INFORMATIONEN FÜR MITGLIEDSFIRMEN DES VCI chemie report 11/2015 A 3 Editorial Sorgsamer, gesünder und besser leben – mit Chemie A 4 Bündnis „Zukunft der Industrie“ Arbeitsprogramm 2016 festgelegt A 7 TPP Freihandel zwischen Asien und USA auf Kosten Europas? A 8–11 Nachhaltigkeit Dialog über Lieferkettenmanagement, Transparenz und Ressourceneffizienz in der Chemie A 15 Konjunktur Leichter Dämpfer im Chemie- und Pharmageschäft A 17 Compliance Neues Gesetz zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet 19 Stoffbeschränkung EU will häufiger Schnellverfahren einsetzen Rede von VCI-Präsident Dekkers auf dem Tag der Industrie des BDI in Berlin Intelligente Lösungen der Chemie für die Welt von morgen Welche technischen Innovationen und gesellschaftlichen Herausforderungen werden wir bis zum Jahr 2030 erleben? Dieser Frage stellten sich vier prominente Redner beim Tag der Industrie des BDI, der Anfang November in Berlin stattfand. VCI-Präsident Marijn Dekkers eröffnete 1.200 Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Medien epochale Neuerungen, mit denen Chemie und Pharma in den nächsten 15 Jahren für Furore sorgen sollen. Die Chemie entwickelt L ungen für di Lös die e großen g n Zukunftsfragen. Einig ige kommende Technologien st stell e te VCI-Präsident Marijn Dekkkers beim Tag der Indusstrie des BDI vor. Diese Innovationen sollen zur Lösung der großen Zukunftsprobleme beitragen: „Die Frage wird sein, wie wir Wohlstand und hohe Lebensqualität ohne Raubbau an den natürlichen Ressourcen verwirklichen können“, so Marijn Dekkers. Die Forscher in der chemisch-pharmazeutischen Industrie hätten dazu Antworten parat, in Form neuer Technologien, durch die Menschen „sorgsamer, gesünder und besser leben können“. Ein großes Feld sieht Marijn Dekkers in intelligenten Lösungen für die Giga-Städte der Zukunft. Die Chemie B Innovationen chemie report 11.2015 Die Vortragenden beim Tag der Industrie des BDI (v.l.): VCI-Präsident Marijn Dekkers, BDA-Präsident Ingo Kramer, Vorstandsvorsitzender von ThyssenKrupp Heinrich Hiesinger und Professor Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam. B werde viele Komponenten stellen, um Wasserversor- gung, Recycling und Mobilität zu optimieren. Ein Beispiel: neue Batteriesysteme mit weiterentwickelten Elektrolyten, die durch eine höhere Kapazität mehr Energie zwischenspeichern können. Ein weniger bekanntes Forschungsfeld ist das der organischen Elektronik: Organische Moleküle lassen sich etwa auf Folien aufbringen oder sogar drucken. Mit solchen leitfähigen Polymeren entstehen ganz neue Anwendungsfelder, zum Beispiel für Sensoren und Analysegeräte in der Medizin, oder für die nächste Generation von Solarzellen. Der Digitalisierung könnte dies einen ganz neuen Schub geben. Einen großen Raum nahm in der Rede des VCI-Präsidenten das Thema Gesundheit ein: Die Pharmaindustrie stehe gleich vor mehreren Revolutionen. Eine davon ist die personalisierte Medizin. Hierbei gehe es darum, mit individuell angepassten Medikamenten Patienten viel zielgenauer zu behandeln: „Wir können zum Beispiel das Immunsystem mit speziellen Antikörpern so trainieren, dass es selbst Krebszellen bekämpfen kann. Der Patient würde sich dann quasi selbst vom Krebs befreien“, sagte der VCI-Präsident. Eine weitere Revolution ist das sogenannte GenomEditing: Viele Krankheiten basieren auf Fehlern in der DNA, zum Beispiel angeborene Erkrankungen am Herzen, an den Augen oder auch bestimmte Bluterkrankungen. Die traditionelle Behandlung solcher Krankheiten könne immer nur die Symptome bekämpfen, sagte Marijn Dekkers: „Unsere Forscher hoffen, mit dem Genom-Editing auch die Ursache von genetisch bedingten Krankheiten beheben zu können. Es geht darum, Patienten nicht nur zu behandeln, sondern zu heilen.“ Noch ist Genom-Editing Thema für die Grundlagenforschung. 2030 soll es Realität sein, hofft der VCI-Präsident. ZUKUNFT DER INDUSTRIEPRODUKTION Heinrich Hiesinger, Vorstandsvorsitzender der ThyssenKrupp AG, setzte in seinem Vortrag beim Tag der Industrie einen ganz anderen Schwerpunkt: „Zu dem Thema hätten Sie wahrscheinlich ein anderes Unternehmen erwartet. Aber bei Industrie 4.0 geht es nicht darum, was man produziert, sondern wie.“ Für die Industrie könne die Digitalisierung zu einer „kopernikanischen Wende“ werden. Die Chancen für Wachstum und höherwertige Arbeitsplätze schätzte Hiesinger größer ein als das Risiko, dass einfache Tätigkeiten in Zukunft stärker vom Computer übernommen werden. Hiesinger: „Wir sollten das Thema Industrie 4.0 jetzt mit Mut angehen, nicht erst in 5 oder 10 Jahren. Die Technologie ist dabei aber nur die Basis. Wir werden auch kulturelle Entwicklungen meistern müssen.“ Dazu gehöre, über die Grenzen von Unternehmen und Hierarchien hinaus zu denken. Wichtig sei, komplette Lösungen anbieten zu können. Der Thyssen-Chef nannte als Beispiel Aufzüge: Kunden kaufen in Zukunft nicht mehr einen 2 Fahrstuhl, sondern unterbrechungsfreie Mobilität. Dazu müsse ein Dienstleister umfangreiche Daten sammeln, um einem möglichen Ausfall vorbeugen zu können. Damit Industrie 4.0 in Deutschland mit Leben erfüllt werden kann, muss laut Hiesinger auch die Politik handeln: Neben einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur brauche es Standards für die Datenübertragung und Regeln, wem Daten gehören und wer sie benutzen darf. Auch müsse der Schutz gegen Wirtschaftsspionage und Cyberattacken verstärkt werden. Und: Die EU könne nur über einen gemeinsamen digitalen Markt mit Asien und den USA konkurrieren. ZUKUNFT DER ARBEIT Auch Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), griff das Thema Industrie 4.0 auf. In Zukunft steige das Bedürfnis nach einer flexibleren Arbeitszeitregelung: Unternehmer könnten durch den Einsatz von Zeitarbeit und Werkverträgen besser auf veränderliche Anforderungen reagieren. Mitarbeitern biete die Digitalisierung dagegen eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Kramer: „Der starre Acht-Stunden-Tag passt nicht mehr zur Industrie 4.0, in der der Kunde den Takt vorgibt. Es geht nicht um längere, sondern flexiblere Arbeitszeiten.“ Zum Thema Flüchtlinge sagte Kramer, die Menschen, die nach Deutschland kommen, könnten helfen, die kommende demografische Lücke zu schließen. Dazu seien aber auch eine gezielte Zuwanderung von Fachkräften und die Qualifizierung junger Menschen in Deutschland nötig. ZUKUNFT DER BILDUNG Das Thema Bildung stellte auch der Präsident der Universität Potsdam, Professor Oliver Günther, in den Vordergrund. Dass heute mehr als die Hälfte eines Jahrgangs ein Hochschulstudium antritt, hält Günther für positiv. Allerdings seien viele Erstsemester nicht ausreichend vorbereitet. Heute besuchten 60 Prozent der Studierenden eine Uni, nur 40 Prozent eine Fachhochschule. Umgekehrt sei das Verhältnis richtig, so Günther. Der Wirtschaftsinformatiker sieht mehrere Reformen als notwendig an, um die Hochschulen fit für die Zukunft zu machen: So sollten Hochschulen selbst Aufnahmeprüfungen abhalten dürfen, um geeignete Kandidaten zu finden, auch mithilfe von unorthodoxen Ansätzen wie Computerspielen. Zudem müsse sich die Durchlässigkeit von Hochschule und Betrieb vergrößern und die Chancen der Digitalisierung besser genutzt werden. Vor den Wirtschaftsvertretern warb Günther abschließend für mehr Dialog zwischen Hochschulen und Industrie und betonte die Rolle von Start-ups: „Für 2030 wünsche ich mir, dass einige Start-ups von heute zu den Dax-Unternehmen von morgen gehören.“ Sebastian Kreth ([email protected]) 11.2015 chemie report Standpunkt / News STANDPUNKT Sorgsamer, gesünder und besser leben – mit Chemie Im Jahr 2030 werden 8,5 Milliarden Menschen die Erde bewohnen – eine Milliarde mehr als heute. Viele von ihnen leben dort, wo Wasser knapp, Landwirtschaft schwierig, Einkommen gering und Zugang zu Bildung eingeschränkt ist. Die Hoffnung auf bessere Lebensumstände zieht die Bevölkerung in die Städte. Gerade in den Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Dynamik der Urbanisierung hoch. Dadurch steigt der Bedarf an Wohnraum, Energie, Rohstoffen, Nahrung, medizinischer Versorgung und Mobilität stark an. Um Raubbau an den natürlichen Ressourcen zu verhindern und einen intakten Zustand der Umwelt zu wahren, sind nachhaltige technische Lösungen für die Giga-Städte der Zukunft in Asien und Afrika gefragt. Ein spezifisches Phänomen in den Industrienationen: Die Menschen werden immer älter. Der Erhalt von Lebensqualität bis ins fortgeschrittene Alter stellt die Gesellschaft vor große soziale und medizinische Herausforderungen. wir bewältigen müssen. Das immer schneller wachsende Wissen über die Eigenschaften von Molekülen befähigt die Chemie, als Katalysator für disruptive Entwicklungen zu wirken. Mit leistungsfähigeren Werkstoffen treiben die Unternehmen in Zusammenarbeit mit ihren Kunden den Fortschritt im Automobilbau, der Elektroindustrie, dem Maschinenbau oder der Bauwirtschaft voran. Neue Wirkstoffe ermöglichen bessere und individuellere Therapien für schwere Krankheiten. Organische Elektronik und personalisierte Medizin haben das Potenzial, große positive Veränderungen im Alltag zu bewirken. Nicht zu vergessen: Im Jahr 2030 wird es Innovationen geben, die wir heute noch nicht erahnen können. Das ist kein bloßes Versprechen, sondern verlässliche Perspektive für Deutschlands drittgrößte Branche: Die chemischpharmazeutische Industrie hierzulande macht 20 Prozent ihres Umsatzes mit Produkten, die jünger als fünf Jahre sind. In unseren Labors arbeiten über 40.000 Wissenschaftler. Mehr als zehn Milliarden Euro fließen pro Jahr in Forschung und Entwicklung – Tendenz weiter steigend bis 2030. Dr. Marijn E. Dekkers Bei allen Unwägbarkeiten: Ich bin Präsident des Verbandes der davon überzeugt, dass die Menschen Chemischen Industrie (VCI) in der Zukunft sorgsamer mit der Umwelt umgehen, gesünder und besser leben können. Diese Vision wird durch Innovationen Es gibt keinen Grund, vor den Herausforderungen der Realität. Die Innovationskraft der Chemie spielt eine Zukunft zu verzagen – wenn wir die richtige Einstellung besondere Rolle, wenn es zum Beispiel um Speicher- haben. Für ihre Lösung brauchen wir Optimismus und technologien für saubere Energie, umweltverträgliche eine starke Kultur für Innovationen – in den UnternehMobilität und viele andere globale Aufgaben geht, die men, in der Politik, in der ganzen Gesellschaft. Wussten Sie schon? 