Die Geschichte vom taxifahrenden Anwalt, in

DeutscherAnwaltVerein
Aufsätze
7/2015
Juli
Greger: Überlange Gerichtsverfahren
Prütting: Schiedsgerichtsbarkeit
Merkt: Regierungsentwurf Syndikusanwalt
Hartmann/Horn: Angestellter (Kanzlei-)Anwalt
Kilian: Taxifahrender Anwalt?
Ewer+Maas+Jaeger+Kleine-Cosack+Busse:
66. Deutscher Anwaltstag
536/541
546
552
560
563
ab 567
Magazin
Magazin
Trends
Volker
– der
Weil
eineHeinz
Reform
Der
Grenzgänger
Juristenausbildung
nie kommen wird …
Jura plus
Oberhäuser: Fachanwalt Migrationsrecht
590
Aus der Arbeit des DAV
66. Deutscher Anwaltstag: „Streitkultur
im Wandel – weniger Recht?“
ab 594
Rechtsprechung
EGMR: Meinungsfreiheit des Anwalts
BAG: Angestellter Kanzleianwalt
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626
Anwaltsblatt Jahrgang 65, 7 / 2015
Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins
herausgegeben von der Rechtsanwältin und
den Rechtsanwälten:
Edith Kindermann
Herbert P. Schons
Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen
Editorial
M 187
Licht und Schatten
536
Rechtsanwalt und Notar
Herbert P. Schons, Duisburg
Herausgeber des Anwaltsblatts
Aufsätze
Magazin
Anwaltspraxis
Trends
Überlange Gerichtsverfahren:
Handlungsoptionen
und Anwaltspflichten
541
Christian Bommarius, Berlin
M 192
Interviews mit Rechtsanwalt Uwe Hornung
und Prof. Dr. Martin Henssler
Überlange Gerichtsverfahren:
Vorbeugen ist besser als heilen
Prof. Dr. Reinhard Greger, Erlangen
Kein Schutz für Whistleblower
546
Kann Europa auch „digital“?
Kommentar
590
Schiedsgerichtsbarkeit ist
Anwaltssache!
Nachrichten
M 207
Stellenmarkt des Deutschen
Anwaltvereins
M 214
Bücher & Internet
M 218
Deutsche Anwaltakademie
Seminarkalender
Prof. Dr. Dr. h.c. Hanns Prütting, Köln
Gastkommentar
Anwaltsrecht
552
560
628
Fotonachweis, Impressum
Syndikusanwalt als „rechtliches
Gewissen“ der Unternehmen
Rentenbefreiung: Was jeder
angestellte Anwalt wissen sollte
Rechtsanwalt Peter Hartmann und
Rechtsanwalt Jan Horn, Berlin
563
Nachgefragt, Comic,
Mitglieder-Service
Urban Legend-Check III:
Der taxifahrende Anwalt
Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln
66. Deutscher Anwaltstag
567
Grußworte: Wolfgang Ewer
und Heiko Maas
573
Die Stärkung des Rechts durch
eine gewandelte Streitkultur
Dr. h.c. Renate Jaeger, Schlichterin der
Rechtsanwaltschaft, Berlin
578
Anwälte und ihr Berufsrecht:
Tabuisierung im Labyrinth
des Schweigens
Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack,
Freiburg i.Br.
581
DAV-Pressepreis 2015
Laudatio von Rechtsanwalt Felix Busse,
Troisdorf
Bücherschau
583
Juristenausbildung
Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln
M 188
AnwBl 7 / 2015 Mantel
591
Transparenz in der Justiz:
Die Mauer muss weg!
Dr. Melanie Amann, Der Spiegel
Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M, Freiburg i. Br.
Schlussplädoyer
M 220
Migration: Verpasst die
Anwaltschaft etwas?
Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser, Ulm
Rechtsanwältin Britta Kynast, Brüssel
M 194
Der neue Trend: Jura Plus
Prof. Dr. Reinhard Greger, Erlangen
Nachrichten
M 190
586
Redaktion:
Dr. Nicolas Lührig
(Leitung)
Udo Henke
Manfred Aranowski
Rechtsanwälte
Anwälte fragen nach Ethik
592
Möglichkeiten und Grenzen
der Strafverteidigung
DAV-Ausschuss Anwaltsethik und
Anwaltskultur
MN
Soldan Institut
Soldan Institut
Der Fakten-Check zu einer modernen Legende:
Rechtsanwalt und Zweitberuf
Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln
Im Rahmen der Überprüfung einiger moderner Mythen der
Anwaltschaft (siehe bereits AnwBl 2015, 398; 2015, 478) geht
das Soldan Institut in seinem „urban legend“-Check in diesem Monat dem Bild des „taxifahrenden Rechtsanwalts“ auf
den Grund. Es steht sinnbildlich für einen Teil der Anwaltschaft, der aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen
sein soll, sich zusätzliche Einkommensquellen zu erschließen, weil die Anwaltstätigkeit nicht auskömmlich ist. Der
Beitrag zeigt, dass junge Anwältinnen und Anwälte durchaus
Nebentätigkeiten ausüben – die Existenzsicherung ist hierfür
allerdings ein eher nachrangiger Grund.
I. Einleitung
Wer hat sie nicht schon einmal gehört – die Geschichte vom
taxifahrenden Rechtsanwalt, der seine Arbeitszeit unfreiwillig
nicht ausschließlich in seiner Kanzlei, sondern auch hinter
dem Lenkrad eines Taxis verbringt, weil die Tätigkeit als
Rechtsanwalt das Auskommen nicht hinreichend sichert. Besonders häufig taucht das Bild vom taxifahrenden Rechtsanwalt, dies zeigt die Eingabe als Suchbegriff in eine ungenannt bleiben wollende Internetsuchmaschine, in Vorträgen oder Interviews von Funktionären, Blogbeiträgen von
Anwaltskollegen oder Zeitungsartikeln zum Anwaltsmarkt
auf. Jenseits von solchen Erzählungen ist der taxifahrende
Rechtsanwalt freilich eine elusive Gestalt1: Veröffentlichte anwaltsgerichtliche Rechtsprechung, die die (mittlerweile zweifelsfreie) Vereinbarkeit einer Paralleltätigkeit im Transportgewerbe mit § 7 Nr. 8 BRAO ausdrücklich hätte klarstellen
müssen, ist in all‘ denen Jahren, in denen die Geschichte vom
taxifahrenden Rechtsanwalt erzählt worden ist, nicht bekannt
geworden.2 Man berichtet sich sogar von nicht nur einem Feldversuch von Anwaltsfunktionären, die bei dienstlicher Nutzung eines Taxis ihren jeweiligen Fahrer dazu einvernommen
haben sollen, ob man im Kollegenkreis jemanden kenne, der
über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfüge. Erfolgreich gewesen sein sollen diese Feldforschungen nicht.3
Die offensichtlich gut erfundene4 Geschichte vom aus
Not taxifahrenden Rechtsanwalt ist also wohl mehr ein anschaulich gezeichnetes Bild dafür, dass es Rechtsanwälten
wirtschaftlich so schlecht geht, dass sie eine weitere Berufstätigkeit ausüben müssen, um ihr Auskommen zu sichern.
Das Steuern eines Taxis ist hierbei nur einer von einer Vielzahl bisweilen interessanter Berufe, die Rechtsanwälte im
Zweitberuf ausüben. Sie reichen vom Außendienstmitarbeiter über den Weinhändler bis hin zum Arzt.
Urban Legend-Check III: Die Geschichte vom taxifahrenden Anwalt, Kilian
1
Rechtsanwälte, die vor ihrer Anwaltskarriere Taxifahrer oder gar Taxiunternehmer waren
(und nach der Zulassung dann insbesondere auch Taxifahrer als Zielgruppe ins Auge fassen), gibt es allerdings durchaus – ein Kollege hat es als früherer Taxifahrer und -unternehmer und relativ spätberufener Rechtsanwalt zu einer gewissen Prominenz im Berufsstand gebracht.
