Rechnerische Ermittlung von Gefahrstoffkonzentrationen in untertägigen Arbeitsbereichen* ** Dr. D. Dahmann, Prof. Dr. H.-D. Bauer, Dr. U. Beckmann, G. Stoyke und Th. Wuff Einleitung Gemäß § 2 Abs. 4 der Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV) vom 26. Oktober 1993 in der Fassung der 2. Novelle vom 19.09.1994 /1/ gelten Vorschriften für den Umgang mit Gefahrstoffen grundsätzlich auch für Betriebe des untertägigen Bergwesens in der Regel in vollem Umfang, es sei denn, daß in der Gesundheitsschutzbergverordnung /2/ auf die Verhältnisse des Bergbaus abgestimmte gleichwertige Regelungen getroffen sind. Dies gilt beispielsweise für den Bereich fibrogener Grubenstäube. Ferner ist der Umgang mit bestimmten Gefahrstoffen unter Tage von vornherein ausgeschlossen. Für alle gefährlichen Stoffe, für die in der GesBergV keine der Gefahrstoff-Verordnung gleichwertigen Regeln verankert sind, muß u. a. die Überwachungspflicht gemäß § 18 GefStoffV durchgeführt werden, d. h. es ist zu ermitteln, ob die relevanten Grenzwerte eingehalten sind, wenn das Auftreten eines oder verschiedener gefährlicher Stoffe in der Luft am Arbeitsplatz nicht sicher auszuschließen ist. An einer Reihe von untertägigen Arbeitsplätzen ist diese Voraussetzung gegeben. Somit ist im Rahmen von Arbeitsbereichsanalysen festzustellen, ob Grenzwerteinhaltung vorliegt oder nicht. Gemäß § 18 Abs. 4 GefStoffV hat der Arbeitgeber bei den Ermittlungen und Messungen die vom Ausschuß für Gefahrstoffe aufgestellten Verfahren und Meßregeln heranzuziehen. Damit sind die diesen Bereich betreffenden „Technischen Regeln Gefahrstoffe (TRGS)“ 402 und 403 verbindlich, in denen verschiedene Möglichkeiten eröffnet sind, diese Ermittlung vorzunehmen /3/. Generell ist immer die Durchführung von Messungen zur Ermittlung der relevanten Konzentrationen der Gefahrstoffe in der Luft am Arbeitsplatz möglich. Dieses oftmals aufwendige Verfahren kann allerdings durch Erkenntnisse aus vergleichbaren Anlagen und Tätigkeiten, sonstige Messungen und zuverlässige Berechnungen ersetzt werden. Die Verringerung des meßtechnischen Aufwands und ein eventuell möglicher Verzicht auf einen Einstieg in den Kontrollmeßplan, sofern aus Ermittlungsergebnissen eine gesicherte konzentrationsmäßige Aussage für bestimmte Arbeitsvorgänge abgeleitet werden kann, ist auch aus wirtschaftlichen Erwägungen geboten. Darüber hinaus ergeben sich in präventiver Hinsicht vielfach Vorteile, da eine schnelle Bewertung von Belastungssituationen durch Vergleich mit Arbeitsbereichsanalysen gleicher Betriebsarten möglich wird. Ferner kann durch zuverlässige Berechnungen im Ermittlungsverfahren der Betrieb in bestimmten Fällen bereits vor Aufnahme von Arbeitsverfahren mit Gefahrstoffemissionen Schutzmaßnahmen im Sinne des § 16 Abs. 4 GefStoffV zielgerichtet festlegen. Die TRGS 402 bietet zudem nicht für alle Arbeitsplätze gleichermaßen ein geeignetes meßtechnisches Instrumentarium an, um zu der gewünschten Aussage: Grenzwerteinhaltung - Grenzwertüberschreitung zu gelangen. Sie ist im wesentlichen auf solche Arbeitsplätze zugeschnitten, die durch relativ gleichförmige Expositionslevel und sich langfristig wenig ändernde Arbeitsbedingungen gekennzeichnet sind. Beide * Teile dieser Arbeit wurden anläßlich der Tagung „Schlema II“ vom 02.05.