281 Millionen Menschen ... ... leben heute allein in den 30 größten Megacities der Welt. Zwei Drittel davon finden sich in Asien und Lateinamerika. Der Trend zur Urbanisierung hält dort besonders an, hat aber auch in Afrika eine hohe Dynamik entwickelt. Wegen der stark zunehmenden Bevölkerungsdichte stehen der geordnete Aufbau einer vernetzten Infrastruktur sowie die Luftreinhaltung ganz oben auf der Agenda aller existierenden Megacities. Berlin als größte Stadt Deutschlands rangiert im weltweiten Vergleich mit 3,5 Millionen Einwohnern auf Platz 86 der einwohnerstärksten Metropolen der Welt. c Die ie St Stadt ad Mu Mumba mb i in Ind nd en ndi n zählt zäh lt zu ud den en bevöl be evöl v ker vö kerung ke u sun ung re chs rei re hsten ten en e n Städt Sttäd S ädt dtten en weltwe weltwe wel tw we eit. itt. it 3 Industriepolitik chemie report 11.2015 Bündnis „Zukunft der Industrie“ Das Bündnis wurde Ende 2014 auf Initiative von Bundeswirtschaftsministerium, BDI und IG Metall gegründet. Der Startschuss fiel Anfang März mit einer gemeinsamen Erklärung. Die Bündnispartner sind: BMWi, IG Metall, BDI, VCI, VDA, VDMA, ZVEI, HDB, BDA, Gesamtmetall, BAVC sowie DGB, IG BCE, IG Bau und NGG. Pr sid Prä dent de d s BDI Ulrich h Grillo o un Bunde und deswi swirtsch haftssminister Sig i mar ig m Gabriel (r.) prässentierren ma die d i gemeinsame e Erk Erklär lärru ung g. g. Gemeinsame Erklärung und Arbeitsprogramm für 2016 Bündnis „Zukunft der Industrie“ nimmt Fahrt auf ihrer Perspektive bis 2030 werden sie dort mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen über die Anforderungen an eine moderne und nachhaltige Industriepolitik diskutieren. Mitte 2016 wird eine Aktionswoche die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Industrie für den Wohlstand Deutschlands lenken. Diese wird sowohl von branchenübergreifenden Projekten des Bündnisses als auch von Einzelmaßnahmen durch Betriebsräte und Unternehmen getragen. Auch die Mitglieder des VCI haben dazu bereits eine Vielzahl an Aktivitäten gemeldet. Begleitet werden soll die Aktionswoche von einer Themenwoche in einer der Die Sitzung der sogenannten „High-Level-Group“, der alle Vor- öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie durch einen Social-Media-Newsroom. sitzenden und Präsidenten der beteiligten Organisationen Schließlich findet das Aktionsjahr im Herbst mit einem angehören, war unter anderem von zwei aktuellen politischen Entwicklungen geprägt: Vor dem Hintergrund der Manipulation internationalen Industrie-Symposium seinen Abschluss. Darvon Testergebnissen durch den Volkswagen-Konzern bekannten über hinaus plant das Bündnis begleitende Fachkonferenzen sich die Bündnispartner in einer „Gemeinsamen Erklärung“ aus- und Studien sowie Bürgerdialoge. Der Verein „Netzwerk drücklich zu guter und verantwortlicher Unternehmensführung. Zukunft der Industrie“ stellt die Durchführung des Arbeitsprogramms sicher und entwickelt derzeit eine gemeinsame KomOberste Priorität habe nun, das verlorene Vertrauen in das munikationsoffensive für das Aktionsjahr der Industrie 2016. Markenzeichen „Made in Germany“ wiederzugewinnen. Vor rund einem halben Jahr riefen Bundeswirtschaftsministerium, BDI und IG Metall das Bündnis „Zukunft der Industrie“ ins Leben. Mitte Oktober einigten sich die mittlerweile 15 Bündnispartner aus Ministerium, Gewerkschaften sowie Industrie- und Arbeitgeberverbänden nun in zentralen Themenfeldern ihrer branchenübergreifenden Arbeit auf gemeinsame Positionen. Ihr Ziel: die deutsche Industrie und deren internationale Wettbewerbsfähigkeit durch eine moderne und nachhaltige Industriepolitik zu sichern. Jenna Schulte, jgl LÖSUNGSBEITRAG FÜR DIE AKTUELLE FLÜCHTLINGSKRISE Zudem beschäftigten sich die Bündnispartner mit der Frage, welchen Beitrag die deutsche Industrie zur Lösung der Flüchtlingskrise leisten könne. Dazu hielten sie in ihrer Erklärung fest, dass die Potenziale der Zuwanderung durch Integration genutzt werden müssen. Um Asylsuchende mit hoher Bleibeperspektive möglichst schnell und unbürokratisch in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sei es jedoch wichtig, den Unternehmen Planungssicherheit zu geben. Dies gelte sowohl für die Ausbildung junger Menschen als auch für andere Beschäftigungsformen. KONZERTIERTE AKTION FÜR VERTRAUEN UND AKZEPTANZ Neben diesen beiden aktuellen Themen stand auch die Frage im Vordergrund, wie die Akzeptanz der Industrie sowie das Vertrauen in ihre Aktivitäten erhöht werden kann. Dazu hat sich das Bündnis ein Arbeitsprogramm verordnet, in dem ein Aktionsjahr der Industrie festgeschrieben ist. Den Startschuss geben die 15 Partner am 18. Februar 2016 auf einer öffentlichen Industriekonferenz in Berlin. Neben der Vorstellung eines Gutachtens zur Lage der deutschen Industrie und 4 Sie haben Fragen zum Bündnis? Sämtliche Aktivitäten werden durch den Verein „Netzwerk Zukunft der Industrie“ koordiniert: www.netzwerk-zukunft-industrie.de Für Ihre Fragen und Anregungen wenden Sie sich im VCI bitte an: Jenna Schulte, [email protected] 11.2015 chemie report Energiepolitik Erd rd rdgas dg s-Bo -B om: Die Reis e e ei ede d le leg eg gati at on des VCI-Ener ne gie giea ausschuss sch usses ess in Ardmor m e, Okl Oklaho aho oma m In der Mitte Auss ma. usssch chu ussVor Vo o sittzen nde Margre et Suck cckal ale e, 2.v. v r.: Jörg Rother h mell. Interview mit dem VCI-Energieexperten Jörg Rothermel über die USA-Reise des Energieausschusses „Die US-Chemie erlebt eine Renaissance“ Anfang Oktober reiste eine Gruppe von Mitgliedern des VCI-Ausschusses Energie, Klima und Rohstoffe in die USA, um sich vor Ort ein Bild über die energiepolitischen Rahmenbedingungen in dieser wichtigen Wettbewerbsregion zu machen. Der chemie report fragte den VCI-Energieexperten Dr. Jörg Rothermel nach seinen Erfahrungen. chemie report: Herr Rothermel, welches Interesse verfolgte der Energieausschuss mit der Reise? Jörg Rothermel: In Deutschland und Europa wird viel über Energie- und Klimapolitik und ihre Folgen für energieintensive Unternehmen diskutiert. Die Amerikaner denken über diese Themen häufig anders, auch weil der Schiefergas-Boom die Situation in den letzten Jahren komplett verändert hat. Es war daher spannend, mit dortigen Vertretern aus Wirtschaft und Politik zu diskutieren und ihre Perspektive kennenzulernen. Welche Unternehmen haben Sie besucht und welche Eindrücke haben Sie gewonnen? Wir besuchten zunächst einen Standort von Covestro im Großraum Houston. Das Unternehmen stellt dort Poly- carbonate und Poyurethane her und braucht wettbewerbsfähige Energiepreise. Die findet es vor Ort: In den USA liegt der Erdgaspreis nur bei einem Drittel bis zur Hälfte dessen, was Firmen in Deutschland zahlen. Das ist ein immenser Wettbewerbsvorteil. Die zweite Station machten wir beim Joint Venture von BASF und Total in Port Arthur. Dort steht einer der weltgrößten Steam-Cracker. Das Interessante ist: Dieser Cracker war ursprünglich auf Naphtha ausgelegt. Wegen der günstigen Erdgaspreise wurde er aber so umgestellt, dass man ihn auch flexibel mit Erdgas fahren kann. Sie fuhren auch nach Oklahoma, ein Zentrum des Schiefergas-Booms. Was nahmen Sie von dort mit? Die Fracking-Technologie wird ja in Deutschland trotz ihres hohen Potenzials für unsere Energieversorgung kontrovers diskutiert. Es war daher spannend, die Technik einmal im Praxis-Einsatz zu sehen. Die Gelegenheit dazu bot sich bei XTO Energy in Ardmore, die seit 2010 mit Exxon verbunden sind. Wir konnten eine laufende Gas-Bohrung und Fracking-Aktivität besichtigen und bekamen einen guten Einblick in die Wertschöpfungskette der Gasproduktion. Auf dem Programm stand auch ein Gespräch mit Energiepolitikern und dem Energieministerium in Washington. Was haben Sie dort erfahren? Klimaschutz wird in den USA anders als in Europa vor allem unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit betrachtet. Gesetzgeberische Maßnahmen dazu gibt es relativ wenig, obwohl sich die Amerikaner in die Diskussionen rund um Klimaschutz und Energieeffizienz schon einbringen. Die USA warten lieber ab, beobachten die Entwicklungen und prüfen dann die wirtschaftlich vielversprechendsten Maßnahmen. Sind das nur Einzelfälle oder profitiert die gesamte Branche vom Boom? Als Antwort genügt eine Zahl der amerikanischen Regierung: Alleine in der chemischen Industrie sind knapp 240 Großinvestitionsprojekte mit einem Volumen von 145 Milliarden Dollar geplant. Wenn die alle verwirklicht werden, entstehen 420.000 neue Arbeitsplätze, fast so viele wie die deutsche Chemie heute hat. Die amerikanische Chemie erlebt dank Schiefergas eine echte Renaissance. Wird Fracking in den USA allgemein akzeptiert? Auch dort gibt es Widerstände. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Schiefergasgewinnung dort aber klar gesetzlich geregelt. Die Unternehmen gehen zudem transparent mit kritischen Themen wie den Frac-Fluiden um. Zur Akzeptanz trägt sicher bei, dass Landbesitzer und Kommunen aufgrund der anderen Rechtslage an den FrackingErlösen beteiligt sind und die Unternehmen viel für die Infrastruktur vor Ort tun. Was ist Ihr Fazit aus der Reise? Der Schiefergasboom hat weitreichende Auswirkungen, auf die USA und indirekt auf uns. Drüben sorgt er für niedrigere Erdgaspreise, eine drastisch verbesserte Klimabilanz durch die Umstellung von Kohle auf Erdgas und für ein Plus an Wettbewerbsfähigkeit. Aus europäischer Perspektive ernüchtert, dass die USA dem europäischen Ansatz in der Klimapolitik nicht folgen werden, mit allen Folgen für unsere Wettbewerbsfähigkeit. Das Gespräch führte Sebastian Kreth. 5 TTIP – Transatlantisches Freihandelsabkommen chemie report 11.2015 Tei eilne n hm ne mer der e Podiumsdiskussiion n (v.l.) (vv l. : Rei R nhard Quick, Pe Peter te e Be B yerr, Silke Kre Kre Kr rebs, bs B Be ere re d Diiekmann, Klaus Mül ren Müller so Mü owie e Moderator Chri hrisstia hri an n Preiser. Pre Pre VCI-Veranstaltung zu regulatorischer Kooperation bei TTIP Eine andere Art von Handelspolitik TTIP beherrscht weiterhin regelmäßig die Schlagzeilen. Vielfach werden in der öffentlichen Debatte – bewusst und unbewusst – Aspekte der sogenannten regulatorischen Kooperation erörtert. Dazu zählen etwa die Diskussion um die Angleichung von Standards oder der Vorwurf der Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen. Der VCI sieht den Gesprächsbedarf und widmete der regulatorischen Kooperation Mitte November eine Diskussionsveranstaltung in Berlin. berg, in ihrer Rede bei: „Wir sind als Landesregierung in den Aussagen zu TTIP und zur regulatorischen Kooperation ganz nah am VCI. Wir schauen uns das Verhandlungsergebnis am Ende genau an, sehen TTIP aber grundsätzlich als Chance.“ Sie appellierte aber auch an die Wirtschaft, in der aufgeheizten Debatte zu Kompromissen bereit zu sein. GESETZGEBUNGSKOMPETENZEN WERDEN NICHT VERLAGERT Bei der Diskussion auf dem Podium erläuterte Klaus Müller, Vorstand Ver„Wir sind heute Abend hier, um vonein- braucherzentrale Bundesverband, in welcher Ausprägung er eine regulatoriander zu lernen. Wir brauchen ein sche Kooperation für unbedenklich hält: gemeinsames Verständnis, wovon wir „Es ist kein Problem, wenn es um unterbei der regulatorischen Kooperation sprechen“, sagte Utz Tillmann, Hauptge- gesetzliche Regelungen geht – also Rechtsnormen, für die die Verwaltung schäftsführer des VCI, in seiner Begrüsowieso ermächtigt ist. Andere Gesetzßung. Der VCI-Einladung in das Hotel gebungskompetenzen dürfen nicht Westin Grand in der Friedrichstraße beeinträchtigt werden. Ein fundiertes waren unter anderem Vertreter von Urteil ist aber erst nach VerhandlungserGewerkschaften, Umweltbundesamt gebnissen möglich.“ Der CDU-Bundesund Stiftung Warentest gefolgt. Tillmann machte in seiner Begrüßung auch tagsabgeordnete Peter Beyer erwiderte klar: „Ich bin überzeugt: Ein gut verhan- dazu: „Der Bundestag würde niemals einem TTIP zustimmen, das die Macht deltes TTIP ist gut für Deutschland und der Parlamente, Gesetze zu erlassen, Europa.“ einschränkt. Bei der regulatorischen Dem pflichtete grundsätzlich auch Silke Krebs, Ministerin im Staatsministe- Kooperation geht es um einen Prozess rium und damit Mitglied der grün-roten des Dialogs.“ Landesregierung in Baden-Württem- 6 Berend Diekmann, Leiter des Referates „USA, Kanada und Mexiko“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, sieht in der Vorstellung von der grundsätzlichen Ausrichtung der regulatorischen Kooperation keine Unterschiede zwischen EU und USA: „Auch die USA sind nicht bereit, irgendwelche gesetzgeberischen Kompetenzen zu übertragen.“ Reinhard Quick, Leiter des VCI-Europabüros und im VCI für Handelspolitik zuständig, betonte, dass man mit der regulatorischen Kooperation Neuland betrete: „Es wirken andere Mechanismen als bei klassischen Handelsverhandlungen. Ergebnisse und erst recht eine gegenseitige Anerkennung sind nur möglich, wenn die Schutzstandards qualitativ vergleichbar sind. Es geht um eine neue Art der Zusammenarbeit, bei der auch streng geregelte Sektoren wie die Chemie die Möglichkeit zur Kooperation haben sollten.“ Krebs wies in der Diskussion auch auf den geopolitischen Aspekt hin: „Wir müssen deutlich machen, dass es im Interesse der Menschen ist, wenn europäische Standards global nicht in die Ecke gedrängt werden. Dazu muss auch der Glaube aufgebrochen werden, dass in den USA alle Standards geringer sind.“ udj 11.2015 chemie report Handelspolitik Mitt TP TPP P könn könn nnen nn en n Warren en in in Zukkunfft leic eichte hte er zwis zwis wissche ch he h en Nor ord ordam dam ameri rika ka und ka nd d As Asien Asien ien gehand geh and ndelt elt we erd rd n. rde Transpazifisches Freihandelsabkommen TPP Pazifische Perspektiven auf Kosten Europas? Planwirtschaft wie Vietnam. Insgesamt umfasst TPP 12 Staaten. Nicht dabei sind China und – noch nicht – Südkorea. TPP ist ein „Handelsabkommen des 21. Jahrhunderts“. Das heißt, es geht weit über den Abbau von Zöllen hinaus. Zollabbau ist zwar ein wichtiges Element, wird aber durch gemeinsame Regeln für Investitionen, E-Commerce, den Schutz geistigen Eigentums, faire Die Bemühungen in der Welthandelsor- Wettbewerbsbedingungen (zum Beispiel mit staatseigenen Unternehmen) ganisation WTO, Handel weiter zu liberalisieren, stagnieren. Gleichzeitig finden oder Arbeits- und Umweltschutz ergänzt. TPP enthält auch erste Ansätze sich immer öfter Gruppen von Staaten für eine regulatorische Zusammenarbeit zu Verhandlungen zu Einzelthemen und setzt einen regulatorischen Koopezusammen. Während China die größte rationsrat ein. Nur TTIP soll in diesem Industrienation der Welt geworden ist, arbeiten die USA und die EU daran, regi- Bereich noch weiter gehen. Auch der Investitionsschutz wurde in TPP weiteronale Freihandelsräume zu schaffen – entwickelt: Einerseits wurde die Reguliemit Drittstaaten und untereinander. Eines dieser Abkommen ist im Oktober rungsautonomie der Staaten gestärkt, andererseits können Investoren ihre in seiner Verwirklichung nahegekommen: TPP niedergelegten Rechte mithilfe TPP. einer Schiedsgerichtsbarkeit durchsetzen. Ein Investitionsgerichtshof ist DAS GRÖSSTE ‚MEGAREGIONAL‘ DER WELT nicht vorgesehen. Hinter dem Kürzel TPP verbirgt sich ein gigantischer Wirtschaftsraum, der höchst unterschiedliche Staaten IMPLIKATIONEN FÜR EUROPA umfasst: die USA, ihre NAFTA-Partner Die Öffnung der Märkte wird zu Kanada und Mexiko, eine wirtschaftliche mehr Handel über den Pazifik führen. Großmacht wie Japan, den RohstoffDeutsche Chemieunternehmen, die vor riesen Australien, den Agrarexporteur Ort sind, können davon profitieren. Wer Neuseeland, Schwellenländer wie Chile aus der EU in die TPP-Staaten exporoder Malaysia oder auch eine ehemalige tiert, hat künftig Nachteile gegenüber Die Anfang Oktober erzielte politische Einigung über die Transpazifische Partnerschaft (TPP) verändert die Landkarte der Welthandelspolitik. Worum geht es bei dem Abkommen? Welche Vor- und Nachteile wird es für die deutsche Chemie bringen? Und was bedeutet die transpazifische Integration für die EU und TTIP? Wettbewerbern aus TPP-Staaten. Mehr Wachstum in den TPP-Staaten durch freien Handel könnte diesen Effekt aber kompensieren und die Nachfrage auch nach europäischen Produkten erhöhen. Eine andere Herausforderung: Mit TPP setzen insbesondere die USA darauf, ihre Standards im pazifischen Raum zu verbreiten, zum Beispiel die Chemikalienregulierung TSCA. Dadurch gerät das europäische Regulierungsmodell in die Defensive. Die Einigung auf TPP erhöht damit den Druck auf die EU, TTIP und EU-asiatische Freihandelsabkommen schnell abzuschließen. Die Weiterentwicklung des Investitionsschutzes in TPP wird die TTIP-Verhandlungen insoweit beeinflussen, als der Vorschlag der Kommission zur Einrichtung eines Investitionsgerichtshofs nicht notwendigerweise mit dem TPP-Modell vergleichbar ist. Die TPP-Verhandlungen sind zwar beendet, das Abkommen muss aber noch vom US-Kongress und allen Parlamenten der TPP-Mitglieder ratifiziert werden. In den USA soll TPP im Frühjahr 2016 vom Kongress verabschiedet werden. Dr. Matthias Blum ([email protected]) 7 Nachhaltigkeit chemie report 11.2015 Der ge emeinsa nsame Di Dialog og stteht im M Miitte te elpunkt kktt der e ne n uen ue Veranstaltungssre reihe reihe rei h von Ch hemie e3: Im m Bild die e Diskuss D u uss ssion on ju jun nger Ex Exp perte perten per ten n mi mitt den d Themen m pat men paten en der err vier Workshops run u d um die e The Themen n LLie iefer iefe f ketten nman nag agement, Tra age Transp spare ar nz un und nd d Resso ss urcene effiz ffizien enz. z Chemie3 im Dialog „Zuhören, verstehen, handeln“ – Chemiebranche startet Unterstützungsangebot für die Firmen erarbeitet, das die Umsetzung der Leitlinien erleichtert und von den Betrieben gut angenommen wird“, so Tillmann. Für die Zukunft stelle sich die Frage: „Wie kann man Fortschritte beschreiben? Wie können wir messen, was wir Positives tun?“ Die Branche müsse Indikatoren entwickeln, so Tillmann, an denen sie sich messen lassen wolle. Dass das Leitbild der Nachhaltigkeit neben der ökonomischen und ökologi„Wichtige Fortschritte werden gemacht, schen auch eine soziale Dimension wenn wir der anderen Seite zuhören und umfasse, daran erinnerte Petra Reinbold-Knape vom geschäftsführenden die Ideen aufgreifen“, so beschrieb Utz Hauptvorstand der IG BCE. Um auf Tillmann das Anliegen dieses Tages: „Wo sind Konfliktlinien? Wie können wir diesem Feld Fortschritte feststellen zu besser verstehen, was andere denken?