2
Wohl aber zu einer Tätigkeit als Taxiunternehmer, vgl. BGH BRAK-Mitt. 1993, 171 (der
Betroffene war in Studium und Referendariat als Taxifahrer tätig, hatte es bei begehrter
und von Kammer und AGH zunächst verweigerter Zulassung zur Anwaltschaft bereits
zum „Taxiunternehmer“ geschafft, der nur noch „fahren ließ“). Für den Taxifahrer geht
der BGH übrigens beiläufig von der Kompatibilität im Sinne von § 7 Nr. 8 BRAO aus, vgl.
BGH NJW 2004, 212, ohne den Fall jemals entschieden zu haben.
3
Mir berichtete einer der Freizeitforscher einmal eine verblüffende Antwort eines Taxifahrers: Nein, er kenne keinen Taxifahrer-Rechtsanwaltkollegen. Und wenn es tatsächlich
einmal einen solchen geben sollte, wäre er die längste Zeit Taxifahrer gewesen, da ihn
zweifelsfrei sämtliche Kollegen aus der Taxifahrerzunft mit ihren Rechtsproblemen mandatieren würden.
4
Sie ist mittlerweile offenbar so verbreitet, dass das ZDF vor einigen Jahren über eine
eigens registrierte Website die erfundene Geschichte eines taxifahrenden Rechtsanwalts
mit Migrationshintergrund lancierte, der in der Ruhrgebietsstadt Wanne Rechtsberatung
als „Kombipaket“ in seinem Taxi anbot („Taxi § – Personentransporte und mobile Anwaltskanzlei“) – Erstberatungen für 49,95 EUR und ab dem zehnten Kilometer zusätzlich
15 Euro pro Kilometer (das Konzept war berufsrechtlich nicht ganz zu Ende gedacht: Immerhin wäre zwischen Kilometer 19 und 20 die Kappungsgrenze nach § 34 Abs. 1 S. 3
RVG überschritten worden).
5
Kilian, Die junge Anwaltschaft: Ausbildung, Berufseinstieg, Berufskarrieren, Bonn 2014.
6
Ausgeklammert bei dieser Betrachtung wurden Rechtsanwälte, die sich selbst als Syndikusanwälte identifizierten, da bei diesen die nachrangige Berufstätigkeit jene in der
eigenen Anwaltskanzlei außerhalb des Unternehmens bzw. Verbands ist, bei dem der
Rechtsanwalt als Syndikus angestellt ist.
AnwBl 7 / 2015
563
Aufsätze
Urban Legend-Check III:
Die Geschichte vom
taxifahrenden Anwalt
Losgelöst von der im Nachfolgenden zu klärenden Frage,
ob die Behauptung der verbreiteten Ausübung von Zweitberufen als Überlebensstrategie zutreffend oder eine „urban legend“ ist, belegt sie ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein derjenigen, die sie formulieren: Immerhin unterstellt sie, dass
jeder Rechtsanwalt sich nichts Schöneres vorstellen kann, als
ausschließlich als Rechtsanwalt tätig zu sein und jede zusätzliche Tätigkeit neben der Anwaltstätigkeit nicht Lust sein
kann, sondern Last sein muss. Dies folgt bereits aus der Terminologie, unterstellt doch die Inbezugnahme des parallel
zur Anwaltstätigkeit ausgeübten Berufs als „Zweitberuf“,
dass die tatsächliche oder intendierte Haupttätigkeit die Anwaltstätigkeit ist.
Die Studie „Junge Anwaltschaft: Ausbildung, Berufseinstieg, Berufskarrieren“ des Soldan Instituts5 hat Gelegenheit
gegeben, der Frage, wie viele Rechtsanwälte neben der Anwaltstätigkeit einen weiteren Beruf ausüben und aus welchem Grund dies erfolgt, empirisch nachzugehen. Junge
Anwälte – konkret: jene der Zulassungsjahrgänge 2004 bis
2010 – sind ein besonders naheliegender Anknüpfungspunkt
für eine solche Untersuchung, soll es doch insbesondere Berufseinsteigern schwer fallen, sich in den ersten Jahren der
Berufstätigkeit auf das Anwaltsdasein beschränken zu können. Die Berufseinsteiger wurden daher gefragt, ob (hierzu
unter II.) und warum (hierzu unter III.) sie einem Zweitberuf nachgehen.6 Besonders interessant ist naturgemäß, ob
ein bestimmter Typus Anwalt besonders häufig einen Zweitberuf ausübt; die Erhebung umfangreicher sozio-demographischer Daten erlaubt eine Aussage auch hierzu (unten IV.)