-04.05.1995 in Gera vorgetragen mit finanzieller Unterstützung der EGKS durchgeführte Forschungsvorhaben ** 2 Voraussetzungen sind an den typischen Arbeitsplätzen unter Tage nicht gegeben. Sowohl im untertägigen Bergbau als auch im Tunnelbau können aufgrund der äußeren Umstände ständig unterschiedliche Expositionsbedingungen (Bewetterung!) vorliegen. Der Abbau- bzw. Vortriebsfortschritt führt zu ständig sich ändernden geometrischen Parametern des Arbeitsplatzes. Im übrigen sind aufgrund der besonderen Bedingungen an diesen Arbeitsplätzen nicht alle im übertägigen Bereich geeigneten Meß- und Probenahmegeräte verwendbar (siehe z. B. Schlagwetterschutz im Steinkohlenbergbau). Aus diesem Grunde wurden Untersuchungen eingeleitet, um zu klären, wie die in der TRGS 402 genannten übrigen Möglichkeiten zur Ermittlung der Grenzwerteinhaltung sinnvoll auch für die betreffenden untertägigen Arbeitsplätze genutzt werden können. Andere Institutionen haben auch für übertägige Arbeitsplätze Verfahren erarbeitet, um die Meßverpflichtung durch gleichwertige Ermittlungsverfahren zu ersetzen /4/. In diesem Zusammenhang ist besonders die Arbeit von Lehmann et al. hervorzuheben, die das sogenannte Quellstärkeverfahren beschrieben haben. Bei diesem Verfahren wird bei einer Emission eines bestimmten Gefahrstoffes von einer Punktquelle aus eine vollständige Durchmischung in einem bestimmten Arbeitsbereich angenommen. So lassen sich für bestimmte Arbeitsbereiche gute Abschätzungen für die maximal dort möglichen Arbeitsplatzkonzentrationen erhalten. Eine Einschränkung für das Verfahren liegt durch Einbeziehung des Luftwechsels darin, daß aufgrund eventuell nicht vollständiger Durchmischung die errechnete Konzentration lokal verhältnismäßig stark vom Modell abweichen kann. An untertägigen Arbeitsplätzen liegen in dieser Hinsicht wesentlich günstigere Voraussetzungen vor. Aufgrund der dort vorgeschriebenen Bewetterung der Arbeitsplätze, daß heißt, der zwangsweisen Zufuhr von Frischluft (Frischwetter) an jeden Arbeitsplatz, ist die Durchmischung der emittierten Gefahrstoffe aus einer Quelle mit diesen Frischwettern immer nach verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgt. Zudem ist die zugeführte Luftmenge grundsätzlich immer bekannt, bzw. läßt sich mit einfachen Mitteln meßtechnisch ermitteln. Diese Bedingungen wurden frühzeitig zur Entwicklung eines Rechenmodells genutzt, das im folgenden beschrieben werden soll. Im Anschluß an die Beschreibung des Rechenverfahrens werden zwei Anwendungsbeispiele dargelegt, die belegen, daß das Rechenverfahren mit ausreichender Genauigkeit schon vor Anwendung der entsprechenden Gefahrstoffe aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten Aussagen über die Einhaltung der Grenzwerte ermöglicht. Rechenmodell Arbeitsplätze unter Tage lassen sich in lüftungstechnischer Hinsicht (Bewetterungstechnik) in zwei unterschiedliche Systeme aufteilen, nämlich in die durchgehende Bewetterung und in die Sonderbewetterung. Bei letzterer wird die Frischluft dem in einem Streckenstumpf befindlichen Arbeitsplatz („Sackgasse“) über eine Lutte zugeführt. Bei der Sonderbewetterung wird (abhängig von der Anordnung des Lüfters) noch die saugende und die blasende Bewetterung unterschieden. Wenn in den betreffenden