“ können, bedürfe es ebenfalls präziser Indikatoren. Es gehe um ArbeitsbedinZugleich war eine Zwischenbilanz zu gungen, prekäre Beschäftigung sei nicht ziehen. Im Mai 2013 hatten der VCI, die nachhaltig. Die Allianzpartner sollten Gewerkschaft IG BCE und der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) ihre sich gemeinsam auch für Menschenzwölf Leitlinien zur Nachhaltigkeit veröf- rechte einsetzen, mahnte die Gewerkfentlicht. Jetzt stellten die Allianzpartner schafterin und verwies auf die aktuelle den ersten Fortschrittsbericht der Initia- Flüchtlingskrise. Klaus-Peter Stiller, Hauptgeschäftstive vor. „Chemie3 hat gute Fortschritte führer des BAVC, beschrieb zwei Stoßgemacht. Wir haben ein umfangreiches Was das Leitbild der Nachhaltigkeit in der betrieblichen Praxis bedeutet, war Thema der Tagung, zu der die Nachhaltigkeitsinitiative Chemie3 am 4. November nach Berlin eingeladen hatte. An den Diskussionen um Lieferketten, Transparenz und Ressourceneffizienz nahmen rund 130 Interessierte aus Wirtschaft, Politik, Behörden, Wissenschaft und Zivilgesellschaft teil. 8 richtungen des Nachhaltigkeitsbegriffs. Er sei einerseits an die Betriebe der Branche adressiert. Sie zu überzeugen, erfordere Zeit, doch gebe es Grund zum Optimismus. Die Erdung komme mit der Praxis. Zugleich gehe es darum, nach außen deutlich zu machen, dass die Chemie sich erneuere. Jede Industrie brauche Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Die Botschaft müsse lauten: Die Chemie könne das. Übergreifende staatliche Regelungen seien nicht notwendig und eher kontraproduktiv. THEMENPATEN FÜR DIE WORKSHOPS Im Zentrum der Veranstaltung standen die Themen nachhaltige Lieferketten, Transparenz, Ressourceneffizienz und soziale Nachhaltigkeit. Sie wurden intensiv in Workshops diskutiert (siehe Folgeseiten). Dass Nachhaltigkeit nicht am Werkstor ende, vielmehr den Blick über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus voraussetze, betonte Stefan Haver, zuständig für „Corporate Responsibility“ bei Evonik. Er führte als „Themenpate“ in den Workshop über 11.2015 chemie report Nachhaltigkeit Chemie hat zentrale Rolle Zum Schluss der Veranstaltung hatten die Allianzpartner Ralf Fücks, grünes Urgestein und Ko-Vorsitzender der Heinrich-BöllStiftung, gebeten, den Teilnehmern Thesen zum Weiterdenken mit auf den Weg zu geben. Fücks malte die Dimension des Themas aus. Nachhaltigkeit sei nicht einfach ein bisschen Modernisierung. Nachhaltigkeit erfordere eine fundamentale Veränderung der heutigen Produktionsweise, die eine völlig andere Industriegesellschaft hervorbringen werde. Diese müsse vom Raubbau an der Natur zum Wachstum mit der Natur übergehen. Dazu bedürfe es eines grundlegenden Wechsels der Rohstoffbasis von Öl und anderen fossilen Energieträgern auf nachwachsende Rohstoffe. Wie schnell das gehen werde und zu welchen Kosten, sei noch ungewiss. An der Richtung aber könne kein Zweifel bestehen. Der Chemie bescheinigte Fücks Ralf Fück ücks, s Vorsta t nd n der H nri Hei richchh Böll-Stifftun t g. eine zentrale Rolle bei alledem. Sie verfüge über ein enormes ökologisches Innovationspotenzial. Nur die Unternehmen, die sich diesem Wandel offensiv stellten, statt sich ihm so lange wie möglich zu verweigern, hätten künftig noch eine Chance. c Dialogreihe über Nachhaltigkeit nachhaltige Lieferketten ein. Die Zeiten, in denen sich der Einkauf allein nach der Maßgabe bester Preis, beste Qualität, beste Verfügbarkeit gerichtet habe, seien vorbei. Billig sei heute zu wenig. Was ökonomisch wichtig sei, müsse auch ökologisch richtig sein. Genauso müssten Sozialstandards eingehalten werden. Ressourceneffizienz war das Thema eines weiteren Workshops, den Christof Günther, Geschäftsführer des Chemieparks in Leuna, als Themenpate betreute. Er wies darauf hin, dass die Unternehmen in Leuna im Vergleich zu 1989 heute mit fünf Prozent der damaligen Abwassermenge und 15 Prozent des damaligen Energiebedarfs doppelt so viel produzieren. Auch wenn durch den Einsatz moderner Technik schon viel erreicht sei, müsse man kontinuierlich nach Verbesserungspotenzialen bei der Energie- und Ressourceneffizienz suchen. Nachhaltigkeit sei dreidimensional zu verstehen, so Klaus West von der Chemie-Stiftung Sozialpartner-Aka- demie und Themenpate für den Workshop zur sozialen Nachhaltigkeit. Ein Unternehmen müsse wettbewerbsfähig sein, dürfe aber nicht als Umweltsünder und nicht als unsozial dastehen. Die soziale Nachhaltigkeit sei dabei schwer zu fassen. Sie sei subjektiv geprägt. Es ginge um das tatsächliche Verhalten im Unternehmen, um Fragen der Kooperation, der Kommunikation, der Qualifizierungschancen und der Gesundheit. Thorsten Pinkepank von der BASF betonte als Themenpate des Workshops zur Transparenz, dass diese kein Selbstzweck sein solle. Transparenz müsse nach innen und außen wirken: Nach innen, um besser über das vielfältige Thema Nachhaltigkeit Bescheid zu wissen und mittels Indikatoren steuern zu können. Nach außen solle sie Vertrauen ermöglichen und stützen. Außerdem müsse sie einen Nutzen haben. Beispielsweise werde Nachhaltigkeit immer mehr zum Entscheidungsfaktor für Kreditgeber. Für sie könne ein Bericht eine Entscheidungsgrundlage sein. Bereits am Vortag hatten 16 „junge Experten“ ihre Erwartungen an die Tagung formuliert. Der Tenor fiel kritisch aus. Die 20-jährige Jasmin Burgermeister etwa, die für zwei Jahre als UN-Jugenddelegierte für Nachhaltige Entwicklung amtiert, mahnte stellvertretend für die jungen Experten die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsinitiative an. Die Industrie dürfe Nachhaltigkeit nicht als Modethema behandeln. Auch reiche es nicht aus, Fortschrittsindikatoren zu entwickeln, an denen sich die Branche messen lassen wolle. Stattdessen müsse sie sich an den Erwartungen der Zivilgesellschaft orientieren. Diese formuliere die Kriterien dafür und nicht die Industrie. Dr. Winfried Dolderer B Hinweis: Auf den Folgeseiten erfahren Sie mehr aus den Workshops. Service: Weitere Informationen zur Veranstaltung unter www.chemiehoch3.de 9 Nachhaltigkeit 10 chemie report 11.2015 Workshop 1 Workshop 2 Ein professionelles Lieferkettenmanagement ist zentraler Hebel für nachhaltiges Wirtschaften in der gesamten Wertschöpfungskette. Darüber waren sich die Teilnehmer des Workshops einig. Transparenz ist wichtig, um Akzeptanz und Vertrauen bei Stakeholdern und Öffentlichkeit aufzubauen. Sie muss aber auch nach innen wirken, um Prozesse im Unternehmen zu steuern. Nachhaltige Lieferketten gestalten – gemeinsame Aktivitäten der Chemie Nachhaltigkeit sichtbar machen – Transparenz in der Chemie Was nachhaltiges Lieferkettenmanagement leisten kann und muss, diskutierten die Teilnehmer dieses Workshops. Dass ein professionelles Lieferkettenmanagement ein zentraler Hebel für nachhaltiges Wirtschaften sei, darüber waren sich alle Teilnehmer einig. Doch hätten Käufer und Lieferant nicht immer ein gemeinsames Verständnis darüber, was „nachhaltig“ sei, so Thomas Udesen von der Bayer HealthCare AG. Wichtig sei es daher, den Zulieferern die Anforderungen mit eindeutigen Beschreibungen verständlich zu machen. Regulierungen könnten helfen, Nachhaltigkeit in den Lieferbeziehungen zu verankern. Die Gefahr sei aber groß, dass nicht beabsichtigte Effekte entstehen und Unternehmen sich aus einzelnen Regionen zurückziehen, ohne dass sich die Lage vor Ort verbessert. Als Beispiel nannte Malte Hauschild von der Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die amerikanische Gesetzgebung zu Konfliktmineralien aus dem Kongo. Trotz Verbots, Rohstoffe von dort zu beziehen, sei eine Besserung der Lage im Konfliktgebiet bisher nicht erreicht worden. Wichtiger sei es, freiwillige und flexible Lösungen zu finden, um auf einem partnerschaftlichen Weg Ziele zu erreichen. Die größten Hebel für mehr Nachhaltigkeit beim Rohstoffeinkauf sind laut Franziska Killiches von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe die Hüttenwerke und Rohstoffbörsen: Diese seien neuralgische Punkte für eine nachhaltige Rohstoffgewinnung. Mit gemeinsamen Konzepten und Initiativen, die diese Punkte gezielt in den Blick nehmen, könne es gelingen, den Rohstoffeinkauf nachhaltig zu gestalten. Romina Laumann von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit betonte, dass ein gutes Zusammenspiel von staatlicher Entwicklungshilfe und Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften am Standort des Zulieferers fördern könne. Unternehmen hätten damit eine wichtige Rolle bei der Entwicklungspolitik. C Wie kann Transparenz zur Förderung von Nachhaltigkeit beitragen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Workshops. Eike Messow von der Sto SE betonte, dass Transparenz eng mit dem Bedürfnis nach Vertrauen und Glaubwürdigkeit verbunden sei. Transparenz solle zum einen der Gefahr entgegenwirken, mit Nachhaltigkeit Green-Washing zu betreiben. Zum anderen solle Nachhaltigkeit in Unternehmen als Grundlage für eine „gute“ Entscheidung dienen. Eine vernünftige Faktenbasis über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte benötigten auch Anleger, wenn sie in nachhaltige Betriebe investieren wollen, unterstrich Volker Weber vom Forum Nachhaltige Geldanlagen. Er verspricht sich von der EU-Richtlinie zur Berichterstattung über Corporate Social Responsibility (CSR) eine wichtige Hilfe, um an Firmendaten heranzukommen. Auch Annette Schmidt-Räntsch vom Umweltbundesministerium sieht in CSR-Berichten eine Stütze für die Betriebe. Für Eick von Ruschkowski vom Naturschutzbund Deutschland e. V. sind neben der Berichterstattung auch Governance-Strukturen in den Unternehmen wichtig. Hierbei sei es wesentlich, wo das Nachhaltigkeitsmanagement in den Betrieben organisatorisch verankert sei. Die Teilnehmer waren sich einig, dass Nachhaltigkeit nur mit Transparenz glaubwürdig sei. Dabei seien jedoch die verschiedenen Zielgruppen und ihr Wissensstand zu berücksichtigen. Die Informationen müssten daher in einem unterschiedlichen Detaillierungsgrad in Bezug auf Fakten und Daten aufbereitet sowie an die Sprache der Zielgruppe angepasst werden. Mit Blick auf die große