spielleiter im Text nachgeforscht hätte, wie die gesamte Gruppe ins Spiel integriert werden kann. Sie entdecken die Kreisbewegungen im Text und wiederholenden Erweiterungen finden ihre konsequent von der Dramaturgie des Textes her. Sie entdecken in den Schäfern eine extreme gesellschaftliche Gruppe und finden sie in den Punkern von heute wieder. Dazu erfinden sie die -Gruppe der souveränen Clowns", die kritisieren und belehren, auch aus der Sicht des Zuschauers, den sie in ihrem kreativen Umgang mit der literarischen Vorlage nicht vergessen. Und sie vergessen auch die theater- und schülergerechte Umsetzung nicht- mit den Mitteln des Armen Theaters, Leiter rauf, Leiter runter! Das Auf und Ab einer Liebelei demonstriert an einem schwankenden Brett- ein glucksendes Vergnügen mit und nach Goethe! Ähnlich ehrlich der 'Versuch einer Annäherung" an Goethes -TASso- der Arbeitsgemeinschaft an der GOETHESCHULE (Kassel/Hessen), die bisher nur "Selbstgestricktes" spielte, wie im Programmheft zu lesen war. Auch hier der kecke Versuch, den eingefrorenen Klassiker aufzubrechen, das Bekenntnis zu der Aussage, die für Schülerinnen brisant ist, ein junger Mann zwischen zwei Frauen. Im Weiterspinnen des Konflikts werden es noch zwei mehr, und zwar ganz heutige, emanzipierte, so daß der Tosso-Dorsteller unübersehbar Probleme mit diesen Frauen hatte. Warum erreichte diese Love-Story ihr jugendliches Publikum in Bamberg nicht? Zuviel der Verse für ungeübte Ohren, die so nicht wahrnehmen konnten, daß "dieser Mann gute Texte schreiben "Tasse" - Kassel "Fausr - Berlin 11 "Der Widerspenstigen Zähmung" Saarlouis "Erinnerungen an Bertolt B." - Kaiserslautern konnte"? Auch wenn gekürzt wurde. den jungen Spielerinnen wurden Wortkonzenzentrate und gestanzte Wahrheiten abverlangt. zudem in einem Werk. das nicht nur den jungen Mann zwischen zwei Frauen meint. sondern in dem es auch wesentlich um das Verhältnis des Dichters zu den Mächtigen geht. Tasso textgetreu auf der Schulbühne. diese sichtbare Anstrengung, Goethe anläßlich eines Schuljubiläums Achtung zu zollen. zeigte uns ZuschauerlNNEn immerhin. daß sein Klassiker-Nachlaß immer noch von jungen Menschen so wichtig genommen wird. daß sie mit der ganzen Kraft ihres sich Einfühlungsvermögens dafür stark machen. "FAUST I" von der Theater-AG der JOHN-F.-KENNEDY-SCHULE (Berlin) : Es war nach eigenem Bekunden für die Gruppe "eine große Herausforderung. den "Faust" spielbar zu machen. daß die Aufführung zu einem Erlebnis für Spieler und Zuschauer wird". Sie versuchte dies vor allem mit viel Theatermaschinerie zu erreichen. möglichst so. wie dies der Direktor im ·vorspiel auf dem Theater" verlangt. Damit war die Gruppe trotz einer geschickten Textkürzung, die philosophische Durststrecken vermied, schnell bei e inem Remake der Inszenierung einer Stadttheateraufführung. Soviel Klassiker-Treue -und das aus der Weltstadt Berlin- verblüffte , Theaterspielen als kunstbeflissener Nachvollzug des kulturell Ererbten? Zumindest für die Spielleiterinnen im Publikum wurde das Spiel der jungen Menschen auf der Bühne vom Grauschimmel der Bildungsaura überlagert. auch wenn die Inszenierung in einigen Szenen durchaus andere Momente hafte: so in der Kerker-Szene. in der Bühnenbild und Spiel Angst und Bedrückung vermitteln konnten. Prüfstein Goethe? Der souveräne Umgang mit dem Text bei genauer Wahrnehmung der Textvorgaben machf's möglich. Goethe mit den Augen Jugendlicher zu sehen. Dies gelingt sicher leichter bei einem weniger gewichtigen Text, bei dem die Vorstellung von diesem Werk nicht überlebensgroß die eigenen Erfahrungen und Wünsche zudeckt. UND SHAKESPEARE? Warum mögen d ie Schülerinnen ihn so gerne nachspielen? Weil er so lustig oder so tiefsinnig ist. so modern. so absurd. so schwer? Oder nur, weil er schon so lange tot ist. und man mit ihm machen kann. was man will? Die Theater-AG des ROBERT-SCHUMANNGYMNASIUMS (Saarlouis/Saarland) suchte mit der Komödie "DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG" die "echte Herausforderung", sie wollte komödiantisches Theater. In einem modernen Rahmen wurden die im Stück schon angelegten vertauschten Rollen noch einmal durchgetauscht. Männer wurden zu Mädchen und umgekehrt. was 12 die Spiellaune auf der Bühne zusehends steigerte. Die munteren Mädchen. lustvoll als elisabethanische Männer verkleidet. hatten selbst da keine Probleme. wo am Schluß die gezähmte Katharina (von einem Mädchen gespielt) von ihrem Petrucchio (auch von einem Mädchen gespielt) zu einer männerhörigen dienenden Rolle verdonnert wird. Dieses vom heutigen Standpunkt aus problematische Ende des Stücks blieb -wohl durch das Rollentausch-Verwirrspiel erst möglichein Baustein der Spielebene. der als solcher in ungehemmter Spiellust akzeptiert wurde. Ich hätte mir eine Bearbeitung gewünscht. die den Text mehr zu den Schülerinnen hingezogen hätte. eine Reduktion auf Schülermaß. ohne Shakespeare zu vergessen. PROVOKATION BRECHT? Was passiert mit den modernen "Klassikern"? "Neinsager" - Augsburg ERINNERUNGEN AN BERTHOLD B. Anläßlich des 90. Geburtstages wollte die Theater-AG der INTEGRIERTEN GESAMTSCHULE KAISERSLAUTERN (Rheinland-Pfalz) ihre Sicht auf Brecht vermitteln. v.a. auf eine Seite. die weniger bekannt ist, "B.B. und die Liebe", "die erotische. die käufliche. die berechnende. die zarte Menschenliebe. das Mitleid ... Darauf kann man sich einigen". so wird die Annäherung an Brecht im Programmheft beschrieben. Ein ehrlicher Ansatz. der sich in der theatralen Umsetzung allerdings nicht deutlich genug dem Publikum vermitteln konnte. Aber es gab einige musikalische Glanznummern. gekonnt vorgetragen. auch wenn es die bekannten Brechtnummern waren. Auch die Schülerinnen des Grundkurses Dramatisches Gestalten (MARIA-WARDGYMNASIUM/ GYMNASIUM BEI ST. STEPHAN aus Augsburg/ Bayern)erfüllten mit der Schuloper von Bert Brecht "DER NEINSAGER" eine Auftragsarbeit. Das Augsburger Stadttheater wollte für . die Brechtwoche ein Brechtprojel<t mit den Augsburger Schulen machen. gedacht als Hommage an Brechts Lehrstücke, "DER JASAGER". Die Schülerinnen selbst wünschten sich als notwendige Ergänzung des Projekts den "Neinsager''. Doch bei der Arbeit entwickelte sich auch zu diesem Neinsager-Optimismus eine kritische Distanz. was -und das für für uns Zuschauer entscheidend- mitinszeniert wurde. So wurde der Chor eben mehr als nur der Kommentator Brechts. er agierte nach heutigem Verständnis. Oder, die Muter und der Knabe wurden unter dem verstaubten Versteck zur der reinen Lehre Brechts Demonstration hervorgeholt. wohin sie auch wieder verschwanden. Der didaktische Zeigerfinger wurde als überdimensionales Comic-Strip-Objekt augenzwinkernd ins Bild geschoben und warnte "Rattenfänger· - Hamburg 13 so davor. dem Lehrmeister Brecht alles zu glauben. Am Text änderte die Gruppe nichts.. aber durch ihre Eingriffe in die Art der Präsentation. in die szenische Gestaltung und vor allem auch durch die neue Art von musikalischem Kommentar wurde daraus eine Schuloper für Schülerinnen. die sich mit Brecht lebendig auseinandergesetzt hallen und ihn an den Ort gestellt hallen. der ihm -von ihrem Standpunkt aus- heute zukommt. Wir Zuschauerinnen erlebten ein kulinarisches Schau-Stück zur reinen Lehre. ein Nein-Sagen zum unreflektierten Ja-Sagen zum All-Meister Brecht. ÜBER LEBENS-THEATER oder, Mil Texten von gestern wider die Blinden und Tauben von heule "W ir sind noch einmal davongekommen" Bremen Natürlich standen auch die Texte selbst zur Disposition. Spiellust und Aktualisierungsdrang gingen über gängige Streichungen und Umstellungen hinaus, die Struktur der Texte wurde aufgebrochen. in ihre Bauelemente zerlegt und wieder neu kombiniert. Respektlose Textzertrümmerung oder doch ein konstruktiver Vorgang? Der Kurs Darstellendes Spiel des Gymnasiums CHRISTIANEUM (Hamburg) entdeckten für ihren Bedarf Carl Zuckmayers "RATTENFÄNGER". Sie bauten daraus ein Müllkippen-Musical und faszinierten mit ihrem augenfälligen Bühnenbild und ihren Show- "Die Mädchen aus Viterbo" - Sulz Nummern. Die da oben -über dem Müllberg thronend- wurden im Spiel als flotte ManagerKarikaturen gebrandmarkt. die da unten im Müllberg als malerische Opfer dagegengestellt. Dazwischen die Hoffnungsträger. die jungen. Es ging der unschuldigen Liebenden. energiegeladenen Truppe auch um ihre Botschaft. und sie haben enttäuscht registriert. daß vor allem das jüngere Publikum nur konsumieren wollte. Sie wußten. was sie sagen wollten. und taten dies mehrfach mit allen Mitteln. je greller desto besser. Der Text also ein Steinbruch. freigegeben zur Selbstbedienung durch Jugendliche? Warum auch nicht Zuckmayers "Rattenfänger'' verlangt ohnehin heule nach einer Bearbeitung. Die Hamburger hallen die "moralische und soziale Thematik" des Stückes auf sich und die ungelösten Abfallprobleme bezogen und ihre Ungeduld und Anklage eben in ein Musical frei nach Carl Zuckmayer gepackt. Gleich im Anliegen -die Menschen sind taub und blindversuchte die Theater-AG des SCHULZENTRUMS AN DER BÖRDESTRAßE (Bremen) mit Thornton Wilders "WIR SIND NOCH EINMAL DAVONGEKOMMEN" eine "zeitgemäßere Interpretation" des "heule kaum noch nachvollziehbaren" optimistischen Glaubens an 14 die "vitalen Kräfte der Menschheit" (Programmheft). Durch die bewährten Mittel der Parodie und Verfremdung sollten wir Zuschauerinnen erfahren. was damals 1942 wie heute gilt, Die Menschen lernen nichts aus Katastrophen. Doch es gibt wohl Stücke. die so haarscharf ihre Zeitsituation widerspiegeln. daß sie später nicht mehr sind als ein historisches Zitat. Das Stück hat es schwer. uns heute zu erreichen. Tief eingetaucht in scheinbar Vergangenes und Immer Existentielles ist die Theater-AG des ALBECKGYMNASIUMS (Sulz/ Baden-Württemberg) mit ihrer Montage zu Günter Eichs Hörspiel "DIE MÄDCHEN AUS VITERBO". Die Arbeit an existentiellen Themen wie Liebe. Angst. Schuld und Tod und an dem Thema der Auseinandersetzung mit der Zeit des Zweiten Weltkrieges führte zu unterschiedlichen Spielformen und zur Erweiterung der Spielvorlage durch eigene und fremde (Beckett, ENDSPIEL) Texte. Was uns Zuschauerinnen beeindruckte. war die utopische Kraft der Forderung nach einer besseren Zukunft. mit der die Darstellerlnnen in den realistischen Kurzszenen aufbegehrten. Die Angst. diese Zukunft nicht haben zu können. war ehrlich und ohne -großes Theater" überzeugend. Weniger allerdings funktionierte die Angst. die sich dem Publikum mit rüde auftretenden. verkleideten NS-Schergen als Gefühl des Bedrohtseins vermitteln sollte. Dies war unnötig. ich hätte mich als Zuschauerin lieber selbst entscheiden dürfen. wie mich das Spiel der jungen. engagierten Darstellerlnnen betroffen gemacht hat. UND DIE ANGEBOTE JUGENDTHEATERS? DES KINDER- UND Sind die Texte des Kinder- und Jugendtheaters nicht die geeigneten Texte. passend für den Gebrauch einer jugendlichen Theatergruppe? Die Arbeitsgemeinschaft der HAUPT- UND REALSCHULE AUGUSTFEHN (Niedersachsen) wollte mit Offried Preußlers Märchenspiel "DER GOLDENE BRUNNEN" die zeitnahe Geschichte vom versiegeMen Wasser für jüngere Schüler erzählen. In Bamberg waren für diese Zielgruppe die ersten Reihen reserviert. Die Kinder ließen sich gerne hineinnehmen in das reich ausstaffierte Zauberreich. die älteren Schülerinnen aus den anderen Theatergruppen. die im Pubblikum saßen. konnten damit nicht viel anfangen. sie fühlten sich nicht in ihre Kindertage zurückversetzt. Vielleicht war auch die Anstrengung der drei TeilAGs (Darstellendes Spiel - Bühnenbild/Kostüm/ Maske Bühnentechnik/Beleuchtung/Ton) zu wenig manövrierbar geworden. Trotzdem ein beachtenswertes Unternehmen, Ältere -Der goldene Brunnen· - Augustfehn 15 Schülerinnen produzieren für jüngere Märchenwelt, die sie erreichen soll. eine Betroffenheit bis zur atemlosen Beklemmung erreichten die Darstellerinnen von Herfurtner/Levoys "GEHEIME FREUNDE" der Theater-AG am GYMNASIUM KRONWERK (Rendsburg/ SchleswigHolstein) mit ihrem ehrlichen Spiel. Wir konnten ihnen glauben. was sie sagten. weil die Sätze des Autors zu ihren eigenen geworden waren. Dabei war es nicht der missionarische Eifer. dem Publikum ein Stück Vergangenheitsbewältigung zu präsentieren - nach eigenen Aussagen stand für sie die Jugendproblematik im Mittelpunkt ihrer Arbeit. In ihrem Spiel auf der Bühne handelten sie so. daß durch die Textvorlage hindurch ein Stück Jugend '89 sichtbar und spürbar wurde. Wir konnten sehen. wo sich die Ängste und Hoffnungen verborgen halten. Mil dem Text über den Text hinaus ... DU GLEICHST DEM GEIST. DEN DU BEGREIFST, NICHT MIR! So schmettert der Geist in Fausts Studierstube das Ansinnen Fausts ab. mehr zu wollen. als er ist. Wir Schultheaterleute lesen für unseren Bedarf heraus, Uns möge genügen. was wir darzustellen vermögen. was unserem "Geist" gleicht, nicht mehr. aber auch nicht weniger. Ob textnah oder texlfern- das Spielen mit dramatischen Vorlagen kann nur überzeugen. wenn es sich dem Lebensumfeld der Schülerinnen annähert. Der Text bleibt letztlich Medium für das wache und unverstellte Verlangen nach Ich- und Fremderfahrung Heranwachsender. Gerade für das Schultheater gilt, Der Text ist als Partitur anzusehen. allerdings auf Schülermaß zurecht gemacht und für Schülerbedarf gestaltet. "Geheime Freunde" - Rendsburg i\UCh hintet den \(u\issen wurde \lie\ eneic\it ' '.~·'~'"'w"'"''"'".~'..'" ~!. ~.·~„~:. ,~"'" ~ '°"\'" >•"• "°' ~ ~ J h n t n 1 : 1 b a s c h • n t : r \ f : ... -•··•'· '" '"" 'rn '""""' """'""''°"'"b"m' s'h'"''"'" m\l <I"''""'" """" -'''''"'""''" e"m'" w, .tt '" '" B•rnb«<i""'" -'"' •""' '°""'"""'"' ''" •'"'rn "''' ,. '"' •:.';,;\;;; 1 '"""" '".•. „,"'' b.O""" "' '""""""''·'" ••""''" .„ i„ ;„;„\·;,;;:,,„,;""'""'' ;„ ß> rn """.u'""" '"" \'"" '" ' '" """ '""' '"' '°"' ""' ""'' "',. ""' ,.„ 1 odn '"" ""';rn'"R» O« h . lh L'"""' " '-"'' • . ' ' " - ..rn. o; ;rnh"'" ,•> ,;,. \on.;,; ". "\\« rn•" '">oh• 1'''" H"" "'" <' '" "'" '-''"' '" Boll "''it."'"' """ ""·" "'""'.' .';,1lO,\ •" rn•"""' "' "'"""' ""'•;o '" ''""'" '" '-"'""''" ' '""'· ,,,,m otdr '"" :br p OS i5 §flif d'" ••• '·• ", '" '"'''' ,. " '".. ,. 6 Tolle „Theater-total-Tage" erlebt \"i ele „Sc hulthea ter"-Gäste wollen wieder nach Bamberi; komm en ..Super•. ..Klasse", „Großartig", das ist J: u"z~efaßt die Meinung der Beteiligten für die 5. Schulth catt·rtagc der Länder, die am Sonnu~ abcn d mit einem !,'TOßen Fc:st i m alten E-Werk zu Ende gin· bastelt Christian Albert. em ~1 itar beite:- der \'olkshochgchule. an ei nem \·1a~orecorcier he rum. Di Theatergruppe der Re2lsch"1• Augustfehn in Niedersachsen hat s:ch :,r~=i~,~-:.~s:~ -~e:i~~~\~.:~ ~.