Arbeitsbereichen eine mehr oder weniger punktförmige Emissionsquelle von Gefahrstoffen vorhanden ist, dann kann ein einfaches Modell zur Verteilung der entsprechenden Gefahrstoffe in den Abwettern erstellt werden. Unter der Annahme, daß die Gefahrstoffe in einem gegebenen Zeitraum t (z. B. in min) quantitativ in die Wetter übergehen, läßt sich die sogenannte Emissionsrate E des Ge 3 fahrstoffes in mg pro Zeiteinheit t angeben. In diesem Zeitraum t wird dem betreffenden Arbeitsplatz eine bestimmte Wettermenge zugeführt. Die Wettermenge Qw läßt sich aus der Wettergeschwindigkeit V und dem Querschnitt der betreffenden Strecke nach folgender Gleichung ermitteln: Gleichung 1 Qw [m³/min] = V [m/s] × q [m²] × 60 Die gesuchte mittlere Konzentration des Gefahrstoffes in den Wettern c während der Emissionszeit t errechnet sich nunmehr nach der folgenden Gleichung: Gleichung 2 c [mg/m³] = E [mg/min] / Qw [m³/min] Prinzipiell bestehen keine Unterschiede bei der Anwendung dieses Modells für durchgehend oder sonderbewetterte Betriebspunkte. Die Ermittlung (Errechnung) der mittleren Konzentration eines bestimmten Gefahrstoffes während der Emissionszeit reduziert sich somit auf die Feststellung der Wettermenge (Wettergeschwindigkeit, freier Streckenquerschnitt) und der mittleren Emissionsrate während des Zeitraums. Abhängig von der jeweiligen Quelle (Gefahrstoff) kann jedoch insbesondere die Emissionsratenermittlung verhältnismäßig aufwendig sein. Auf die entsprechenden Probleme wird bei der Beschreibung zweier Beispiele eingegangen werden. Das IGF hat im Rahmen zweier von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) geförderter Forschungsvorhaben /5,6/ das beschriebene Modell an zwei völlig unterschiedlichen Beispielen angewendet und zu verifizieren versucht. Es handelt sich dabei zum einen um einen durchgehenden bewetterten Betriebspunkt an dem Bandklebearbeiten durchgeführt werden. Zum anderen wird in einem blasend sonderbewetterten Betriebspunkt der Einsatz eines dieselbetriebenen Großladefahrzeugs beschrieben. Beispiel 1 (Bandklebearbeiten) Im Untertagebetrieb werden häufig Reparaturarbeiten an Fördergurten durch Kaltvulkanisieren durchgeführt. Hierbei werden z. B. kleine Deckschäden geflickt, Längsrisse repariert, beschädigte Gurtkanten aufgebaut oder Endlosverbindungen hergestellt. Vielfach fallen diese Arbeiten sporadisch an. Je nach Ausmaß der Beschädigungen muß schnell gehandelt werden, so daß eine Begleitung durch Expositionsmessungen nicht möglich ist. Um dennoch eine Belastungsabschätzung der Beschäftigen durchführen zu können, kann durch Berechnung der Emissionsrate unter Einbeziehung der verbrauchten Klebermenge und der Bewetterungsdaten in Abhängigkeit von der Dauer der Tätigkeiten eine Beurteilung erfolgen. Aufgrund der Sonderbedingungen im untertägigen Steinkohlenbergbau (keine Verwendung leicht entzündlicher Lösemittel) kommen für Kaltvulkanisierarbeiten nur Kleber mit hohen Gehalten an leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen wie z. B. Trichlorethylen zum Einsatz. Diese Lösemittel verdunsten bestimmungsgemäß infolge ihres hohen Dampfdruckes innerhalb kurzer Zeit. Sie treten damit in die Wetter über, vermischen sich mit ihnen und werden dann abgeführt. In der Regel finden die betreffenden Arbeiten im durchgehenden Wetterstrom statt. 