Da die Frage nach zweitberuflichen Tätigkeiten auch in früheren Studien mit jungen Anwälten gestellt wurde, ist zudem eine Langzeitbetrachtung des Phänomens Zweitberuf
möglich (hierzu unter V.).
MN
Soldan Institut
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Abb. 1: Ausübung einer weiteren Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf (ohne Syndizi)
Abb. 3: Gründe für die Ausübung einer Nebentätigkeit
II. Ausübung einer Nebentätigkeit neben der
Anwaltstätigkeit
Auf niedrigem Niveau häufigere Nennungen erfuhren Tätigkeiten als Geschäftsführer beziehungsweise Unternehmer,
gesetzlicher Berufsbetreuer, als „Berater“, Steuerberater oder
Autor.
19 Prozent der befragten jungen Rechtsanwälte geben an, neben der anwaltlichen Tätigkeit einer weiteren vergüteten Tätigkeit nachzugehen. Mit 81 Prozent widmet sich allerdings
die deutliche Mehrheit der jungen Rechtsanwälte ausschließlich dem Anwaltsberuf.
Die mit 43 Prozent aller Nennungen mit Abstand häufigste Nebentätigkeit ist eine solche als Dozent oder Referent.
Diese Tätigkeit hat einen unmittelbaren fachlichen Bezug zu
der hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Alle weiteren Nebentätigkeiten wurden, soweit sie sich kategorisieren
ließen, mit einem Anteil von weniger als 10 Prozent genannt.
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Abb. 2: Art der Nebentätigkeit
564
AnwBl 7 / 2015
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III. Motive für Ausübung einer Nebentätigkeit
Die Motive, weshalb Rechtanwälte eine weitere Tätigkeit neben ihrem Anwaltsberuf ausüben, sind unterschiedlich und
beruhen nicht ausschließlich auf finanziellen Erwägungen:
Als häufigster Grund wird zu 62 Prozent angegeben, dass die
Nebentätigkeit für die anwaltliche Tätigkeit Vorteile bringt.
Die Nebentätigkeit ist hier offensichtlich von dem Gedanken
des Networkings und der Verankerung in Empfehlungsnetzwerken
getragen.
Ebenfalls
64 Prozent geben an, nicht ausschließlich anwaltlich tätig sein
zu wollen beziehungsweise die
Nebentätigkeit aus Spaß, dem
Wunsch nach Abwechslung oder
aus Interesse an dieser auszuüben. Für 30 Prozent sind unmittelbare wirtschaftliche Erwägungen
Grund
für
die
Ausübung einer Nebentätigkeit,
da die anwaltliche Tätigkeit zur
Existenzsicherung nicht ausreicht. 27 Prozent der jungen
Rechtsanwälte, die einer weiteren Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf nachgehen, geben an,
die Ausübung der Nebentätigkeit
beruhe auf sonstigen Gründen.
Diese konnten im Rahmen einer
offenen Antwortmöglichkeit näher konkretisiert werden. Am
häufigsten genannt wurde der
Wunsch nach einem Zusatzverdienst, der in diesem Fall offen,/%
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sichtlich nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit angestrebt
wird.
