- Fachbereich Bund + Länder NRW

Information
ver.di Landesfachgruppe Justiz NRW
www.justiz-nrw.verdi.de
Alles elektrisch!
Juni
2015
Oder was?
Informationen der
Vereinten
Dienstleistungsgewerkschaft
Interview der ver.di Fachgruppe Justiz mit dem Kollegen Burkhard Voss
Fachbereich Bund + Länder
Nordrhein-Westfalen
www.nrw6.verdi.de
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
INFORMATION
der elektronische Rechtsverkehr und die elektronische Akte entwickeln sich zum
Top-Thema in den Gerichten und Staatsanwaltschaften.
Heute wollen wir unsere Interviewreihe mit dem Kollegen Burkhard Voss
fortsetzen.
ver.di: In welchem Bereich bist Du tätig?
Voss:
Ich bin Wachtmeister beim Amtsgericht Münster und dort hauptsächlich im
Sitzungs- und Vorführdienst sowie in der Eingangsschleuse eingesetzt. Ich erledige
allerdings auch alle anderen Arbeiten, die in der Wachtmeisterei anfallen, wie das
Zutragen der Eingangs- und Abtragen der Ausgangspost, Archivierung und
Aussonderung von Akten, Zustellung von Schriftstücken und Unterstützung der
Hausmeister bei Umzügen.
Im Nebenamt bin ich Trainingsleiter (Schulung der Beschäftigten der
Justizwachtmeistereien in der Eigen- und Fremdsicherung) und Lehrtrainer für den
einfachen Dienst an der JAK Recklinghausen.
ver.di: Welche Einschätzungen haben Deine Kolleginnen und Kollegen und
Du zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen
Akte in der Justiz?
Voss:
Ich finde die Einführung der elektronischen Akte und des elektronischen
Rechtsverkehrs richtig und wichtig. Zum angestrebten Einführungstermin Anfang
des Jahres 2020 ist dies längst überfällig. Die Einführung der eAkte wird aber auch
bei meinen Kollegen und mir kritisch betrachtet.
Impressum: Eine Veröffentlichung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, Landesfachgruppe Justiz NRW,
Karlstraße 123-127, 40210 Düsseldorf. V.i.S.d.P. Michael Kötzing. www.nrw6.verdi.de
ver.di: Welche Gedanken kommen Dir, wenn das Justizministerium sagt, dass
die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der eAkte mit einer ITZentralisierung und einer neuen Software-Architektur verbunden sein
werden?
Voss:
Zur Software kann ich wenig sagen, da unsere Wachtmeisterei weder mit Judica
noch mit anderen Anwenderprogrammen arbeitet, kann mir aber sehr gut vorstellen,
dass eine neue Software bzw. geänderte Versionen der bestehenden Programme
eingeführt werden. Allen betroffenen Mitarbeitern muss, meiner Meinung nach, eine
Schulung hierzu angeboten werden.
Einer Zentralisierung stehe ich grundsätzlich positiv gegenüber. Eine Bündelung der
Aufgaben darf aber kein Nachteil der Mitarbeiter am jeweiligen Standort sein, d.h.
dass ein Rechenzentrum, das meiner Information nach u.a. in Münster entstehen
soll, nicht alleine von Beschäftigten der Justiz in Münster betrieben werden kann.
Hier sollte es einen personellen Ausgleich zwischen den Bezirken geben.
ver.di: Was glaubst Du, welche Auswirkungen das auf Deinen Arbeitsplatz in
der Justiz hat?
Voss:
Auf die Wachtmeistereien werden große Veränderungen zukommen, was den
Bereich Eingangspost betrifft. Wobei diese neuen bzw. zusätzlichen Aufgaben
bisher nur im Kreise der Kollegen besprochen werden, da vom JM bislang keine
Informationen über die praktische Umsetzung der Einführung der eAkte
ausgegeben werden.
