30. Forum für Zukunftsfragen – Die Bedeutung von TTIP für die

30. Forum für Zukunftsfragen –
Die Bedeutung von TTIP für die bayerische
Industrie
Montag, 27. Juli 2015 um 19:00 Uhr
Mainfrankensäle, Kleiner Saal
Mainlände 1, 97209 Veitshöchheim
Die Bedeutung von TTIP für die
bayerische Industrie
Bertram Brossardt
Hauptgeschäftsführer
vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
Es gilt das gesprochene Wort.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich zu unserem Forum für
Zukunftsfragen – dieses Mal ein kleines Jubiläum:
Zum 30. Mal lädt die Bezirksgruppe Unterfranken
 der vbw – Vereinigung der Bayerischen
Wirtschaft e.V.
 und der bayerischen Metall- und
Elektroarbeitgeber bayme vbm
zur Diskussion über Themen ein, die für Erfolg,
Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand unseres
Standorts Bayern von entscheidender Bedeutung
sind.
TTIP ist zweifelsohne ein solches Thema – wenn
auch eins, das polarisiert und emotionalisiert wie
kaum ein anderes.
Ziel der Veranstaltung: Aufklären, informieren, Vertrauen schaffen
Nirgendwo ist der Protest so groß wie in
Deutschland – dabei würden wir am meisten vom
transatlantischen Freihandelsabkommen
profitieren.
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Bertram Brossardt, Bedeutung von TTIP für die bayerische Industrie
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Es kursieren manche Vorurteile, Halb- und sogar
Unwahrheiten
Zeit für Fakten.
Zeit, die Debatte zu versachlichen.
Darum dieses Zukunftsforum.
Ich begrüße die Referenten des heutigen Abends:
 Gretchen Tietje vom Amerikanischen
Generalkonsulat Frankfurt wird uns die Sicht
der USA zum Freihandelsabkommen näher
bringen – herzlich willkommen!
 Der Direktor des Instituts der deutschen
Wirtschaft Köln, Prof. Hüther, wird die
Potenziale von TTIP für unsere
Volkwirtschaft mit Zahlen, Daten, Fakten
untermauern.
Auf dem Podium diskutieren des Weiteren mit
uns
 Die Europaabgeordnete Kerstin Westphal –
es freut uns sehr, dass Sie sich Zeit
genommen haben.
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 Und als Stimme unserer
Mitgliedsunternehmen ist Thomas Burkhardt
von SKF Schweinfurt mit dabei.
Das verspricht eine lebendige Diskussion zu
werden.
Ich freue mich darauf!
Bedeutung von TTIP: Die Vorteile liegen auf der Hand!
Meine Damen und Herren,
19,658 Milliarden Euro – exakt so hoch war
Bayerns Exportsumme in die USA im Jahr 2014.
Das sind 11,7 Prozent aller bayerischen Exporte.
Fast die Hälfte dieser Exporte kommt aus dem
Automobilbereich.
Kein Wunder also, dass die Verflechtungen
unseres Automobilstandorts Bayern mit den USA
stärker sind als mit dem Rest Deutschlands.
Die USA sind unser wichtigster Handelspartner.
Über 3000 deutsche Unternehmen sind in den
USA aktiv.
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Und: Die USA sind der wichtigste
Auslandsinvestor in Bayern. Über 850
amerikanische Unternehmen haben wir hier.
Hunderttausende Arbeitsplätze hängen direkt
oder indirekt an dieser Zusammenarbeit
USA - Bayern.
Nichts liegt also näher, als
 Handelshemmnisse abzubauen sowie
 den Waren- und Dienstleistungsaustausch
zu erleichtern.
Alle Beteiligten profitieren:
 Mit TTIP entfallen Milliardenkosten für Zölle.
Besonders Unternehmen mit hohem
Exportumsatz würden profitieren. Die Folge:
Sie können günstiger Produkte anbieten.
Und da hat auch der Verbraucher etwas
davon!
 Mit TTIP entfällt auch unnötige
Doppelbürokratie für Unternehmen.
Doppelte Zulassungen, Testverfahren und
Konformitätsprüfungen verursachen
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zusätzliche Kosten von gut einem Viertel
des Warenwerts. Das ist schlicht irrational.
 Durch TTIP profitieren aber nicht nur die
Großen, sondern auch der Mittelstand –
besonders auch in der Metall- und
Elektroindustrie.
Laut einer ifo-Umfrage rechnet fast die
Hälfte der Mittelständler damit, dass sich
ihre Marktchancen in den USA erhöhen. Das
schafft volle Auftragsbücher, Wertschöpfung
und Arbeitsplätze hier bei uns!
Aber auch jenseits dieser offensichtlichen Fakten
sollten wir uns fragen:
Was passiert, wenn wir TTIP nicht machen?
Neue Wettbewerber wie China, Südkorea, Indien
drängen machtvoll auf den Markt. Sie wachsen
stetig.
Wenn wir die Balance in der Welt halten und auf
dem globalen Markt bestehen wollen, brauchen
wir Partner. Zuallererst die USA.