Urban Legend-Check III: Die Geschichte vom taxifahrenden Anwalt, Kilian
MN
Soldan Institut
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Abb. 4: Ausübung einer weiteren Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf nach Anwaltstyp*
*p50.05
Abb. 6: Einkommensanteil durch anwaltliche und sonstige berufliche Tätigkeit nach Art
der Berufsausübung*
*p50.05
Soweit eine Nebentätigkeit ausgeübt wird, bestreiten die
befragten Rechtsanwälte im Durchschnitt 30 Prozent ihres
Lebensunterhalts aus ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit,
70 Prozent ergeben sich aus der anwaltlichen Tätigkeit.
Diejenigen Rechtsanwälte, die ihre Nebentätigkeit nicht
ausschließlich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausüben, wurden ergänzend gefragt, ob sie mit der anwaltlichen
Tätigkeit ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Lediglich
73 Prozent können dies uneingeschränkt bejahen. 12 Prozent können ihren Lebensunterhalt aus der anwaltlichen Tätigkeit nur mit Einschränkungen bestreiten, 16 Prozent sind
auf weitere Einnahmequellen angewiesen. Die Gruppe der
Rechtsanwälte, die eine Nebentätigkeit aus wirtschaftlichen
Gründen ausüben, ist damit größer als jene 30 Prozent, die
dies auf Befragen unmittelbar eingeräumt haben. Ihr Anteil
an allen jungen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten lässt
sich auf 9,6 Prozent schätzen.
IV. Einfluss der Art der Berufstätigkeit auf
Ausübung einer Nebentätigkeit
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Differenziert nach Anwaltstyp7, zeigen sich deutliche Unterschiede, ob berufliche Nebentätigkeiten ausgeübt werden:
Am häufigsten üben Kanzlei(mit)inhaber eine weitere vergütete Tätigkeit aus (28 Prozent), angestellte Rechtsanwälte
einer Kanzlei sind hierauf hingegen am seltensten angewiesen (10 Prozent). Als freie Mitarbeiter tätige Rechtsanwälte
üben zu 22 Prozent eine Nebentätigkeit aus. Eine weitergehende Differenzierung verdeutlicht, dass Gründer einer Einzelkanzlei mit 36 Prozent signifikant häufiger auf ein Einkommen aus einer weiteren Tätigkeit angewiesen sind als
Kollegen, die Kanzlei(mit)inhaber sind. Rechtsanwälte, die
Gesellschafter einer von ihnen neu gegründeten Sozietät
sind, üben von allen Gründern am seltensten eine Nebentätigkeit aus (24 Prozent).
Signifikante Unterschiede ergeben sich bei der Frage
nach den Motiven der Ausübung der Nebentätigkeit: Angestellte Rechtsanwälte geben lediglich zu 10 Prozent an, dass
die anwaltliche Berufsausübung zur Sicherung ihrer Existenz
nicht ausreicht und sie dies zur Aufnahme einer weiteren
vergüteten Tätigkeit bewegt. Mehr als jeder dritte Kanzlei(mit)inhaber (36 Prozent) und freie Mitarbeiter (34 Prozent) nimmt eine Nebentätigkeit auf, weil er seine Lebenshaltungskosten nicht vollumfänglich aus dem anwaltlichen
Einkommen bestreiten kann. Angestellte Rechtsanwälte geben mit 42 Prozent am seltensten an, dass sie nicht ausschließlich anwaltlich tätig sein möchten. Zwei Drittel der
freien Mitarbeiter geben dieses Motiv als Beweggrund für
ihre Nebentätigkeit an (66 Prozent).
Gründer einer Einzelkanzlei möchten überdurchschnittlich häufig nicht ausschließlich anwaltlich tätig sein (58 Prozent), wohingegen dieses Motiv für die Aufnahme einer
Nebentätigkeit von Gründern einer Bürogemeinschaft signifikant seltener genannt wird (36 Prozent). Die allgemeinen
Schwierigkeiten infolge der Übernahme einer Einzelkanzlei
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Abb. 5: Gründe für die Ausübung einer Nebentätigkeit nach Art der Berufsausübung*
*p50.05
Urban Legend-Check III: Die Geschichte vom taxifahrenden Anwalt, Kilian
7
Syndikusanwälte wurden bei dieser Berechnung nicht miteinbezogen.