4 In umfangreichen Versuchen, teils auf dem Prüfstand, teils in der Versuchsgrube Tremonia, Dortmund, wurden derartige Arbeiten modellhaft nachgestellt und meßtechnisch begleitet. Im folgenden wird der Versuchsaufbau dargestellt (Abbidung 1). MP 4 2,50 MP 0 Getragen Wetterrichung MP 3 1,70 MP 2 0,35 0,35 0,35 MP 1 Sohlenbreite 3,20 m - 2,00 0,80 2,00 15,00 15,00 Maßangaben in m Abb. 1: Versuchsaufbau Trichlorethylen beim Bandkleben, Anordnung der Meßpunkte - Vertikalschnitt In einer Strecke von 3,20 m Sohlenbreite und 2,50 m Höhe (Querschnitt 8 m²) wurde ein Bandklebearbeitsplatz nachgebaut. Ein einzelner Beschäftigter trug dabei am Meßpunkt 0 (MP 0) Kleber auf. Der spezifische Kleberauftrag wurde während der Versuche konstant gehalten und betrug ca. 1 kg/m² Gurtfläche. Bei den einzelnen Versuchsabschnitten wurden die Wettergeschwindigkeit (0,5; 1,5 und 2,7 m/s) und die aufgetragene Klebermenge (0,5; 1 und 1,5 kg) variiert. Der Auftrag des Klebers dauerte jeweils ca. 7 - 10 min. Die Meßdauer betrug jeweils eine halbe Stunde. Nach dieser Zeit waren mit einem direkt anzeigenden Gerät (Photoionisationsdetektor PID) keine Lösemittel in den Wettern mehr nachzuweisen. Der Beschäftigte selbst trug ein Probenahmegerät (MP 0). Unmittelbar abwetterseitig der Arbeitsstelle (2 m) wurden 4 Geräte übereinander angeordnet (MP 2). In jeweils 2 x weiteren 15 Metern erfolgte die Aufstellung weiterer Geräte in ca. 1 m Höhe (MP 3 und MP 4) bei einigen Versuchsabschnitten auch mit einer zusätzlichen Vertikalschichtung wie am MP 2. Zum Einsatz kamen Aktivkohlesammelröhrchen (Luftdurchsatz 0,5 l/min.). Die Analyse wurde mittels Gaschromatographie durchgeführt. Zur Kontrolle der Bedingungen wurde 2 m frischwetterseitig die Belastung der Frischwetter auf Trichlorethylen (MP 1) gemessen. In allen Fällen lag diese unterhalb der Nachweisgrenze. Zunächst wurde der vertikale Konzentrationsverlauf im Streckenquerschnitt der Trichlorethylenkonzentrationen am Meßpunkt 2 bei unterschiedlichen Wettergeschwindigkeiten und unterschiedlichen Klebermassen untersucht. Die entsprechenden Ergebnisse zeigt Abbildung 2. 5 400 350 Trichlorethen in mg/m³ v = 0,5 m/s 0,65 m Höhe über der Sohle 1,00 m 1,35 m 1,70 m 300 250 200 150 v = 1,5 m/s 100 v = 2,7 m/s 50 0 0,5 1 1,5 0,5 1 1,5 0,5 1 1,5 Klebermasse in kg Abb. 2: Trichlorethylen-Konzentration, Vertikalschnitt an MP 2 Abhängig von den verwendeten Klebermassen und den vorgelegenen Wettergeschwindigkeiten ergaben sich dabei sehr unterschiedliche Konzentrationshöhen, obwohl die spezifische Klebermenge in allen Fällen gleich war. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, ist darauf hinzuweisen, daß insbesondere bei der niedrigsten Wettergeschwindigkeit von 0,5 m/s der schwere Lösemitteldampf quasi schonend vom Tisch auf die Sohle abgeleitet wird. Daher werden an den tieferliegenden Meßstellen des MP 2 die höheren Konzentrationen ausgewiesen. Bei den höheren Wettergeschwindigkeiten liegt dagegen offensichtlich eine Strähnenbildung in Tischhöhe vor. Das Konzentrationsmaximum liegt hier bei ca. 1 m Höhe über der Sohle. Je nach Anordnung des jeweiligen Meßgerätes betrugen bei dem Versuch mit 1,5 kg verarbeitetem Kleber die Konzentrationen zwischen 400 und 40 mg/m³ Trichlorethylen. Zusätzlich