~1,~ ~~ 19 5. Schultheater der Länder ,__________ Werkstätten Bamberg '89 - - 20 Werkstatt t Körperbetontes Spiel mit dramatischen Vorlagen , Bewegung soll Ausgangspunkt und Mittel der Darstellung sein. In dieser Werkstatt geht es darum. die eigene Bewegungsfähigkeit zu erfahren und das individuelle Bewegungsmaterial zu erweitern. Übungen aus verschiedenen Bereichen der Bewegung und des Tanzes werden die Grundlage der Arbeit bilden. Bewegungstechniken sollen erfahren. probiert. erlernt und in Improvisationen angewandt werden und neue Möglichkeiten für szenisches Gestalten schaffen. Der Weg führt dabei. von alltäglichen Bewegungssequenzen ausgehend. über Stilisierung und Rhythmisierung zur choreographierten Szene. Geräusch und Musik. Wort und Text werden Stimulans und Mittel und/oder Inhalt der Arbeit sein. um innere Vorgänge durch äußere Bewegung zu visualisieren. Ulrike Stolle, Berlin Werkstatt 2 Theterarbeit mit literarischen Texten , Ein klassischer. stürmisch-drängender Text liegt vor. Titel, "Die Räuber". Autor: Friedrich Schiller. Zeit, damals. aber es wird heute gespielt. Auf dem Hintergrund von Informationen über das Stück selbst. über den Autor und über die eigene Situation der WorkshopTeilnehmerlnnen zeigt sich das. was an diesem Text heute interessiert. Wir lesen eine Szene. 1.Akt. 2.Szene. Schänke an der Grenze zu Sachsen. Karl von Moor und Spiegelberg. Zwei Räuber? Wir dürfen ungeschickt sein, heftig sein. Den Text herausschreien. Im Chor. Durcheinander. lustvoll. Expressiv. Die Rollen (ver-)tauschen. Spielversuche schließen sich an. Szenen und Textstellen. die wir zunächst nicht verstehen oder szenisch nicht umsetzen können. lassen wir weg . Eine Collage entseht. "Unser" Zugang zu dem Text steht im Vordergrund . Ja. tatsächlich auch das ist erlaubt. Herbert Enge. Hamburg Werkstatt 3 Es wird an bzw. mit Texten der Aufführungen der Teilnehmerinnen gearbeitet. An bestimmten Szenen soll Neues ausprobiert. weitere Möglichkeiten des Andersseins getestet werden . Alternativen und andere Lesarten zu einer Szene können eine Bereicherung für das Vorhandene sein. Es geht auf keinen Fall um eine Veränderung der Schulinszenierung. Auszuprobieren wäre zum Beispiel. genau am Gegenteil einer Szene zu arbeiten. d .h.. relativ statische Szenen anhand von 21 Tierimprovisationen oder Isolierung bestimmter Körperbewegungen nach vorhandenen körperlichen Impulsen durchzuforsten. Und umgekehrt Szenen mit großen. äußerlichen Mitteln auf ihre emotionalen Vorgänge und Wahrhaftigkeit hin "abzuklopfen". Peter Rein, Wien Werkstatt 4 Zur Bearbeitung kommen soll der Text einer Kurzgeschichte von Ingeborg Bachmann "Alles". Im "Gegensatz" zum primär an der Sprache orientierten klassischen Theater versuche ich die vielfältigen Ausdrucksund Gestaltungs= möglichkeiten des Körpers in Haltung und Bewegung zur Herstellung bzw. zum Träger einer Geschichte werden zu lassen. Dies setzt voraus. daß eine Sensibilisierung der Teilnehmerinnen für das weite Feld der Körpersprache vermittelt wird . Körpersprache ist dabei nach zwei verschiedenen Aspekten zu unterscheiden, zum einen nach ihrem aktuellen Zeichengehalt (oder auch nach dem Symbolsprachengehalt). zum anderen in ihrer biographischen Bedingtheit. In der Werkstatt soll aufgrund der Sensibilisierung für die skizzierten Grundlagen der Arbeitsschritt folgen. eigenes Erleben in eine "andere" Geschichte einzufügen. sich in einer anderen Geschichte wiederzufinden und sie dadurch zu beleben. Dieses Material wiederum muß in einem weiteren Schritt zu Bildern und Handlungsextrakten verdichtet werden. so daß eine dem Zuschauer zugängliche dramatische Form entsteht. Wolfgang Gufler. München Werkstatt 5 Im Mittelpunkt wird die Erarbeitung eines Szenenausschnitts aus "Die Macht der Gewohnheit" von Thomas Bernhard stehen (in , Die Salzburger Stücke, Suhrkamp 257). Über den vorbereitenden Weg der Lockerungs- und Entspannungsübungen eine (Strasberg-Methode) soll zunächst gemeinsame Einstimmung auf die Arbeit gefunden werden. In der Auseinandersetzung mit dem Text wird es darum gehen, die Textinformation zu erarbeiten. um dann mit Hilfe von Improvisationen an die gezieltere Umsetzung der Spielsituationen heranzukommen. die Grundstimmungen der einzelnen Figuren in sich selber und die Beziehung untereinander spielerisch zu erfahren. Die Arbeit soll den Teilnehmern die Möglichkeit geben. Einblicke zu erhalten in eine spezielle Form der professionellen Erarbeitung einer literarischen Szene. in deren Mittelpunkt immer die Persönlichkeit des Spielers steht. Von seinen 22 individuellen Fähigkeiten soll ausgegangen werden, nicht von einer konzeptionell vorbestimmten Idee. (Textkenntnis ist dringend erwünscht) Alter der Teilnehmer, ab 17 Jahre Victor Oller, Barcelona Werkstatt 6 Aus einer literarischen Vorlage werden bestimmte Szenen ausgewählt, woraus sich je nach Motiv und Handlung verschiedene Sprach- und Bewegungsformen ausarbeiten lassen. Da diese Formen die Realität nicht imitieren sollen, werden die Bewegungen von der Realität losgerissen, so daß eine abstrakte Form übrig bleibt. Unser Körper und unsere Stimme sind Instrumente. um das zu äußern. was uns beschäftigt. Um sich darauf einlassen zu können, werden Stimm- und Atemübungen durchgeführt. Dann folgt ein spielerischer Einstieg in die BewegungstheaterTechnik. Durch weitere Elemente wie Rhythmus. Spannung und Entspannung, Einbeziehung der räumlichen Umgebung und der Beziehungen zwischen den Personen wird eine bestimmte Körper- und Stimmbeherrschung erzielt, die Gefühle und Gedanken einer Szene sprechen lassen. Altersgruppe: ab 16 Jahre Sacha Anema, München Werkstatt 7 Einführung in Rollen und Szenen.erprobt am Beispiel von Frank Wedekinds #Frühlings Erwachen-. Je besser es dem Spieler bzw. der Spielerin gelingt, sich in eine Rolle einzufühlen, und das heißt immer auch, einen Zusammenhang der Rolle und den eigenen zwischen Wahrnehmungs-. Denk- und Empfindungsweisen auf der einen Seite und den eigenen sprachlichen und körperlichen Verhaltensmöglichkeiten herzustellen, um so dichter und realistischer wird die Darstellung auf der Bühne. Gerade beim Schultheater muß es darum gehen, das Verhaltensrepertoire aller Spielerinnen wachzurufen und so ins Spiel einzubeziehen, daß die Darstellung glaubwürdig wird. Im Workshop die Teilnehmerinnen Verfahren sollen kennenlernen und erproben, mit denen sie s!ch schrittweise einen Zugang zur inneren und äußeren Haltung einer Rollenfigur und zu einzelnen Szenen erarbeiten können. Mit Wedekinds #Frühlings Erwachen- wurde dabei ein Stück ausgewählt, das sich in kurzen Szenen in das Leben von Jugendlichen um 1890 einblendet und 23 deren Probleme und Wünsche mit den Gleichaltrigen. Eltern und Lehrern zeigt. Im Workshop soll es auch darum gehen. sich über Körperarbeit. Rollenbiographie. Rollengespräche und szenische Improvisationen die historisch andersartigen Haltungen und Situationen dieser Jugendlichen und Erwachsenen zu erarbeiten. Ingo Scheller. Universität Oldenburg Werkstatt 8 Eine oder mehrere Kleinstszenen werden zum Experimentierfeld für die Spielbarkeit einer dramatischen Vorlage. Was gibt der dramatische Text her. wenn wir ihn nicht nur sprechen. sondern auch visualisieren wollen? Um diese Frage dreht sich die Werkstattarbeit. Aber nicht Grundlagentheorie. sondern Handwerkliches. das Machen. die genaue Arbeit am Detail sollen im Vordergrund stehen. Der Workshop richtet sich vor allem an Spielerinnen und Spielleiterlnnen. die sich für Bewegungs- und Körpertheater interessieren. Lust auf etwas Akrobatik verspüren. keine Angst vor Boden- und Körperkontakt haben und nach Möglichkeit Spielerfahrung mitbringen. Henning Hörmann. Ebersberg Werkstatt 9 Vom Text zum Spiel und weiter... : Wie lassen sich Spielmöglichkeiten für literarische Vorlagen finden. die sich zunächst einem spielerischen Umgang zu entziehen scheinen und daher allzuhäufig "vom Blatt gespielt'' werden? Die Erarbeitung des Textverstäntnisses.der Aussageabsicht der Gruppe und der Gestaltung sind sich gegenseitig beeinflussende und im Idealfall beförderte Teilprozesse der Arbeit mit der dramatischen Vorlage.Die dramatische Vorlage wird szenisch erkundet.die spielerische Auseinandersetzung mit Haltungen und Erfahrungen führt zur Suche nach Gestaltungsmöglichkeiten. Je nach Zusammensetzung der Gruppe werden eine oder mehrere überschaubare Einzelszenen unter Einbeziehung von Raum. einfachen Requisiten und musikalischen Elementen bis zur Gestaltung erarbeitet. Ausgangspunkt einer jeden Arbeit sind Warm-ups. Interaktion und Körpertraining. Altersgruppe: ab 14 Jahre Reinhold Schira Werkstatt 10 Pantomime ist mehr als das Umgehen mit Bewegungstechniken. In ihrer Form als Körpertheater erweitert sie das Bewußtsein über die vorhandene Sensibilität hinaus. Bewegung und Musik werden uns helfen. die Musik im Körper zu finden, Ich betrachte den Körper als ein Musikinstrument. dessen Eigenarten und Gesetze man kennen sollte. um damit zu spielen und zu improvisieren. Um dies zu erreichen. versuchen wir Übungen aus Pantomime und Mime. aus asiatischem und afrikanischem Tanz. T'ai Chi und aus Grundlagen der Akrobatik. Wir werden an einem dramatischen Text arbeiten. Ingrid Irrlicht. München Werkstatt 11 Nach einer kurzen -auch theaterhistorischenEinführung über Bedeutung und Funktion des Theaters werden wir mit Körperarbeit und noch Impulsarbeit) (Körperausdruck. wortlosen Übungen zur Stimme uns auf unser Hauptthema vorbereiten, Die Umsetzung eines Monologes (Arie! in Shakespeares "Sturm") mit Stimme und Bewegung der gesamten Gruppe. Hariet Wolf. Athanor Theater München (Leitung David Esrig) Werkstatt 12 Behauptung, Eine literarische Vorlage bzw. ein Text kann nicht wertneutral gelesen werden; jedes Lesen ist perspektivisch und interpretiert somit. Wir werden einen kurzen Ausschnitt aus Brechts Stück,"Die heilige Johanna der Schlachthöfe" auf seine "Lesbarkeiten" überprüfen und versuchen. gefundene Variationen zu erspielen. wobei das Augenmerk auf zwei Gesichtspunkte konzentriert wird: Umsetzen einer eindeutigen bzw. klar erkennbaren Emotion und der Vollzug des Wechsels in eine andere emotionale "Farbe". Klare Organisation des Spieles. Durchstrukturierung einer Szene hinsichtlich verschiedener Ausdrucksebenen des Schauspielers. Vorbereitung über Warmup einzeln und interagierend. Klaus Wildermuth. Augsburg und Linz 25 5. Schultheater der Länder Fachtagung Spiel mit dramatischen Vorlagen T~,~~~IYV.• :s \/vt'fO.~d.fAl\ . dv.~ t2 G~1~JJ . kl· ili+ \°'~• ~~~~ \!\!. fistl.Atk44(f Bamberg und Bremen '89 26 GERHARD LIPPERT Einführung in die Fachtagung Belasten soll uns nicht in erster Linie die alte Frontstellung: "hier Eigenproduktion dort Literaturtheater" mit den abgeschliffenen Anmutungen, Nur in selbstgebauten Stücken könnten sich Interessen und Lebenswelt der Jugendlichen artikulieren_ Dramen würden fernab vom Alltag und der Wahrnehmung der Spielgruppe nicht nachvollziehbare Probleme. Handlungen und Figuren vom Einzelnen abforden_ Selbstgebaute Stücke sind das ideale Gefäß. in das persönliche Erfahrung und persönliche Selbstkonzepte einfließen können. Jugendliche erfahren sich, eingelassen in ihrer Innerlichkeit, in ihrer persönlichen Erfahrung von Alltag und Umwelt; Orientierungswerte für Thematik und Gestaltung sind dann, Selbstfindung, Identität, Entfalten der Person. lebensweltlicher Bezug auf die eigene Person. Dieser Ansatz läßt nur zu. was mich erreicht, berührt und weiterbringt: Schule, Beschäftigtsein, Partnerschaft, aber auch Umweltprobleme und politische Tagesthemen haben ihren zugewiesenen Stellenwert. Literarische Spielvorlagen können kräftige Anstöße geben, sich über das eigene Ich hinauszuheben, sich in andere Figuren und ihre Umwelt, ihre Probleme und Lösungsversuche hineinzubegeben. sie nachzuvollziehen versuchen. Das geht dann hinein in ein intensives Anverwandeln, in eine Art selbstloser Fremderfahrung. Muß das am Ende das eigene Ich draußen vor lassen? Kann es nicht auf diesem Umweg wieder zu einer - allerdings distanzierten - neuen Selbsterfahrung hinführen, angereichert eben durch ein behutsames Sicheinlassen auf das andere. das manches in der eigenen Lebensumwelt relativieren oder problematisieren mag? Dramatische Vorlagen lösen Empathie wie Rückkoppelung auf das eigene Ich aus und da ist dann der dramaturgischen Texteinrichtung Tür und Tor geöffnet. Allbekannte "Lehrplandramen" und "Klassiker" -wie z.B. Moliere, Shakespeare, Brecht- lassen Spielleiter vor allem dann vorsichtig werden, wenn Spielgruppen recht dezidiert nach dem großen Vorwurf rufen, nach "FAUST" z.B. Doch man sollte nicht verkennen. daß -anders als für den Lehreralle dramatischen Vorlagen für die Jugendlichen neu sind, d.h. nicht in vielen Aufführungen und Interpretationen vorgeformt und abgegriffen. Spielgruppen können daher durchaus mit Neugier und frischen Gestaltungsideen an "Klassiker" herangehen - und das sollte ein Spielleiter auch nutzen, um dem falschen Anspruch eines "Bildungstheaters" zu begegnen. Skepsis und Warnung vor großen Klassikerder drohenden Aufführungen sind aus Überfrachtung der Spielgruppe mit großartigfremden Schicksalen und nobler Sprache zu begründen. Schüler wollen häufig Literatur. und die -leider!- in voller Länge. Im Schultheater aber ist eher eine einschneidende Kürzung und Bearbeitung angesagt, damit die szenische Realisation der Spielgruppe gelingt_ Dann können sich produktive Widersprüche zum vorgegebenen dramatischen Text ergeben, es kann sich eine eigenständige Einrichtung der Spielvorlage ergeben. Dann wird man nicht in "Ersatzspielen". "Ersatzgefühlen"(Erken) steckenbleiben, weil der Text zu groß und zu fremd für die Schulspielgruppe blieb. . Wie kann diese Arbeit gerade bei älteren Dramen aussehen? Ältere Dramen brauchen zu ihrer szenischen Vergegenwärtigung Geschichte als denn Figuren, Handlungen, Bezugsinstanz, Probleme und Lösungen sind in den Kontext ihrer Zeit eingebunden, mentalitäts- und sozial= geschichtlich. Dann kann die Differenzerfahrung zu heute in der persönlichen und gruppenspezifischen Aneignung und Anverwandlung des Dramas spielbestimmend werden. Da erarbeiten sich die Spieler einen Zugang zum schwierigen Text stellen sich den Verständnisproblemen. achten darauf. nicht hineinzufliehen in das "Seelenmuseum" einer fernen unbekannten Zeit. Aber kann ich auf der anderen Seite in der Bearbeitung soweit gehen. daß die Zuschauer die "Klassiker" nicht mehr wiedererkennen? Wozu dann noch die gewählte literarische Vorlage? Gewarnt werden muß vor einer "Literatur-Zerstörung", die darin besteht. die Vorlage für aktuelle Auseinandersetzungen zu funktionalisieren, für eigene Ansichten bruckstückhaft Zitate aus der dramatischen Vorlage zu verwenden. Es geht nicht um die moralische Frage der Achtung vor Autor und Werk. sondern um die Balance zwischen Substanzerhaltung des Stückes und notwendiger moderner Aspekterkennung durch die Spielgruppe. 