Datenflut sei es notwendig, dass Unternehmen die wesentlichen Fakten herausfiltern und sich dann auf die Faktoren konzentrieren, bei denen der größte Veränderungsbedarf bestünde. Seien diese Voraussetzungen erfüllt, könne eine „gute“ Transparenz gelingen, die sowohl dem Unternehmen als auch den Stakeholdern nutze. Konsens erzielten die Workshop-Teilnehmer ebenfalls darin, dass Unternehmen mithilfe von Transparenz gesellschaftliche Akzeptanz für ihre „license to operate“ erreichen könnten. C 11.2015 chemie report Nachhaltigkeit Workshop 3 Workshop 4 Es muss kontinuierlich nach Potenzialen gesucht werden, um die Energie- und Ressourceneffizienz zu steigern. Dabei muss schon bei der Rohstoffgewinnung angesetzt werden. Soziale Nachhaltigkeit ist schwer zu fassen und lässt sich nur bedingt in ein Bewertungsschema pressen. Es braucht Mut und Einbindung aller Beteiligten, so die Teilnehmer. Ressourcen effizienter nutzen – Beispiele und Perspektiven aus der Chemie Soziale Nachhaltigkeit messen – Chemie3-Indikatoren in der Entwicklung Wie lassen sich Ressourcen effizienter nutzen, was wurde schon erreicht, welche neuen Wege muss man gehen? Darüber diskutierten die Teilnehmer im Workshop Ressourceneffizienz. Andreas Kicherer von der BASF SE betonte, die Chemie habe schon viel geleistet, die Ressourceneffizienz liege bei 99 Prozent. Dennoch bedeute auch der Rest noch eine Menge Abfall. Rohstoff- und Abfallkosten zu sparen sei ein wichtiger Treiber, um besser zu werden. Auf der Produktseite versuche man, mit weniger Rohstoffeinsatz mehr Nutzen zu erzeugen. Alois Vedder vom World Wide Fund For Nature Deutschland gab zu bedenken, dass trotz der erzielten Effizienzgewinne der Rohstoffverbrauch in Deutschland steige. Innovationen seien die Lösung, wofür entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten. Außerdem sei die Internalisierung externer Kosten unvermeidlich, um Anreize zu schaffen. Auch Harald Bajorat vom Bundesumweltministerium forderte, dass der Ressourcenverbrauch absolut sinken müsse. Da gebe es Dissens mit der Industrie. Das Thema Ressourceneffizienz sei seit 2008 auf der politischen Agenda. Noch sei da vieles freiwillig. Auch er erhofft sich von der Forschung Fortschritte. Katja Saulich vom VDI Zentrum Ressourceneffizienz sagte, kleine und mittlere Unternehmen hätten häufig ein Kapazitätsproblem, um das Thema Ressourceneffizienz anzugehen. Jeder Prozess erfordere eine genaue Analyse und hänge meist mit anderen zusammen. Das verhindere oft, gut laufende Prozesse zu ändern. Um kleinere Unternehmen zu unterstützen, brauche es einen Erfahrungsaustausch. In der Diskussion rückte die Lieferkette in den Fokus: Schon hier werde viel verschwendet. Um Einfluss nehmen zu können, dass bei Abbau und Verarbeitung von Rohstoffen Nachhaltigkeit eine Rolle spielt, sei die Marktmacht entscheidend. Auch die Konsumenten müssten umdenken. Sie müssten entscheiden, was sie wirklich brauchen und so zu weniger Ressourcenverbrauch beitragen. C Was soziale Nachhaltigkeit ist und wie man sie belegen kann, lautete die Frage dieses Workshops. Hintergrund ist das Vorhaben von Chemie3, Fortschrittsindikatoren zu entwickeln. IG BCE und BAVC erläuterten die Methode zur Entwicklung der sozialen Indikatoren sowie den aktuellen Arbeitsstand. Professor Dennis Lotter von der Hochschule Fresenius, der die Indikatoren gemeinsam mit den Sozialpartnern entwickelt, machte deutlich, dass es bisher keine allgemein akzeptierte Definition von sozialer Nachhaltigkeit gebe. Hier müsse man im Dialog zu einem Grundverständnis kommen. Martin von Broock vom Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik e. V. erläuterte, das Soziale bezöge sich auf Teilhabe, Solidarität und Fairness. Menschen müssten sich einbezogen fühlen, um innovativ zu sein. Das „Messen“ sozialer Nachhaltigkeit sei dabei nur eine Annäherung an das, was sei, und habe seine Tücken. Es könne dazu führen, dass nur gemacht werde, was auch gemessen wird. Jochen Wilkens, Hauptgeschäftsführer beim Arbeitgeberverband ChemieNord, betonte, die Sozialpartnerschaft in der Chemie sei weltweit die einzige, die sich ausdrücklich mit Nachhaltigkeit befasse. Dabei begegne man sich auf Augenhöhe, es ginge um gute Arbeit und um gute Gewinne. Soziale Nachhaltigkeit sei wichtig, um Mitarbeiter zu binden. Dafür müsse man Geld in die Hand nehmen. Torsten Christen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales sagte, es komme darauf an, wie „hart“ das sei, was man vereinbaren möchte, welche Rechte und Pflichten sich daraus ergäben. Vieles ließe sich nicht erzwingen. Man müsse versuchen, möglichst viele einzubinden und konflikthafte Diskussionen zulassen. In der Diskussion zeigte sich, dass sich nachhaltiges Handeln im Unternehmen nur bedingt in ein Berichtsschema pressen ließe, sondern in erster Linie eine bestimmte Form zukunftsorientierten Denkens sei. Dafür seien eine offene Diskussionskultur, Mut und Einbindung aller Beteiligten notwendig. C 11 Nachhaltigkeit chemie report 11.2015 CHEMIE3FORTSCHRITTSBERICHT 2015 Den Fortschrittsbericht 2015 gibt es zum Herunterladen unter: www.chemiehochdrei.de Chemie3 legt ersten Fortschrittsbericht vor Die gemeinsame Nachhaltigkeitsinitiative des VCI, der IG BCE und des BAVC hat ihren ersten Fortschrittsbericht vorgelegt. Darin beschreiben die Allianzpartner ihre gemeinsamen Aktivitäten und erste Resultate seit dem Start der Initiative im Mai 2013. Kern der bisherigen Arbeit von Chemie3 waren die Verankerung der zwölf Leitlinien zur Nachhaltigkeit für die chemische Industrie in Deutschland sowie die Etablierung eines Dialogs mit wichtigen Stakeholdern. „Höchste Priorität geben wir dem Ziel, die Initiative in die Breite der Branche zu tragen“, betont VCI-Präsident Marijn Dekkers in dem Bericht. Das speziell für kleine und mittelständische Unternehmen erarbeitete Unterstützungsangebot zur Umsetzung der Leitlinien bringt Chemie3 diesem Ziel näher. Zu den wichtigsten Fortschritten zählt die im Sommer 2014 eingerichtete und seither kontinuierlich ausgebaute Online-Plattform für Mitglieder www. chemiehoch3.de. Die Mitglieder können sich dort beispielsweise über die konkrete Bedeutung der Leitlinien, GoodPractice-Beispiele, Leitfäden und Förderprogramme des Bundes informieren. 12 Auch in Fachveranstaltungen zu ausgewählten Themen erhielten die Mitglieder Hilfestellung zur Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Unternehmenspraxis. Der Fortschrittsbericht stellt zudem einzelne Werkzeuge für Mitgliedsunternehmen, wie den eigens entwickelten Chemie3 -NachhaltigkeitsCheck und erste Praxiserfahrungen aus Unternehmen, vor. „In keinem anderen Land und in keinem anderen Industriezweig arbeiten Industrie, Arbeitgeber und Gewerkschaft gemeinsam und so systematisch an dem Ziel, Nachhaltigkeit in einer ganzen Branche zu etablieren“, unterstreicht Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE, das Engagement von Chemie3. KONTINUIERLICHER AUSTAUSCH Darüber hinaus dokumentiert der Fortschrittsbericht den kontinuierlichen und kritischen Austausch mit wichtigen Stakeholdern. Bereits vor dem offiziellen Start der Initiative und bei der Ausarbeitung ihrer zwölf Leitlinien hatten die Allianzpartner wichtige Stakeholder und ihre Erwartungen zur Nachhaltigkeit in der chemischen Industrie eingebunden. „Wir nutzen den Dialog mit den Stakeholdern auch, um die Bedeutung von wirtschaftlichem Erfolg für die Zukunft aller herauszustellen. Denn ohne diesen Erfolg kann die Branche keine Lösungen für globale Herausforderungen und damit Antworten auf ökologische und soziale Fragen entwickeln“, so Dekkers. Der Fortschrittsbericht belegt nicht nur die weitere Ausgestaltung dieses konstruktiv-kritischen Dialogs, sondern veröffentlicht auch erstmals Fragen und Forderungen ausgewählter Stakeholder und die gemeinsamen Stellungnahmen der Allianzpartner dazu. Zu den wichtigsten weiteren Zielen von Chemie3 bis 2017 zählt die Ausarbeitung neuer Fortschrittsindikatoren zur Nachhaltigkeit. Anhand dieser sollen sich ökonomische, ökologische und soziale Erfolge der Branche entlang der zwölf Leitlinien künftig messen lassen. Vor allem bei den sozialen Indikatoren beschreiten die Allianzpartner Neuland: „Dieser Diskussionsprozess ist intensiv und braucht Zeit, aber er lohnt sich“, hebt Margret Suckale, Präsidentin des BAVC, hervor. „Ende 2016 werden sich dann – zum ersten Mal überhaupt – die Sozialpartner einer Branche auf eine gemeinsame Definition verständigen, was soziale Nachhaltigkeit bedeutet und wie sie gemessen werden kann.