Offene Fragen gibt es auch im Bereich Umgang mit Gefangenen, denn bisher gibt
es zu jeder vorzuführenden Person aus einer JVA eine VG 10, der so genannte
„Laufzettel“, dort sind wichtige Informationen zu den Gefg. verzeichnet, wie Ende
der Haftzeit, mögliche Suizidgefahr, erhöhte Fluchtgefahr, Gewaltbereitschaft u.v.m.
Bei einer digitalisierten Übermittlung dieser Informationen muss jeder Wachtmeister
Zugang zu eBook Readern bzw. Laptops haben, da diese Informationen zu den
Gefg. mobil sein müssen. Auch bei einer akuten Suizidgefahr müssen
entsprechende Protokolle über die Kontrolle angelegt werden, die z.T. aktenkundig
zu machen sind.
Unklar ist auch noch, was mit den unzählbaren Akten in den Archivräumen
passieren soll, die ja zum Großteil noch dreißig Jahre bis dauernd aufzubewahren
sind. Diese genannten Akten unterliegen nach wie vor der Anforderung der
Geschäftsstellen und Kammern. Wenn es aber ab dem Jahr 2020 keine Akte mehr
in Papierform gibt, müssen alle Inhalte von Akten, wohl oder übel, eingescannt
werden. Ohne externe Unterstützung wird dies allein im AG Münster, optimistisch
gedacht, mehrere Jahre dauern!
ver.di: Was hältst Du von der Aussage des JM, dass mit der Einführung des
elektronischen Rechtsverkehrs und der eAkte kein Stellenabbau verbunden
ist - im Gegenteil mit Mehrbelastungen in der Umsetzungsphase zu rechnen
sei?
Voss:
Die Aussage des JM ist sicher richtig, dass in der Phase der Umsetzung alle
Mitarbeiter mehr belastet sind. Alle Justizbediensteten müssen sich in die neue
Arbeitsweise einfinden, sodass jeder Arbeitsschritt länger dauern wird. Die
Verfahren werden aber bestimmt nicht weniger werden durch die eAkte.
Die langfristigen Auswirkungen der elektronischen Akte auf die Personalstärke kann
ich, zur Zeit jedenfalls, noch nicht abschätzen. Im Bereich der Wachtmeistereien
werden einige Arbeiten zukünftig wegfallen, wie z.B. das Abtragen, Archivieren und
größtenteils der Postversand. Ob dies zu wegfallenden Stellen führt, oder die
Kollegen an anderer Stelle gebraucht werden ist noch unklar.
ver.di: Kannst Du Dir in Verbindung mit diesen Veränderungen in der Justiz
positive Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Justizbeschäftigten
vorstellen bzw. welche Erwartungen würdest Du an das JM richten?
Voss:
Die Hauptgründe für die Einführung der eAkte sind ja sicher Ressourcenschonung,
schnelleres Übermitteln von Akteninhalten, Bürgerfreundlichkeit, bessere
Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten u. Notaren und das Präsentieren einer
zeitgemäßen Arbeit in der Justiz NRW. Dies bringt Veränderungen in der Arbeit der
Kolleginnen u. Kollegen mit sich, diese sind sicher nicht durchweg positiv.
Meine Erwartungen an das JM ist, alle Justizbeschäftigten zeitnah und umfassend
zu der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zu informieren, insbesondere,
wie die praktische Umsetzung konkret aussehen soll. Fehlende Informationen
können Grundlage für Ressentiments gegenüber der eAkte bedeuten.
Nur gut informierte und geschulte Kolleginnen und Kollegen haben eine positivmotivierte Einstellung zur eAkte und werden diese schnell und damit kostengünstig
im Arbeitsalltag umsetzen.
ver.di: Herzlichen Dank!
Mit kollegialen Grüßen
Eure ver.di Fachgruppe Justiz
Mehr zu uns im Internet:
www.justiz-nrw.verdi.de