SMARTY – Ein neuer Weg für die Betreuung chronisch kranker Kinder

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Telemedizin
SMARTY – Ein neuer Weg für die Betreuung chronisch
kranker Kinder
Chronische und komplexe Krankheiten bei Kindern sind für die betroffenen Familien häufig
eine starke Belastung. Die Eltern möchten immer auf dem neuesten Stand der Behandlung
sein und meist werden die Kinder von mehreren Fachärzten behandelt, sodass es schwerfällt
beziehungsweise mit erheblichem Aufwand verbunden ist, alle Beteiligten auf dem aktuellen
Stand zu halten. An der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin des
Universitätsklinikums Tübingen versuchen Ärzte unter der Projektleitung von Privatdozent Dr.
Joachim Riethmüller mit Hilfe der Telemedizin die Betreuung zu verbessern.
Wir leben in einer digitalen Gesellschaft. Im
Jahr 2014 besaß in etwa jeder zweite Deutsche
über 14 Jahren ein Smartphone und nutzte
dieses um E-Mails zu verschicken, zu chatten
und natürlich auch zum telefonieren. In der
medizinischen Kommunikation ist dieser
digitale Trend noch nicht angekommen. Eines
der Hauptprobleme dabei ist der Datenschutz.
„Sie dürfen dem Patienten den Befund nicht
einfach als PDF-Datei online zukommen lassen.
Das ist Datenschutztechnisch nicht erlaubt",
erklärt PD Dr. Joachim Riethmüller, Leiter der
Mukoviszidose-Ambulanz sowie Leiter des
Pädiatrisch Klinischen Studienzentrums der
Universitätsklinik für Kinder- und
Jugendmedizin des Universitätsklinikums
Tübingen.
Im Moment findet die Kommunikation
zwischen Arzt und Patient beziehungsweise
dessen Erziehungsberechtigten oder von Arzt
zu Arzt ambulant in der Klinik, telefonisch,
PD Dr. Joachim Riethmüller ist Leiter der Mukoviszidosepostalisch oder per Fax statt. Das ist
Ambulanz sowie des Pädiatrisch Klinischen
zeitaufwendig für alle Beteiligten und bringt
Studienzentrums der Universitätsklinik für Kinder- und
Jugendmedizin des Universitätsklinikums Tübingen. ©
auch nicht immer den gewünschten Erfolg, da
UKT
die Ärzte im Klinikalltag häufig schwer
telefonisch erreichbar sind. „Wir wollen
versuchen die Kommunikation mit den Patienten und mit den Behandlern an den auswärtigen
Kliniken sicher und vor allem in einem „schöneren" Rahmen durchzuführen", sagt Riethmüller.
Um dies zu erreichen, wurde an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin des
Universitätsklinikums Tübingen das Projekt SMARTY ins Leben gerufen. In diesem Projekt wird
Ärzten, Patienten und Angehörigen eine sogenannte Social Medical Application Platform
(SMAP) zur zeitnahen und datenschutzrechtlich sicheren Kommunikation zur Verfügung
gestellt.
Sicher kommunizieren
Digitaler Raum der Social Medical Application Platform © careon GmbH
Über die SMAP können die Beteiligten datenschutzrelevante Behandlungsdaten austauschen,
denn die Kommunikation über die SMAP erfolgt mittels einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
(E2EE). Die Plattform wurde von der careon GmbH aus Tübingen entwickelt und wird dem
Klinikum während der Projektlaufzeit von drei Jahren zur Verfügung gestellt. „Das
Unternehmen kümmert sich während des Projekts auch um die Schnittstellen in der Klinik, das
heißt, es besteht die Möglichkeit das wir mit unseren internen Software-Paketen einen direkten
Link zu der Plattform bekommen und die Patientenbefunde direkt in der Plattform eingestellt
werden können", erklärt Riethmüller. „Das ist letztendlich die Idee dahinter, dass es für die
Kliniker einfacher wird eine Kommunikation loszutreten und für den Patienten einfacher, weil
er nur noch auf der Plattform antwortet und nicht anrufen, beziehungsweise keinen Brief oder
E-Mail schreiben muss", so Riethmüller.