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Und um es auch deutlich zu sagen: TTIP ist ein
Handelsabkommen – nicht mehr und nicht
weniger.
Auseinandersetzungen um Geheimdienste und
Datenschutz – so wichtig sie auch sind – haben
darin nichts verloren.
Politische Meinungsverschiedenheiten müssen
am Verhandlungstisch ausgetragen werden –
nicht auf dem Rücken der Wirtschaft.
Vorurteile gegen TTIP: Oft irrational
Meine Damen und Herren,
vor gut zwei Wochen ist die zehnte TTIPVerhandlungsrunde in Brüssel zu Ende
gegangen.
Es ging um wichtige Frage wie
 Absenkung von Zöllen,
 Annäherung von Standards im Maschinenund Anlagenbau,
 Energie- und Rohstofffragen,
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 und den Schutz für geografische
Kennzeichnungen – für uns in Bayern keine
unbedeutende Frage. Gleich mehr dazu.
Ich sage offen: Uns wäre es lieber, die
Verhandlungspartner würden endlich Nägel mit
Köpfen machen.
Immerhin ziehen sich die Verhandlungen schon
zwei Jahre.
Aber genauso richtig und wichtig ist:
EU und USA müssen bei TTIP Sorgfalt walten
lassen, gerade wegen seiner Signalwirkung.
Dazu gehört auch, die Kritik an TTIP ernst zu
nehmen.
Viele der verhandelten Inhalte werden verzerrt
dargestellt. Das schürt Ängste. Wir klären auf.
Ich greife die vier wichtigsten Vorwürfe heraus:
Erstens. TTIP – intransparent?
Es macht Sinn, dass nicht jede
Wasserstandsmeldung aus den Verhandlungen
sofort öffentlich breit getreten wird.
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Fakt ist: Vertreter der Staaten und des
Handelssauschusses sind über jeden Schritt
vorab informiert.
Und das ist neu: Die EU-Kommission hat eine
Beobachtergruppe einberufen.
NGOs, Wirtschaft; Gewerkschaften – alle sind sie
eingebunden.
Warum dann von NGOs und Gewerkschaften der
Vorwurf kommt, es werde nur hinter
geschlossenen Türen verhandelt – das verstehe,
wer will!
Es gab bereits zwei OnlineKonsultationsverfahren, bei denen Bürger und
Mittelständler sich zu Wort melden konnten.
Mehr Transparenz war nie!
Alle wichtigen Verhandlungs-Dokumente sind seit
Januar via Internet verfügbar.
Aber: Das Interesse hält sich in Grenzen:
In den ersten vier Monaten wurden die
Dokumente lediglich 2300mal abgerufen – und
zwar EU-weit!
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Das spricht für sich.
Man kann nicht nur Transparenz fordern, man
muss sie auch wahrnehmen!
Zweitens. TTIP – Gefahr für hohe Standards?
Beim Freihandelsabkommen geht es darum,
Standards und Zertifizierungsverfahren
wechselseitig anzuerkennen – und nicht, sie um
jeden Preis aneinander anzupassen.
Das Verhandlungsmandat der EU untersagt
ausdrücklich, dass Arbeits- oder Sozialstandards
zur Disposition gestellt werden. Die EU-Vertreter
dürfen hier gar nichts antasten.
Ein anderes Thema ist die Sorge um die
Lebensmittelsicherheit.
Auch hier hat die EU-Kommission von Anfang an
betont, dass Umwelt- und Hygienestandards ihrer
Mitgliedstaaten nicht zur Debatte stehen.
Der Verkauf gentechnisch behandelter
Lebensmittel in der EU ist verboten oder
unterliegt strengen Regeln. Das wird und kann
TTIP nicht außer Kraft setzen.
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Drittens. TTIP – Angriff auf die öffentliche
Daseinsvorsorge, zum Beispiel bei
Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung?
Dazu ist zu sagen: Privatisierungen sind Sache
der einzelnen Mitgliedstaaten und nicht
Gegenstand von Freihandelsabkommen.
Dazu ist die EU auch gar nicht ermächtigt.
Worum es im TTIP geht: Europäische Anbieter
sollen bei der öffentlichen Auftragsvergabe in den
USA gegenüber einheimischen Bietern nicht
benachteiligt werden.
Und dies soll umgekehrt natürlich auch für
amerikanische Investoren bei uns gelten.
Mit Privatisierung der öffentlichen
Daseinsvorsorge hat das nichts zu tun.
Viertens. TTIP – eine Gefahr für Drittstaaten?
Wenn sich USA und EU auf gemeinsame
Standards einigen, ist das auch für Zulieferer aus
Drittstaaten ein Gewinn:
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Sie können dem gemeinsamen Standard folgen
und müssen nicht mehr für zwei
Regulierungssysteme produzieren.
Bei der Bedeutung von der EU und den USA für
den Weltmarkt kein unwichtiges Argument.
Knackpunkte Investitionsschutz und Schutz geografischer
Angaben
Meine Damen und Herren,
viele Anti-TTIP-Schlagworte fallen bei näherem
Hinsehen wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Darum ist es wichtig, dass wir diese Argumente
immer wieder in die Debatte einbringen. Außer
uns tun es nicht viele!