27 GÜNTHER ERKEN Problemaufriß, Meinungen Referat zur Fachtagung in Bamberg Über zwei Dinge ist man sich einig im Schultheater, es solle keine Kopie des professionellen Theaters sein, und es solle mit dem Leben der Jugendlichen zu tun haben. Leider werden diese Maximen manchmal einander gleichgesetzt oder ungenau m iteinander verbunden, etwa so, das Schultheater solle mit dem Berufstheater nichts zu tun haben und könne deshalb nur eine Kopie des Lebens der Jugendlichen sein. Sehen wir uns nur die erste Meinung genauer an; was ist damit gemeint? Das Schultheater soll nicht in einem Dressurakt die ganzen Voraussetzungen des professionellen Theaters kurzschlüssig überspringen wollen, um dessen Stil zu imitieren. Warum aber sollte es sich nicht an Methoden des Profitheaters anlehnen? (Es ist ein Dilemma, daß Methoden so schnell zum Stil verkommen.) Im Grundsätzlichen könnte das professionelle Theater dem Schultheater durchaus Orientierungshilfe sein. Seine Erfahrungen von "gutem" Theater. seine Vorstellungen von Qualität und künstlerischem Standard bezieht es doch, zugegeben oder nicht, vom Berufstheater, und seine Methoden im Umgang mit literarischen Vorlagen sind denen der Profis analog. Orientieren sich nicht sogar Eigenproduktionen -zumindest in ihrer Vision vom Produkt- daran? Dennoch gibt es Unterschiede, sind Einschränkungen zu machen, im Profitheater ist das Produkt, die Inszenierung, das Wichtigste, nicht die Probenlust und -freude; die Wirkung in die Öffentlichkeit, nicht der innerbetriebliche Nutzen. Als Staatstheater-Dramaturg. der das Schultheater kaum kennt kann ich dessen pädagogische Ausgangspunkte und Ziele nur schlagwortartig mitbedenken. Ich versuche mir vorzustellen. was es heißt, von den Bedürfnissen der Schüler auszugehen, in den Spielmöglichkeiten auf jugendspezifische Ausdrucksmittel zu achten, folgende Lernziele vor Augen zu haben, Selbstfindung, soziales Lernen, Einüben von sozialem verhallen. Förderung der Kreativität, Förderung der ästhetischen Wahrnehmungsfähigkeit. Letzteres liegt mir noch am nächsten, weil ich gerne an den Zuschauer von morgen denke. Ein entscheidender Unterschied besteht auch im Bereich des Tagungsthemas , Im Schultheater hat der Stücktext, hat man sich einmal zu einer dramatischen Vorlage entschlossen, einen viel größeren Stellenwert. Er dominiert, weil ihm nur ein schwacher Umsetzungs-Apparat und unperfekte Spielmittel gegenüberstehen, während im Berufstheater die Institution das Stück dominiert weil dieses im kontinuierlichen Spielbetrieb nur während einer kürzeren Probenzeit (vor allem in der Anfangsphase) im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht - dann gilt die Fürsorge der Inszenierung- . weil es nur ein Stück unter vielen im Repertoire ist und weil es nur wenige Anwälte hat gegenüber der übermacht eines riesigen Apparats und seiner Sachwalter, die durch die weitgehende Arbeitsteilung keinerlei Kontakt mehr zum Stück haben. Um das Thema "Spiel mit dramatischen Vorlagen" angemessen in den Blick zu bekommen, gilt es aber auch von Defiziten des Schultheaters zu sprechen. wie sie sich aus der Sicht von Professionellen darstellen. Wulf Schlünzen hat in der Dokumentation Ihrer vorjährigen Tagung selbstironisch dargestellt, was den Spielleiter an den Schülern "störi-. Ich bitte ihn um Entschuldigung, daß ich den dialektischen Charme seines Kurzessays auflöse und die Hauptsache vergröbert und grobianisch referiere, Die Themen der Schüler sind zu allgemein und zu sehr auf die gerade aktuelle Medieninformation bezogen, ihre Musik-Vorlieben entstammen dem schlimmsten Konsumterror. sie haben keine eigene Sprache, sondern nur ihren Reduktionsjargon, sie können nicht sprechen (aber turnen), ihre Individualität ist der darstellerischen Verwandlung nicht zugänglich, wirkt auf der Bühne zu privat, deshalb ist es am besten, ihre Gesichter mit Masken zu verdecken, sie in Tücher einzuhüllen und in Gruppenformen einzuebnen. Weitere Aussagen dazu, die man ähnlich oft findet, Schüler können nicht auf Lebenserfahrung rekurrieren. die sie aufgrund ihres Alters nicht haben können, also können sie streng genommen keine Erwachsenenprobleme. keine "Charaktere" darstellen. Fremd ist ihnen auch das große Pathos vieler, vor allem klassischer Rollen; schon ihrem Stimmenklang und ihrer Artikulation ist es nicht angemessen. In der Spielpraxis des Schultheaters und ihrer Programmatik gibt es schon seit längerem Auswege, die meines Erachtens keine Lösungen des Problems sind, l. Eine radikale inhaltliche Beschränkung, die Einengung auf sogenannte "schülernahe" Alltagsthemen. Die ist deshalb problematisch, weil sie auf Reibung und den Bewältigungsversuch verzichtet, weil sie eine wichtige Darstellungsmöglichkeit nicht nutzt, das Eigene, Schülergemäße gerade in der Auseinandersetzung mit dem Fremden zu zeigen, weil das Nahe zum identifikatorischen Spiel verführt und Erkenntnis (die nur durch Distanz gelingt) blockiert, und weil das, was schülergemäß oder nah ist, ohnehin heftig 28 umstritten ist. Was Schüler für brennende eigene Probleme holten. ist oft genug das, was die gestrige Tagesschau gesendet hat. Was natürlich nichts gegen die sympathische Fähigkeit zum Engagement und zur Anteilnahme sagen soll. Mit literarischen Beispielen ausgedrückt: Ich habe meine durch Jugendclub-Theaterarbeit begründete Skepsis, ob sich mit "Gerettet" oder "Strafmündig" schülernäheres oder lohnenderes Theater machen läßt als mit ·:Troilus und Cressida" oder "Prometheus". 2. Formol sucht das Schultheater oft Zuflucht bei peripheren und partikularen Mitteln der Bühne, beim Theater-Ersatz oder bei Ausdrucksträgern aus dem Umkreis von Theater. also zum Beispiel wenn Musik zur Hauptsache wird; hier ist Schülern Professionalität leichter erreichbar. die Inszenierung wird dann zur Liederfolge oder wird "Musical"genonnt. Häufig tragen auch eingespielte Filme wesentlich die Darstellung und Aussage, oder es überwiegen Showelemente der Revue. des Kabaretts. des Zirkus. des Varietes den bunten es herrscht die kostümierte Theaterabend. Spielostik. die man oft für Commedia dell'arte ausgibt und hält. oder die theatralischen Strukturen nähern sich der bloßen Mixtur. der simplen Varietät. der Assoziations-Montage. der einfachen Collage von Fertigteilen, man bringt nur Szenen, benutzt nur Jargon und improvisiert. was die Situation gerade so hergibt. Oder man solviert sich mit der Theater auf dem Theater-Metapher. stellt das Spiel in einen schützenden Rahmen. etwa so: Ein Entertainer. Showmaster führt vor. ein Fernsehen dreht. was der Gruppe zu dem und jenem eingefallen ist, was sie gerade dazu erarbeitet. erwartbare Irrtümer und Mängel inklusive.... "Faust" - Berlin "Launen der Verliebten" - Essen Ich bin zugegebenermaßen etwas allergisch gegen dergleichen Formen, weil sie uns im Profitheater natürlich genauso begegnen. wie ja andererseits auch alle möglichen und denkbaren Tugenden des Schultheaters auch solche des professionellen sind. Die genannten Formen aber liegen unterhalb der Möglichkeiten von Theater und sind Auswege ins nur scheinbar leichtere; wie schwer ein Musical. die Artistik der Commedia dell'arte. eine sinnvolle Collage wirklich sind- dafür gibt e~ berühmte Beispiele. Die Alternative heißt oft auch "Eigenproduktion". Mich hoben die Darlegungen der Schwierigkeiten bisher mehr überzeugt als die der Chancen. Wenn man den Begriff Eigenproduktion nicht rein legitimistisch als eine Etikettenfrage versteht. so kann man Literarizität aus ihm nicht ausschließen. Eigenproduktionen ermäßigen die Anforderungen der Darstellung, ober sie loden dem Schultheater die zusätzliche Anstrengung des Schreibens auf. Ich bin nicht befugt und in der Lage zu einem Vergleich der beiden Produktionswege, vielleicht 29 sind es gar keine Alternativen, sondern nur Varianten. Jedenfalls kann man meines Erachtens nicht von Eigenproduktionen her das Ausgehen von einer dramatischen Vorlage als Manko per se und a priori verdächtigen. Es sind de facto zwei Wege geworden. Thema ist diesmal die dramatische Vorlage. Gehen wir von den Chancen und Vorteilen dieses· Produktionszweiges aus! Textvorgaben sind in der Schule nicht nur für das darstellende Spiel relevant, sondern auch für die spielorientierte Dramenlektüre (Spiel als Mittel der Analyse), auch wenn es sich beim Spielrepertoire nicht um die Lehrplandramen handelt; die Aufführung von Stücken ist daneben ein praktisches Übungsfeld für Theaterkunde und verständnis, für die Erziehung des Zuschauers von morgen; und sie rückt das professionelle Theater in die Nähe, als Orientierungshilfe beim Umgang mit Literatur. Daß das Darstellende Spiel für das oder für den Bereich Fach Deutsch Kulturgeschichte auch noch etwas abwirft, sehe ich als Vorzug, nicht als Spielhindernis. Erkenntnis kann man der Kreativität nicht dualistisch entgegensetzen. Mit der dramatischen Vorlage ist dem darstellenden Spiel ein allgemeiner künstlerischer Anspruch vorgegeben, manifest in der Sprache. Dazu weitere Gestaltungsangebote wie ein großes und genaues Formgefüge, dramatische Figuren, die in einer aussagekräftigen Konfiguration stehen, eine Fabel, die das Interesse am Stoff mitformuliert. Damit ist zugleich thematische Vorarbeit geleistet, die Probleme sind exponiert. die Aspekte gegliedert. die Aussagen differenziert und einander zugeordnet. Schließlich bringt ein vorgegebenes Stück, vor allem ein älteres, Geschichte als Bezugsinstanz ins Spiel. Das ist das Wichtigste. Geschichte, fiktive und reale, als unsere Vorgeschichte, und das Fremde darin als Widerstand und Ferment zu sehen, also auch "fern" zu halten, nicht als heutig auszugeben darum geht es. Aktualisierung geschieht nicht außerlich, sondern im Bezug-Stiften. Was die alte Sache uns angeht, macht sie aktuell. Dem korrespondiert das Historisieren als ein Verfremden, Unterscheiden vom Heute, der Vergangenheitsform Kenntlichmachung dessen, was uns dennoch angeht. Solcher Umgang mit Geschichte als dem zugleich Fremden und Eigenen gibt den Modus vor für den Umgang mit der dramatischen Vorlage. Nicht diese wird "umgesetzt", sondern dargestellt wird das Ergebnis (und im besten Falle auch der Prozeß) unserer Erkundung und produktiven Aneignung des Stücks. Im Vertrauen darauf, daß manche Teile des Stückes zur Lebenswelt des Schülers querliegen und manche nicht, muß man sich vielleicht nicht vorrangig um die Distanz der Schüler zu den von ihnen dargestellten Figuren kümmern . Das totale Sicheinlassen aufs allzu Fremde wäre nur die Gefahr des Extremfalls : daß nur in Ersatzgefühlen und -vorstellungen agiert wird. Die Probleme des "Umgangs" stellen sich fürs Profitheater ähnlich wie fürs Schultheater. Es sind vor allem Probleme, die durch den nicht wegzuargumentierenden und wegzupolemi= sierenden Begriff der "Werktreue" entstehen, also der Erwartungen an die theatralische Darstellung von seifen des Publikums. bzw. der Eltern und der Kulturinstitutionen, der literarischen Öffentlichkeit, der Literaturwissenschaft, bzw. der Literaturlehrer, des Rektors etc .. Wohl die Hälfte derDiskussionen, die ich in meinem Beruf führe, drehen sich um diesen Punkt. Das führt zu Erschöpfungen und mancher Resignation, aber nicht zu bestimmten Standards in der Argumentation; man fängt jedesmal wieder bei Null an, weil das Postulat 'Werktreue" sich historisch wandelt und je nach den Kontrahenten, die es einklagen, etwas anderes bezeichnet. Der Wechsel der Strategien ist auch von unausgesprochenen Momenten bestimmt. Das Münchner Publikum findet z.B. das prototypische Exempel für Stückveränderung durch Inszenierung Friscays "Räuber" von und nach Schiller am Bayrischen Staatsschauspiel - aufregend; nach zwei kontroversen Voraufführungen nimmt es die Produktion nicht nur widerspruchslos hin, sondern hat sie zum Hit und Renner gemacht. Andererseits hat mich unser Intendant gestern überrascht durch sein Bekenntnis zur werkgerechten literarischen Inszenierung; er fand deshalb die vernichtende FAZ-Kritik an Frank Castorfs Baseler "Aias" in Ordnung, aber er selber hat von Castorf viele Inszenierungen in der DDR und den Kölner "Hamlet'' gesehen und hat den Regisseur eben deswegen engagiert, bei uns eine "Miß Sara Sampson" zu inszenieren. - Wenn ich nachforsche, wie oft mir selbst solche Inkonsequenzen passiert sind, allein schon in der Beurteilung der Theaterarbeit von Hansgünther Heyme, die ich besonders lange und genau kenne, dann staune ich über die eigene Windbeutelei. Ich schließe daraus, daß die Frage nicht vorentschieden werden kann, daß es über "Werktreue" keine prinzipiellen und keine von zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten unabhängigen Urteile geben kann. Aber es widersteht mir auch, solche Urteile so theorielos dem individuellen Geschmack im Einzelfall überlassen zu sehen. Irgendwelche Voraussetzungen müssen doch geklärt werden können! "Werktreue" ist keine Sache des taktischen Ausgleichs, der moderaten Liberalität, keine Frage der Ausgewogenheit, des richtigen Mischungsverhältnisses! Was ist Bezugsobjekt der Werktreue? Welche Schicht oder Substanz des "Werkes" wird von der theatralischen 30 Umsetzung und Interpretation vorrangig betroffen? Der Text? Geht es da um den exakten Wortlaut und gar Vollständigkeit? Im 19.Jahrhundert ging es oft darum. der produktive Begriff von Werktreue richtete sich gegen Bühnenadaptionen. die man vor allem technisch für notwendig hielt. weil man sich die Vorgänge eines Stücks nur auf opulentillusionislisch erreichten Schauplätzen spielend vorstellen konnte und die Textfassung mit Schere nach Bühnenbildbedürfnissen und Kleister schneiderte. Oder geht es um den AusslatlungsSlil? Hamlet im Frack und Ödipus in der Tiefgarage scheinen Jahrzehnte lang der größte Stein des Anstoßes gewesen zu sein. und hier wird wohl auch heule noch am häufigsten die "Untreue" gerügt. Kostüme bei Klassikern. eine Verdrußquelle erster Ordnung! Oder gehl es um den Stil der Inszenierung. den man für ein-für-alle-mal vorgegeben hält? "Werktreue ist Faulheit''. hat Fritz Kortner gesagt. Aber Felsenstein plädierte im Namen der "Werktreue" für die Befreiung des Repertoires von allen Bearbeitungen (Korlner ließ sie sich tantiemisieren). Oder ist das Bezugsobjekt der "Werktreue" die Fabel? Die Figurenauffassung? Wo setzt man an? Bei der Intention des Autors. sagen manche; sie ist widerspruchsvoller. verborgener. uneindeuliger und vor allem historisch zu relativ. als daß man seinen "Willen" so einfach erfüllen könnte. Für manche gehört auch die Rezeplionsgeschichle des Stücks und Autors zum Bezugsobjekt, "Was uns heute Schiller heißt. ist die Summe der Verhältnisse. in die dieser Name eingetreten ist." Wir werden es auct-1 hier nicht ausdiskutieren können. Aber soviel ist wenigstens zu sagen, "Werktreue" ist keine moralische Frage. wie die Begriffe "Treue" oder "Dienst am Dichter'' suggerieren. es geht nur juristisch um ein Dürfen (bei Autoren. die noch nicht 70 Jahre tot sind). künstlerisch immer um eim Können. "Werktreue" ist auch keine pragmatische Frage. die mit Kompromissen zu beantworten wäre. und sie ist nur zum Teil eine bildungspolitische Frage. wenn Theater sich als "Museum" versteht (was ja beileibe kein Schimpfwort mehr ist). aber nicht als Institution zur Wiedererkennung des