zu der Vertikalschichtung der Konzentrationen unmittelbar hinter dem Arbeitsplatz wurde deren Verteilung auch über die Länge der Strecke ermittelt. Bei zwei Wettergeschwindigkeiten (0,5 und 1,5 m/s) wurde jeweils eine Masse von 1 kg Kleber verbraucht. Bei beiden Versuchen wurden Probenahmegeräte wie zuvor für den Meßpunkt 2 beschrieben auch an den Meßpunkten 3 und 4, also 17 bzw. 32 Meter hinter dem betreffendem Arbeitsplatz vertikal geschichtet angeordnet. Die Ergebnisse sind in Abbildung 3 dargestellt. 6 350 Trichlorethen in mg/m³ 0,65 m 300 Höhe über der Sohle 1,00 m 1,35 m 1,70 m 250 200 150 100 50 0 2 3 4 2 3 Verteilung in 4 Meßpunkt Abb. 3: Trichlorethylen-Konzentration, sse 1,0 kg der Strecke, Kleberma- Erneut wird hier das Absinken der Lösemitteldämpfe bei 0,5 m/s auf die Sohle am Meßpunkt 2 und die Strähnenbildung in 1 m Höhe bei 1,5 m/s Wettergeschwindigkeit deutlich. Bemerkenswert ist, daß sich bei der niedrigen Wettergeschwindigkeit erst nach ca. 32 m eine homogene Verteilung über dem Streckenquerschnitt einstellt. Bedingt durch die mit Erhöhung der Wettergeschwindigkeiten sich verstärkenden Turbulenzen erfolgt bei der Wettergeschwindigkeit von 1,5 m/s die Durchmischung offensichtlich schneller. Somit ist festzuhalten, daß erst nach 17 m hinter dem Arbeitsplatz (MP 3) bei einer Wettergeschwindigkeit von 1,5 m/s bzw. nach 32 m (MP 4) hinter dem Arbeitsplatz die Anordnung der Geräte im Streckenquerschnitt keine Rolle mehr spielt. Entscheidend für die Beurteilung der geeigneten Meßstrategie ist letztlich jedoch die Vergleichbarkeit der personenbezogenen Meßergebnisse am Mann (Meßpunkt 0) und den stationären „worst-case“-Messungen emissionsnah in 1,35 m Höhe (Meßpunkt 2). Eine solche worst-case-Messung müßte für die meßtechnische Bewertung der Belastung durch Lösemittel in den Wettern am Arbeitsplatz dann herangezogen werden, wenn personenbezogene Messungen, z. B. aufgrund fehlender geeigneter Pumpen nicht möglich sind. Wie aus Abbildung 4 hervorgeht, führt die Probenahme unmittelbar hinter der Arbeitsstelle, zumindest im vorliegendem Fall zu Fehlbeurteilungen für die Belastungseinschätzung am Arbeitsplatz. Insbesondere bei geringen Wettergeschwindigkeiten liegt die personenbezogene Konzentration höher als die stationär ermittelte. Dies ist, wie bereits ausgeführt, durch die Schwere der Trichlorethylendämpfe und die Position des Beschäftigten bei der Arbeit unmittelbar über dem Werkstück bedingt. Klar erkennbar ist aber auch, daß bei höheren Wettergeschwindigkeiten die Belastung am Arbeitsplatz deutlich absinkt. 7 Trichlorethen in mg/m³ Wettergeschwindigkeit 2,7 m/s 1,5 m/s 0,5 m/s 120 100 80 60 40 20 0 MP 0 MP 2 MP 0 MP 2 MP 0 MP 2 Abb. 4: Vergleich personenbezogener Daten mit worst-case-Daten 200 Trichlorethen in mg/m³ , Klebermasse ! MW 0,5 kg ) MW 1,0 kg , MW 1,5 kg ! BW 0,5 kg ) BW 1,0 kg , BW 1,5 kg 150 ) ) 100 !! 50 , ,) , ), ! ! 