Chronisch Kranke stärken
Das Projekt wird mit drei Gruppen chronisch kranker Patienten durchgeführt: Kinder mit
Mukoviszidose (PD Dr. Joachim Riethmüller), Luftröhrenschnitt mit Dauerbeatmung (Dr.
Matthias Kumpf) und Kinder mit chronischen Leber- und Darmerkrankungen sowie
Transplantationen (Dr. Ekkehard Sturm). Daraus ergeben sich drei Verbundpartner im
Klinikum. Weitere Verbundpartner sind die careon GmbH und die Koordinierungsstelle
Versorgungsforschung an der Medizinischen Fakultät Tübingen und dem Institut für
Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung des Universitätsklinikums. Das
Projekt wird durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg
und das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren BadenWürttemberg im Rahmen des Programms „Anwendungsorientierte Transferforschung
Telemedizin" gefördert.
Gespräch im digitalen Behandlungsraum
Die SMAP bietet sogenannte „digitale Räume" in denen ein Patient-Arzt-Gespräch zeitversetzt
stattfinden kann. Es müssen also nicht alle Gesprächsteilnehmer gleichzeitig online sein. In
den Gesprächsraum können auch weitere Personen eingeladen werden, wie zum Beispiel die
Eltern oder andere behandelnde Ärzte. „Ich gehe sehr positiv an das Projekt heran, da wir, also
alle drei Projektteilnehmer, erstens dadurch eine datensichere Übertragung möglich machen
wollen, also problemlos kommunizieren ohne das andere zuhören und zweitens möchten wir,
dass die Kommunikation der Patienten mit uns Ärzten vereinfacht, aber auch gebündelt wird.
Es kommunizieren also auch mehrere Ärzte über die Befunde des Patienten, vorausgesetzt der
Patient stimmt dem zu", so Riethmüller. Diese Art der Kommunikation zwischen Arzt und
Patient ist Teil einer partizipativen Entscheidungsfindung, es findet also eine gemeinsame
Übereinkunft der Behandlung zwischen Arzt und Patient statt. Dadurch soll die gesundheitliche
Kompetenz der Patienten erhöht werden, einem der nationalen Gesundheitsziele in
Deutschland.
Studie im Bereich der Versorgungsforschung
Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wird die Plattform in den nächsten Monaten von
Patienten und deren Angehörigen sowie den Ärzten erprobt. Dabei findet eine
wissenschaftliche Evaluation durch die betreuenden Ärzte – PD Dr. Riethmüller, Dr. Sturm und
Dr. Kumpf – statt. Hierzu wurden in der ersten Projektphase Fragebögen erarbeitet. Für die
wissenschaftliche Begleitforschung wurden fünf Fragestellungen konzipiert: 1) Wird die
Plattform genutzt? Welches sind förderliche und hinderliche Faktoren? 2) Welche Haltungen
und Erwartungen haben die verschiedenen Teilnehmer an die Plattform? 3) Lässt sich die
Gesundheitskompetenz der Kinder und Jugendlichen und deren Eltern durch Nutzung der
Plattform verbessern? 4) Kann die subjektiv empfundene Versorgungsqualität verbessert
werden? 5) Ist der Aufwand zur Betreuung der betroffenen Kinder und Jugendlichen durch die
Nutzung der Plattform gesunken?
Mit Hilfe der beantworteten Fragebögen sollen diese Fragestellungen beantwortet werden. Zu
Beginn der Studie werden die Erwartungen an die Plattform bei allen Teilnehmern abgefragt.
Im Moment befindet sich das Projekt noch in der Vorphase, da vorab der Prüfplan mit allen
Fragebögen sowie Datenschutzerklärungen und Patienteninformationen erstellt werden muss.
Zudem wurde für das SMARTY-Projekt ein umfangreiches Datenschutzkonzept erstellt. „Meiner
Meinung nach wird diese Art der Kommunikation in jedem Fall kommen, dies ist nur eine Frage
der Zeit. Hier muss man sich jetzt entscheiden ob man sich für die chronisch kranken Patienten
darauf einlässt", so Riethmüller.
Fachbeitrag
13.10.2015
Ariane Pott
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Universitätsklinikum Tübingen
careon GmbH
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Telemedizin: Hightech-Betreuung im Kommen
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