Über zwei Aspekte müssen wir ausführlicher
sprechen.
Sie sind auch für die bayerische Wirtschaft von
hoher Bedeutung.
Der erste Aspekt ist die Investitionssicherheit.
Schutz des geistigen und materiellen Eigentums,
freier Transfer von Kapital und Rechtssicherheit:
Investitionsschutz ist wichtig – für beide Seiten.
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Dazu gehören – das muss man ganz klar sagen –
auch Schiedsverfahren.
Dort, wo nationales Recht an Grenzen stößt,
helfen sie, Investitionsstreitigkeiten zu regeln.
Das ist übrigens nichts Neues.
Deutschland hat bisher insgesamt 131 solcher
Investitionsschutz- und Förderverträge
geschlossen – das erste übrigens schon 1959 mit
Pakistan.
Das Abkommen war damals ein weltweites
Novum, dem viele Staaten gefolgt sind.
Die Regelungen sind absolut mit TTIP
vergleichbar.
Hat man da jemals Protest gehört?
Auch wenn in der EU und den USA ein
weitgehender Rechtsschutz vor nationalen
Gerichten besteht:
Ein Kapitel zum Investitionsschutz sollte nicht
pauschal abgelehnt werden.
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TTIP bietet vielmehr die Chance, bestehende
Instrumente zum Investitionsschutz zu überprüfen
und zu verbessern.
Das gilt vor allem in Sachen Transparenz bei
Schiedsverfahren: Wirtschaftsminister Gabriel hat
die Idee eines gemeinsamen Handelsgerichtshofs
ins Spiel gebracht.
Das ist ein guter und konstruktiver Vorschlag –
und würde viele Bedenken ausräumen.
Bei der zehnten Verhandlungsrunde stand das
Thema Schiedsverfahren nicht auf der Agenda.
Aber beide Verhandlungsparteien haben deutlich
gemacht, dass die Richtung ganz klar in Richtung
transparentere Verfahren geht.
Und das begrüßen wir ausdrücklich!
Wichtig ist aber, dass hierbei ein Ausgleich
gefunden wird
 zwischen berechtigtem öffentlichen
Interesse
 und den genauso berechtigten
Schutzinteressen der Unternehmen, die
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nicht wollen, dass alle Betriebsinterna offen
ausgebreitet werden.
Das wäre ein sprichwörtlicher „Schuss ins Knie“,
weil es die Wettbewerbsposition der beteiligten
Unternehmen erheblich schwächen würde.
Auf den Punkt gebracht: Der Investitionsschutz in
TTIP das Potenzial, zur Blaupause für andere
Investitionsschutzabkommen zu werden.
Diese Chance sollten wir nicht verstreichen
lassen.
Denn wenn wir jetzt auf entsprechende
Vorkehrungen verzichten, wird es sehr schwer
werden, bei Verhandlungen mit Ländern wie
China auf einen strengen Investitionsschutz zu
bestehen.
Das ist es aber, was unsere Unternehmen wollen
und brauchen!
Was unsere Unternehmen, gerade in Bayern,
auch wollen – und das ist der zweite Aspekt:
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Geografische Herkunftsangaben müssen
geschützt bleiben.
Fränkischer Wein muss Veitshöchheim,
Randersacker oder Würzburg kommen und nicht
aus Kentucky und die Nürnberger Bratwurst aus
Nürnberg und nicht aus Illinois!
Gerade die Regionalität ist das wichtigste
Kaufkriterium für unsere Produkte im In- und
Ausland.
Und auch daran hängen Unternehmen und
Arbeitsplätze!
79 deutsche Produkte tragen das Siegel
„geschützte geografische Angabe“.
Auch wenn es das in den USA nicht gibt: Die
Eintragung als certification mark ist eine gute
Lösung.
Aber dann bitte auch in der englischen
Übersetzung, denn „Franconian wine“ oder
„Munich beer“ schmeckt unserer starken Weinund Brauereiwirtschaft ebenso wenig.
Da geht es auch ein Stück weit um den Erhalt von
regionaler Identität und Kulturgut.
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Die Verbraucherschutzminister in Bund und Land
sind da fest an unserer Seite.
Aber es muss auch noch in die Köpfe der
Kommission und unserer amerikanischen
Partner.
Schluss
Meine Damen und Herren,
Freihandel ist mehr als zollfreier Waren- und
Güterverkehr.
Es geht darum, unseren Wohlstand auch für die
kommenden Generationen zu erhalten.
Das gelingt uns nicht allein, sondern nur, wenn
wir verlässliche und stabile Handelsbeziehungen
pflegen.
TTIP ist ein großer und wichtiger Schritt.
Weitere müssen folgen.
Wir müssen jetzt den Schwung der Globalisierung
nutzen – weg von der Konkurrenz hin zur
Partnerschaft.
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Das gilt im Verhältnis zu den USA genauso wie
zu China, Indien oder Russland.
Gehen wir es an!
Ich wünsche uns einen erfolgreichen,
informativen Abend.
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