“ c 11.2015 chemie report Fonds der Chemischen Industrie Eine anspruchsvolle experimenttelle Ausrichtung der Lehre hre ist Markenkern und Güttesi esiege egel der Chemieege ausbildung in n Deutschland. Sonderaktion für Studiengänge Über 1 Million Euro für mehr Qualität in der Chemie-Lehre Der Fonds der Chemischen Industrie (FCI) hat jetzt zum dritten Mal rund 1,1 Millionen Euro bewilligt, um die Qualität der Lehre in Chemiestudiengängen zu verbessern. Mit den Geldern soll vor allem die experimentelle Ausstattung in den Praktika der geförderten Universitäten und Fachhochschulen modernisiert werden. Mit 1,1 Millionen Euro an Fördermitteln möchte das Förderwerk der Branche zum dritten Mal nach 2013 und 2014 die Lehre in Chemiestudiengängen verbessern. Die Gelder sollen vor allem die experimentelle Ausstattung in den Praktika der geförderten Universitäten und Fachhochschulen modernisieren helfen. „Mit dieser Sonderaktion wollen wir dazu beitragen, dass die Qualität der Chemiestudiengänge in Deutschland gezielt gestärkt wird“, sagt FCIGeschäftsführer Gerd Romanowski. Eine anspruchsvolle experimentelle Ausrichtung der Lehre sei Markenkern und Gütesiegel der Chemieausbildung hierzulande. Diese gelte es zu erhalten. Die Fachbereiche Chemie / Chemieingenieurwesen der folgenden Universitätsstandorte profitieren von der Finanzspritze des FCI: Bayreuth, Berlin (FU), Berlin (TU), Chemnitz, BTU CottbusSenftenberg, Düsseldorf, Frankfurt, Heidelberg, Kaiserslautern, Kiel, Konstanz, Mainz, Oldenburg und Regensburg. Beim diesjährigen Förderwettbewerb haben sich außerdem die folgenden Fachhochschulen durchgesetzt: BTU Cottbus-Senftenberg, Provadis School of International Management Förderwerk für die Chemie: Der Fonds der Chemischen Industrie wurde 1950 gegründet und ist das Förderwerk des Verbandes der Chemischen Industrie. Er stellt 2015 über 12 Millionen Euro für die Grundlagenforschung, den wissenschaftlichen Nachwuchs und den Chemieunterricht an Schulen zur Verfügung. Weitere Details unter www.vci.de/fonds and Technology, Hochschule Hannover, Hochschule Anhalt, Nürnberg. GROSSE NACHFRAGE BEI HOCHSCHULEN Bis zu 100.000 Euro, die Obergrenze je Förderung, haben einige der 18 unterstützten Hochschulen erhalten. Eine Eigenbeteiligung von 20 Prozent zusätzlich zu den Fonds-Geldern war Bedingung für die Förderung. Diese Kopplung hat dazu geführt, dass der Fonds insgesamt rund 260.000 Euro an staatlichen Investitionen mobilisieren konnte. Auch diese Mittel fließen in die Anschaffung von Geräten. Die Ausschreibung der FCI-Sonderförderung ist auch in diesem Jahr auf große Resonanz gestoßen: Insgesamt haben sich 32 Universitäten und Fachhochschulen um die Fördermittel beworben. cla 13 Wirtschafts- und Marktanalysen chemie report 11.2015 ENTWICKLUNG DER CHEMIEPRODUKTION IN DEN USA Chemie ohne Pharma; Index 2010=100; saisonbereinigt 120 24 115 18 110 12 105 6 100 0 95 –6 90 85 Produktion, u saisonbereinigt n n Veränderung n g gegenüber Vorjahr h –12 –18 –24 80 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Von alter Größe weit entfernt: Die Chemieproduktion in den USA hat sich in den ersten drei Quartalen dieses Jahres robust aber wenig dynamisch entwickelt. Das Vorkrisenniveau des Jahres 2007 ist noch immer unerreicht. Die ie e US USA A sind de derr wichh tigste ti i Exportmarkt für die de d uts utsche che Ch Chemi em mie. mie. K pp Kna p 10 Pro Pro rozen zentt der zen der Chemieaus Ch ausfuh f ren gingen 2014 gin 4 dorthin. Wichtigster deutscher Chemie-Exportmarkt im Fokus USA ohne Höhenflüge auf Wachstumskurs Die Ausfuhren von Chemikalien und Pharmazeutika aus Deutschland in die USA sind im bisherigen Jahresverlauf rasant angestiegen. Im dritten Quartal bildete Amerika damit einen Gegenpol zur Entwicklung der Chemiemärkte in Asien und Europa. Wird es künftig so weitergehen? Ungeachtet dessen konnte der USArbeitsmarkt im dritten Quartal, trotz eines eher schwachen BIP und schwacher Industriezahlen, deutlich Fahrt aufnehmen. Das Lohnwachstum zog an, und die Arbeitslosigkeit ging weiter zurück. CHEMIE WÄCHST MODERAT Der derzeitige Aufschwung der US-amerikanischen Wirtschaft ist robust. Langfristiges Wachstum in kleinen Schritten ist sicher. Im dritten Quartal ist das BIP in den USA zwar nur um 0,4 Prozent gewachsen. Neben notwendigen Lagerkorrekturen belasteten sinkende Investitionen in der Öl- und Gasförderung die wirtschaftliche Entwicklung. Auch der starke Dollar und die erwartete Leitzinserhöhung der Federal Reserve Bank im Dezember hemmen das Wirtschaftswachstum. Es wäre die erste Zinsanhebung in den USA nach fast zehn Jahren. Experten gehen davon aus, dass das Ende der expansiven Geldpolitik die Industriekonjunktur schwächen könnte. 14 Die US-Industrie hat ihr altes gesamtwirtschaftliches Gewicht nach der Finanzkrise von 2007 noch nicht wieder erreicht. Die Industriekonjunktur entwickelt sich dennoch stetig nach oben, wenn auch langsam. Die heimische Chemieproduktion ohne Pharma stagnierte im dritten Quartal 2015 gegenüber den vorangegangenen drei Monaten. Die Importe aus Deutschland konnten gleichzeitig zulegen, weil der schwache Euro deutsche Chemieprodukte verbilligte. In seiner aktuellen Langfristprognose schätzt der VCI das Potenzialwachstum der US-Chemie bis 2030 auf jährlich 2,4 Prozent. Dies bedeutet für den wichtigsten Produktionsstandort deutscher Chemie- und Pharmaunternehmen außerhalb Deutschlands stabiles Wachstum. Auftrieb bekommt die Chemie in den USA dabei durch das Schiefergas – die Investitionen in diesem Bereich steigen trotz jüngster Schwankungen mittelfristig an. Das Vorkrisen-Produktionsniveau der Chemie ist noch nicht wieder erreicht. Das wird auch noch einige Zeit dauern, selbst wenn die Mehrzahl der angekündigten Investitionen realisiert wird und in den nächsten Jahren neue Produktionskapazitäten in den Markt kommen. Carolina Hupfer ([email protected]) Service: Der VCI hat seinen „USA Kurzbericht“ aktualisiert. Das PDF zur US-Chemie finden Mitglieder auf VCI-Online zum Download (Login erforderlich): http://bit.ly/VCIKurzbericht-USA-2015 11.2015 chemie report Wirtschafts- und Marktanalysen ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN CHEMIEPRODUKTION Veränderung ggü. Vorjahr in Prozent, Index 2010 = 100 10 105 5 1,1 110 100 0 P Produktion, , ssaisonbereinigt i Veränderung V n ggü. Vorjahr g h 95 –5 –10 2012 2013 2014 Veränderung in Prozent zum Vorquartal zum Vorjahr Produktion – 1,4 2015 Einen Gang zurückgeschaltet: Die deutsche Chemieproduktion ist im dritten Quartal um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr lag sie aber immer noch 1,1 Prozent höher. + 1,1 ohne Pharma – 0,8 – 1,1 Erzeugerpreise + 0,6 – 2,1 Umsatz – 2,5 – 1,5 Umsatz Inland – 1,0 – 2,0 Umsatz Ausland – 3,5 – 1,0 Quartal 2/2015 Quartal 3/2015 83,5 82,6 Kapazitätsauslastung (in Prozent) 90 2011 INDIKATOREN ZUR DEUTSCHEN CHEMIEINDUSTRIE 3. Quartal 2015 Chemie (inkl. Pharma) Service: Den VCI-Quartalsbericht 3/2015 finden Sie auf www.vci.de im Bereich „Die Branche“, Rubrik „Wirtschaftliche Lage“, zum Download. Direktlink: http://bit.ly/VCIQB32015 Quellen: Statistisches Bundesamt, VCI, ifo-Institut Bericht des VCI zur wirtschaftlichen Lage der Branche im 3. Quartal 2015 Leichter Dämpfer im Chemie- und Pharmageschäft Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland konnte ihren bisherigen Wachstumskurs im dritten Quartal 2015 nicht fortsetzen. Das geht aus dem aktuellen Quartalsbericht hervor, den der VCI Anfang November veröffentlicht hat. Von Juli bis September sind sowohl die Produktion als auch der Umsatz in Deutschlands drittgrößter Industriebranche im Vergleich zum Vorquartal zurückgegangen. In Deutschland litt das Chemiegeschäft unter der schwachen Industrienachfrage während der Sommermonate. Außerdem rutschten die Exporterlöse ins Minus: Auf dem wichtigsten Auslandsmarkt, Europa, war die Nachfrage trotz stabiler Industrieproduktion rückläufig. Die Ausfuhren in andere Regionen konnten diese Entwicklung wegen der Wachstumsschwäche in China und anderen Schwellenländern nicht ausgleichen. VCI-Präsident Marijn Dekkers erklärte zur konjunkturellen Entwicklung der Branche: „Im dritten Quartal erleben wir ein schwächeres Chemiegeschäft. Für die nächsten Monate erwarten wir einen wechselhaften Markt mit nur moderaten Wachstumsimpulsen sowohl im Inland wie auch in Europa und Asien.“ Prognose: Der VCI geht für 2015 weiterhin von einem Plus bei der deutschen Chemie- und Pharmaproduktion von 1,5 Prozent aus. Die Chemikalienpreise sinken voraussichtlich um 2,5 Prozent, sodass der Branchenumsatz bei rund 191 Milliarden Euro stagniert. Produktion: Im dritten Quartal 2015 ist die Chemieproduktion in Deutschland im Vergleich zum Vorquartal um 1,4 Prozent zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg sie um 1,1 Prozent. Die Kapazitätsauslastung der Branche sank leicht auf 82,6 Prozent. Erzeugerpreise: Die Preise für Chemieprodukte erhöhten sich im dritten Quartal 2015 im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten leicht um 0,6 Pro- zent. Gegenüber dem Vorjahr waren Chemikalien aber 2,6 Prozent günstiger. Umsatz: Nach der leichten Erholung in den Vormonaten sank der Branchenumsatz von Juli bis September. Der Rückgang betrug gegenüber dem Vorquartal 2,5 Prozent. Auslöser waren das Inlandsund das Auslandsgeschäft. Mit fast allen Weltregionen war der Umsatz im dritten Quartal rückläufig. Beschäftigung: Die Zahl der Arbeitsplätze in der Chemie- und Pharmaindustrie ist im dritten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorquartal konstant geblieben. Die Branche beschäftigt damit derzeit weiterhin rund 447.000 Mitarbeiter. cla 15 Mittelstandsinformation chemie report 11.2015 Han an nns-E E. Zül E. Zülcch ch „ e Eink „D „Di in auf uffssko ko k op ope perattio p io ion onen nb bie bi i te ten seh hr gute Le L ist stung ung ng gen en und d eiinen t len Serv to tol rvi viice e – und d das das a G Ga an nze ze e au auch ch ch ffür fü ü kl klein einere ein i ere e Mitte tte telst t lsst ständ än ä ndler ndle .