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Soldan Institut
VII. Resümee
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Abb. 7: Ausübung von Nebentätigkeiten – Langzeitbetrachtung
beziehungsweise dem Einstieg in eine Bürogemeinschaft
spiegeln sich zudem in den Motiven wieder, weshalb eine Nebentätigkeit aufgenommen wird: 37 Prozent geben als ausschlaggebendes Motiv an, die anwaltliche Tätigkeit reiche zur
Existenzsicherung nicht aus, wohingegen dies lediglich
14 Prozent der Kanzleieinsteiger einer schon länger bestehenden Sozietät angeben. Die Anstellung bei einem Einzelanwalt führt überdurchschnittlich häufig (26 Prozent) aufgrund der wirtschaftlichen Situation zur Aufnahme einer
Nebentätigkeit. Liegt eine Anstellung in einer Sozietät vor, so
wird dieses Motiv lediglich in 7 Prozent der Fälle genannt.
V. Einkommen aus anwaltlicher und
nicht-anwaltlicher Tätigkeit
Soweit eine nicht-anwaltliche Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf ausgeübt wird, so liegt der Einkommensanteil durch
diese sonstige berufliche Tätigkeit bei angestellten Rechtsanwälten mit knapp 12 Prozent am niedrigsten. Kanzlei(mit)inhaber bestreiten 35 Prozent ihres Einkommens
durch eine Nebentätigkeit, freie Mitarbeiter sogar 37 Prozent.
Dies verdeutlicht, dass Kanzlei(mit)inhaber und freie Mitarbeiter nicht nur signifikant häufiger überhaupt eine Nebentätigkeit ausüben, sondern dass sie auch einen signifikant höheren Anteil ihrer Lebenshaltungskosten aus dieser Tätigkeit
bestreiten. Diejenigen Rechtsanwälte, die als Motiv angaben,
ihre anwaltliche Tätigkeit reiche zur Existenzsicherung nicht
aus, erwirtschaften sogar 45 Prozent ihres Einkommens
durch eine sonstige nicht-anwaltliche Tätigkeit.
VI. Langzeitbetrachtung
Ein Vergleich mit früheren Zulassungsjahrgängen verdeutlicht, dass sich der Anteil derjenigen Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälte, die einer weiteren juristischen oder nicht-juristischen Tätigkeit neben dem Anwaltsberuf nachgehen,
deutlich verringert hat. 1997 übte mit 30 Prozent noch fast jeder Dritte junge Rechtsanwalt eine Nebentätigkeit aus.8 Dies
dürfte ein Indikator dafür sein, dass sich die wirtschaftliche
Situation junger Rechtsanwälte verbessert hat.
8
Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln
Der Autor ist Direktor des Soldan Instituts. Er lehrt und
forscht an der Universität zu Köln.
Leserreaktionen an [email protected].
Hommerich/Kilian, Berufssituation junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, 2006,
S. 49.
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Urban Legend-Check III: Die Geschichte vom taxifahrenden Anwalt, Kilian
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Ob es in Deutschland (versprengte) taxifahrende Rechtsanwälte gibt, muss auch nach diesem Beitrag unbeantwortet
bleiben – unter den im Rahmen der vorstehend referierten
Studie befragten 3.525 jungen Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälten hat sich jedenfalls keiner gefunden. Die Ausübung eines Zweitberufs, sei es taxifahrend oder in sonstiger
Weise, gibt es allerdings. Freilich geht weniger als jeder fünfte junge Rechtsanwalt einem solchen weiteren Erwerb nach.
Der Anteil junger Rechtsanwälte, die aus wirtschaftlicher Not
und nicht aus Neigung, zum Zwecke des Networkings oder
aufgrund des Wunsches, mehr als „nur“ Anwalt zu sein, zwischen anwaltlicher und anderer Tätigkeit hin- und herwechseln, ist noch einmal deutlich kleiner: Es handelt sich um weniger als jeden zehnten jungen Rechtsanwalt. Im Vergleich
zur Vergangenheit ist der Anteil der Rechtsanwälte mit Nebenerwerb rückläufig: In den 1990er Jahren lag er noch um
rund die Hälfte höher als in der Gegenwart. Rückläufige Studierenden- und Absolventenzahlen dürften dazu beitragen,
dass der Anteil weiter zurückgehen wird.