Bekannten. Wichtig erscheint mir. daß man die Positionen Theater und Literatur erst einmal trennt. um ihr Verhältnis dann genau zu definieren. Dabei sollte man wegkommen vom Prioritätsdenken und dem Subordinationsschema. Stück und Aufführung sind einander koordinierte Darbietungsweisen; das Drama ist weder Maßstab noch Pflegefall des Theaters; es präjudiziert nichts für die Bühne. aber die Aufführung wirft auch ein Licht aufs Stück. sagt viel über dieses. Die Aufführung definiert sich aus aktuellen Auseinandersetzungen und "verwendet" dazu ein Stück. ist auf einen Text gestoßen. der auch seinerseits zur Auseinandersetzung auffordert. Aber genau besehen sind das alles keine Fragen der Produktion selbst. sondern nur ihrer Rechtfertigung und ihrer Vermittlung. Sie müssen nur im publizistischen Zusammenhang des professionellen Theaters bzw. im gesamtschulischen des Darstellenden Spiels beachtet werden. Wie ist etwa dem Vorwurf zu begegnen. im Schultheater mit dramatischen Vorlagen erfahre der Schüler weniger das methodische Eindringen in ein Werk als vielmehr eine planvolle Stückzertrümmerung, einen Akt der Literaturzerstörung? Das widerspräche vielen Bildungszielen. aber der spielende Schüler muß gar keine Probleme damit haben, für ihn kann das Werk unzerstört in seinem Bücherregal stehen, obwohl er mit seinen Mitspielern nur Ansichten und Fragmente davon spielt. Also kann die Frage der "Werktreue" auch unnötigerweise aufgeworfen werden. Für die Spieler kann man sicher davon ausgehen, daß sie keinen Anstoß daran nehmen. Sie können sich zu recht zur Avantgarde zählen, zu den bewußteren. für Differenzierungen. auch für Verluste sensibleren lätern". Das Problem sind wohl eher die Eltern. Konkreter nach dem Umgang mit der Vorlage gefragt! Aber nicht zu praktisch. Ich kann und will Ihnen keine Tips geben. sondern versuchen, Ihnen ein Erfahrungsmodell nahezubringen. das dazu angetan ist. Bedenken und Vorurteile bei der Produktion nach literarischen Vorlagen aufzulösen und zugleich bestimmte Produktionsweisen für das Schultheater nahezulegen. Die drei bis vier Jahrzehnte meiner Theaterbeobachtung haben ausgereicht, einen Wandel in den Realitätsansprüchen an eine Theateraufführung festzustellen. Die Beschäftigung mit alten Theaterverfilmungen und mit Theatergeschichte überhaupt bestätigt das. Dabei ist zu bemerken, daß dieser historische Wandel für verschiedene Schichten einer Theateraufführung in unterschiedlicher Weise gilt: In der Spielweise kann man z.B. etwas für realistisch hallen und zwanzig Jahre später nicht mehr, während sich in der Einschätzung der Ausstattung hinsichtlich ihres zureichenden Realismus· nichts oder wenig geändert hat. Man erfährt die Historizität von Theatermitteln, aber für einzelne Schichten nicht synchron, nicht im gleichen Veränderungstempo. Erst dadurch nimmt man ja die Differenz der Schichten wahr. Solche Schichten sin z.B.: die dramaturgische Logik. die Durchmotivation und die "Lückenlosigkeit" der Handlung (heute verzichtet man leichter und lieber auf vieles, was 1960 noch für nötig gehalten wurde). Dann, die Geschehnisdichte (heute verkraftet man mehr action, aber zugleich auch viel weniger, also: die Lizenz, die Amplitude ist größer geworden), der 31 Anteil der Überraschungsmomente daran. die Deutlichkeit der Symbolik (heute lieber weniger). die Stil-Einheit und -Reinheit (nicht mehr gefragt), die Verständlichkeit und Glaubhaftigkeit historischer Illustration. die "Wahrheit" eines Gestenrepertoires etc ..... Was so erfahren wird, ist letztlich, daß Wahrscheinlichkeit, Glaubhaftigkeit, Kausalität, Realismus historische Konventionen sind. theaterimmanent gesagt: Illusionen. die nach einer gewissen Zeit ihre Wirkung verlieren und von anderen ersetzt, repariert. überlagert werden . Natürlich wandelt sich noch Mehreres im Theater und vor allem um das Theater herum und in Bezug auf das Theater, etwa die Erwartungen. die generell ans Theater herangebracht werden. die sozialen Gruppen, die es tragen. die Theaterideologie. die es rechtfertigt. Für die konkrete Produktion ist aber jetzt wichtig, für wie "real" es gehalten wird. Denn das ist ein zentrales Kriterium für die Zeitgerechtigkeit und Qualität einer Inszenierung und bestimmt den Umgang mit der Vorlage. Es kann sein. daß die Schichtendifferenz im Theaterwerk vor allem als gegenseitige Relativierung genommen wird. so daß man keiner mehr traut, alle als Schein und Vortäuschung begreift, keiner mehr die Kraft der lllusionierung zutraut, für "real" zu gelten. Das führt zu einem Theater des Illustration. der Veranschaulichung, wie etwas. das nicht sinnlich auf der Bühne statuiert w ird. "wirklich" sei; zu einem Theater. das immer nur einen Als- ObCharakter demonstriert und darauf verweist, wie etwas "gemeint" sei. Das Gemeinte. immer Beschworene. nie durch Darstellung Behauptete ist das Stück. Die Aufführung setzt es nicht um. sondern zitiert es permanent als das Obskure. auf das es "eigentlich" ankomme. Wenn darstellendes Spiel nicht zu seiner Eigenrealität sieht, entsteht ein unvermitteltes Nebeneinander. eine verlegene Mixtur von abstrakter naturalistischen Abklatsch und Zeichenhaftigkeil, von "Natürlichkeit" und Stilisierung. Das ist die Folge von Einschüchterung durch Literatur. das Drama ist nicht in die Inszenierung aufgegangen. sondern spukt als Gespenst in ihr herum. Es gibt die andere Konsequenz, daß die Schichtenstruktur des Theaters und die Unterschiede der Theatermittel als produktive Widersprüche angesehen werden . Brecht hat das als erster propagiert. Das Bühnenbild müsse nicht dasselbe und auch noch synchron sagen. was die Schauspieler sagen oder die Musik. Die Schichten "konzertieren", agieren selbständig und in kalkulierter Spannung zueinander. Ambivalenz. Polarisierung, P<;lradoxie, wohin das dialektische Denken ausgreift! Es gilt, die Widersprüche im Stück zu suchen und in der Inszenierung zur Geltung zu bringen oder neu zu schaffen. Das kleine Unerwartete in einem Verhalten. einer Reaktion. einem Vorgang ist d ie Urzelle eines solchen spannungsschaffenden Produzierens. die Auffassung von Geschichte als Spannungs= verhällnis zwischen Gestern und Heute ist ihr der inspirierende weitester Rahmen, Anachronismus der konkrete Repräsentant in der Aufführung, ihr Spannungsaufbau und Gesamtrhythmus der Wirkungsgarant. Das ist jetzt mehr ein Credo als eine Explikation. Es mag vorerst genügen für die Abfertigung scheinbarer Auflagen des darstellenden Spiels. Ist das Erfahrungsmodell akzeptiert, werden der Kopf und die Phantasie frei von falschen, vermeintlichen Ansprüchen. als da sind , 1. Die Bühne müsse eine Realität als "Bild" im Guckkastem vor Augen stellen. 2. Die Bühne müsse Schauplätze zeigen oder andeuten (die Andeutung scheint mir der schlimmste Kompromiß des lllustrationsthealers. der gefährlichste Feind des "realen" Spielorts). 3. Mimetische Abbildung sei Aufgabe des Theaters. Kleidung und Benehmen habe den sozialen und historischen Standort einer Figur zu definieren. 4. Die Verrichtungen und Vorgänge auf der Bühne hätten naturgemäß zu sein. (Das folgert heute die Umgewöhnung der ästhetischen Wahrnehmung durch den Fernsehrealismus). 5. Rollen seien Illustrationen von Figuren. Figuren seien immerfort mit sich identisch. 6. Sprache. Dialog sei primäres oder einziges Ausdrucksmittel einer Figur. 7. Es gebe das Ausdrucksdiktat eines Textes. Er kann aber doch ironisch behandelt oder sonstwie verfremdet werden . Ich behaupte nicht, daß all diese Annahmen irrig seien. Sonst wären sie nicht in solcher Breite akzeptiert und propagiert worden . Aber sie können etwas lockerer, zweifelnder betrachtet werden. es sind nicht Theatergesetze, von der dramatischen Vorlage oktroyiert. Sie werden von gegenteiligen Konventionen konterkariert. Was aber an Ansprüchen des Stücks an die Inszenierung bleibt, in welchem Modus auch immer er zu erfüllen ist, scheint mir, der Wortlaut des überlieferten Textes als Basis (nicht unantastbar. aber auch nicht völlig zu ignorieren) - und von ihm evoziert, die Vorstellung von Situationen, in denen Figuren sich befinden und aufeinandertreffen. und als oberster Begriff der zusammenhänge die Fabel, die bestimmte Aussagen und Emotionen transportiert. Wenn man die fraglichen Ansprüche l bis 7 (es gibt natürlich mehr!) positiviert und das sehr konkret auf die Praxis des darstellenden Spiels bezieht, 32 dann empfiehlt sich Folgendes, 1. Schultheater wenn irgend möglich auf einer Raumbühne. 2. Einheitsspielraum; seine Gestaltung muß nur materialgerecht und echt sein (d.h. Holz ist Holz, Pappe ist nicht Stein). Es gibt den Materialreiz der Raumgestaltung und Kleidung zu entdecken. Die der Gefühle wird erspielt, Topographie Spannungsrichtungen werden vom Schauspieler bestimmt durch systematisches Augenmerk auf die Auftrittsund Abgangswege. Die Szenenübergänge und überschneidungen werden wichtig . 3. Kostüme und Haltungen suggerieren einen Bezug, sind assoziativ wirksam, dienen aber nicht zur Codierung von Figuren. Eine Figur ist nicht, was sie anhat. Auch Historisches kann evoziert werden, aber das Kostüm sollte nicht im historisch Genauen steckenbleiben. 4. Natürliches Verhalten. natürliches Spiel ist auf dem Theater. das seine Figuren ausstellt. vorstellt, nur begrenzt sinnvoll. Es ist gefährlich, wenn dadurch naturalistische Realitätserwartungen geweckt werden. Ein Kopfstand ist eher eine theatergemäße Spielerfindung als ein Kratzen am Kopf; differenzierte Mimik ist für den Film und die Fernseheinstellung, Blicke und das beziehungsstiftende Spiel der Augen sind fürs Theater. - #Der Widerspenstigen Zähmung# Saarlouis 33 ULRICH HESSE Zwischen Werktreue und Willkür Kritisches und Selbstkritisches über den Umgang mit dramatischen Texten im Schultheater Dem Beobachter der Inszenierungen dramatischer Texte beim SCHULTHEATER DER LÄNDER in Bamberg drängt sich die Frage auf, -Wie hältst du's eigentlich mit dem dramatischen Text als Spielvorlage?" Und da einer im laufe eines Spielleiterlebens mehr Aufführungen sieht. als er selbst erarbeiten kann, fragt er gleich weiter, "Welche Inszenierungen dramatischer Texte haben dich als Zuschauer interessiert. fasziniert. überzeugt? Und warum?" Aus der eigenen Spielpraxis mit den l0-l6jährigen wüßte ich kein Beispiel der Arbeit mit einer dramatischen Vorlage zu nennen. Auch umfangreiches und intensives Stöbern im Angebot zahlreicher Texte förderte stets nur zutage, was sich mit der jeweiligen Gruppe genauso gut oder besser -weil ihr angemessener- selbst machen ließ. Also habe ich mit Schülerinnen dieser Altersstufe Stücke selbst gebaut. Die beobachtete Fremdpraxis bestätigte die eigenen Erfahrungen : Es gab spannende und geglückte Aufführungen von selbsterarbeiteten Stücken zu sehen, Langeweile dagegen breitete sich bei der Präsentation dramatischer Texte aus. Eine Ausnahme: Waechters "SCHULE MIT CLOWNS". Ich habe mehrfach das Stück aufgeführt gesehen, meist in eindrucksvollen szenischen Lösungen. Besonders gelungen die Aufführung der Realschule München-Pasing beim SCHULTHEATER DER LÄNDER in Braunschweig. Der schulische Autoritätskonflikt, hilflos bearbeitetes Thema so mancher Textvorlage, hat bei Waechter eine Form gefunden, die den Spielenden Distanz gegenüber dem vertrauten Sujet erlaubt. Eine "SCHULE MIT CLOWNS" ist eben nicht die spielhemmende Widerspiegelung der Realität Schule, sondern die Fiktion von Schule. Auf dieser Ebene läßt sich für Schülerinnen dieser Altersstufe dann mit der schulischen Wirklichkeit spielen. In den Figuren der Clowns stehen ihnen die Alltagsrollen nicht mehr im Wege, die Spielerinnen können die gesamte Skala des Noch-nichtErwachsenseins einsetzen. Einzig dieser dramaturgische Einfall macht "SCHULE MIT CLOWNS" spielbar und gleicht andere Schwächen des Stückes aus. Ganz anders die Situation auf der gymnasialen Oberstufe, Dort dominiert im Spielplan der dramatische Text. Das gilt für die eigene Praxis, aber auch für die anderer. Warum? Eigentlich sprechen doch so viele gute Gründe dafür, auch mit Gruppen dieses Alters nur Eigenes zu produzieren : Rollen, Themen und dramaturgische Struktur lassen sich auf die Zusammensetzung, Interessen und Fähigkeiten der Gruppe abstimmen und müssen sich nicht Bedingungen fügen, die oft nur schwer oder gar nicht von der Gruppe zu erfüllen sind. doch dieses Festhalten an der Warum dramatischen Vorlage? Natürlich ist etwas Verzagtheit im Spiel. Denn die ein Stück produzierende Gruppe tritt hier in Konkurrenz zur dramatischen Weltliteratur und nicht - wie im Spielplan der Jüngeren - in Konkurrenz zu sogenannten Gebrauchstexten. Letztere haben kaum literarische Qualität. heben darauf auch keinen Anspruch. Wer es auf sich nimmt. daß die Produktion seiner Gruppe mit literarischer Elle gemessen · wird und diesen Test besteht, darf darüber glücklich sein und sollte weiteres und mehr riskieren. Eine Eigenproduktion kommt einem an den Jugendlichen orientierten Theater prinzipiell am nächsten. Einige Spielleiterinnen sind diesen Weg gegangen und haben die konsequent Schultheaterszene um manches Stück wirklicher Literatur bereichert. Wer sich das nicht zutraut oder vielleicht auch schon einmal daran gescheitert ist. kann sich jedoch getrost auf das bereits Vorhandene verlassen . Das Angebot an dramatischen Texten ist groß genug, die Wege zur Inszenierung von Vorlagen sind vielfältig . Werktreue gegenüber der Vorlage - als Verfahren verstanden, das Text. Thema, Personal und dramaturgische Struktur weitgehend unangetastet läßt- ist im Schultheater selten zu erreichen, wobei es nebenbei fraglich ist. ob Werktreue überhaupt eine erstrebenswerte Theatertugend ist. Auch bei Stücken, die sich in diesem Verständnis scheinbar werkgetreu inszenieren lassen, gehl es nicht ohne bearbeitende Eingriffe. Ein Beispiel aus der eigenen Spielpraxis der letzten Jahre: Um Wedekinds "FRÜHLINGS ERWACHEN" heule mit Schülerinnen spielen zu können, muß man m .E. die Rolle des vermummten Herren durch eine völlig andere Figur ersetzen. Der Bonvivant. der dort die Funktion hat. den selbstmordbereiten Schüler Melchior Gabor "ins Leben" zurückzuholen, ist aus dem bürgerlichen Milieu der Jahrhundertwende verständlich, aber heule nicht mehr als Leitfigur für einen l5-l6jährigen zu akzeptieren. Eine Frau, das positive Pendant zur eigenen Mutter. war für die Gruppe hier die zeitgemäße Lösung. Werktreu - also lexlnah - zu bleiben und den Zugang zur jugendfernen Vorlage durch 34 aktualisierende inszenatorische Mittel zu suchen. ist im Prinzip sicher richtig. Berichte über Goethes *IPHIGENIE" - gespielt in einer Tiefgarage, die Kontrahenten Thoas und Orestes begegnen sich als Besitzer PS-starker Sportwagen. und dabei wird keine Zeile der Verse geändert - haben mich beeindruckt, das Beispiel *TASso- in Bamberg weniger, Das Splitting von Figuren. Schauplätzen. Sozialebenen und andere Eingriffe wirkten gewollt. waren nicht stimmig, sondern willkürlich. Einen Versuch wäre