0 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 Wettermenge in m³/min Abb. 5: TRI-Konzentrationen in Abhängigkeit von der Wettermenge an MP 2. Vergleich der gemessenen (MW) zur berechneten (BW) Konzentrationen In der Abbildung 5 findet sich nun der entscheidende Vergleich des Modells mit den real erhaltenen Meßwerten. Zu diesem Zweck wurden die am Meßpunkt 2 festgestellten Gefahrstoffkonzentrationen gemittelt. Diese Mittelung ist wegen der Schichtung erforderlich, um eine repräsentative Konzentration unmittelbar hinter der Emissionsquelle zu erhalten. In der Abb. 5 “(Tri-“Konzentrationen in Abhängigkeit von der Wettermenge an MP 2) ist der Vergleich der gemessenen (MW) und der nach der Formel 2 berechneten (BW) Konzentrationen dargestellt. Die Übereinstimmung der Kurvenverläufe ist überzeugend. Es ist festzustellen, daß lediglich bei der höchsten verarbeiteten Klebermasse von 1,5 kg das Rechenmodell zu einer geringfügigen Überschätzung der Gefahrstoffkonzentration kommt. Durch die im vorliegendem Fall gewählte Probenahmedauer von einer halben Stunde ist quasi automatisch auch der Kurzzeitwert für Trichlorethylen von 30 min mit überprüft worden. 8 Beispiel 2 (Einsatz eines dieselbetriebenen Großladefahrzeugs) In einem weiteren von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) geförderten Forschungsvorhaben wurde das eingangs geschilderte Rechenmodell in einem sonderbewetterten Arbeitsbereich beim Einsatz eines Dieselfahrzeugs überprüft. Während der Übertritt der gasförmigen Bestandteile im Beispiel der Klebearbeiten über ihren hohen Dampfdruck erfolgt, werden hier Partikel über den Auspuff in die Wetter ausgestoßen. Die Verhältnisse in dem betreffenden Arbeitsbereich sind wie folgt: Ein Ladefahrzeug im Kalibergbau nimmt im Streckenvortrieb hereingesprengtes Salzhaufwerk von der Ortsbrust auf, transportiert über eine Wegstrecke und wirft es an der Kippstelle ab. Der Betriebspunkt ist mit der Wettermenge Qw blasend sonderbewettert. Die Bewetterungssituation führt zu folgenden Tatbeständen. Am Strekkenausgang liegt die worst-case-Konzentration vor, da das Ladefahrzeug auf der gesamten Wegstrecke während aller Fahrspiele Ruß emittiert. Vor Ort) liegt die niedrigste Konzentration vor, da hier die unbelasteten Frischwetter aus der Lutte austreten. Nach dem oben geschilderten Modell errechnet sich die Konzentration c am Streckenausgang nach Gleichung 2, wobei hier E die mittlere Emissionsrate des Dieselmotors in mg/min und Qw die Wettermenge in m³/min. darstellt. Der Vollständigkeit halber muß hinzugefügt werden, daß die am Streckenausgang gefundene Konzentration genau derjenigen an der Ortsbrust entsprechen würde, wenn derselbe Dieselmotor mit denselben Leistungsdaten dort stationär betrieben würde. Die Ermittlung der Emissionsrate ist bei Dieselfahrzeugen wesentlich komplexer, als im Fall der Kleberarbeiten. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, seien hier nur einige der Parameter angeführt, die konkret für den genannten Betriebspunkt und Motoreinsatz zu ermitteln waren. Dabei handelt es sich um - die mittlere Motordrehzahl, - den mittleren Kraftstoffverbrauch, - die mittlere abzugebene Leistung, - das mittlere Abgasvolumen des Motors. Zwar lassen sich einige dieser Parameter auf vereinfachtem Wege über das Motorkennfeld bestimmen, doch sind in jedem Fall zusätzliche wesentliche Informationen des Motorherstellers erforderlich. Die ausführliche Ermittlung der entsprechenden Parameter ist im Forschungsbericht /6/ dargelegt. In verkürzter Form ist sie ebenfalls enthalten in /7/. Für den hier vorliegenden Beitrag wird das Ergebnis der betreffenden Ermittlungen nur kurz angegeben. Danach