von Adele Danler, 2015

Tauern Haute
Route
Rundherum und rauf auf den
Großvenediger
28.06.15 – 03.07.15
Sonntag, 28.06 2015.
Etwas nervös steige ich daheim in Innsbruck um kurz nach 12.00 in mein Auto.
Treffpunkt unserer Gruppe ist laut OASE-Tourenprogramm um 14.00 beim Hotel
Krimmlerfälle in Krimml im Oberpinzgau.
Während ich durch das schöne Zillertal fahre, überlege ich, was mich in den
nächsten Tagen wohl erwarten wird. Wie wird die Gruppe sein? Werde ich mit allen
TeilnehmerInnen klar kommen? Wie wird es sich anfühlen mit fünf Fremden durch
die Berge zu gehen und ohne einander zu kennen aufeinander vertrauen zu
müssen?
Als ich am Parkplatz vor dem Hotel ankomme, kann ich glücklicherweise sofort den
weißen OASE-AlpinCenter Bus entdecken und auch unseren braungebrannten
Bergführer Bernd Adler. Auch vier der anderen Teilnehmer sind schon da - die
weitgereisten Freunde Werner und Frank aus Osnabrück und Susanne und Peter
aus Rosenheim. Nachdem ich alle per Händeschütteln begrüßt habe, fragt Bernd ob
ich noch Material brauche und händigt mir zwei Karabiner und zwei Bandschlingen
aus - Steigeisen, Pickel und Gurt habe ich selbst dabei.
Um Punkt 14.00 stolpert dann das letzte Mitglied unserer abenteuerlustigen Gruppe
über den Hügel zu uns herunter – Marcel aus Holland - top gestylt - Ton in Ton in
schwarz und - wie könnte es anders sein – der holländischen Traditionsfarbe
„orange“. ;)
unsere motivierte Gruppe: Bergführer Bernd, Marcel, Werner, Peter, Susi, Adele und Frank
Da wir nun komplett sind, steigen wir in gemütlichem
Tempo über die Krimmler Wasserfälle bis zum Gasthof
„Schönangerl“ auf. Auf dem breiten Weg haben wir die
Gelegenheit uns ein bisschen zu unterhalten und uns ein
wenig zu „beschnuppern“. Ich merke schnell, dass ich
mich in dieser Gruppe sehr wohl fühlen werde. Wir
bemerken auch schnell die verwunderten Blicke der
anderen Menschen, die hier mit Sommerschühchen und
Umhängetasche am Weg sind. Anscheinend sind wir mit
unseren schweren Bergschuhen und den 40Liter
Rucksäcken mit den Pickeln oben drauf ganz schöne
Exoten. ;)
Nach 40 min Fußmarsch brauchen wir erst mal Kaffee und Kuchen um unsere
Energiereserven wieder aufzufüllen…
Danach warten wir gefühlte zwei Stunden auf unser Taxi, dass uns mit
Sondergenehmigung bis zur
Materialseilbahn der Warnsdorfer Hütte
bringt. Die Fahrt dorthin ist lange und
rasant, das Ziel liegt ganz am Ende des
Krimmler Tals. Freundlicherweise bietet
uns der Hüttenwirt der Warnsdorfer
Hütte an, unsere Rucksäcke mit der
Materialseilbahn zu transportieren und
so wandern wir nur mit leichtem Gepäck
etwas über eine Stunde zur Warnsdorfer
Hütte auf 2.336m.
Oben angekommen beziehen wir bald unser Lager und essen dann gemeinsam zu
Abend. Es gibt ein Salatbuffet, Nudelsuppe, Schnitzel mit Kartoffel und Preiselbeeren
und als Nachspeise Kuchen. Nach dem Essen passen wir noch schnell unsere
Steigeisen auf unsere Schuhe an um optimal für den morgigen Tag gerüstet zu sein.
Montag, 29.06.
Um 06.30 treffen wir uns alle beim Frühstück, Abmarsch ist um 07.30. Unser erstes
Etappenziel für heute ist das Gamsspitzl (2.888m), dessen Gipfelkreuz wir nach gut
1,5h Gehzeit erreichen. Das Wetter heute ist stabil, wenn auch leicht bewölkt und
eher windig.
Am Obersulzbach Kees ziehen wir uns zum ersten und letzten Mal auf unserer
Tourenwoche alle die Steigeisen an und überqueren den Gletscher am Seil. Da es
für viele von uns das erste Mal „Gehen am Seil“ ist, verläuft das Ganze eher ruckartig
und etwas adynamisch, der knietiefe schwere Schnee macht das Ganze nicht gerade
leichter.