“ “ Zuelch nutzt vier VCI-Einkaufskooperationen Gute Leistungen und toller Service Die Zuelch Industrial Coatings GmbH bietet spezialisierte Lacke und Beschichtungen für die Industrie. Verlassen kann sich das mittelständische Unternehmen auf die vier VCI-Einkaufskooperationen Warenkreditversicherung mit Zurich, Paket- und Expressdienste mit DPD, sowie Kfz-Beschaffung und Einkaufsoptimierung mit EuroPrice Consulting. Wenn es bunt wird im Harz, dann taucht gerade der Herbst die Blätter und Wälder in einen Farbenrausch. Mit Farben kennt sich auch die Firma Zuelch Industrial Coatings aus, ihr Fachwissen reicht jedoch noch weiter: Seit mehr als 50 Jahren stellt das Familienunternehmen funktionale Lacke und Beschichtungen her. Am Firmensitz in Osterode-Lerbach am Harz produzieren dabei 35 Mitarbeiter rund 1.000 Tonnen Speziallacke jährlich und trugen so im letzten Jahr zu einem Umsatz von 5 Millionen Euro bei. Kunden sind unter anderem die Automobilindustrie mit Zulieferern, Maschinen- und Anlagenbauer, aber auch Spielzeughersteller und Instandhaltungsunternehmen. Dem Lack- und Druckfarbenverband (VdL) trat Zuelch bereits 1959, im Jahr der Firmengründung, bei. Die Firma ist auch Mit- 16 glied im Ausschuss Selbständiger Unternehmer (ASU) des VCI. Rund 3.200 Warensendungen verschickt Zuelch jährlich an 500 Kunden in Deutschland und der ganzen Welt. Abgesichert werden alle Sendungen durch die Warenkreditversicherung der Zurich. Von früheren Versicherungen des Unternehmens hebe sich diese vor allem dadurch hervor, dass sie flexibler und günstiger sei – bei besserer Leistung: „Durch die günstigere Prämie und preiswertere Anfragen sparen wir mit der Einkaufskooperation Warenkreditversicherung mehrere tausend Euro im Jahr. Eine Auskunftei ist nicht mehr notwendig, die Informationen kommen direkt und aktuell von Zurich selbst“, so Hanns-E. Zülch, Geschäftsführer von Zuelch. „WEITER SO!“ Für die jährlich rund 200 Paketlieferungen nutzt das Unternehmen die Kooperation Paket- und Expressdienste mit dem DPD. „Das lohnt sich für uns finanziell, obwohl wir relativ wenige Sendungen per Paketdienst verschicken“, erklärt Zülch. Darüber hinaus hilft die Kooperation mit EuroPrice Consulting, bei der Kfz-Beschaffung rund 12 bis 17 Prozent einzusparen. Mit dem Service war Sven Schünemann, kaufmännischer Leiter bei Zuelch, so zufrieden, dass er auch die ebenfalls von EuroPrice Con- sulting angebotene Kooperation Einkaufsoptimierung und Lieferantenrecherche anfragte. „Als SpezialitätenHersteller benötigen wir häufig geringe Mengen eines Rohstoffs. Die Einkaufsoptimierung durch EuroPrice hat sich für uns schon beim ersten Projekt gelohnt. Bei gleichbleibender Produktqualität konnten wir 38 Prozent einsparen, bei Folgeprojekten im Schnitt 10 bis 15 Prozent“, betont Schünemann. „Die effiziente und unkomplizierte Zusammenarbeit werden wir in Zukunft weiter ausbauen.“ Aufmerksam geworden war HannsE. Zülch auf die Einkaufskooperationen durch eine Veranstaltung des Lackverbandes. Seitdem ist er von dem Angebot überzeugt: „Die Einkaufskooperationen bieten sehr gute Leistungen und einen tollen Service – und das Ganze auch für kleinere Mittelständler. Da kann ich nur sagen: Weiter so!“ Timo Breiner Die Chemie WirtschaftsförderungsGmbH bietet zurzeit 18 Einkaufskooperationen für alle Mitgliedsfirmen des VCI und seiner Fachverbände an. Ansprechpartnerin: Sabine Knirsch, [email protected], Telefon: 069 2556-1653. 11.2015 chemie report KURZNACHRICHTEN Mittelstandsinformation Complian Co ance ce Korruption bekämpfen Besucherreise zur „PaintIndia 2016“ Anlässlich der Messe „PaintIndia 2016“, die vom 21. bis 23. Januar 2016 in Mumbai stattfindet, bietet die Messe Nürnberg interessierten Unternehmensvertretern aus Deutschland eine Besucherreise an. Schwerpunkte der „PaintIndia“ sind die Bereiche Farben, Lacke, Beschichtungen und Oberflächenveredelung. Neben dem Besuch der Veranstaltung sind Betriebsbesichtigungen und ein Treffen mit Vertretern der deutsch-indischen Industrie- und Handelskammer geplant. Service: Informationen zur PaintIndia 2016 erhalten Sie online unter www.paintindia.in oder im VCI bei Herrn Stuhl ([email protected]). Mittelstand investiert wieder mehr Steigende Zuversicht in einen tragfähigen Aufschwung in Deutschland und Europa bewegt kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland zu mehr Investitionen. Laut dem aktuellen KfWMittelstandspanel haben mittelständische Betriebe 2014 12 Milliarden Euro für Anschaffung oder Erhalt von Anlagen ausgegeben. Das ist ein Zuwachs von 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr und gleichzeitig der höchste Stand seit 2008. Laut KfW investieren die Unternehmen auch wieder verstärkt in Erweiterungen. Das sei ein deutliches Zeichen für die Vertrauenszunahme. C Handbuch für Unternehmenskäufe in Deutschland und China Im vergangenen Jahr hat eine Arbeitsgruppe aus Anwaltschaft und deutschen Unternehmensjuristen in Zusammenarbeit mit chinesischen Juristen ein zweiteiliges Handbuch über Mergers und Acquisitions in Deutschland und China erarbeitet. Das durch die deutsch-chinesische Rechtskommission unter der Ägide des Bundeswirtschaftsministeriums und des chinesischen Ministry of Commerce erarbeitete Manual leistet Firmen praxisrelevante Hilfestellung bei Planung und Durchführung des Erwerbs eines Unternehmens. Band I des M&A-Guides informiert deutsche Investoren über Recht und Praxis von M&A-Transaktionen in China. Chinesische Investoren finden in Band II eine detaillierte Beschreibung der rechtlichen, wirtschaftlichen und geschäftspraktischen Investitionsbedingungen in Deutschland. Service: Das Handbuch finden Sie bei der GTAI zum Download: http://bit.ly/MAGermanyChina Artikelserie Teil 2: Am 15. Oktober 2015 hat der Bundestag das Korruptionsbekämpfungsgesetz angenommen. Das Gesetz dient vor allem der Umsetzung internationaler Übereinkommen zur Korruptionsbekämpfung. Eine Analyse als zweiter Teil der chemie-report-Serie „Compliance im Mittelstand“: Durch das neue Korruptionsbekämpfungsgesetz wird in § 299 Strafgesetzbuch (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) zusätzlich zum bisherigen „Wettbewerbsmodell“ (Strafgrund: Vorteil als Gegenleistung für unlautere Bevorzugung im Wettbewerb) ein „Geschäftsherrenmodell“ eingeführt. Demnach liegt ein strafbares Verhalten zukünftig auch dann vor, wenn ein Angestellter im geschäftlichen Verkehr beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen „ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil […] dafür fordert, dass er […] eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze“. Ebenso wird das entsprechende pflichtwidrige Anbieten von Vorteilen bestraft. Einschlägige Pflichten gegenüber dem Unternehmen können sich zum Beispiel aus Gesetz oder Vertrag ergeben. Ein bloßer Verstoß gegen Compliance-Vorschriften durch (pflichtwidrige) Annahme des Vorteils reicht für die Strafbarkeit nicht aus, vielmehr muss der Vorteil die Gegenleistung für die Pflichtverletzung sein. Die Möglichkeit einer (nachträglichen) Genehmigung durch das Unternehmen besteht nicht. Allerdings wird der Tatbestand des § 299 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Antragsberechtigt ist der Verletzte, also hier vor allem das Unternehmen. Im Vorfeld des Bundestagsbeschlusses hatte der BDI das neue „Geschäftsherrenmodell“ kritisiert. Zum einen böten bereits die Tatbestände der Unterschlagung, des Betrugs und der Untreue sowie zivil- und arbeitsrechtliche Instrumente ausreichenden Schutz. Zum anderen werde durch die Neuregelung nicht der Wettbewerb, sondern ein individuelles Interesse des Geschäftsherrn geschützt. Zumindest konnten aber noch Verbesserungen in der Formulierung des § 299 StGB im Hinblick auf seine Bestimmtheit erreicht werden. Mit dem neuen Gesetz wird unter anderem auch die Geltung des deutschen Strafrechts auf im Ausland begangene Taten der Bestechlichkeit und Bestechung von Amtsträgern sowie der Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme ausgeweitet. Parallel sollen durch das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen die neuen Straftatbestände Bestechlichkeit / Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a/299b StGB) eingeführt werden. Dominik Jaensch ([email protected]) Neues s Ge Gesetz zur Korr zur rrup upti up tion ti onson s bekä be k mpf mpfung fung 17 Umwelt chemie report 11.2015 VCI-Innovationsstudie bei der DECHEMA vorgestellt Radikales Umdenken erforderlich zunehmend komplexen Kooperationen in der Wertschöpfungskette ein radikales Umdenken erfordern. Das betrifft die Innovationskultur in den Unternehmen, die Produktportfolios sowie die Etablierung neuer Geschäftsmodelle und Kooperationsformen. Hinterfragt werden sollte auch, ob bei der AushandDas erste Kolloquium war den unterneh- lung von FuE-Kooperationsverträgen IP-Rechte nicht zu sehr im Vordergrund mensinternen Hemmnissen, Innovationen schneller in den Markt einzuführen, stehen – und zwar bei Unternehmen wie bei der Wissenschaft. gewidmet. Dr. Juan Rigall, Santiago, stellte die Studienergebnisse vor. Wie Unternehmen mit den Ergebnissen INDUSTRIE UND WISSENSCHAFT GEFORDERT umgehen, berichteten Dr. Arndt Das zweite Kolloquium widmete sich Schlosser, Wacker Chemie, und Prof. Themen, bei denen Wissenschaft und Gerd Schnorrenberg, Boehringer Ingel- Industrie gleichermaßen beteiligt sind: heim. Kommentiert wurde dies von FuE-Kooperationen und der Dialog zu Dr. Jürgen Stebani, polyMaterials, und neuen Technologien mit der GesellProf. Gerhard Sextl, Fraunhofer Institut schaft. Nach der Vorstellung der Stufür Silikatforschung. In der anschliedienergebnisse erläuterte Dr. Thomas ßenden Diskussion mit dem Publikum Weber, BASF, den Nutzen von Kooperawurde deutlich, dass die Beschleunitionen zwischen Unternehmen und der gung des Innovationsprozesses und die Wissenschaft in der Chemie. Wissen zu Die von IW Consult und Santiago erstellte VCI-Innovationsstudie ist am 29. Oktober und am 5. November in zwei Kolloquien diskutiert worden, die die wissenschaftlich-technische Gesellschaft DECHEMA und der VCI gemeinsam veranstaltetet haben. teilen, befördere Innovationen. Er wies aber auch auf aktuelle Hemmnisse für den weiteren Ausbau der Kooperationen hin – etwa die „Transparenzgesetze“ einiger Bundesländer, die zum Teil eine weitreichende Offenlegung der Kooperationsinhalte mit der Wissenschaft verlangen. Auch der EU-Beihilferahmen für Forschung, Entwicklung und Innovation macht Kooperationen mit der Wissenschaft bürokratisch und teuer. Denise Rennmann, Bayer, betonte, dass sich Unternehmen und Wissenschaft gemeinsam dem Dialog zu neuen Technologien widmen müssen – und zwar stärker als in der Vergangenheit. Prof. Jörg