es sicher wert. Goethes "FAUST" auf einer Schulbühne einer radikal aktualisierenden Inszenierung auszusetzen. Die Fassung des -FAUST", die in Bamberg zu sehen war. blieb bei vielen Stärken doch im Unverbindlichen. Die Aufführung zeigte aber. wie sehr Goethes Stück - namentlich in der Gretchentragödie - ein Stück für Jugendliche ist, in dem sich alles um junge Leute dreht. Wenn man bei diesem Aspekt ansetzte - statt des "FAUST r auch den "URFAUST" als Vorlage nähme - ließe sich wahrscheinlich auch der heute zunächst so fernen Tragödie des Gelehrten Faust beikommen. Mich persönlich hat der andere Weg, mit dramatischen Vorlagen umzugehen, mehr gereizt , eine auch die Textstruktur angreifende Bearbeitung. Bei manchen Stücken ist dies unumgänglich, z. B. bei Aristophanes. Die Stoffe seiner Komödien sind die eines demokratischen Gemeinwesens, betreffen uns auch heute unmittelbar, Krieg und Frieden, Frauenfragen. politische Utopien. Die Aktualität war für das historische Athen die Stärke dieser Stücke. heute ist sie ein Handicap. weil nur umfangreiche Kommentare den historischen Kontext verständlich machen können . Hier müssen Themen. Texte. Rollen ausgetauscht, verändert. erweitert und anderswie bearbeitet werden . Das fordert die Phantasie einer Gruppe ähnlich wie die Erarbeitung eines eigenen Stückes. Das Ergebnis eines solchen Bearbeitungsprozesses ist oft auch beinahe ein eigenes Stück. Zwar ist die Gefahr der Willkür in der Wahl der eingesetzten Mittel nicht ganz auszuschließen, aber sie ist gering. Denn die Vorlage ist Rahmen, Halt und Widerstand. Was daraus neu entsteht, wird davon geprägt und stürzt nicht so leicht ab. Ein Musterbeispiel dieser Art des Umgangs mit dramatischen Texten im Schultheater bot in Bamberg die Spielschar des HELMHOLTZGYMNASIUMS (Essen) mit ihrer Bearbeitung von Goethes "DIE LAUNEN DER VERLIEBTEN", Die Erweiterung des Rokoko-Personals der Vorlage durch Rollen aus der Punkszene. die auf der Ebene der Themen und Beziehungen denen der Schäferinnen und Schäfer entsprachen. und diese Mischung nochmals mit einer Mannschaft von ums Sichten und Richten bemühten Clowns verquirlt, war -spitzenmäßig". im Urteil der Zuschauenden Nota bene, Für Bearbeitungen eignen sich oft die weniger bedeutenden Werke "großer" Dramatiker. Denn diese Texte haben oft greifbare Schwächen. die zur Bearbeitung reizen. zeigen aber andererseits doch die wohltuend sichere Handschrift ihrer berühmten Autoren. deren Lebensdaten jenseits aller Soweit urheberrechtlichen Fragen liegen. bleibt es auch folgenlos. wenn beim Bearbeiten etwas mehr Willkür am Werke ist, als Text. Autor -und Verlag!eigentlich vertragen . •Rattentanger· - Hamburg 35 KARLHEINZ WENZEL: Zwei Wege sehe ich für Schüler und Jugendliche, sich des Mediums Theater zu bemächtigen. Der eine ist, sich diese Kulturtechnik "zu erwerben. um sie zu besitzen" und für eine Ausein= andersetzung mit seinen eigenen Gefühlen, Gedanken und Konflikten. mit sich und seiner Umwelt, zu nutzen. Für mich als Spielleiter bedeutet das, ich hole die Schüler da ab. wo sie sind. und fordere sie, indem ich sie mit dem umfassenden Prozeß der inhaltlichen Entstehung und der theatralen Umsetzung konfrontiere. Wenn ich das persönlich Erlebte theatralisiere -und das heißt selbstverständlich auch: verfremde. eine Rollendistanz entwickle- dann kann ein Theater= stück überzeugend und glaubhaft sein, Das ist die Eigenproduktion. ·oer Widerspenstigen Zähmung" Saarlouis Der zweite Weg, Dieser beginnt mit der berühmten Frage vieler Theater-AG's, Welches Stück spielen wir denn dieses Mal? Das ist ein sehr unglücklicher Einstieg, da auf diese Weise sehr schnell eine Festlegung erfolgt, die einer kreativen Arbeit im Wege ist. Der Arbeitseinstieg sollte vielmehr immer themenzentriert erfolgen. Es ist üblich. daß sich dann eine eingehende literarische Analyse anschließt -viele Spielleiter sind ja nun mal professionelle Deutschlehrer- . man erarbeitet die historischen Hintergründe, diskutiert die Rollen. stellt die berühmten Fragen, Was hat der Autor sich dabei gedacht, was haben die Figuren uns heute noch zu sagen. welche persönlichen Bezüge habe ich zum Stück (Die "Betroffenheitsdebatten" führen aber meist nicht dazu. daß man die Betroffenheit im Spiel bemerkt. daher steht so etwas dann im Programmheft!)? Bei diesem zweiten Weg lernt man sicher viel über Theater und Literatur. aber ich werde das Gefühl nicht los. daß man dabei etwas ganz Wesentliches vergißt. Machen wir uns doch nichts vor, wir erreichen mit unseren Schülern doch im Höchstfall einen begrenzten Grad an Perfektion. den ich -so er denn da ist- durchaus bewundern kann . Meist geht die Diskussion über eine Schüleraufführung doch lediglich um den Grad des Scheiterns. denn haben uns Schüler mit FAUST oder der berühmten ALTEN DAME je persönlich angerührt? So geht es denn in den Diskussionen auch nur um theatrale Qualitäten. zum Leidwesen der Spieler läßt sich auf kaum ein Schultheater-Publikum Inhaltsdebatten ein. Auf Schülerbühnen sind sogenannte ·werkgetreue" Aufführungen eigentlich die kreative Bankrotterklärung der Macher. ungeeignete Versuche. Papier zum Laufen zu bringen. Ein weiterer kritischer Punkt bei der Übernahme dramatischer Vorlagen ist bekannterweise. daß die Grenze zwischen "Herausfordern und Hinaufholen· 36 der Spieler und "überfordern und Abstürzen" unangenehm fließend ist. Die Anzahl der vermeidbaren Fehltritte ist Legion. Manches Programm von Schultheatertreffen liest sich leider wie der Jahresspielplan eines mittleren Stadttheaters. Und wenn man dann nach der Katastrophe vom Spielleiter mit unerschütterlicher Überzeugung zu hören bekommt. der Einbruch habe sich nur im Auge des besserwisserischen Kritikers abgespielt. außerdem sei man ja keine Profitruppe und der pädagogische Prozeß sei doch viel wichtiger als das Produkt (wielange geistern diese mißverstandenen Worthülsen der 70er Jahre eigentlich noch durch die Diskussion?) - , dann ist der Moment gekommen, in dem man die Augen schließen und ganz fest und intensiv an das Wort „Lehrerfortbildung" denken sollte. Aber es gibt noch einen dritten Weg, der freie Kreativität und literarisches Interesse miteinander verbinden kann , Wenn es denn literarische Vorlagen sein sollen, dann muß ich sie handhabbar machen, Mit kleinen Steinen kann ich sehr gekonnt jonglieren, an einem großen Brocken kann ich mich allzu leicht verheben. Form und Inhalt müssen dem Alter der Jugendlichen und ihrer Erfahrung angemessen sein, das ist die erste Voraussetzung. Dann muß ich den Text aufbrechen, durch den Fleischwolf meiner persönlichen Lebnserfahrung drehen. Dann kann es spannend werden, weil mein persönlicher Zugang sichtbar wird, und den will ich als Zuschauer auf der Bühne sehen. Das ist die Chance des Schultheaters im Umgang mit der dramatischen Vorlage, dann kann es glaubhaft und wahr werden, und dann kann mich auch Schultheater lachen und weinen machen. FRANK HERDEMERTEN : Thesen zum Spiel mit dramatischen Vorlagen Dramatische Vorlagen eignen sich in der Regel nicht für das Schultheater: - wegen meist unterschiedlicher Anzahl von und Figuren.. wegen des Spielern Alterunterschiedes von Spielern und Figuren, wegen der lntentionsdifferenz von Stück und Spielern. Die Alters- und Anzahldifferenz zwischen Vorlage und Spielgruppe kann mit der stofflichen und thematischen Relevanz eines Stückes für die Spielgruppe konkurrieren. Hat die dramatische Vorlage eine thematische Relevanz für die Spielgruppe und wird diese Relevanz von der Spielgruppe selbst erkannt. gilt es, die genannten Differenzen zu beseitigen, d .h. die Gruppe muß sich die Vorlage anverwandeln. Anverwandlung ist möglich, weil die Forderung nach "Werktreue„ Unsinn ist. Man vergleiche nur zwei "werkgetreue" Inszenierungen derselben Vorlage! Anverwandlung ist notwendig, damit für jeden Spieler etwa gleiche Spielanteile geschaffen werden . (Gleicher Spielanteil bedeutet nicht gleiche Länge des Rol!entextes.) Die Forderung nach gleichen Spielanteilen richtet sich gegen den "Star„ und strebt die Entlastung des einzelnen Darstellers und die gleichmäßige Belastung aller Spieler an. (Der eingebildete Kranke z.B. wird als Typus erkennbar, wenn seine Rolle von mehreren Mädchen und Jungen gespielt wird. Welch köstliche Konsequenzen ergäben sich für die Stückgestaltung!) Die Anzahl der Spieler ist das Maß, nicht die Anzahl der Rollen. Daraus kann sich ergeben, daß Figuren gestrichen werden müssen, daß deren Aussagen in den Rollentext anderer Figuren integriert werden müssen, daß einzelne Figuren verdoppelt oder gar vervielfacht werden müssen. Das Alter der Spieler ist das Maß. nicht das der Figuren. Eine altersmäßige Homogenisierung auf das Alter der Spieler bedeutet eine inhaltliche Veränderung des Stückes, aber eine gewollte! Wird die Altersstruktur der Figuren beibehalten, bedeutet dies die Absage an realistische Spielformen. Dann muß die Verfremdung zum Gestaltungsmittel werden . So sind Dürrenmatts PHYSIKER für eine realistische Darstellung durch Oberstufenschüler untauglich, sie sind nur als Groteske spielbar. Die'Verfremdungen müssen im Hinblick auf die intendierte Aussage Funktion bekommen und in ihren Auswirkungen kalkuliert werden. Jede Schultheaterinszenierung erhebt einen Anspruch, an dem sie sich messen lassen muß. Schülertheater sollte sich nicht am StadttheaterAnspruch orientieren, vielmehr sollte es seine eigenen, eigentlichen Möglichkeiten erkennen. Diese liegen in der Regel nicht in der planen und unreflektierten Übernahme von dramatischen Vorlagen. 37 CHRISTIANE MIENERT: Statement zu " Spiel mit dramatischen Vorlagen " Anläßlich von Schultheatertreffen in der letzten Zeit und nicht zuletzt auch in Bamberg ist mir aufgefallen. daß es eine immer größer werdende Zahl von Spielern gibt. die die Auseinandersetzung mit einem literarischen Stück für unabdingbar halten. Die Theaterliteratur dient ihnen zum einen dazu. die eigene Persönlichkeit durch die Identifikation mit einer literarischen Rolle zu erproben. zu erweitern. bisher ungeahnte Möglichkeiten in der eigenen Person auszuloten. Zum anderen aber scheint mir das zunehmende Interesse an der großen Theaterliteratur e inherzugehen mit einem - boshaft gesagt -yuppie-haftem Theaterverständn is". in dem der repräsentative. auf Konsum und Erfolg ausge= richtete Charalder im Vordergrund sieht. Eine neue Generat ion von Bildungsbürgern. wie sie uns aus den 50er und 60er Jahren nur allzu bekannt sind. scheint wieder im Kommen zu sein. So wie sich der Lebensstil der Schüler. ich spreche hier vorwiegend von Gymnasiasten, immer mehr zu einer Kopie der Elterngeneration entwickelt hat (der Cappucino im schicken Steh-Cafe gegenüber der Schule. das Glas Champagner nach der sechsten Stunde) - so scheint auch der künstlerische Geschmack in der anspruchsvolleren Ecke der Literatur Platz genommen zu haben. Gefragt ist weniger die eigene. zwangsläufig unbeholfene Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. der Versuch subjeldive Erfahrungen in theatrale Formen zu bringen. als vielmehr das Bedürfnis. sich mit einer anderen Welt zu konfrontieren. mit anderen Lebensgeschichten und Umständen. die letztendlich dem Spieler auch die Möglichkeit einer Flucht vor sich und seinen aktuellen Problemen bieten können. Eine fiktive literarische Figur auf der Bühne mit Leben zu tüllen. kann doch nur dann sinnvoll sein, wenn der Spieler - und später auch das Publikum - begreift und erfährt. was diese Figur mit ihm persönlich zu tun hat. Daß das ein ganz reizvolles Unternehmen ist. zu Brechtschen Brüchen und Verfremdungen führen kann, haben wir glücklicherweise auch schon sehen können . Auf die Gefahr. daß hier ausgewichen wird in ein Niemandsland der allgemeinen Gefühle und Leidenschaften soll aber dennoch hingewiesen werden. Ganz abgesehen davon bleibt bei mir immer noch das Unbehagen. daß hier einem elitären Denken Raum gegeben wird. das sich durch schulterzuckende Arroganz Ausdruck verleiht. wenn in der' Stückauswahl einer Gruppe nicht gleich Shakespeare. Camus o.ä. zu finden ist. Wir stehen in der Gefahr. mit einem unüberlegten Zugriff auf den klassischen Theaterkanon einem theatralen Stil Vorschub zu leisten. wie er uns aus den Stadt- und Staatstheatern zur Genüge bekannt ist. Es kann aber wohl nicht im Bestreben des Schultheaters liegen. einen bildungsbürgerlichen Ansatz von Theater zu unterstützen. den man glaubte. Anfang der siebziger Jahre bereits überwunden zu haben. Wenn wir die Schüler nicht mehr mit methodischen Tricks dazu motivieren müssen. "Faust'' und "Emilia Galolli" spannend zu finden. dann wird es höchste Zeil zu überprüfen. was da in der Zwischenzeit in den Köpfen unserer Spieler passiert ist. Denn nach wie vor halte ich die Skepsis und ironisierende Ablehnung der Schüler gegenüber den "allen Schinken" für sehr gesund, da es Ausdruck einer Lebendigkeit und Neugier ist. selbst Stellung zu nehmen. den eigenen Gefühlen und Ängsten eine Form zu geben und sich nicht durch vorgeprägte Figuren einengen zu lassen. "Die Mädchen aus Viterbo" - Sulz 39 INGO SCHELLER, Schultheater - ein Theater der Schüler? Die folgenden Überlegungen für ein Schülertheater, das sich in Inhalt und Form von den Erfahrungen und Fähigkeiten her begründe!, die Schülerinnen beim Thealerspie.i einbringen und entwickeln können, verstehen sich als Diskussionsvorschlag. Sie stellen die Schüler als Spieler in den Millelpunkl und versuchen, die Ästhetik des Theaters aus deren spezifischen Möglichkeiten und Perspektiven zu entwickeln. Dabei gehe ich von folgenden Voraussetzungen und Zielvorstellungen aus, Die Jugendlichen stehen und wachsen heute in einer sozialen Umwelt auf, in der sie, ihnen meist nicht bewußt immer neue Rollen in den ständig wechselnden Inszenierungen der Waren- und Medienindustrie zu spielen haben. Diese hochgradig sinnlichen Inszenierungen bieten Muster der Bedürfnisbefriedigung an, denen sich die Jugendlichen bei ihrer Identitätssuche kaum entziehen können , sie bestimmen und modellieren die Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Handlungs= weise. Das Schülertheater sollte diese aus kommerziellen Gründen angebotenen Muster der Bedürfnisbefriedigung nicht unbewußt über= nehmen und damit verstärken. Es sollte vielmehr die Schülerinnen anregen, bewußt Gegenentwürfe und Gegenerfahrungen zu entwickeln und zu inszenieren, und damit die Voraussetzungen schaffen, daß sie ihr eigenes Alltagsverhalten neu und anders sehen und auch verändern können. In der Praxis heißt das, Gegen die Tendenz der allseitigen Aktualisierung und Versinnlichung sollte immer wieder versucht werden, den Schülerinnen zu helfen, ihre jeweils unterschiedlichen Verhaltenspotentiale bei der Aneignung und Darstellung historisch, sozial und kulturell fremder Rollen und Szenen (die ja häufig nur die abgewehrten eigenen sind) zu aktivieren, einzubringen und zu erweitern. Gegen die Tendenz zur Fragmentarisierung von Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Denkweisen sollten Rollen, Haltungen und Handlungszu= sammenhänge identitätsstiftend (d.h. auch geschichtsbildend) entworfen und erarbeitet werden. Gegen die Tendenz, Widersprüche, Ambivalenzen und intensive Gefühle durch immer neue Aktionen und ästhetische Effekte zu überspielen, sollte darauf bestanden werden, Widersprüche, Konflikte und Emotionen zu entdecken, auszuhalten und auszuagieren. Gegen die Tendenz, soziale und politische Konflikte und Positionen nur noch verdinglicht als Allribute körperlich-lhealralischerDarslellungen zu präsen= fieren, sollten diese in den Handlungen, Haltungen und Beziehungen der Figuren erfahrbar und dargestellt werden. Gegen die Tendenz, Sprache und körperliche Aktion auseinanderzureißen und wechselseitig zu funktionalisieren, sollte immer wieder versucht werden, das Sprechen gestisch als als „ Werkzeug des Handelns aus den physischen und psychischen Haltungen und Handlungen der Figuren zu erarbeiten. Gegen die Tendenz, Rollen von außen her, von der Inszenierung, von der theatralischen Wirkung her zu erarbeiten, sollten die Figuren und ihre Haltungen aus dem Verhallenspolenlial der jeweiligen Spieler entwickelt werden. Kriterium für die Qualität einer Darstellung ist nicht, ob der/die Spielerin gut oder schlecht spielt gemessen an den Normen des Slaalsthealers, sondern ob er/sie die Figur glaubwürdig präsentier!. Gegen die Tendenz, die Thealerarbeil von der Aufführung her zu organisieren, wird diese als Erfahrungsprozeß verstanden und aufgebaut, bei dem die Erlebnisse, Phantasien, Empfindungen und Verhaltensweisen, die die Schülerinnen in Figuren und Szenen einbringen, durch die von diesen vorgegebenen Lebensentwürfen und Verhaltens= musler neu gedeutet und damit verändert werden können . Gegen die Tendenz einer Ästhetik von Außen wird eine theatralische Präsentation bevorzugt, die die spezifische Aneignung der vorgegebenen Rollen, Texte und Szenen durch die sprachlichen und körperlichen Gesten, Haltungen und Handlungen der Schülerinnen abbildet und ausstellt. Dargestellt wird nur, was die Schülerinnen begriffen haben und inhaltlich für wichtig hallen und was sie gestisch zeigen können. Gegen Tendenzen, die Schülerinnen zu gestischen Objekten in den lnszenierungsvorstellungen der Lehrerinnen zu machen, sollte sich der/die Lehrerin als Spielleiterin verstehen, der/die Schülerinnen durch ein Arrangement von Situationen und Materialien anregt, ihre Phantasie und ihre in die Rolle Verhaltensmöglichkeiten so einzubringen, daß sie diese glaubwürdig darstellen können . Aus der Sicht der Spieler ist theatralisches Handeln zunächst Handeln in vorgestellten Situationen. Je genauer die Vorstellungen über die eigene Rolle und die Situation, in der sie agieren sollen, umso eher sind sie in der Lage, reale Räume, Gegenstände und Personen in der Phantasie umzudeuten und aus der Rolle heraus zu agieren. Die Haltungen, die sie dabei im Spiel zeigen, 40 entstehen bei der Interpretation der Verhaltensvorstellung durch das eigene sprachliche und körperliche Verhaltensrepertoire. Weil nun ungewöhnliche Verhaltensvorstellungen über die Aktivierung des sinnlichen und des Körpergedächtnisses die Wiederbelebung alter bzw. das Erproben neuer Verhaltensweisen erzwingen und weil umgekehrt sprachliche und körperliche Handlungen und Haltungen frühere Szenen aktivieren und damit das Vorstellungsspektrum erweitern, sehe ich in der gezielten Planung und Organisation des Wechselspiels von Vorstellung und Handlung die beste Voraussetzung für die Entfaltung der darstellerischen Fähigkeiten und der Erfahrungsfähigkeit der Spielerinnen. Das klingt, ich gebe es zu, pädagogisch und wenig lustvoll, aber was ist der Spaß am Theaterspielen anderes als die Lust am Fremden, Andersartigen, vielleicht sonst Unerlaubtem : man kann in eine andere Rolle schlüpfen, kann sonst sanktionierte asoziale und libidinöse Bedürfnisse im Schutze der Rolle neue ausagieren und ausprobieren, kann Verhaltensweisen erproben. Warum sollten Lehrerinnen diese Möglichkeiten des Theaterspiels nicht bewußt nutzen und zum Motor der Entwicklung und Darstellung von Figuren und Szenen machen, wie es große Theaterleute wie Stanislawski, Strasberg, Grotowski und Brecht immer wieder gefordert und getan haben? Allerdings unterliegt die Entscheidung darüber, welche Lebensentwürfe, Identitätsund Handlungsmuster den Schülerinnen zum Erproben angeboten werden, im Schultheater der pädagogischen Verantwortung. Und hieraus leitet sich für mich die Frage ab, welche Stücke mit welchen Themen und Rollen ausgewählt bzw. entwickelt werden. Die vieldiskutierte Frage, ob an vorgegebenen Texten gearbeitet werden soll oder ob Stücke selbst entwickelt werden sollen, muß auch unter diesem Gesichtspunkt beantwortet werden. Ich selbst favorisiere dort, wo es mir darum geht, den Schülerinnen neue Erfahrungen zu ermöglichen, die Arbeit an dramatischen Texten, weil die Dialoge Deutungsmuster zur Verfügung stellen, die sonst erst mühsam entwickelt werden müssen. Auch bei der Rollenbesetzung können und sollten pädagogische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Wenn ich auch dazu neige, den Schülerinnen die Entscheidung selbst zu überlassen, so appelliere ich doch immer an sie, Rollen zu übernehmen und im Spiel zu erproben, die ihnen fremd sind, die sie aus welchen Gründen auch immer ablehnen. Dabei habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, daß Schülerinnen, die sich darauf einließen, zu ungewöhnlich intensiven Darstellungen fanden. Wichtig sind die Verfahren, mit denen sich die Schülerinnen einen Zugang zu Rollen und Szenen erarbeiten können. Ich gehe dabei in folgender Weise vor, Zunächst suche ich über Geh-, Steh-,Sitz- und lnferaktionsübungen einen körperbezogenen Zugang zu den spezifischen historischen kultur-, schichten- und geschlechtsspezifischen Habitusund lnteraktionsformen der Figuren (gruppen), die im Stück eine Rolle spielen (sollen). Angeregt werden diese Übungen durch Vorstellungen von der spezifischen Kleidung, von Darstellungs- und Selbstzwängen. Die Schülerinnen aktivieren dabei eigene Körpererlebnisse, die ihnen einen Zugang auch zu ungewöhnlichen Wahrnehmumgs- und Kommunikationsweisen verschaffen können. Auf der Basis der erarbeiteten HabitusVorstellungen und angeregt durch Rollenvorgaben (Rollentexte, Bilder, Szenen aus der Textvorlage, Einfühlungsfragen), entwickeln die Schülerinnen dann Schritt für Schritt individuelle innere und äußere Haltungen für die Figuren, die sie spielen, sie schreiben Rollenbiographien, suchen nach Ffigur) Die Haltungen, Gesten und Szenen, die von den Schülerinnen während und durch die szenische Interpretation erarbeitet wurden, liefern das gestische Material für die Aufführung. Gemeinsam wird überlegt, was man den Zuschauern zeigen w ill und welche Erfahrungen diese dabei machen sollen. Unter diesen Gesichtspunkten wird dann die Fabel festgelegt: wichtige Szenen werden akzentuiert, nebensächliche gestrichen. Die Grundhaltungen der Figuren werden festgelegt und die Handlungen und Äußerungen, an denen diese sichtbar und ausgestellt werden können, bis in d ie einzelnen Szenen hinein verfolgt. Die Spielerinnen erarbeiten arbeitsteilig in Gruppen die Szene. in der sie ihre Haltung dem Publikum am besten deutlich machen können. Dabei bemühen sie sich um eine Darstellungsweise, die die zentralen gestischen Elemente hervorhebt. Sie verwenden dabei die theatralischen Mittel, die sie kennen, Standbilder. Slow motion, Beiseifesprechen von Gedanken, Einführung eines Erzählers usw. Die Szenen werden vorgespielt, die Beobachter sagen, was nach ihrer Meinung gezeigt werden sollte, was unklar war. was ablenkt, was verstärkt werden muß usw. Nachdem alle Szenen vorgespielt und diskutiert worden sind, werden gemeinsam die theatralischen Stilprinzipien festgelegt, die am meisten überzeugt haben. Der/die Spielleiterin kann anregen. neue auszuprobieren und hinzuzunehmen. Nach diesen Stilprinzipien werden anschließend alle Szenen überarbeitet. 41 Zum Abschluß noch einmal der Hinweis, das skizzierte Vorgehen versucht, die Ästhetik des Schultheaters von den Schülern und ihren Verhaltenspotentialen her zu entwickeln, ohne sich vorschnell auf ihre Alltagsbedürfnisse einzulassen. Die Rollen- und Szenenvorgaben werden dabei als Lebens- und Handlungsentwürfe verstanden, die Erfahrungsmöglichkeiten eröffnen, wenn sich die Schüler/innen im Spiel auf sie einlassen. Dies zu erreichen.darin sehe ich auch eine Aufgabe des Schülertheaters. "Der goldene Brunnen" - Auguslfehn UDer Widerspenstigen Zähmung" Saarlouis 42 ERICH UNGLAUB Literarisches Theater schon - aber wie? Jede Spielgruppe und jeder Spielleiter wird sich die Frage stellen müssen. ob ein Text spielbar ist. und sie für jedes Projekt des Schultheaters und jede Spielsituation neu (und anders) entscheiden müssen. Literarische Texte - zumal die von (alten oder modernen) Klassikern des Theaters können für sich a priori keinen Sonderstatus verlangen. auch wenn Deutschlehrer oder andere Philologen ihnen diesen Platz gern einräumen würden. Keine Spielgruppe wird mit gutem Gewissen nur 'Goethe' oder 'Kishon· spielen können und wollen; die Wahl des Stücks und des Autors ist keine Frage von Bockwurst oder Wiener Schnitzel. sondern die der Relevanz. Am Anfang des Spiels stehen die Themen. die aus dem Schulalltag kommen. aus der Situation der Jugendlichen. der kulturellen. sozialen oder politischen Situation. einem aktuell begründeten historischen Interesse usw. Sie führen in der Regel zur Suche nach einem Stück, in dem diese Fragen behandelt und entsprechende Situationen gestaltet sind. Erst auf dieser Ebene spielen die Texte eine wichtigere Rolle. Es genügt nicht. NRomulus" von Dürrenmatt spielen zu wollen. weil er einen Lacherfolg garantiert. Ebensowenig taugt Shakespeare für die Schulbühne. weil eine Gruppe Blankverse schön zu deklamieren gelernt hat. Solche Projekte mögen bequem sein. legitimiert sind sie nicht. Scheinbar entlegene literarische Texte können Gestalt gewinnen. wenn für sie ein aktuelles Spielkonzept vorhanden ist. Z.B. für Hofmannsthals Iod des Tizian" -gewiß kein 'Renner' im Spielplan- kann es um das Schwanken von jungen Leuten zwischen Nostalgie. Zukunftsangst. GuruVerehrung und Verdrängen von sozialen Problemen gehen. Goethes "lphigenieN kann das Stück einer Geiselaffäre. das Diskussionsmodell von Gewaltverzicht und Beilegung von Konflikten sowie das Verhältnis von zivilisatorischem Anspruch und imperialistischer Praxis sein. Faßbinders "Preparadise sorry nowN mag als Modell für die alltäglichen Unterdrückungs= mechanismen in unserer Gesellschaft dienen. Oft ist so nur eine Schicht des literarischen Textes im Spiel realisiert. Bei aller Offenheit der Kunstwerke kann Schultheater nie eine 'klassische' oder totale Interpretation eines Stückes bieten. sondern stets eine Interpretation in einem Spielkonzept. neben dem natürlich auch andere denkbar wären. Die bekannten Klassiker geben dem Schultheater aber auch Freih_eit. denn stets spielen andere Realisierungen. Interpretationen. die schon zu sehen gewesen sind (auf der Schulbühne oder dem professionellen Theater) mit. Der Zuschauer kann durchaus eine ganze Reihe von "lphigenien" in Erinnerung haben. wenn bei einer neuen Version eine neue (vielleicht sogar irritierende) Interpretation hinzukommt. Dies ist sogar das besondere Potential des literarischen Texts im Gegensatz zum selbstverfaßten Stück. Doch sollte nicht vergessen werden. es ist das Stück der Jugendlichen. Es sind ihre Erfahrungen und Verhaltensmuster. die das Spiel auf der Bühne entscheidend bestimmen. Und das sind auch ihre Grenzen. Charaktere. Figuren. die dieser Erfahrungswelt sich entziehen. sind psychologisch und spieltechnisch nicht leicht in den Griff zu bekommen. Der Fliegergeneral Harras in Zuckmayers #Des Teufels General# wird von Schülern nicht nachgespielt werden können - auch noch soviel historische Recherche vermag das nicht zu leisten. um von der Kunst des Maskenbildners ganz zu schweigen. Trotzdem ist das Stück zu spielen. wenn man ein anderes Potential des literarischen Textes mobilisiert. nämlich d ie lästigen Verdrängungsmuster. die Abenteuerlust. die phrasenhafte Kameraderie. die blanke Technikbegeisterung und ihre Folgen. die durchaus auch ihre Muster im Schulalltag haben. Diese g ilt es dann darzustellen. auch wenn der 2. Weltkriehg dann nur a ls Folie dient. Der gut gemeinte Rat. das Fremde. historisch Ferne. Widerborst ige im literarischen Theater zu suchen und möglic hst getreu darzustellen. ist zwar für Philologen verführerisch. geht aber weit von den Interessen des Schultheaters entfernt seine Bahn. Spielkonzepte. d ie darauf aufbauen. enden bestenfalls in der perfekten Historisierung, schlimmstenfa lls in Kostümund Kulissenfetischismus. Ein Stück für das Schultheater ist nicht schon gelungen. wenn das Bühnenmobiliar exakt gezimmert ist. Molieres lartuffeN darf sich nicht in edler Sprache. edlen Gesten und edlen Kostümen erschöpfen. kann aber z.B. zeigen. wie heutige Jugendliche Heuchelei erleben und verüben. Dies mag manchem zu einfach und eindimensional erscheinen. Doch Schüler verstehen sehr gut zu unterscheiden. Kaum einer Theatergruppe werden heute Brechts Lehrstücke. wie etwa "Jasager# und #Neinsager# widerspruchslos nachspielen wollen. Mit Recht werden sie auf d ie menschlichen Defizite der Lehre verweisen und diese in ihr Spielkonzept mit einbringen wollen. um ihre eigene Aussage nicht zu unterschlagen. Dies ist natürlich auch eine Veränderung des Klassikers und seiner Botschaft. Erfreulich ist das schon. weil daraus ein echtes Spiel mit dem Text entsteht. bei der die großen Autoren stets auf dem Prüfstand sind. 43 Überlegungen zum Literaturtheater in der gymnasialen Oberstufe Bühnenliteratur zu finden. spielen können und nicht oder ideelle Qualität von allem aber seinen zurückzustellen. -Schule hat. seitdem die Kultur eine schriftsprachliche geworden ist. die Aufgabe. junge Menschen in diese Kultur einzuführen. Sie ist eine Institution eben dieser Kultur. Beschäftigung mit Literatur eine Teilaufgabe der Schule. -Nach meiner Meinung fallen dann olle Stücke aus. die schwere Charakterrollen für Erwachsene und Alte enthalten. Rollen. die ihre Glaubwürdigkeit verlieren, wenn man sie für die jugendliche Spielmächtigkeit schematisiert und typisiert. -Dramen hoben mit anderer Literatur gemeinsam. daß sie gelesen werden können und auch in dieser Form einen Teil ihrer Kräfte entfalten. Andererseits sind sie für eine andere Vermittlungsform. für eine andere Rezeptionsweise geschrieben. nämlich für die Kulturinstitution "Bühne". Alle anderen Werke. insbesondere solche, die eben jene Typisierungen aufweisen. stehen der Schülerbühne grundsätzlich offen. REINHOLD KLINGE -Das heutige Nebeneinander von "Profis" und "Laien" hof es zu vielen Zeiten gegeben. Die heutige schulmäßige