Der Abstieg vom Maurer Törl (3.108m) zur Essener und Rostocker-Hütte ist zwar
lang, wird uns aber durch eine „exzellente Skiabfahrt“ erleichtert, wobei es den einen
oder anderen Osnabrücker des Öfteren mal überschlägt ;)
Auf der Hütte angekommen beziehen wir unsere schönen 2-Bett Zimmer für die
nächsten zwei Nächte und laden unser Gepäck ab.
Den restlichen Nachmittag verbringen wir bei Kuchen und Apfelschorle auf der
Hüttenterrasse und amüsieren uns über diverse Tagesgäste. Besonders im Kopf
werden uns vier Rostocker bleiben, die den Wirtsleuten Rostocker Bier und ein
Rostocker T-shirt als Geschenk mitbringen.
Nach der wohlverdienten Dusche und der nötigen Körperhygiene beginnt das Warten
auf das Abendessen. Es gibt Suppe, Schweinsschnitzel mit Reis und Bohnen und
zum Schluss Kuchen, dazu trinken wir Bier und Rotwein. Rotwein soll ja die
Höhenanpassung fördern, weshalb fleißig ein paar Gläser mehr bestellt werden.
Dienstag, 30.06.15
Der dritte Tag unserer Tour sollte der Tag werden, an dem unser Bergführer das
erste Mal vom Programm abweichen wollte. ;)
Unser heutiges Etappenziel stellt die Simonyspitze (3.488m) dar, Peter und Susi
beschließen heute nicht mit zu gehen und ihren Tag lieber am Simonysee zu
verbringen.
Also starten wir nur zu fünft unserem Ziel entgegen. Wir gehen etwa 1,5h bis wir den
Gletscher erreichen. Heute ist es sehr heiß und sonnig. Obwohl wir um 7.30 gestartet
sind, ist der Schnee am Gletscher schon sehr nass und schwer. Bernd erklärt, dass
es heute Nacht wahrscheinlich nicht gefroren hat. Deshalb entschließen wir uns
gegen die Steigeisen und steigen in unserer Normalausrüstung mit Gurt und Seil in
den Gletscher ein. Schon bald können wir spontane Lawinenabgänge auf dem
Zustiegshang zur Simonyspitze erkennen und deshalb entscheidet Bernd, dass wir
„nur“ auf den mittleren Maurer Keeskopf (3281m) gehen. Die Entscheidung wird von
der Gruppe natürlich akzeptiert, später werden wir erfahren, dass eine Gruppe nach
uns zwei Lawinen am Grat zur Simonyspitze ausgelöst hat.
Der mittlere Maurer Keeskopf hat wohl nicht gerne Gäste und so denken wir circa
über zwanzig Minuten lang immer wieder angekommen zu sein, doch Bernd zieht
uns immer weiter und weiter bis zu einem Platz, wo vor uns wohl noch keiner
gewesen ist. Die Aussicht vom Gipfel ist herrlich, wir können den Großvenediger und
den Großglockner ganz klar sehen.
Da eisiger Nordwind bläst, steigen wir bald wieder ab, wobei am Rückweg Werner
eine Zeit lang die Seilschaft anführt und dies bravourös meistert. Als es wieder
leichter wird, übernimmt Bernd wieder das Kommando (*gg*) und so steigen wir –
immer wieder „umknickend und umkippend“ bis zum Ende des Gletschers ab.
Susi und Peter erzählen uns später, dass einige Touristen unseren Abstieg per
Fernglas von der Essener und Rostocker Hütte aus beobachtet hatten und tief
beeindruckt von unserem Mut und unserer Leistung waren.
Abends gibt es Suppe, Tafelspitz mit Kartoffeln und Kuchen. Unterhalten werden wir
von einer Gruppe Gäste, die seit Mittag in der prallen Sonne sitzen, Bier und
„Jungfrauen-Wurzel-Enzian-Schnaps“ trinken. Ob die roten Nasen von der Sonne
oder vom Alkohol kommen, werden wir heute nicht mehr erfahren.
Mittwoch, 01.07.15
Nach einem ausgiebigen Frühstück starten wir unsere heutige gletscherfreie Etappe
mit dem Defreggerhaus (2.952m) als Ziel.
Schon beim Hochheben meines Rucksackes frage ich mich, wieso dieser sich heute
so schwer anfühlt und schiebe es auf die letzten drei Tage, die mir in den Knochen
stecken.