Sauer und Torsten Fleischer vom Karlsruher Institut für Technologie und der Wissenschaftsjournalist Dr. Arndt Reuning wiesen darauf hin, dass Offenheit und Vertrauen die Basis für erfolgreiche Kooperationen und einen guten Dialog mit der Gesellschaft seien. Dr. Hans-Jürgen Klockner ([email protected]) Pilotphase abgeschlossen Geruchsprüfung von Bauprodukten im Test Auf einer Konferenz in Dessau haben Fachleute Anfang Oktober über die Geruchsprüfung von Bauprodukten beraten. Veranstalter waren das Umweltbundesamt (UBA), das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), die Bundesanstalt für Materialprüfung und Forschung (BAM) und der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB). Hauptthema der Konferenz waren die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Sensorische Bewertung von Emissionen aus Bauprodukten“, das UBA und AgBB gemeinsam durchgeführt hatten. Ziel war es, die sensorische Prüfung zu einem Teil der gesundheitlichen Bewertung bei der Zulassung von Bauprodukten zu machen. Um die Praxistauglichkeit der sensorischen Prüfung zu testen, waren vom UBA zwei Ringversuche mit Prüflaboren durchgeführt worden. Das Fraunhofer Wilhelm-Klauditz-Institut untersuchte 18 dabei die Validität des Sensorik-Prüfverfahrens ISO 16000-28. Anwesende Industrievertreter bewerteten bei der Konferenz Möglichkeiten und Grenzen der vorgestellten Prüfverfahren sowie die Bedeutung für die Praxis aus Sicht der betroffenen Branchen. WISSENSCHAFTLICHE PRÜFUNG NÖTIG Der VCI und die Fachverbände Deutsche Bauchemie (DBC), Industrieverband Klebstoffe (IVK) und Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) haben dabei klargemacht, dass eine Übernahme von Geruchsprüfungen in gesetzliche Zulassungen von Bauprodukten nicht angemessen wäre und deshalb abgelehnt wird. Die wenigen bekannten Vorfälle, zum Beispiel Reklamationen von Verbrauchern, rechtfertigen eine solche Prüfung nicht. Geruchsprobleme hängen häufig an Kombinationseffekten, Feuchtigkeit oder Verarbeitungsmängeln, die durch die Prüfung von Neuprodukten nicht identifiziert werden können. Die Prüfmethode hat außerdem Schwächen, die eine seriöse Produktbewertung nicht erlauben. Grundsätzlich positiv sehen die Verbände aber die Entwicklung eines Verfahrens auf streng wissenschaftlicher Grundlage. Das im Forschungsprojekt beschriebene Prüfverfahren wurde in einer 4-jährigen Pilotphase validiert. Dabei wurden die von der betroffenen Industrie eingebrachten Kritikpunkte untersucht und bewertet. Der VCI und die betroffenen Fachverbände VdL, IVK und DBC arbeiten in der dafür zuständigen AgBBArbeitsgruppe „Sensorik“ aktiv mit, die die Pilotphase organisiert und begleitet hat. Hermann Köhler ([email protected]) Service: Die Konferenzvorträge finden Sie beim UBA zum Download. Link: http://bit.ly/Geruch_Bauprodukte 11.2015 chemie report REACH EU nimmt CMR-Stoffe in Verbraucherprodukten stärker ins Visier Mehr Schnellverfahren für die Stoffbeschränkung Die Europäische Kommission möchte das Inverkehrbringen und die Verwendung von krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden Stoffen der Kategorie 1A oder 1B in bestimmten Kategorien von Verbraucherprodukten in einem vereinfachten Verfahren beschränken. Die REACH-Verordnung sieht vor, dass die EU-Kommission ein vereinfachtes Verfahren für die Beschränkung von krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen (CMR-Stoffen) der Kategorie 1A oder 1B vorsehen kann (Artikel 68 (2)). Das gilt für diese Stoffe als solche oder wenn diese in Gemischen oder Erzeugnissen vorkommen und diese von Verbrauchern genutzt werden. In einem vereinfachten Verfahren sind die üblichen Schritte eines Beschränkungsverfahrens nicht vorgesehen. Es fehlen also unter anderem die Vorbereitung eines Stoffdossiers mit einer öffentlichen Konsultation dazu sowie das Einholen von Stellungnahmen der ECHA-Ausschüsse für Risikobeurteilung (RAC) und für sozioökonomische Analysen (SEAC). Bisher wurde das vereinfachte Verfahren fast ausschließlich für die Beschränkung des Inverkehrbringens und der Verwendung von CMR-Stoffen der Kategorie 1A oder 1B als solche und in Gemischen verwendet, die zum Verkauf an die breite Öffentlichkeit bestimmt sind. Die Beschränkungen sind im REACHAnhang XVII gelistet und gelten, wenn bestimmte Konzentrationsgrenzen überschritten werden. TEXTILERZEUGNISSE UND BEKLEIDUNG Nun möchte die EU-Kommission sich aber nicht mehr nur Einzelstoffen widmen, sondern plant stattdessen Beschränkungen für ganze Listen von CMR-Stoffen der Kategorie 1A oder 1B in Gruppen von „Erzeugnissen“, also Verbraucherprodukten. Eine Liste der durch die jeweilige Beschränkung betroffenen Stoffe würde als spezielle Anlage dem REACH-Anhang XVII beigefügt. Als ersten Testfall hat die Kommission Textilerzeugnisse und Bekleidung aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit einer Verbraucherexposition gegenüber möglicherweise enthaltenen CMRStoffen ausgewählt. Die Kommission hat eine vorläufige Liste mit 291 solcher Stoffe erstellt, die möglicherweise in Textilerzeugnissen und Bekleidung enthalten sein können, und eine öffentliche Konsultation gestartet. Da dies nach derzeitigem Stand die einzige Möglichkeit zur Stellungnahme ist, sollten betroffene Unternehmen sich an der Online-Umfrage beteiligen. Mit der Aktion möchte die EU-Kommission bis zum 22. Januar 2016 folgende Informationen sammeln: A Vorkommen der identifizierten CMR-Stoffe, ihrer Konzentration und Funktion in Verbraucherprodukten, A mögliche sozioökonomische Auswirkungen einer Beschränkung und A Informationen zur Durchsetzbarkeit. Künftig kommen aus Sicht der EUKommission weitere Verbraucherprodukte für das vereinfachte Beschränkungsverfahren infrage, zum Beispiel Babyartikel sowie Sport- und Freizeitartikel. Ulrike Zimmer ([email protected]) Service: Die Online-Umfrage der EU-Kommission zur Beschränkung von CMRStoffen finden Sie unter diesem Link: http://bit.ly/Umfrage-CMR-Stoffe In Tex Textil ti ien un nd Bekl B kleid eidung n sollll nacch den n Planungen der EU-Kommission die Verwendung von 291 CMR-Stoffen beschränkt werden. 19 11.2015 chemie report Service Neue Adresse des Brüsseler VCI-Büros Das Europabüro des VCI in Brüssel zieht um. Ab 1. Dezember 2015 lautet die neue Adresse: Rue Marie de Bourgogne 58, 1000 Brüssel, Belgien. Telefon, Telefax und E-Mail bleiben gleich. Auf VCI-Online finden Sie eine Anfahrtsbeschreibung unter: www.vci.de/der-vci/organisation-struktur/ europabuero-bruessel TERMINE DES VCI DATUM EREIGNIS 07.12.2015 VCI/IW-Veranstaltung zur Innovationsstudie 09.12.2015 Jahres-Wirtschaftspressekonferenz des VCI 2015 01.03.2016 VCI-Presseabend zur Chemiekonjunktur 2015/2016 23.09.2016 VCI-Mitgliederversammlung 2016 09.11.2016 Informationsveranstaltung des VCI zu REACH und CLP ORT Berlin Frankfurt Frankfurt Düsseldorf Frankfurt TERMINE DER VCI-LANDES- UND -FACHVERBÄNDE (weitere Termine siehe VCI-Online unter www.vci.de/services/termine-veranstaltungen) 03./04.05.2016 Mitgliederversammlung Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie Frankfurt 12.05.2016 Mitgliederversammlung PlasticsEurope Deutschland 02.06.2016 Mitgliederversammlung Verband der Mineralfarbenindustrie Nürnberg 07.06.2016 Mitgliederversammlung I & P Europe – Imaging and Printing Association Frankfurt 17.06.2016 Mitgliederversammlung Deutsche Bauchemie Bamberg N.N. Impressum chemie report Herausgeber Verband der Chemischen Industrie e. V., Mainzer report LandstraßeHerausgeber 55, 60329 Frankfurt Impressum chemie Verbandam derMain, Che- Politische Top-Themen im VCI* Politische Top-Themen im VCI* Telefon: 2556-0, 069 Landstraße 2556-1471, E-Mail: [email protected], Internet: mischen 069 Industrie e.Telefax: V., Mainzer 55, 60329 Frankfurt am Main, www.vci.de, ISSN: 1436-1736 Redaktionsschluss 11.11.2015 Auflage 6.500 Telefon: 069 2556-0, Telefax: 069 2556-1471, E-Mail: [email protected], Internet: Exemplare Manfred Ritz (mr) Redaktion OliverAuflage Claas (cla, Leiwww.vci.de,Verantwortlich ISSN: 1436-1736 Redaktionsschluss ???tt.mm.jjjj 6.500 tung), Angelika Becker (CvD), Jenni Glaser Sebastian Kreth (sk),(cla, Jürgen Exemplare Verantwortlich Manfred Ritz (mr)(jgl), Redaktion Oliver Claas LeiUdwari (udj), Monika von Zedlitz (mvz) Leserservice E-Mail: chemiereport@ tung), Angelika Becker (CvD), Jenni Glaser (jgl), Sebastian Kreth (sk), Jürgen vci.de, 069 2556-1496, 069 2556-1613 Druckchemiereport@ auf Papier aus UdwariTelefon: (udj), Monika von ZedlitzTelefax: (mvz) Leserservice E-Mail: nachhaltiger Waldwirtschaft, Essen Fotos Matej Kastelic/ vci.de, Telefon: 069 2556-1496,druckpartner, Telefax: 069 2556-1613 Druck auf Papier aus Thinkstock Christan Kruppa/BDI (2), Bayer AG (3, 12???, l.), Bayer Fotolia.com: nachhaltiger(1), Waldwirtschaft, druckpartner, Essen Fotos AG (3), de_nise (3 unten); kalafoto (7);idée, WavebreakMediaMicro weitere??? Grafiken ??? mon Königstein (Taunus) (13); (??) fotogestoeber (17); caimacanul (19), Susanne Eriksson/BMWi (4), VCI (5), Peter Lorenz/ BILDSCHÖN (6), Frank Nürnberger (8–11), Daniel Pilar (12 M.), BASF SE (12 r.), Mike Watson Images/Thinkstock (14), Zuelch Industrial Coatings GmbH (16), Mark Haertl (16 r.) 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Verbandes der Die orisierten Themen Top-Themen identifiziert Sie stehen imChemischen Jahr 2015 imIndustrie. Vordergrund Dokumente zu diesen und weiteren Branchenthemen finden Sie VCI-OnlineIndustrie. unter diesem der politischen und kommunikativen Arbeit des Verbandes derauf Chemischen Die Link zum Download: Dokumente zu diesenhttp://www.vci.de/top-themen und weiteren Branchenthemen finden Sie auf VCI-Online unter diesem Link zum Download: http://www.vci.de/top-themen
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