Ausbildung zum Beruf "Schauspielerin" oder Regisseurin" sowie die massive staatliche Unterstützung der Institutionen des Berufstheaters ist eine Entwicklung erst des letzten Jahrhunderts. -Wenn es gilt. doO Begeisterungsfähigkeit und natürliche Begabung heute wie zu Goethes Zeiten (W. Meister) die wichtigsten Voraussetzungen zum Darstellenden Spiel sind. so ist es nicht einzusehen. worum junge Menschen. wenn sie zusätzlich im die Handwerklichen geschult werden. Kulturerscheinung "Theaterspiel" nicht praktisch ausüben sollten. und zwar ausdrücklich über das gesamte Spektrum der Theaterliteratur hin. -Enkulturation als Hauptaufgabe der Schule würde im Bereich Drama dann also bedeuten. Werke von sprachlich/ gestalterisch hochbegabten Personen im dafür vorgesehenen Medium (Theater) kennenzulernen. und zwar in eigener. aktiver Tätigkeit. -Daß es im Bereich Theater heute jenes hochspezialisierte Profitum gibt. darf die Schule nicht davon entbinden. ihren Schülerinnen praktische Erfahrungen in diesem Kulturbereich zu ermöglichen. Die Schere zwischen der absoluten "Leistung" der eines eines Schulorchesters und Berufsorchesters liegt normalerweise ähnlich hoch. ohne daß die Leiter von Schulorchestern ein ähnlich schlechtes Gewissen hätten wie die Leiter von Schulbühnen. -Damit die Schere zwischen der darstellerischen wenig geschulten jungen Fähigkeit eines Menschen und den Anforderungen eines dichterischen Textes nicht zu groß wird (mit den Folgen, Frust beim Spieler. Langeweile oder Gelächter beim Publikum). ist es die Aufgabe des Pädagogen. solche Stücke aus der Fülle der die seine Spieler auch nur auf die sprachliche Stücken zu schauen. vor eigenen Regieehrgeiz -zu meinen wichtigsten Erfahrungen als Spielleiter gehört, daß ich, von der Theorie her zum selbstgemachten Stück neigend. von meinen Schülerinnen immer wieder zum Literaturstück gezogen wurde. Denn meine Schüler litten unter ihrer eigenen Unfähigkeit. Sprache bühnenwirksam zu gestalten. und fühlten sich ebenso herausgefordert wie geborgen. wenn sie sich dem Wort von Dichtern stellten, sich an ihm rieben und abarbeiteten. "Fausr - Berlin 44 CHRISTIANE MIENERT: Theaterarbeit ist Tischarbeit? Bericht zur Werkstatt von Victor Oller Mühselig haben wir Spielleiter uns von unserem verkopften Theaterverständnis gelöst. erkannt. daß zum Theaterspielen auch der Körper gehört und uns in den letzten Jahren durch so manchen "körperorientierten Workshop" gearbeitet. um nun in Bamberg mit einem langen Tisch. Stühlen und dem Text konfrontiert zu werden. Wer da meinte. daß dies nur der Einstieg sei. spätestens nach der Vorstellungsrunde Tische und Stühle in die Ecke verbannt würden. um Raum für Lockerungs= übungen verschiedenster Art zu schaffen. der sah sich getäuscht, zwei Tage lang saßen wir am Tisch und lasen. Victor Oller. Regisseur. Theaterwissenschaftler und Mitarbeiter von Georg Tabori zeigte seinen Arbeitsansatz zum Thema "Spiel mit literarischer Vorlage". In dieser Werkstatt ging es nicht darum. den Text ("Die Macht der Gewohnheit'' von Thomas Bernhard; in,Salzburger Stücke) zu verändern. eine Adaption zu erarbeiten. sondern Victor Oller zeigte uns die erste Arbeitsphase bei der Umsetzung eines dramatischen Textes in ein Bühnengeschehen. Der Arbeitsprozeß läuft hier über die ganz konsequente Textanalyse. das gemeinsame Aneignen des Textes. wie wir es aus dem Deutschunterricht kennen . Einzelne Sequenzen werden mit verteilten Rol len gelesen. alle Informationen. die direkt. ohne Interpretation aus dem Text zu entnehmen sind. werden in einem Informationsraster gesammelt. Erstaunlich war. wie schwer es uns fiel. auf jegliche Interpretation oder Wertung zu verzichten . Es bildete sich eine Grundstruktur der Figuren. ihrer Eigenschaften, Bewegungsabläufe, Kostüm= elemente, Requisiten etc. Dieses Informationsraster stellt die Grundlage für das Verständnis der Figur dar. Alle Spieler haben diese Informationen gemeinsam gesammelt. sich im Gespräch über die Figuren in ihrer Ganzheit Klarheit verschafft. Im nächsten Schritt kann das Beziehungsgeflecht. die Interaktionen auf der soliden Grundlage der Textinf~mation entwickelt werden. Hier ist jetzt der Raum für Interpretationen gegeben, unter= schiedliche Einschätzungen und Wertungen. Die Analyse bildet die Basis für die Abmachung der Spieler untereinander. Jede Figur (jeder Spieler) hat ein Spektrum an Informationen, "Tönen" verschiedenster Art; denn es zeigt sich, daß Figuren nicht immer eindeutig erklärbar sind, ein Raum für Spekulation und damit Freiheit für den Spieler vorhanden ist. Er hat nun die Möglichkeit. innerhalb der abgesprochenen Grenzen (entstanden in der Übereinkunft am Tisch), einzelne "Töne" der Figur herauszustellen. zu probieren, welche ihm als Person nahe liegen, welche ihm zunächst fremd sind. In seinem Spiel auf der Bühne wählt er aus dem Katalog der möglichen "Töne" aus. indem er immer seiner augenblicklichen Befindlichkeit nachgibt; in der ganzen Konzentration auf seine Person das Gesamtspektrum der Figur zwar intellektuell erfaßt hat. im Moment der Aktion aber auf sein spontanes Gefühl vertraut. das ihm den Weg zur Umsetzung weist. Im Idealfall sollte dies jeder der Spieler tun. Da die Basis. die Abmachung abgesprochen ist. ergibt sich an jedem Theaterabend ein anderes Spiel, eine Variante, die niemand zu Beginn der Aufführung vorhersehen kann. Eine gelenkte Spontaneität also. eine Lebendigkeit des Augenblicks. Voraussetzung für diese sensible Form der Arbeit ist natürlich das konzentrierte Ensemblespiel. das Eingehen und Beobachten des Partners. das Mit-ein-ander-spielen im Sinne des Wortes. Der Schritt vom Tisch zur Bühne ist naturgemäß der schwerste. Bedauerlich war, daß wir aufgrund des Zeitmangels dazu nicht mehr kamen. Denn nun müßten die Spieler durch entsprechende Übungen auf das Spiel vorbereitet werden (Sensibili= sierungsübungen für den eigenen Körper, den Partner. den Umgang mit dem Requisit und dem Raum). Ganz besonders d ie Übungen aus der Straßberg Methode sind für diese Theaterarbeit geeignet. Sie gehen von dem Grundgedanken aus, daß ein Spieler nur das überzeugend darstellen kann. was er selber erfahren hat. bzw. was er aus seiner persönlichen Erfahrung projizieren kann. Es soll das eigene Gedächtnis reaktiviert werden. um es für die Rolle nutzbar zu machen. Immer steht die Person des Spielers mit seinen biographischen Erfahrungen im Mittelpunkt. Ohne Frage ist diese Art der Theaterarbeit wohl nur auf den Oberstufenbereich des Schultheaters übertragbar, da sie zunächst rein intellektuell orientiert ist und erst im zweiten Schritt den Körper und die Gefühle aktiviert. Überzeugend war für mich. daß hier die szenische Konzeption gemeinsam erarbeitet wird. der Spielleiter oder Regisseur also keine autokratischen Vorentscheidungen trifft, sondern zum Mitdenker und Mitspieler wird. Ich glaube, daß diese Art der Arbeit zutiefst demokratisch und menschen= freundlich ist und helfen könnte, autoritäre Strukturen auch im Schultheater abzubauen. Daß letztendlich der Spielleiter in der Endphase dann doch zum Organisator des Bühnengeschehens wird, liegt in der Natur der Sache. nur daß hier alles auf der Absprache und gemeinsamen Entwicklung einer Konzeption beruht. 46 Arbeitsgruppe: Produktionen Probleme textnaher 1. Textnahe Produktion im Schultheater Spielleiter bevorzugen textnahe Produktionen nicht nur aus sich heraus. sondern oft auch. weil sie die Schüler dazu drängen. Auch das typische Schultheaterpublikum scheint es zu lieben. Texte wiederzuerkennen. Diese Feststellungen treffen eher auf Spielleiter zu. die noch keine spezifische Fortbildung mitgemacht haben, und auf Schüler und Zuischauer. denen andere Möglichkeiten des Schultheaters noch weitgehend unbekannt sind. Dem Spielleiter nimmt die textnahe Produktion scheinbar den Teil der Arbeit ab. den er bei der Eigenproduktion und auch bei einem eigenständigen Adaptieren des Textes erst leisten muß. nämlich die Strukturierung des Stücks. die Texterstellung, das Umsetzen in Bewegung im Raum. Gestik etc. Den Schüler reizt es. sich wie der große Schauspieler an fremden Rollen abzuarbeiten. und glaubt. das nur zu können. wenn er sich möglichst nah an den Text hält. 2. Problematik der Stückauswahl durch den Spielleiter Ein solches Vorgehen ist durchaus noch üblich und wird auch von vielen Schülern erwartet. Wieweit bei einem solchen Vorgehen sich noch ein Proteß entwickeln kann. der die Schüler wirklich mit einbezieht. eine wichtige Voraussetzung, um den Text dann auch einem Publikum zu vermitteln. hängt von der Offenheit. der Flexibilität und sicher auch von den Fähigkeiten des Spielleiters ab. Er muß. bevor er das Stück einbringt. die Stückanalyse nicht nur immanent. sondern auch in Bezug auf die Umsetzung durch die Gruppe geleistet haben. Er muß bereit sein. das Stück auch zu verändern oder gar zu verwerfen. 3. Vom Thema zur fertigen Textvorlage Wird mit einer Gruppe im Spiel zunöchst ein die Gruppe interessierendes Thema erarbeitet. so kann aus einer solchen Arbeit im Hinblick auf eine Aufführung eine Eigenproduktion oder eine an der Textvorlage orientierte Produktion werden. Auf diesem Wege zu einem Text zu kommen. hat den Vorteil, daß vom Thema her die Nähe zur Gruppe eher gegeben ist. als wenn der Spielleiter den Text vorgibt. Die Schülernähe zu Form und Sprache ist damit noch nicht gegeben. Aber auch. wenn ein gemeinsames Thema in der Gruppe gefunden wurde. so ist es dann doch immer noch (besonders für weniger erfahrene bzw. belesene Spielleiter) schwierig, den geeigneten Text zu finden. Spielberatungsstellen und einschlägige Veröffentlichungen können hier helfen. 4. lnwiesweit ist es möglich. mit den Fähigkeiten von Schülerspielern textnah zu produzieren? Das Gelingen einer textnahen Produktion hängt davon ab. wieweit die Spielmöglichkeiten einer Gruppe der Textvorlage entsprechen. Je differenzierter der Text. desto unwahrscheinlicher ist es. daß die lmaginationsfähigkeit und die Darstellungsfähigkeit der Schüler ausreichen. um ihm gerecht zu werden. Zeitliche Ferne. eine schwierige Sprache (z.B. Verse). aber auch Problemstellungen. an die das "emotionale Gedächtnis" der Schüler nicht heranreicht. sollten den Spielleiter warnen. zu solchen Texten zu greifen. Zu den Spielmöglichkeiten der Gruppe gehören selbstverständlich auch die räumlichen und technischen Möglichkeiten. 5. Wie ist das Problem der Textkürzung zu sehen? Bei fast allen Textvorlagen muß der Text gekürzt werden. es sei denn. der Spielleiter greift zu einer Textvorlage. die schon für die Schülerbühne erstellt wurde. Auch dann aber ist darauf zu achten. ob die Kürzungen dem entsprechen. was die Gruppe . bei dem ausgewählten Stück in den Vordergrund rücken möchte. Kürzungen können nur vorgenommen werden. wenn Fragen wie diese beantwortet werden , - Welches Ergebnis bringt die Stückanalyse in Bezug auf die Gruppe? - Was soll besonders herausgearbeitet werden? - Sollen einzelne Rollen. Figurenkonstellationen oder das historische oder das psychische Geschehen im Mittelpunkt stehen? - Wie können Informationen dem Zuschauer mitgeteilt werden. die durch Textkürzung verlorengehen? - Inwieweit ist Text durch andere Ausdrucksträger zu ersetzen? - Inwieweit bleibt durch die Kürzungen noch das am Text Wesentliche erhalten? 6. Welche Möglichkeiten gibt es. einen fertigen Text zu erspielen? Auch in einer textnahen Produktion muß der Text erspielt werden. Die rein sachliche Information über den psychischen. sozialen und historischen Kontext ist notwendig. aber reicht nicht aus. Im Umgang mit Kostümen und Requisiten. in der Arbeit mit Körperhaltungen und Standbildern kann im Spiel viel erfahren werden. Rollenbiographien. Improvisationen neben dem Text und das Spielen kurzer Textausschnitte in Variationen eignen sich. damit die Spieler den potentiellen Reichtum der Figuren entwickeln lernen. 47 Arbeitsgruppe: Adaption einer epischen Vorlage Voraussetzung für die Bearbeitung eines dramatischen Textes ist. daß das Thema des Textes die Spielgruppe interessiert. Respektlosigkeit gegenüber einem Text ist nicht nur erlaubt. sondern gut. richtig, erwünscht. Allerdings müssen die Probleme und Gefahren, die mit einer Textzertrümmerung einhergehen, der Spielgruppe und besonders dem Spielleiter bewußt bleiben: - ungewollte Stilbrüche - sprachliche Divergenzen - Verlust der dramaturgischen Einheit und des inhaltlich schlüssigen, verständlichen Ablaufs Am Beispiel zweier Inszenierungen (-Rattenfänger", Musical frei nach Carl Zuckmayer. und "Die Launen der Verliebten- nach J.W. v. Goethe) konnten zwei unterschiedliche Wege der Adaption herausgearbeitet werden , Der ursprüngliche dramatische Text (hier, Zuckmayers -Rattenfänger") wurde als Steinbruch verwendet. der zur Adaption einlädt aufgrund seines Themas, seiner Figurenfülle, seiner MusicalEignung, seiner Problemfülle und Aktualisierungsfähigkeit. Instanz ist hier die Sache. Die Inszenierung will zu kritischer. distanzierter Betrachtung wichtiger gesellschaftlicher Fragen hinführen. die im Originaltext auuch angesprochen. aber heute auf andere Weise erlebt werden. Hier wird der Text nicht nur sprachlich variiert und aktualisierend "übersetzt", sondern unter Zuhilfenahme moderner Zusatztexte (hier, Auszüge aus Günter Grass -Die Rättin", journalistische Texte) streckenweise umgeschrieben. In dieser Adaptionsmethode besteht die Gefahr der Textklitterung und damit der unbewältigten inhaltlichen und stilistischen Widersprüche. Um dies zu vermeiden. könnte die Montage mit scharfen Schnitten arbeiten. Die dramaturgische Einheit kann von der bekannten Fabel gestiftet werden. darüberhinaus aber noch deutlicher von dem stilistischen Prinzip der Produktion. 1. Die Gruppe setzt sich das Ziel. die Tiefe der Möglichkeiten. die im Text stecken. in voller Freiheit in Spielexperimenten auszuloten. wobei alle Mittel der Verfremdung erlaubt sind (hier, Verfremdung der Schäferspiel-Ebene auf Punkerund Ctownsebene). Bei aller Verfremdung, Aktualisierung und Variierung bleibt der ursprüngliche dramatische Text (hier: Goethes -Launen der Verliebten") die Instanz. von der nicht nur ausgegangen, sondern zu der auch wieder hingeführt wird. Die Inszenierung zeigt einen spielerisch reizvollen Zugang zu dem Werk. dessen thematische Zeitlosigkeit, dramaturgische Schlüssigkeit und sprachliche Differenziertheit sie überraschend sinnfällig macht. Gefahren in dieser Adaptionsmethode liegen darin, daß sich der Reiz/Witz der sprachlichen Eine schnell erschöpft. Kontrastierung durchgehende Wiederholung der Szenen auf den anderen Ebenen wäre langweillig. Ein sorgfältig kalkuliertes Konzept der Montage ist hier unerläßlich und bewirkt -wie die Aufführung bewies- eine Steigerung. Wege der Montage waren hier neben der direkten Wiederholung in Punkersprache fließende Übergänge zwischen den Ebenen, Verzahnung der Ebenen . Kreuzung der Figuren (Schäfertext aus Punkermund und umgekehrt). 