Predigt von Dompropst Dr. Michael Bär zum Caritas-Sonntag 26. So.i.Jkr. B – Caritassonntag (Dommelstadl, 27.09.15) Als Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden, hat Gott den Erzengel Michael als Wächter vor die Tür gestellt, damit die beiden nicht dorthin zurückkehren können. Das Paradies war verschlossen. In diesen Tagen ziehen Zehntausende durch Südosteuropa auf der Suche nach dem Paradies. Die Hölle lassen sie hinter sich: Bürgerkrieg, Verfolgung, Bomben, Granaten, Kugelhagel. Aber auch die Hölle der Flüchtlingslager, des Hungers, die Aussichtslosigkeit im eigenen Land, die Hoffnungslosigkeit, sie wollen ein menschenwürdiges Leben mit der eigenen Familie führen. Sie fliehen vor der Hölle und wollen ins Paradies. „Wir sind doch nicht das Paradies!“ Rufen viele von uns aus angesichts der Flüchtlinge, die zu uns nach Deutschland wollen. Sicher sind wir nicht das Paradies. Alles, was es hier an Gutem gibt, verdanken wir der Arbeit, dem Fleiß, der Ordnung, der Organisation. Ein sicheres, demokratisches, blühendes Land im Wohlstand haben wir geschaffen. Vielleicht doch ein Paradies. Der Erzengel Michael ist Deutschlands Patron, der Deutsche Michel. Er hat sein Flammenschwert beiseitegelegt und die Pforte geöffnet. Am Hauptbahnhof Passau ist eine solche Pforte, durch die die Flüchtlinge gehen. Dort finden sich weitere Engel ein. Raphael – der Schutzengel, der Begleiter. Und Gabriel – der Engel mit der Guten Botschaft. Dutzende von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sind die ersten Deutschen, denen die Flüchtlinge begegnen. „Keine Angst! Ihr seid in Sicherheit“, lautet die gute Botschaft. Da sie kein Deutsch verstehen, wird die Menschenfreundlichkeit mit einer Tasse Tee, einer Banane, einem Schmusetier für die Kinder ausgedrückt. Die Flüchtlinge lächeln. Sie spüren, sie sind willkommen. Die Bundespolizisten leisten ebenfalls einen engelsgleichen Dienst. Sie vermitteln Ordnung und Sicherheit, Ruhe und Gelassenheit. Sie organisieren den Transport der Flüchtlinge zu den Erstaufnahmeeinrichtungen. Erleichterung auf den Gesichtern der Menschen, die wochenlange Flucht hinter sich haben. Sie merken, dass sie nicht im Paradies angekommen sind, aber doch in einem Land, in dem man gut und rücksichtsvoll mit ihnen umgeht. Das lässt hoffen. Heute ist der Caritas-Sonntag. Der Sonntag des Teilens, der uns Christen ermahnt, verantwortlich mit unserem Reichtum umzugehen. Jetzt gilt es, unser reiches, ja paradiesisches Land mit anderen, mit den armen Flüchtlingen dieser Welt zu teilen. Dazu braucht es Engel mit helfenden Händen und guten Botschaften, Engel, die Pforten öffnen. Die Kirche von Passau, die Caritas unseres Bistums, unsere Pfarreien, unsere Ortscaritasvereine, alle helfen mit, diese Herausforderung zu bewältigen. Flüchtlinge aufzunehmen, Pforten zu öffnen. Wie Adam und Eva sind wir alle aus dem Paradies vertrieben. Doch Christus hat in seiner Liebe das verschlossene Tor wieder geöffnet. Wir tun es ihm gleich mit unserer tätigen Liebe und das öffnet auch uns die Tür ins Paradies. Amen.
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