hatte der Radlader der Firma KHD (187 kW Nennleistung) während der Ladezeit von ca. 3 Stunden bei einer mittleren abgegebenen Leistung von ca. 60 % der Nennleistung während dieser Zeit eine aus dem Motorkennfeld errechnete mittlere Emissionsrate von 215 mg/min. Bei einer während dieser Zeit anstehenden Wettermenge von 711 m³/min errechnet sich daraus eine mittlere Konzentration von 0,302 mg/m³. Gemessen wurden am Streckenausgang in der gleichen Zeit 0,344 mg/m³. Für diesen stationären Meßpunkt ergibt sich somit eine gute Übereinstimmung; die relative Abweichung beträgt lediglich 9 14 %. Wie bereits ausgeführt, handelt es dabei um eine worst-case-Konzentration, da der Fahrer des Laders durch die Fahrspiele gleich - oder gegengerichtet zum Wetterstrom lediglich einer mittleren Konzentration ausgesetzt ist, die sich aus den Aufenthaltszeiten in den belaseten und unbelaseten Wettern ergibt. Diese Konzentration kann mithin näherungsweise aus der Konzentration der Frischwetter und derjenigen an der Kippstelle durch einfache Mittelung errechnet werden. Danach würde sich eine personenbezogene Belastung des Ladewagenfahrers von 0,244 mg/m³ ergeben. Mit einem stationären Gerät auf der Hälfte der Fahrstrecke wurden 0,238 mg/m³ gemessen. Bei einer zeitgleich durchgeführten Probenahme beim Ladewagenfahrer ergab sich eine Konzentration von 0,248 mg/m³. Diese Daten stimmen mit den berechneten noch deutlich besser überein, als die stationär auf halber Fahrstrecke gemessenen. Die relative Abweichung liegt bei 2,5 % (stationäres Gerät) bzw. 1,6 % personenbezogen. An dieser Stelle muß jedoch dringend darauf hingewiesen werden, daß auf diese Weise nur mittlere Konzentrationen während des gesamten Arbeitsablaufes ermittelt werden können. Kurzzeitwerte während einer Fahrt können z. B. wesentlich oberhalb der mittleren Konzentration liegen, wenn der Laderfahrer mit derselben Geschwindigkeit wie die der Wetter über eine lange Strecke in Wetterrichtung fährt. In diesem Fall kann seine persönliche Belastung während dieser Zeit (man denke an das Beispiel CO) extrem hoch werden, obwohl die mittlere Konzentration nach wie vor der der Meßstelle auf halber Fahrstrecke entspricht. Er fährt in diesem Fall sozusagen in seinem eigenen „Abgaspfropf“. Zusammenfassung Im Rahmen zweier Forschungsvorhaben wurde von Institut für GefahrstoffForschung ein einfaches Modell zur rechnerischen Ermittlung der Konzentration von Gefahrstoffen in Grubenwettern entwickelt und überprüft. Bei bekannter mittlerer Emissionsrate eines Gefahrstoffes und bei bekannten Wettermengen lassen sich so gut mit gemessenen Werten übereinstimmende Daten erhalten. An die genaue Erfassung der Parameter des betroffenen Arbeitsplatzes sind dabei jedoch hohe Anforderungen zu stellen, um Fehlschlüsse zu vermeiden. Wichtige Einzelfaktoren sind dabei z B. das aerodynamische Verhalten der emittierten Stoffe (ist das emittierte Gas leichter oder schwerer als Luft), das Kurzzeitverhalten der Substanzen, die Emissionscharakteristik der Quelle (stationär oder bewegt; im letzteren Fall die Relativgeschwindigkeit zu den Wettern). Das Modell hat außer seiner einfachen Anwendbarkeit den Vorteil, Expositionsdaten vor Aufnahme der Arbeiten abschätzen zu können und Kontrollmessungen auszusetzen. Durch die