2. Zu dem Thema. das die Gruppe im Text aufgefunden und das sie sich zum Schwerpunkt gesetzt hat werden Ergänzungstexte und materialien gesucht und in ein Spiel einbezogen. das die Gruppe thematisch stark angeht. "Rattenfönger" - Hamburg 48 Arbeitsgruppe: Ändern ohne den Text zu ändern Vorbemerkung. die für alle unsere Elemente gilt: Sie dienen zur Akzentuierung, Charakterisierung, Unterstreichung, lronisierung, Verfremdung. Sie alle sind Wirkungselemente des Gesamt- Zeichen-Weks einer Inszenierung, müssen also aus einer Konzeption entwickelt werden. Bedacht werden muß immer: Auch stimmliche und Ton-Effekte stehen in der Gefahr der Effekthascherei oder Inflation. Sie sollen sich nicht verselbständigen. Ein erwartetes Publikum muß mitbedacht werden. Stimmverstellung in der Stimmlage Beispiele, "Geheime Freunde" "Rattenfänger" Bemerkung , Nicht Quetschen ("Knödeln")! Die Grenze zwischen gekonnter und peinlicher Verstellung ist dünn. SchülerlNNEN bevorzugen diese Weise der Verstellung über Gebühr. Parallel- und Chorsprechen Beispiele, "Neinsager" Bemerkung , Nur verwenden, Präzision erreichba r ist. wenn äußerste Dialektfärbung als Stilm ittel SPRECHWEISEN, TÖNE UND GERÄUSCHE Beispiele, "Laune der Verliebten" Bemerkung , Nic ht um jeden Preis sich Publikum anbiedern (Klamotteneffekt) Singen statt Sprechen und umgekehrt Beispiele, ein Brecht-Song gesprochen Bemerkung , Das Gesungene darf sich nicht verselbständigen. keine unbewußte ·sängerpose", wennn sie nicht verlangt wird Akzentuieren, Rhythmisieren, Metrisieren. Wiederholen, Verändern der Satzintonation Beispiele, "Neinsager" "Laune der Verliebten" Bemerkung , Damit kann die Sprache als Sprache, als Kunstmittel gut bewußt gemacht werden Bewußtes Setzen unerwarteter Stelle) von Beispiele: "Neinsager" "Geheime Freunde" Pausen (auch an dem Geräusche und Einzeltöne Beispiele, "Neinsager· Bemerkung , Hand lung sa uslösende Geräusche und Töne von atm osphä ri sc he n unterscheuden (Vorsicht bei letztere n!) Veränderung und Ve rstä rkung der Stimme mit technischen M itte ln, Einsatz von Tonträgern neben der menschl ic he n Stim me Beispiele, (im Film nic ht enthalten) "Laune der Verliebten" Bemerkung , Pausen dürfen keine "Löcher" werden • sie sollen Spannungen zwischen den Figuren aufbauen, nicht zerstören (auf die Gestik achten!). Sie sollen nicht um ihrer selbst willen gesetzt werden. Bemerkung , Die m oderne Technik hält vielerlei Möglichke iten pa ra t. Der Versuchung muß man auch w iderstehen können. Veränderung der im Text angelegten Gemütslage, Lachen, Ernst, Weinen gegen den vordergründigen Textsinn Beispiele, (im Film nicht gesehen) Lautstärkeveränderung (auch Stelle), Flüstern und Schreien Beispiele, "Neinsager" "Geheime Freunde" an unerwarteter "Laune der Verliebten" bleibt oberstes Bemerkung , Verständlichkeit Gebot. Unartikuliertes Gebrüll ist meist peinlich. Bewußte Tempowahl. Sprechtempo in Spannung zum Satzsinn Beispiele: "Neinsager" "Geheime Freunde" Bemerkung , Sprechtiming immer im Bezug zum Spieltiming. Bei gesteigertem Sprechtempo Verständlichkeit beachten. Sprechtechnik-Defizite bei SchülerlNNEN beachten. Bemerkung , Nur für spielmächtige Jugendliche Einsatz von Musik (s.Fachtagung Lübeck) Beispiele , "Laune der Verliebten" 49 Beispiel Shakespearecompany , Frauen ihre toten Männer auf dem Schlachtfeld. Mittel des Körpertheaters und Elemente. die der Text nicht vorsieht. suchen rhythmische Vorhandene sportliche, artistische und tänzerische Fähigkeiten der Schüler nutzen. Textstellen in Bilder umsetzen (Tablaeu. Pyramide). Z.B. in Jahrmarktszenen, Rauf- oder Festszenen. Widersprüche Text I Musik - Gestus Körpergestus gegen die Textoberfläche. Text erfordert aggressive Haltung- Spieler agieren lustvoll. Beispiel Laune der Verliebten , Schäferpaar Rockmusik. Punkpaar - klassische Musik. Körperlichkeit gegen den Strich Beispiel , Der Stärksten. schwächste Spieler spielt den Zusätzliche Gestaltungsmittel wie Puppen, Masken, Schattenspiel und Schwarzes Theater - zur Charakterisierung von Funktionen (Goldene Maske - König) - zur Darstellung von Autoritätspersonen (Große Köpfe - Lehrer) - zur Entlastung des Spielers in sensiblen Bereichen (Liebesszenen im Schattenspiel) zur Realisierung einer (Traumszene im Schwarzlicht) weiteren Ebene 'Wir sind noch einmal davongekommen· Bremen 50 Arbeitsgruppe: Verändern durch szenische Gestaltung Die jeweils besondere Situation einer Spielgruppe zu viele Mädchen. zu viele Mitwirkende, große Altersunterschiede - muß gerade im Umgang mit literarischen Vorlagen nicht zwangsläufig als Belastung empfunden werden und vorschnell zum Einverständnis mit "Notlösungen" führen. Bereits in der Phase der Grundlagenarbeit und dann während der Erarbeitung eines Stückes können Verfahren. die zur Veränderung der Stückvorlage führen, produktiv genutzt werden. Folgende Möglichkeiten bieten sich an, -- Figuren- und Rollensplitting Geschlechtertausch - Ersetzen von "alt" durch "jung" und umgekehrt - Sozialer und historischer Rollentausch Solche Verfahren sind dann nicht als unumgängliche Defizite zu sehen, wenn Problem und Wirkung des jeweiligen Verfahrens reflektiert und als spezifische Möglichkeit des Schultheaters genutzt werden. Szenische Interpretation (vgl. Ingo Scheller) erlaubt den Spielern über Einfühlung, Unterbrechung, die Verfremdung und Selbstverständigung Erarbeitung von individuellen und gemeinsamen Haltungen sowohl zu Vorgaben des Stückes als auch zu eigenen Themen, Erfahrungen und Problemen. Darüberhinaus können entsprechende Gestaltungsmittel wie Puppen, Maskenspiel, schwarzes Theater und Stilmittel wie Verzerrung und Groteske dort zu eigenständigen und dem Schülertheater entsprechenden Ergebnissen führen, wo individuelle Voraussetzungen und die Leistungsfähigkeit der Gruppe eine spielerische Realisierung zunächst unmöglich erscheinen lassen. ROLLEN UND FIGUREN Splitting Aufteilung einer Rolle auf zwei oder mehrere Spieler, um unterschiedliche Aspekte einer Figur herauszustellen, schwierigen Text führte das bei vielen Zuschauern zu Verständnisproblemen . Beispiel Laune der Verliebten: Unter Beibehaltung originalen Textes wurde mit einer des Verdoppelung der Personen gearbeitet, was eine Transformation in die heutige Zeit ermöglichte und damit die Zeitlosigkeit des Themas zeigte. Beispiel Sturm, Das Splitting des Ariel ermöglichte eine lebendigere Darstellung. Geschlechtertausch Alle Rollen gegengeschlechtlich besetzen oder nur an einer oder mehreren Stellen mit bestimmten Intentionen. Beispiel Widerspenstigen Zähmung, Bei Sly und Bartholomäus führte der Rollentausch zu größerer Einsicht in die Problematik des anderen Geschlechts (bei den Spielern wie den Zuschauern). Alt gegen Jung Beispiel, Der jüngste Autoritätsperson dar. Spieler stellt eine Historischer und sozia ler Rollentausch Figuren werden aus vorgegebenen Bezügen heausgelöst und in einen neuen Zusammenhang gesetzt, um eine Idee deutlicher zu konturieren - um einen stärkeren Bezug Jugendlichen herzustellen. zur Welt der MITTEL DES KÖRPERTHEATERS Temporegie Durch Verlangsamung oder Beschleunigung der Bewegung die Aussagen des Textes gewichten. Beispiel Neinsager, Das extrem langsame Gehen in den Bergen betont die Schwierigkeiten des Aufstiegs. Beispiel Rattenfänger, Oberstadtmafia. Stilisiertes Gehen der Spielen ohne Worte - widersprüchliche Charakterzüge Ergänzend oder kontrastierend - verborgenen Haltungen Beispiel Neinsager: Der Chor kommentiert durch Blickkontakt und durch Aktionen (Steigen auf Strickleitern). - historische und soziale Varianten Beispiel Tasso: Ansatz war Mehrfachsplitting der weiblichen Hauptrolle. Dadurch wurde ein Nebenaspekt in den Mittelpunkt gerückt. Bei dem Beispiel Laune der Verliebten, Die Clowns ahmen alles nach. 51 Arbeitsgruppe: Politisches Schultheater Thema: Jugend im Faschismus "Die Mädchen von Viterbo" "Geheime Freunde" 1. Wie ist die Gruppe auf das Stück/Thema gekommen: a) Viterbo : Die Gruppe entschied sich für das Thema · Faschismus" aus aktuellem politischen Anlaß (Erstarkung der Republikaner in der Umgebung). Sie wollte Geschichte aufarbeiten, sich selbst als von der Geschichte geprägt erfahren. Betroffenheit auslösen. Der Stoff schien geeignet. da es um allgemeinmenschliche Erfahrungen (Tod, Liebe) geht, die unter den besonderen geschichtlichen Bedingungen besondere Bedeutung bekommen. b)Geheime Freunde: Der Gruppe gefiel die "Story" - die geschichtliche Dimension war eher nebensächlich -. suchte nach Identifikationsmöglichkeiten für Spieler und Zuschauer , jugendspezifische Problematik (Freundschaft, Auseinandersetzung mit der Welt der Erwachsenen). 2. Warum hat die Gruppe das Stück gemacht: vielen Zuschauern emotionale Betroffenheit. ANMERKUNGEN Problematisch schien die Rahmenhandlung und der Wechsel der Spielebenen bei Viterbo: Kann Angst erzeugt werden, wenn der Zuschauer "bedrohr wird? Ist er sich nicht immer der Theatersituation bewußt? Muß der Zuschauer selbst Angst empfinden, um Angst zu verstehen? Unter welchen Bedingungen kann auf der Bühne z.B. Angst erzeugt werden? Die Spieler müssen in Analogsituationen erfahren. was Angst ist, selbst Angst erleben - Erzeugung von Angst hängt nicht von den Mitteln, sondern von der inneren Haltung der Spieler ab. Die Spieler müssen möglichst vergleichbare Erfahrungen machen, damit die Einfühlung nicht zufällig ist. Waren die Wechsel der Spielebenen schlüssig? Eignet sich dieses Stück für solche Umsetzung? Wurde durch die Abstraktion die Parallelität/Gegenläufigkeit (Wunsch nach Angst vor Gefundenwerden) verloren? FAZIT Die beiden Stücke haben gezeigt, daß emotionale Betroffenheit, die Möglichkeit der Identifikation mit Figuren und Problemen für ein jugendliches Publikum ein guter Einstieg in die Auseinandersetzung mit Geschichte/Politik sein kann. werden? Beide Gruppen wollten Betroffenheit bei den Zuschauern auslösen. 3. Welche Mittel wurden eingesetzt. um Betroffenheit auszulösen: a)Viterbo: Die Gruppe hat mit einer Rahmenhandlung und drei Spielebenen gearbeitet. Durch die Rahmenhandlung sollte der Zuschauer direkt angesprochen werden, er sollte wie die Menschen in einem totalitären Staat Angst empfinden. Die eigentliche "Story" besteht aus den Szenen mit dem Großvater und dem Mädchen und den Szenen in den Katakomben. Während die Szenen mit dem Großvater und dem Mädchen textgetreu gespielt werden, werden die Katakombenszenen meist ohne Text durch choreografiertes Bewegungsspiel oder Tanz dargestellt. Dazwischen sind kommentierende und kontrastierende Texte eingestreut. b)Geheime Freunde, Durch möglichst dichtes. intensives Spiel sollen die Zuschauer vom Einzelschicksal angerührt werden. ERGEBNIS Vilerbo, Durch den Wechsel der Spielebenen wurde Distanz erzeugt. Gehejme Freunde : Die Gruppe erreichte bei "Geheime Freunde" - Rendsburg r 52 Videofilm: Spiel mit dramatischen Vorlagen Wie auch zu den anderen "Schultheatern der Länder" haben Hans Rambeck und Johanna Peltner-Rambeck über das Treffen einen Videofilm erstellt (VHS- ca. 50 min.). Der Film konzentriert sich auf Aus&chnitte aus den in Bamberg gezeigten Produktionen. Inhaltsübersicht, l. "Launen der Verliebten" - Essen 2. "Faust I" - Berlin 3. lasso"- Kassel 4. "Der Widerspenstigen Zähmung" - Saarlouis 5. "Wir sind noch einmal davongekommen" Bremen 6. "Rattenfänger" - Hamburg 7. "Erinnerungen an Bertolt ß," - Kaiserslautern 8. "Neinsager" - Augsburg 9. "Der goldene Brunnen" - Augustfehn Einblick in einige Werkstätten 10. "Mädchen aus Viterbo" - Sulz ll. "Geheime Freunde" - Rendsburg Zu allen "Schultheatern der Länder" sind Dokumentationen und Filme erschienen: "Schultheater und Freies Theater" / Hamburg 1985 "Schultheater und Musik" / Lübeck 1986 "Schultheater und körperorientiertes Theater" / Braunschweig 1987 "Eigenproduktionen im Schultheater" / Tübingen 1988 "Spiel mit dramatischen Vorlagen" / Bamberg 1989 "Spiel mit Masken" / Trier 1990 Theoretischer Nachtrag zum Spiel mit dramatischen Vorlagen , Stückauswahl Texteinrichtung Szenische Realisation Alle Dokumentationen (jeweils 6.- DM) und Filme (jeweils 50.- DM) sind über Ulrike Lück, Yorckstraße 11. 2400 Lübeck zu beziehen. 53 Teilnehmer der Fachtagung: Christei Koschmieder. Oldenburg• Michael Schwarzwald, Beverungen Ulrike Krug, Berlin• lnge Sewig. Berlin Sacha Anema. München• Ulrike Kügler. München• Rita Aussem. Saarbrücken• Hildegunde Latsch. Hamburg Renate Socha-Cetinyilmaz. Münster Peter Badel. Breme~~ Elisabeth Lebender. lsmaning• Pascale Berger. Berlin• Renate Lehrke-Pinnow. Göttingen•• Hannelore Bollinger. Hamburg Beate Lente. Hamburg• Renate Breitig. Berlin Hans-Hubertus Lenz. Burgdorf„ Clous Bubner. lDbeck Elinor Lippert. Horgau Alice Burger. Bamberg· Gerhard Lippert. Horgau Karl-Heinz Burger, Bamberg Bernd Lippold, Bremen Hans Chiout. Gießen• Milo Lohse. Hamburg* Christian Döge. München• Ulrike Lück. Lübeck• Wolfgang Douven. PulhermBrauweiler„ Elke Meimersdorf. lDbeck Helgard Mercier. Saarbrücken•• Herwig Dowerk. Hannover• Rainer Metzger. Saorwellingen• Sybille El-Kerk. Hamburg Christiane Mienert. Lübeck Christine von Endert-Saillet. Petersberg Ulrike Morgenstern. Hamburg• Herbert Enge. Hamburg• Prof.Günter Erken, München* llka Feicht. Berlin' Frank Müller. Berlin' Gerd Müller-Droste, Frankfurt* Hans Neumann. Hamburg• Günter Frenzel, Oberschleißheim Ulrike Niederländer. Klein blittersdorf/Saa r Doris Fuhrmeister, Wilhelmshaven·• Karin Oeljeklaus. Bremen Winfried Steinl. SulzbachRosenberg• Andrea Stephan. Hamburg• Ulrike Stolle. Berlin• Dieter Stollenwerk. Berlin Maria Stroetzel. Berlin* Wolfgang Sutter. Niederstaufen* Robert Tilting. lDbeck* Christiane Veihelmann• John Wadsworth. Walsrode„ Heinrich Waegner. Netphen lrene Wagner. Soest" Christian Waluszek. Bochum Klaus Wegele. Rottenburg Rita Weiß. Calw •• Karl-Heinz Wenzel. Bremen Klaus Wiemann• Klaus Wildermuth. Augsburg• Harriett Wolff. München • Victor Oller. Barcelona• • nur in Bamberg anwesend. Johanna Peltner-Rambeck. München •• nur in Bremen (2. Teil) anwesend Günther Grosche, Bremen• Jutta Gruber. Neu-Ulm* Sabine Peters, Hannover• Petra Günther· Liselofte Prinz, Stuttgart' Wolfgang Gufler, München• Hans Rambeck. München Helga-Maria Hack. Mainz Peter Rein. Wien• Heiner Hegeler, Bremen Joachim Reiss. Frankfurt Frank Herdemerten, Essen• Horst Rödinger. Hamburg Ulrich Hesse, Hamburg Thomas Röttger. Weilheim* Hans-Hermann Hille, Bremen Angelika Rückert. Hannover Harald Hilpert, Braunschweig Peter Sacher. Langenfeld* Henning Hörmann, Ebersberg• Ingeborg Sambeth. Berlin* lrmgard Hutr Prof.Ingo Scheller. Oldenburg• Ute Ena laconis, Weilerbach Reinhold Schira, München Ingrid Irrlicht, München· Frank Schindler. Soesr Vera Kalb. Saarbrücken Wulf Schlünzen. Hamburg Heidi Koppler· Rolf Schmidt. Bremen• Dieter Kettler. Gnarrenburg„ Jürgen Schmitz. Bremen• Peter Klammer, Berlin' Gisela Schnizer. Obersulm* Reinhold Klinge. Lübeck Brigitte Schröder. Berlin• Franzisca Gottlieb, München•
© Copyright 2024 ExpyDoc