Fussballfans gegen Gewalt - terre des hommes schweiz

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Kolumbien Fussballfans gegen
Gewalt
Fussball ist weltweit beliebt und für viele mehr als nur ein Spiel oder Sport: Fussball ist
verknüpft mit Emotionen, Symbolen und Ritualen. Für viele Jugendliche in Kolumbien
ist ihre Fussballmannschaft wie eine Familie, mit der sie sich identifizieren und für die
sie einstehen – wenn nötig mit Gewalt. Mit dem Projekt Fussballfans gegen Gewalt wird
jugendlichen Fussballfans aufgezeigt, dass die Treue zur eigenen Mannschaft nicht durch
den Hass auf die Fans anderer Mannschaften und die Gewalt gegen sie definiert wird.
In Kolumbien haben in den letzten Jahren gewalttätige
Auseinandersetzungen rund um Fussballspiele stark
zugenommen. Die Anwendung von Gewalt als einzige
Problemlösungsstrategie ist unter anderem auf den
bewaffneten Konflikt zurückzuführen, der seit über 50
Jahren anhält. Die zerstörten Familienstrukturen, die
hohe Arbeitslosigkeit, Frustration und fehlende Perspektiven haben zur Folge, dass sich kolumbianische Jugendliche andere Identifikationsmodelle suchen, zum Beispiel
einen Fussballfanklub. Wegen der Querverbindungen
zwischen dem Lokalpatriotismus der Fussballklubs und
den bewaffneten Gruppierungen hat auch die Waffengewalt Einzug in den Sport gehalten. Junge Fussballfans
werden in Kolumbien grundsätzlich als gewalttätig wahrgenommen.
In Workshops haben die jungen Fussballfans die Möglichkeit,
ihre Situation zu reflektieren und zu diskutieren. Foto: Joachim
Jung
Gewaltfreie Fussballkultur
Unsere Partnerorganisation FJMBN setzt sich aus jungen
FJMBN bildet in den Fanklubs Freiwillige zu Mediatorin-
Fussballfans zusammen, die sich für Gewaltprävention
nen und Mediatoren aus, die in brenzligen Situationen
in und rund um Fussballstadien engagieren. Sie arbei-
eingreifen. Diese geben ihr Wissen an rund 800 Jugendli-
ten daran, die Fussballfanklubs für ein Friedensabkom-
che in den Fanklubs weiter, um der Gewalt in den Stadien
men zu gewinnen, das ihre Fans zu einem respektvollen
Einhalt zu gebieten. Es wurde auch ein «Gastgeber-Pro-
und gewaltfreien Umgang an den Fussballspielen ver-
gramm» entwickelt, welches die Verhaltensregeln der
pflichtet. 26 Fanklubs aus den verschiedensten Städten
Fans bei Fussballspielen festlegt.
Kolumbiens haben das Friedensabkommen bereits unter-
Um die Ziele der Stiftung bekannt zu machen und für
schrieben. Mit Hilfe von Flyern, ihrer Website oder ihres
den gewaltfreien Fussball zu werben, finden regelmäs-
Radiokanals erinnern die Fanklubs ihre Anhänger immer
sig öffentliche Kampagnen und Veranstaltungen statt.
wieder daran, dass Gewalt im Stadion nichts verloren hat.
In Workshops diskutieren die Fussballfans gemeinsam
mit der Polizei, wie die Gewalt bei Fussballspielen einge-
Nationale Bekanntheit
dämmt werden kann. Die Fussballfans arbeiten auch in
ihren Stadtteilen und organisieren unter anderem Quar-
Die Organisation hat bereits viel erreicht: 26 Fussballfan-
tierfeste mit Musik und Putzaktionen. Dadurch wollen sie
klubs aus ganz Kolumbien haben sich dem Projekt ange-
zeigen, dass sie als Fussballfans nicht an Randalen, son-
schlossen und einen Friedenspakt unterschrieben. Die
dern an einem guten und nachbarschaftlichen Zusam-
Arbeit von FJMBN stösst in der Öffentlichkeit auf grosses
menleben in ihren Stadtteilen interessiert sind.
Interesse, sogar der nationale Fernsehsender berichtete
Mit Kommunikation gegen Gewalt
von der Organisation. Auch die Stadtverwaltung von
Bogotá erkennt inzwischen die Wichtigkeit der Arbeit
und hat einige Veranstaltungen und Informationskampa-
Kommunikation spielt eine zentrale Rolle in der Arbeit
gnen in der Hauptstadt finanziert.
von FJMBN. Die Mitarbeitenden laden jugendliche Fussballfans zu Workshops ein und ermöglichen ihnen eine
Projektbeitrag: CHF 30 000.– pro Jahr
einmonatige Kurzausbildung zum Reporter. Die Fussballfans lernen dabei die Grundlagen des Schreibens,
Interviewens und Videodrehens. Themen wie Diskussionsleitung und soziokulturelle Animation gehören auch
zur Ausbildung. Sie porträtieren andere Fussballfans
und diskutieren mit ihnen über das «Fan sein». Die Texte,
Musikstücke, Radiobeiträge oder Kurzfilme, die daraus
entstehen, verbreiten die Fanklubs über ihre eigenen
Kanäle, im Internet oder Radio. Damit wird eine andere
Sicht auf die Fussballfans ermöglicht und die Diskussion
unter den Jugendlichen angeregt. Jährlich absolvieren
180 junge Fussballfans eine Kurzausbildung zum Reporter.
Unsere Partnerorganisation
Die Stiftung Juan Manuel Bermúdez Nieto (FJMBN) in
Bogotá ist 2002 von den Eltern und Freunden von Juan
Manuel gegründet worden, der zusammen mit einem
In Kolumbien herrscht seit über 50 Jahren ein bewaffneter
Freund nach einem Fussballspiel von Paramilitärs kalt-
Konflikt zwischen Militär, paramilitärischen Gruppierun-
blütig erschossen wurde. Es genügte, dass die von Juan
gen und den Guerillagruppen FARC und ELN. Schätzungs-
Manuel favorisierte Mannschaft das Spiel gegen den
weise vier Millionen Menschen wurden dadurch zu
Fussballklub gewonnen hatte, der von einer paramilitä-
Flüchtlingen im eigenen Land. Unter der Zerstörung der
rischen Gruppe unterstützt wurde. Damit so etwas nie
familiären und sozialen Netze leiden besonders Kinder
mehr passiert, engagiert sich unsere Partnerorganisation
und Jugendliche. Im Schatten des Konflikts hat sich all-
für gewaltfreie Konfliktlösungen in und rund um Fuss-
tägliche Gewalt für weite Teile der Bevölkerung als gesell-
ballstadien. Wie dringend notwendig diese Arbeit nach
schaftlicher «Normalzustand» etabliert.
wie vor ist, musste die FJMBN 2013 erfahren, als eines
ihrer aktivsten Mitglieder von «Fans» einer gegnerischen
Mannschaft erstochen wurde. terre des hommes schweiz
unterstützt das Projekt seit 2009.
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