Messungen wurde ferner erneut nachgewiesen, daß die meßtechnische Überwachung von Arbeitsbereichen mit Gefahstoffemissionen in untertägigen Arbeitsbereichen hohe Anforderung an das Meßpersonal stellt. Abhängig von der Quelle ist die geeignete Anordnung der Meßgeräte in jedem Einzelfall genau festzulegen und zu dokumentieren, wobei die Einbeziehung der o. a. Faktoren für die Beurteilung von Arbeitsbereichen in gleicher Weise heranzuziehen sind, die zur Beschaffung von Unterlagen für eine rechnerische Konzentrationsabschätzung im Ermittlungsverfahren zum Ausstieg aus dem Kontrollmeßplan erforderlich sind. Generell ist darzulegen, daß Gefahrstoffmessungen unter Tage insbesondere durch die Zwangsbelüftungen andere Anforderungen als bei vergleichbaren Messungen in übertägigen Bereichen bedingen.. 10 Meßstrategien, wie sie z. B. in der TRGS 402 festgelegt sind, können in untertägigen Arbeitsbereichen in der Regel nicht angewendet werden, es sei denn, es würden eine Vielzahl von personengetragenen Probenahmegeräten eingesetzt. Beengte Verhältnisse, klimatische Bedingungen, nicht stationäre Arbeitsplätze und nicht in den normalen Arbeitsablauf einzuplanende aber kurzfristig durchzuführende Arbeiten sind einschränkende Faktoren einer meßtechnischen Begleitung. Das vorgestellte Ermittlungsmodell ist in einer Vielzahl der Fälle daher gut geeignet, Gefahrstoffmessungen zu ersetzen. Die Verfasser danken der Versuchsgrube Tremonia und der Kali+Salz AG für die freundliche Unterstützung bei der Durchführung der Untersuchungen. 11 Literatur 1. Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV) vom 26.10.1993 in der Fassung vom 19.09.1994 2. Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten (Gesundheitsschutz-Bergverordnung - GesBergV) vom 31.07.1991 3. „Ermittlung und Beurteilung der Konzentration gefährlicher Stoffe in der Luft in Arbeitsbereichen“, Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 402 in der derzeit gültigen Fassung und „Bewertung von Stoffgemischen in der Luft am Arbeitsplatz“, Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 403 in der derzeit gültigen Fassung 4. Gmehling, J., Weidlich, U., Lehmann, E. und Fröhlich, N.: „Verfahren zur Berechnung von Luftkonzentrationen bei Freisetzung von Stoffen aus flüssigen Produktgemischen“, Teil 1, Staub-Reinhaltung der Luft 49 (1989) S. 227-30 und Teil 2, Staub-Reinhaltung der Luft 49 (1989) S. 295-99 5. „Untersuchungen zur Gefahrstoffbelastung von Arbeitsplätzen beim Heiß- und Kaltvulkanisieren von Fördergurten“, Wissenschaftlicher Abschlußbericht des Forschungsvorhabens Nr. 7263/02/090 der Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Generaldirektion Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Bildung, Bochum 1994 6. „Untersuchungen über die Partikelemission von Fahrzeugen und die Ermittlung von Bewertungsfaktoren zur Abschätzung der Rußpartikelkonzentration im Wetterstrom“, Wissenschaftlicher Abschlußbericht des Forschungsvorhabens Nr. 7263/02/074 der Kommission der Europäischen Gemeinschft, Generaldirektion Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Bildung, Bochum 1993 7. Lindecke, B.: „Dieselmotoremissionen - Ergebnisse eines Forschungsvorhabens“, Kali und Steinsalz, 11 (1994), S. 225-30
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