Beim Aufstieg zum Türmljoch (2.790m) fragt mich unser Bergführer Bernd zweimal
ob alles okay bei mir sei, was mich langsam aber sicher misstrauisch macht. Am
Türmljoch angekommen, machen wir erst mal eine kurze Pause. Als ich meine
Wasserflasche aus dem Rucksack holen will, bemerke ich, dass ein großer Stein in
meinem Rucksack ein neues Zuhause gefunden hat. Ich konfrontiere die Herren
unserer Gruppe mit dem Vorhandensein des Steins, doch keiner fühlt sich
angesprochen und alle streiten die Übeltat ab. Nur in die Augen kann mir dabei
keiner schauen…. ;)
Beim Abstieg zur Johannishütte (2.121m) wird Frank von einem Schaf verfolgt, das in
ihm wohl so etwas wie einen großen Bruder sieht…
Der neuerliche Aufbruch von der gemütlichen Johannishütte fällt nach dem
Mittagessen etwas schwer, doch wir müssen nochmals 800hm zum Defreggerhaus
aufsteigen, dem günstigsten Stützpunkt für die Besteigung des Großvenedigers.
Ziemlich müde und mit schweren Beinen erreichen wir gegen 16.00 unser heutiges
Ziel. Man merkt, dass die Hütte gerade erst wieder eröffnet hat, die Kälte des Winters
steckt noch in den Wänden, die Decken und Polster sind klamm und auch die
Sitzkissen noch feucht. Marcel äußert Bedenken heute Nacht frieren zu müssen, also
bieten ihm Frank und Werner freundlich an ihn nachts in ihre Mitte zu nehmen –
Marcel lehnt dieses Angebot dankend ab und so frieren sich alle bis zum nächsten
Morgen durch die Nacht.
Zum Abendessen gibt es Backerbsensuppe, Spaghetti Bolognese und ein
Schokoladen Dani&Sahne, was will man mehr auf 2.952m!
Nach dem Abendessen sitzen wir noch lange vor der Hütte – nicht nur weil es
draußen wärmer ist als in der Hütte - und beobachten den Sonnenuntergang.
Der Bergführer eines Pärchens aus Bayern reist zu später Stunde noch mit der
Materialseilbahn an, er äußert Verwunderung darüber, dass so viele Menschen
draußen vor der Hütte sitzen. Mit einem „Grüß Gott – und somit ist ALLES gesagt“
läuft er an uns vorbei – ein Satz, der „der running gag“ unserer Tour werden sollte ;)
Donnerstag, 2.07.15
Um 06.00 brechen wir nach einem einfachen Frühstück zum Gletscher des
Großvenedigers auf. Es ist wieder ein herrlich sonniger Tag und die Kulisse, die sich
uns beim Aufstieg bietet, ein Traum!
Als 2. Seilschaft erreichen wir an diesem Tag nach ca. 2 Stunden Gehzeit den Gipfel
des Großvenedigers (3.674m).
Danach folgt ein langer Abstieg durch die Venedigerscharte zum spaltenreichen
Obersulzbach Kees. Der Schnee ist beim Abstieg durch die Hitze schon wieder sehr
weich und sulzig, der Abstieg dadurch eher mühsam. Wir überspringen tapfer die
großen Spalten und setzen einen Fuß vor den anderen. Nach ca. 4 Stunden Abstieg
erreichen wir die Kürsinger Hütte (2.562m), wo wir unseren Gipfelsieg gebührend mit
Apfelschorle und Soda Zitrone feiern ;)
Wir beziehen ein gemütliches Zimmer mit echten Federbetten (!!!), duschen warm
und warten dann gefühlte zehn Stunden auf das Abendessen.
Macht ganz schön hungrig dieses „Schneestapfen mit schwerem Rucksack“!
Abends teilt uns Bernd mit, dass er zum zweiten Mal vom uns ausgehändigten
Tourenplan abweichen und am Freitag ausschlafen will. Da Marcel, Frank und ich
aber topmotiviert sind um 04.00 aufzustehen, lässt Bernd sich doch erweichen, uns
zum Sonnenaufgang auf den Keeskogl zu führen.
Freitag, 03.07.15
Und so kommt es, dass Marcel, Frank, Bernd und ich am Freitag zum Abschluss
noch im Rekordtempo den Keeskogl (3.291m) erklimmen. Es ist klirrend kalt und
stockdunkel beim Aufstieg, aber am Gipfel werden wir mit einem atemberaubenden
Sonnenaufgang und einer grandiosen Fernsicht belohnt. Was für ein gebürtiger
Abschluss dieser wundervollen Woche!
Um halb acht sind wir pünktlich zum Frühstück zurück und berichten Werner,
Susanne und Peter von unserer Tour.
Gemeinsam steigen wir dann durch das Obersulzbachtal zur Materialseilbahn ab,
von dort aus bringt uns ein Taxi zurück zu unseren Autos in Krimml.
Fazit
Es war eine herrlich erlebnisreiche Woche mit perfektem Wanderwetter, charmanter
Begleitung und bester Organisation!
Im Namen meiner Gruppe möchte ich mich besonders bei Bernd Adler und dem
Oase-AlpinCenter bedanken! Wir kommen bestimmt wieder….!
„Grüß Gott und Berg heil“ – und damit ist jetzt aber wirklich ALLES gesagt!